Uta Ranke-Heinemann war eine Theologieprofessorin, deren Wirken von Kritik, Engagement und schließlich von Demenz geprägt war. Ihr Leben war ein Spiegelbild gesellschaftlicher Umbrüche und innerkirchlicher Konflikte. Dieser Artikel beleuchtet ihr Leben, ihre Thesen und die Kontroversen, die sie auslöste.
Eine kritische Stimme in der Kirche
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck würdigte Uta Ranke-Heinemann als eine "hellwache und engagiert-kritische Intellektuelle". Ihre Lebensgeschichte zeige eine Frau, die Entwicklungen sensibel wahrnahm und sich klar positionierte. Diese Positionierungen führten oft zu Konflikten mit der katholischen Kirche, insbesondere wegen ihrer Zweifel an der Jungfrauengeburt Jesu.
Konflikt um die Jungfrauengeburt und Verlust der Lehrbefugnis
Nach einem Fernsehinterview, in dem sie das Dogma von der Jungfrauengeburt Jesu anzweifelte, entzog ihr der damalige Ruhrbischof Franz Hengsbach im Juni 1987 die Lehrbefugnis. Dieser Konflikt markierte einen Wendepunkt in ihrem Leben und verstärkte ihre Rolle als Kirchenkritikerin.
Kritik an Zölibat und Sexualmoral
In ihren Büchern und Talkshows übte Ranke-Heinemann scharfe Kritik an der Kirche, insbesondere am Zölibat und der Sexualmoral. Ihr Hauptwerk "Eunuchen für das Himmelreich" rechnete mit der "2.000-jährigen Geschichte der Sexualitätsfeindlichkeit der katholischen Kirche" ab und wurde zum Bestseller.
Politisches Engagement und Friedensaktivismus
Neben ihrer theologischen Arbeit engagierte sich Ranke-Heinemann auch politisch. Als Pazifistin und linke Ikone startete sie politische Initiativen und traf 1972 in Nordvietnam mit dem kommunistischen Ministerpräsidenten Pham Van Dong zusammen. In den 80er Jahren brachte sie sich aktiv bei der Friedensbewegung ein und kandidierte bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen für die "Friedensliste".
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Werdegang: Von der Vorzeige-Katholikin zur Kritikerin
Uta Ranke-Heinemann wurde am 2. Oktober 1927 in Essen geboren und wuchs in einer evangelischen Familie auf. Sie studierte in Oxford, Bonn, Basel und Montpellier evangelische Theologie, konvertierte aber 1953 zum Katholizismus. Nach ihrer Promotion 1954 war sie Dozentin am Erzbischöflichen Katechetinnenseminar in Bonn und ab 1965 an der Pädagogischen Hochschule in Neuss. 1980 wurde sie an die Universität Duisburg und 1985 an die Universität Essen berufen, wo sie Neues Testament und Alte Kirchengeschichte lehrte.
Studium mit Joseph Ratzinger
Zu ihren Mitstudenten gehörte Joseph Ratzinger, der später Münchner Erzbischof, Chef der vatikanischen Glaubenskongregation und Papst Benedikt XVI. wurde. Trotz ihrer gemeinsamen Studienzeit entwickelten sich Ranke-Heinemann und Ratzinger zu theologischen Gegnern.
Glaubenszweifel und Abschied vom traditionellen Christentum
Im neu aufgelegten Buch "Nein und Amen" (2002) bekundete sie verstärkte Glaubenszweifel und distanzierte sich vom traditionellen Christentum. Sie sah Jesus nur noch als einen Menschen und nicht als Gott.
Uta Ranke-Heinemann und der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche
Uta Ranke-Heinemann äußerte sich auch kritisch zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Sie kritisierte die Vertuschung von Fällen und die mangelnde Aufarbeitung durch die Kirche. Insbesondere die Rolle von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., als Präfekt der Glaubenskongregation wurde von ihr kritisiert.
Ratzingers Rolle in der Missbrauchsaufarbeitung
Als Präfekt der Glaubenskongregation war Kardinal Ratzinger jahrelang für jeden Missbrauchsfall zuständig, der sich in der Kirche ereignete. 2001 erließ er einen Apostolischen Brief, der die päpstliche Geheimhaltung für diese Fälle festschrieb, was die Aufklärung durch Polizei und Staatsanwaltschaft erschwerte.
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Kritik an Ratzingers Sichtweise auf den Missbrauchsskandal
Ranke-Heinemann kritisierte Ratzingers Erklärung für den Missbrauchsskandal, die er in einem Aufsatz im Jahr 2019 veröffentlichte. Ratzinger sah die Ursache des Missbrauchs in der sexuellen Revolution von 1968 und dem Glaubensverlust der Gesellschaft. Ranke-Heinemann wies darauf hin, dass die Missbrauchsfälle viel weiter zurückreichen und dass Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation die Verantwortung gehabt hätte, die Täter zu sanktionieren.
Späte Jahre und Demenz
In ihren letzten Lebensjahren zog sich Uta Ranke-Heinemann aus der Öffentlichkeit zurück. Ihr Sohn Andreas gab bekannt, dass sie an einer leichten Demenz leide. Trotz ihrer Erkrankung verfolgte sie die Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft weiterhin interessiert.
Ehrung im Essener Moltkeviertel
Am ersten Todestag von Uta Ranke-Heinemann wurde ein Platz im Moltkeviertel in Essen-Huttrop nach ihr benannt. Familienangehörige erinnerten sich mit emotionalen Worten an die streitbare Katholikin.
Erinnerungen des Sohnes
Andreas Ranke betonte die Verbundenheit seiner Mutter zum Moltkeviertel und erinnerte an ihre täglichen Spazierrunden. Er gab Einblicke in das Leben der Theologin, die zwölf Sprachen sprach, die Menschen liebte, aber Graffiti, Unordnung und Schnittblumen hasste.
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