Schlafmedizin und Neurologie am Universitätsklinikum Münster (UKM)

Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Problem in Deutschland, und ihre Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Gesundheit der Betroffenen sollten nicht unterschätzt werden. Das Universitätsklinikum Münster (UKM) hat sich in der Vergangenheit intensiv mit der Diagnose und Behandlung von Schlafstörungen auseinandergesetzt und bietet spezialisierte Versorgung für Patienten mit neurologischen Erkrankungen, die von Schlafstörungen betroffen sind.

Die Bedeutung des Schlafs und die Vielfalt der Schlafstörungen

Fast jeder zehnte Deutsche leidet an Schlafstörungen. Gesunder Schlaf ist eine der wichtigsten Grundlagen unserer Lebensqualität. Schlafstörungen können zu gravierenden körperlichen und psychischen Folgeerkrankungen führen, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder schweren Depressionen.

Prof. Dr. Peter Young, der ehemalige Leiter der Sektion Schlafmedizin und des Schlaflabors am UKM, betonte, dass es über 90 verschiedene Diagnosen von Schlafstörungen gibt. Er bevorzugte den englischen Begriff „sleep disorder“, da der Begriff „Schlafstörung“ oft verniedlichend wirkt. Zu den häufigsten Schlafstörungen gehören:

  • Narkolepsie: Eine neurologische Erkrankung des Schlaf-Wach-Rhythmus, die zu starkem Schlafdrang und Schlafzwang am Tag führt.
  • Insomnien: Ein- und Durchschlafstörungen.
  • Schlafbezogene Atmungsstörungen: Schnarchen, Schlafapnoe und nächtliche Atempausen. Die häufigste Ursache einer schlafbezogenen Atemstörung ist ein Verschluss der oberen Atemwege durch Kollaps der Schlundmuskulatur während des Schlafes, das sogenannte Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Patient*innen mit einem Schlafapnoe-Syndrom haben darüber hinaus auch ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Unfälle. Daher ist notwendig, eine effektive Therapie einzuleiten.
  • Parasomnien: Schlafwandeln, Alpträume mit abnormen Verhalten.
  • Restless-Legs-Syndrom: Syndrom der unruhigen Beine.

Die Rolle der Neurologie in der Schlafmedizin

Am UKM besteht weiterhin der Bereich beatmungsmedizinischer und schlafmedizinischer Versorgung für primär neurologische Erkrankungen, insbesondere der neuromuskulären Erkrankungen. Hintergrund der Verknüpfung der zwei Fachbereiche: Atmungsstörungen als Symptom von Nerven-Muskelkrankheiten - sogenannten Neuromuskulären Erkrankungen - und Atmungsstörungen als schlafmedizinische Krankheit sind sehr ähnlich, zum Teil gibt es sogar Überschneidungen. „Genetisch bedingte Nerven-Muskelkrankheiten schreiten sehr langsam fort und zeigen sich oft zuerst durch Schlafstörungen und Atemaussetzer. Sie müssen genau untersucht werden. Nur so kann die richtige Behandlung eingeleitet werden“, sagt Klinikdirektor Prof. Dr. Peter Young.

In der Klinik für Innere Medizin des UKM Marienhospitals können Patient*innen mit ausgewählten neurologischen Symptomen und Krankheitsbildern stationär diagnostiziert und behandelt werden. An der Schnittstelle zwischen Innerer Medizin und Neurologie wird im Bereich Neurologie der beatmungsmedizinische Schwerpunkt der ehemaligen Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen des Universitätsklinikums Münster (2013-2019) weitergeführt.

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Besondere Expertise besteht hier für Patient*innen, die an schweren und fortschreitenden neuromuskulären Erkrankungen wie z. B. der amyotrophen Lateralsklerose, der spinalen Muskelatrophie, an Muskeldystrophien sowie metabolischen, mitochondrialen und kongenitalen Myopathien leiden. Für diese Diagnosegruppen haben wir ein überregionales Einzugsgebiet.

Diagnostik und Behandlung von Schlafstörungen

Die Diagnose einer Schlafstörung erfolgt im Zusammenspiel von Expertinnen aus den Bereichen Schlafmedizin, Neurologie und Psychologie mit Zahnärztinnen und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurginnen. Die Erstdiagnose erfolgt häufig durch einen Schlafmediziner*in. Die Verdachtdiagnose einer Schlafstörung kann durch Hausärztinnen oder Hauszahnärztinnen gestellt werden. Aufgrund der Vielschichtigkeit von Schlafstörungen ist eine ausführliche Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) erforderlich.

Schlaflabor

Im Schlaflabor werden die Patienten vor dem Einschlafen „verkabelt“. Eine vollständige Untersuchung umfasst sowohl Messungen des Schlafverlaufs, der Schlaftiefe und Schlafqualität, als auch Messungen von verschiedenen körperlichen Signalen wie Herzschlag (Elektrokardiogramm, EKG), Muskelanspannung (Elektromyogramm, EMG), Atmung, Sauerstoffsättigung und die Bewegungen der Beine per Videoaufzeichnung. Die Sensoren werden so befestigt, dass man sich damit im Bett normal drehen und bewegen kann, ohne dass sie abreißen. Ähnlich wie eine Armbanduhr werden die Elektroden auch schon nach kurzer Zeit nicht mehr bewusst wahrgenommen, weil sich die Haut an sie gewöhnt hat. Die entsprechenden Schlaflaboruntersuchungen umfassen insbesondere die kontinuierliche Atemgasmessung während des Schlafes. Sie ist für die Indikationsstellung einer nächtlichen nicht-invasiven Heimbeatmung bei Betroffenen mit krankheitsbedingter Schwäche der Atemmuskulatur unerlässlich. Sowohl die Einleitung als auch die langfristige Nachsorge einer solchen Heimbeatmung kann erfolgen.

Therapieoptionen

Mit der richtigen Therapie kann die nächtliche Atmungsstörung effektiv behandelt werden. Die Auswahl der Behandlungsmethode erfolgt durch ärztliche Expertinnen und basiert auf einem Stufenschema. Individuell werden die Lebensweise und die anatomischen Gegebenheiten der Patientinnen sowie der Schwergrad der obstruktiven Schlafapnoe berücksichtigt. Es bestehen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten. In manchen Fällen kann die Therapie durch eine Unterkiefervorschubschiene erfolgen oder eine chirurgische Operation notwendig werden. Zu den chirurgischen Therapiemöglichkeiten zählen die Kieferverlagerungen oder die Implantation eines Zungenschrittmachers.

  • Unterkieferprotrusionsschienen: Mit Hilfe von Unterkieferprotrusionsschienen (auch Unterkiefervorschubschienen genannt) wird der Unterkiefer mit der Zunge im Schlaf leicht nach vorne gezogen. Dadurch öffnen sich die Atemwege. Beim Zweischienensystem wird jeweils eine Schiene wird für den Ober- und Unterkiefer verwendet. Diese sind miteinander verbunden und gegeneinander verschieblich. Dadurch kann der Unterkiefer bis zum gewünschten Erfolg stufenweise nach vorne verschoben werden. Nach einer gründlichen zahnärztlichen Voruntersuchung wird der geeignete Schienentyp ausgewählt. Auf Basis von Gebissabdrücken und einer Registrierung des Bisses werden die Schienen hergestellt.
  • Umstellungsosteotomie der Kiefer: Um Engpässe im Rachenraum zu korrigieren, wird eine Umstellungsosteotomie der Kiefer oder Maxillo-mandibuläre Osteotomie durchgeführt. Dabei wird der Kiefer operativ einige Millimeter vorverlagert.
  • Zungenschrittmacher: Der Zungenschrittmacher oder Hypoglossusstimulator stellt eine weitere Option dar, wenn andere Behandlungen nicht möglich oder erfolglos sind. Beim Zungenschrittmacher werden Elektroden an den Zungennerv platziert, wo sie gezielt jene Fasern des Zungennervs stimulieren, die für das Herausstrecken der Zunge notwendig sind.

Veränderungen in der Schlafmedizin am UKM

Die Uniklinik Münster (UKM) hat ihre Struktur im Bereich der Schlafmedizin verändert. Es gibt keine Spezialklinik für schlafmedizinische Erkrankungen mehr. Das UKM verweist Patienten jetzt an die Schlaflabore und schlafmedizinischen Bereiche in der Region, etwa in Dülmen oder Gronau. Eine entsprechende Praxis gibt es auch im Franziskus-Hospital in Münster.

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Vor kurzem hatte dann der frühere Leiter der Schlafmedizin am UKM, Peter Young, die Klinik verlassen. Er ist jetzt Chefarzt einer Rehaklinik in Süddeutschland und auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin. Young bedauert den Schritt der Uniklinik "außerordentlich". Ein ähnliches Angebot wie an der Uniklinik in Münster gebe es jetzt nur noch an der Charité in Berlin.

Kompetenzzentren für Schlafmedizin in der Region

Mit dem Neurologen, Schlaf- und Palliativmediziner Prof. Dr. Matthias Boentert stellt sich das Klinikum Osnabrück noch besser für die Behandlung von Menschen mit Schlafstörungen auf. Mit dem 52-jährigen Boentert, der vorher viele Jahre als Oberarzt im Universitätsklinikum Münster (UKM) und als Leiter des Bereichs Neurologie am UKM-Marienhospital Steinfurt gearbeitet hat, wird ein neues Department für Schlafmedizin aufgebaut. Neben dem bereits bestehenden Ambulanten Schlafzentrum wird das neue Department auch einen stationären Bereich umfassen.

Nach den Worten von Boentert sind sehr viele Menschen mit z. B. Morbus Parkinson, Schlaganfall, neuromuskulären Erkrankungen und Epilepsien von Schlafstörungen betroffen. „Ich freue mich sehr, dass wir mit unserem stationären Angebot für diese Patientinnen und Patienten eine Versorgungslücke schließen können“, so Boentert.

Mit dem Department für Schlafmedizin entsteht am Klinikum Osnabrück ein Kompetenzzentrum, in dem alle Arten von Schlafstörungen untersucht und behandelt werden können - stationär wie ambulant. Laut Boentert kennt die Schlafmedizin über 80 verschiedene Erkrankungen bzw. Diagnosen, die durch ein großes Spektrum von Ursachen bedingt sein können und vielfach im neurologischen Bereich liegen. Häufige Krankheitsbilder sind die Schlafapnoe, die chronische - scheinbar grundlose - Schlaflosigkeit, verschiedene Arten des Schlafwandelns, Krankheiten mit extrem gesteigerter Tagesschläfrigkeit wie z. B. Narkolepsie und schlafbezogene Atmungsstörungen bei Betroffenen mit schweren Erkrankungen der Muskulatur oder des peripheren Nervensystems.

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