Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Alzheimer: US-Biotech-Unternehmen im Fokus

Die Alzheimer-Krankheit, eine der größten Herausforderungen für die moderne Medizin, betrifft allein in Deutschland etwa eine Million Menschen. Bisherige Therapien konnten lediglich die Symptome lindern, nicht aber die ursächlichen Prozesse im Gehirn beeinflussen. Doch nun gibt es neue Hoffnung: Das japanische Pharmaunternehmen Eisai und das US-Biotechnologieunternehmen Biogen haben gemeinsam mit Prof. Lars Lannfelt und dem schwedischen Biotech-Unternehmen Bioartic den Antikörper Lecanemab entwickelt, der vielversprechende Ergebnisse im Kampf gegen den kognitiven Abbau bei Alzheimer im Frühstadium zeigt.

Lecanemab: Ein Durchbruch in der Alzheimer-Therapie?

Die Ergebnisse einer Studie mit 1795 Teilnehmern, die an leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit litten, sind vielversprechend. Die Teilnehmer erhielten den Anti-Amyloid-Beta (Aβ) Protofibrillen-Antikörper Lecanemab. Im Vergleich zur Placebo-Kontrollgruppe zeigte die Lecanemab-Gruppe nach 18 Monaten eine signifikante Stabilisierung der klinischen Ergebnisse in Form einer Verlangsamung des kognitiven und funktionellen Rückgangs um 27 %.

Prof. betonte die Bedeutung dieses Ergebnisses als Durchbruch für Kliniker, die mit Alzheimer-Patienten arbeiten, und äußerte die gespannte Erwartung auf die detaillierten Studienergebnisse.

Klinisch bedeutsame Veränderungen

Die primäre klinische Messung in dieser Studie, die so genannte CDR-SB (Clinical Dementia Rating Scale-Sum of Boxes), ist eine Befragung der Patienten und der Betreuer zu den wichtigsten Aspekten der Kognition und der täglichen Funktionsfähigkeit. Dieses Instrument beschreibt aussagekräftige Veränderungen im Krankheitsverlauf. Die CDR-SB ist auch die von den Aufsichtsbehörden FDA und EMA empfohlene Ergebnisskala. Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass eine Verlangsamung des CDR-SB um etwa 30 % durch ein krankheitsmodifizierendes Medikament klinisch sinnvoll ist. Somit hat die Studie einen echten klinischen Nutzen für die Patienten gezeigt. Darüber hinaus zeigten andere Messungen, die die Kognition und das tägliche Funktionieren genauer untersuchten, die gleichen Auswirkungen.

Obwohl Lecanemab keine Heilung verspricht, eröffnet es die Möglichkeit, den Verlauf der Krankheit bei frühzeitiger Diagnose sinnvoll zu verlangsamen.

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Mögliche Nebenwirkungen und Herausforderungen

Wie bei allen Medikamenten gibt es auch bei Lecanemab potenzielle Nebenwirkungen. Amyloid-Antikörper können vorübergehende Veränderungen im Gehirn verursachen, die im MRT beobachtet werden können und als ARIA bezeichnet werden. Diese entstehen durch Veränderungen der Hirngewebsflüssigkeit und geringe Gefäßleckagen. In den meisten Fällen verursachen diese MRT-Veränderungen keine Symptome, manchmal treten leichte Symptome wie Schwindel oder Kopfschmerzen auf. Schwere Nebenwirkungen traten nur in sehr seltenen Fällen auf. Während bei einigen Antikörpern die Häufigkeit von ARIA bei bis zu 30 % aller behandelten Patienten liegt, scheinen sie bei Lecanemab weniger häufig aufzutreten.

Zulassung und Verfügbarkeit

Eisai und Biogen haben bereits die Zulassung für Lecanemab in den USA über die FDA und in Europa über die EMA beantragt. In den USA wurde dem Wirkstoff am 6. Januar 2023 unter dem Handelsnamen Leqembi eine vorläufige Marktzulassung erteilt, die vollständige Zulassung durch die FDA folgte am 6. Juli 2023. Die Europäische Kommission erteilte die Zulassung im April 2025. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September.

Die europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat für die EU grünes Licht für eine Alzheimer-Therapie gegeben. Sie empfiehlt die Zulassung des Antikörpers Lecanemab zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der Krankheit.

Frühzeitige Diagnose entscheidend

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Art von Therapie nur bei Menschen angewandt wird, bei denen die Alzheimer-Krankheit frühzeitig diagnostiziert wird. Es gibt derzeit keine Beweise dafür, dass Lecanemab in fortgeschrittenen Stadien mit fortgeschrittenem Verlust von Gehirnzellen und -gewebe wirkt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die richtige Diagnose so früh wie möglich zu stellen.

Biogen im Aufwind: Leqembi als Hoffnungsträger

Die Entwicklung und Zulassung von Leqembi hat auch das US-Biotechunternehmen Biogen in den Fokus gerückt. Mit einem Schlusskurs von 139,63 USD an der NASDAQ am Dienstag, einem Tagesplus von 5,6%, hat das Unternehmen ein kräftiges Lebenszeichen gesetzt. Leqembi ist längst zum Hoffnungsträger geworden - nicht nur für Patienten und Ärzte, sondern auch für Investoren, die auf eine neue Wachstumsstory im Pharma- und Biotechsektor setzen.

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Die Freigabe von Leqembi durch die US-Arzneimittelbehörde FDA markiert einen Meilenstein in der Geschichte von Biogen. Das Medikament zielt darauf ab, die Alzheimer-Krankheit in frühen Stadien zu verlangsamen - ein Feld, in dem es bislang kaum therapeutische Optionen gab. Der Markt für Alzheimer-Medikamente gilt als einer der größten unerschlossenen Märkte im Pharmasektor, mit einem potenziellen Volumen von mehreren Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Für Biogen bedeutet Leqembi nicht nur eine dringend benötigte Umsatzquelle, sondern auch die Chance, sich neu zu positionieren. In den vergangenen Jahren war das Unternehmen durch Patentausläufe, Preisdruck und enttäuschende klinische Studien unter Druck geraten. Leqembi könnte diesen Trend umkehren - vorausgesetzt, die Vermarktung gelingt und die Kostenerstattung durch Krankenversicherungen weltweit zieht mit.

Analystenstimmen: Zwischen Euphorie und Skepsis

Die Analysten haben ihre Einschätzungen zur Biogen-Aktie zuletzt erneuert. Die Kursziele und Empfehlungen sortieren sich nach Aufwärtspotenzial wie folgt:

  1. George Farmer (Scotiabank) Kursziel: 224 USD Upside: +60,42% Empfehlung: Kaufen Kernargumente: Farmer sieht in Leqembi den klaren Wachstumsmotor. Er betont, dass die Markteinführung bereits stark angelaufen sei und Biogen sich einen bedeutenden Marktanteil sichern könne. Zudem verweist er auf die Pipeline im Bereich Neurologie, die weitere Impulse liefern könnte.
  2. Sumant Kulkarni (Canaccord Genuity) Kursziel: 220 USD Upside: +57,56% Empfehlung: Kaufen Kernargumente: Kulkarni ist überzeugt, dass Biogen durch die Kooperation mit Eisai nicht nur von Leqembi, sondern auch von weiteren Forschungskooperationen profitieren wird. Er hebt hervor, dass die jüngste Kostenstruktur-Optimierung die Gewinnmargen deutlich verbessern könnte.
  3. Salveen Richter (Goldman Sachs) Kursziel: 197 USD Upside: +41,09% Empfehlung: Kaufen Kernargumente: Richter sieht Biogen klar in der Spur. Für sie ist die Akzeptanz von Leqembi durch Ärzte und Patienten entscheidend - und hier gebe es positive Signale. Zudem sei Biogen finanziell solide aufgestellt, um weitere Investitionen zu stemmen.
  4. Salim Syed (Mizuho Securities) Kursziel: 169 USD Upside: +21,03% Empfehlung: Kaufen Kernargumente: Syed betont die operative Stärke des Unternehmens und die erfolgreiche Partnerschaft mit Eisai. Allerdings mahnt er auch, dass die regulatorische Landschaft in Europa und Asien zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen könnte.
  5. Phil Nadeau (TD Cowen) Kursziel: 175 USD Upside: +25,33% Empfehlung: Kaufen Kernargumente: Nadeau verweist darauf, dass Leqembi die Umsatzbasis von Biogen nachhaltig erweitern könnte. Er sieht mittelfristig steigende Margen durch Effizienzgewinne.
  6. Terence Flynn (Morgan Stanley) Kursziel: 144 USD Upside: +3,13% Empfehlung: Halten Kernargumente: Flynn bleibt vorsichtig. Zwar erkennt er die Bedeutung von Leqembi an, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen. Er sieht das aktuelle Kursniveau bereits als fair bewertet und verweist auf Unsicherheiten bei der globalen Preisgestaltung.
  7. David Amsellem (Piper Sandler) Kursziel: 115-118 USD Downside: -15,49% Empfehlung: Halten Kernargumente: Amsellem sieht die Risiken überwiegen. Insbesondere die hohen Kosten für Forschung, Vermarktung und mögliche Nebenwirkungen von Leqembi könnten das Geschäft belasten. Zudem warnt er vor zu optimistischen Umsatzprognosen.
  8. Thomas Shrader (BTIG) Kursziel: nicht angegeben Empfehlung: Halten Kernargumente: Shrader bleibt neutral. Er sieht zwar Chancen, aber auch die Abhängigkeit von einem einzigen Blockbuster als Gefahr. Diversifizierung sei zwingend notwendig.
  9. Evan Seigerman (BMO Capital) Kursziel: 128 USD Downside: -8,33% Empfehlung: Halten Kernargumente: Seigerman verweist auf die Unsicherheiten in der internationalen Expansion. Besonders die Preisverhandlungen in Europa könnten die Margen belasten.
  10. William Pickering (Bernstein) Empfehlung: Halten Kursziel: nicht angegeben Kernargumente: Pickering sieht Biogen im Umbruch. Für ihn ist entscheidend, wie stark das Management die strategische Neuausrichtung vorantreibt.

Chancen und Risiken für die Biogen-Aktie## Chancen:

  • FDA-Freigabe als Wachstumstreiber: Leqembi könnte Milliardenumsätze generieren.
  • Kooperation mit Eisai: Zugang zu weiteren Innovationen und Märkten.
  • Breite Pipeline: Neben Alzheimer auch Neurologie und seltene Krankheiten im Fokus.
  • Finanzielle Stärke: Solide Bilanz und gute Cashflows sichern Investitionen.

Risiken:

  • Hohe Abhängigkeit von Leqembi: Ein einzelner Blockbuster trägt die Erwartungen.
  • Regulatorische Unsicherheiten: Zulassungen in Europa und Asien stehen noch aus.
  • Preis- und Erstattungspolitik: Krankenkassen könnten hohe Preise ablehnen.
  • Wettbewerb: Andere Pharmaunternehmen arbeiten ebenfalls an Alzheimer-Therapien.

Die Rolle von Amyloid-Plaques

Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die bei Alzheimer auftretenden Plaques zwischen den Nervenzellen wesentlich zum Absterben von Nervenzellen beitragen. Deshalb setzen viele Arzneimittel-Kandidaten an der Substanz an, aus der sie bestehen: dem Beta-Amyloid-Protein. Ein Typ dieser Medikamente enthält gentechnisch hergestellte Antikörper, die sich an das Beta-Amyloid-Protein oder Vorstufen davon heften. Das Immunsystem baut dann das so markierte Protein ab, wodurch der Raum zwischen den Nervenzellen gereinigt wird. Dieser Ansatz wird auch „passive Immunisierung gegen Alzheimer“ genannt.

Die Studienergebnisse mit mehreren gegen Beta-Amyloid gerichteten Medikamente belegen, dass Beta-Amyloid-Plaques in der Tat eine relevante Rolle im Krankheitsgeschehen spielen. Wie zentral diese ist, ist damit aber noch immer nicht geklärt. Einige Wissenschaftler:innen weisen seit Jahren darauf hin, dass sich solche Plaques mitunter auch im Gehirn von Menschen finden, die in geistiger Klarheit gestorben sind. Andererseits sind Menschen, die aufgrund einer genetischen Besonderheit kaum Beta-Amyloid-Plaques bilden können, anscheinend vor der Krankheit geschützt. Der Alzheimer-Forscher Prof. Christian Haass, Universität München und DZNE, Bonn, äußerte 2018 bei einem Workshop der Paul-Martini-Stiftung zu Alzheimer die Vermutung, dass die Amyloid-Bildung in einem frühen Stadium den Krankheitsprozess vorantreibt, der dann aber auch unabhängig von Amyloid voranschreitet. Weil sich Beta-Amyloid schon früher zeigt als eine Demenz-Symptomatik, sei es plausibel, dass einige Menschen trotz Beta-Amyloid in geistiger Klarzeit sterben.

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Weitere Therapieansätze und Medikamente

Neben Lecanemab gibt es weitere vielversprechende Therapieansätze und Medikamente in der Entwicklung, die an verschiedenen Stellen in den Krankheitsprozess eingreifen. Dazu gehören unter anderem:

  • Aducanumab: Ein weiterer Antikörper, der von Biogen entwickelt wurde, jedoch von der EMA Ende 2021 nicht zur Zulassung empfohlen wurde.
  • Donanemab (Kisunla): Ein Antikörper-Medikament, das ebenfalls auf Amyloid-Plaques abzielt und seit dem 25. September 2025 für den EU-Markt zugelassen ist.

Kisunla (Donanemab): Eine Alternative zu Leqembi?

Kisunla (Wirkstoff: Donanemab) ist ein Antikörper-Medikament zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Kisunla kann bei Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden, das heißt bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) und leichter Alzheimer-Demenz, bei denen Amyloid-Plaques im Gehirn nachgewiesen wurden.

Donanemab ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gezielt gegen eine der Hauptursachen der Alzheimer-Krankheit, die Amyloid-Beta-Plaques, richtet und so den geistigen Verfall der Patientinnen und Patienten verlangsamen soll.

Leqembi vs. Kisunla - wichtige Unterschiede:

  • Kisunla wird alle vier Wochen verabreicht, das Ende der Therapie ist nach spätestens 18 Monaten.
  • Leqembi wird alle zwei Wochen gegeben und ist als Dauertherapie angelegt.
  • Leqembi weist eine geringere Rate an symptomatischen ARIAs auf, zeigt aber in Studien geschlechtsspezifische Unterschiede (geringere Wirksamkeit bei Frauen).

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