Verliert man Gehirnzellen bei Kopfverletzungen? Eine umfassende Betrachtung

Kopfverletzungen sind ein ernstes Gesundheitsproblem, das von leichten Gehirnerschütterungen bis hin zu schweren Schädel-Hirn-Traumata reichen kann. Diese Verletzungen können durch Unfälle, Stürze, Schläge oder wiederholte Gewalteinwirkungen auf den Kopf verursacht werden. Während leichte Kopfverletzungen oft folgenlos ausheilen, können schwerere Verletzungen zu dauerhaften Schäden und dem Verlust von Gehirnzellen führen.

Was passiert bei einer Kopfverletzung im Gehirn?

Der Schädelknochen ist nicht fest mit dem Gehirn verbunden. Das Gehirn schwimmt innerhalb des Schädelknochens im Nervenwasser. Das Nervenwasser federt kleinere Stöße gut ab. Bei stärkeren Stößen schlägt das Gehirn von innen an den Knochen. Wenn das Gehirn an den Schädelknochen stößt, kann das zudem Blutgefäße verletzen und zu Blutungen führen. Blutungen in das Schädelinnere schädigen das Nervengewebe des Gehirns direkt. Blutungen in den Zwischenraum zwischen Gehirn und Schädelknochen wiederum drücken auf das Gehirn und können so zu neurologischen Symptomen führen.

Bei einer Kopfverletzung kann es zu einer schnellen Beschleunigung des Kopfes kommen, wodurch das Gehirn gegen die Schädelknochen gepresst wird. Schwerkräfte führen zu einer Stauchung oder Dehnung zentraler Nervenbahnen. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen kann kurzzeitig zusammenbrechen. In schwereren Fällen kann es zu Hirnzerreißungen und Blutungen kommen, die lebensbedrohlich sein können.

Hans Förstl von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München erklärt: "Wenn der Schlag gegen den Schädel zu schweren Hirnzerreißungen und Blutungen führt, kann das tödlich enden".

Die Auswirkungen von Gehirnerschütterungen

Gedächtnislücken bei Gehirnerschütterungen sind keine Seltenheit. Durch die schnelle Beschleunigung des Kopfes wird das Gehirn gegen die Schädelknochen gepresst. Schwerkräfte führen zu einer Stauchung oder Dehnung zentraler Nervenbahnen. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen kann kurzzeitig zusammenbrechen.

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Oft werden Sportlerinnen und Sportler trotz einer Gehirnerschütterung nach kurzer Pause wieder auf das Feld geschickt. Das bedeutet für die Betreffenden ein zusätzliches massives Risiko: das Second-Impact-Syndrom, also der Zweitschlag-Effekt. Dieser besagt: Wenn auf eine nicht abgeklungene Erschütterung eine weitere trifft, drohen oft bleibende Schäden.

"Kaputte Verbindungen zwischen den Nervenzellen kann das Gehirn in der regenerativen Phase teilweise wieder ausbilden", erklärt Hans Förstl. Gehirnerschütterungen können allerdings auch bleibende Schäden verursachen.

Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE)

Alle Patient:innen dieser neurodegenerativen Erkrankung haben eines gemein: Ein bestimmtes Protein namens Tau lagert sich im Gehirn dauerhaft an den falschen Stellen ein. Dabei dient Tau eigentlich als Stützskelett für Axone. Reißen diese Nervenleitungen durch eine Stauchung oder Dehnung des Gehirns, wird das Protein an diesen Stellen vermehrt freigesetzt. In ungebundener Form verkleben die feinen Mikrostrukturen zu Klumpen und können nicht mehr abtransportiert werden. Diese Verklumpungen verhindern die Kommunikation zwischen Nervenzellen, Zellen sterben ab, die weiße Hirnsubstanz schrumpft.

Langzeitfolgen von Kopfverletzungen

Die Folgen von Veränderungen der Gehirnstruktur durch Schädel-Hirn-Trauma können vielfältig sein. Viele Boxerinnen und Boxer entwickeln bereits während ihrer aktiven Zeit zumindest leichte kognitive Störungen. "Vor allem das Neugedächtnis verschlechtert sich, also was vor Stunden oder Tagen passiert ist. Denn genau diese Hirnstrukturen sind besonders empfindlich und liegen tief im Hippocampus", erklärt Hans Förstl.

Zehn bis 20 Prozent der Profiboxer:innen leiden ihr Leben lang unter anhaltenden neuropsychiatrischen Erkrankungen. Ihre motorischen Fähigkeiten lassen nach und sie haben ein erhöhtes Risiko, am Parkinson-Syndrom sowie an Alzheimer zu erkranken. Bei American-Football-Spieler:innen wurde dieser Zusammenhang ebenfalls nachgewiesen. Forscher der University of Boston scannten dafür die Gehirne von 202 bereits verstorbenen Footballspielern.

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Laut Angaben des Bundesinstituts für Sportwissenschaft ist auch beim Eishockey das Risiko hoch, zumindest ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma zu erleiden. Nach einer Auswertung von 664 schwedischen Profispielen sind Schädigungen des Kopfes im Eishockey mit 39 Prozent sogar die häufigsten Verletzungen. Die hohe Gefahr liegt unter anderem in den Geschwindigkeiten der Spieler:innen von über 50 Stundenkilometern und Pucks, die mit 170 Stundenkilometern und mehr übers Eis fliegen.

Häufen sich physische Einwirkungen auf den Kopf, steigt die Gefahr, auch längerfristige Hirnveränderungen davonzutragen.

Diagnose und Behandlung von Kopfverletzungen

Es kann schwierig sein, direkt das Ausmaß des Schädel-Hirn-Traumas und mitunter Spätfolgen der Verletzung einzuschätzen. Das können Störungen des Geruchssinns, der Sprache oder Lähmungen sein. Wichtig zu beachten - Beschwerden können verzögert auftreten. Die Symptome eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) reichen von kleinen Blessuren am Kopf, Blutergüssen oder oberflächlichen Hautverletzungen bis zu schwereren Folgen. Bei Symptomen wie einer Störung von Bewusstsein, Gedächtnis oder Sprache sowie Lähmungen oder Krampfanfällen sollte man unbedingt den Rettungsdienst rufen. Das ist auch nötig, wenn Blut oder Flüssigkeit aus der Nase oder dem Ohr austreten. Muss man sich kurze Zeit nach der Kopfverletzung erbrechen, sollte man ebenfalls ins Krankenhaus. Dort werden Betroffene intensivmedizinisch behandelt.

Für die Diagnose eines Schädel-Hirntraumas fragt der Arzt oder die Ärztin zunächst, wie es zu der Verletzung gekommen ist und untersucht die betroffene Person ausführlich. Entsteht dabei der Verdacht auf schwerere Verletzungen, helfen Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Damit lässt sich abschätzen, wie und wie stark das Gehirn betroffen ist.

Die Therapie hängt davon ab, wie schwer das Schädel-Hirn-Trauma ist. Je früher sie beginnt, desto besser ist die Prognose. Das oberste Ziel ist, das Leben des Patienten oder der Patientin zu retten. Am Unfallort kommt es zunächst darauf an, bei schweren Kopfverletzungen die lebenswichtigen Funktionen zu erhalten. Bei Gehirnblutungen und Schädelbrüchen ist häufig eine Operation notwendig. Betroffene mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma befinden sich in der akuten Phase im Koma, damit sich das Gehirn besser erholen kann. Im Krankenhaus werden sie intensiv überwacht. Manchmal wird auch eine Sonde gelegt, um zu verhindern, dass der Druck im Gehirn aufgrund einer Schwellung oder Blutung weiter steigt. Mit der Gabe von Antibiotika sollen Betroffene vor Infektionen geschützt werden. Bei Anzeichen auf eine Gehirnerschütterung sollten sich Betroffene in einer Rettungsstelle vorstellen. Dort wird entschieden, ob weitere Untersuchungen und eine anschließende Behandlung notwendig sind.

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Nach einem Schädel-Hirn-Trauma kann es zum Beispiel zeitversetzt zu einer Blutung zwischen der harten Hirnhaut und dem Schädelknochen (epidurales Hämatom) oder zwischen der harten Hirnhaut und dem Gehirn (subdurales Hämatom) kommen. Bei einem subduralen Hämatom ist eine Vene verletzt und es kommt zu Einblutungen zwischen zwei Schichten der Hirnhäute. Ein epidurales Hämatom entsteht meist durch eine arterielle Einblutung zwischen Schädeldecke und Hirnhaut - durch den hohen Druck in den Arterien entwickelt sich ein solches Hämatom sehr schnell. Sie können direkt nach der Gewalteinwirkung auf den Kopf oder verzögert eintreten.

Bei Blutungen ist es wichtig, das Gehirn von dem erhöhten Druck zu entlasten, die Blutung schnell zu entfernen, da diese auf das empfindliche Gehirn drückt und die Situation schnell lebensbedrohlich wird. Die Druckentlastung erfolgt in der Regel über die chirurgische Öffnung des Schädelknochens, das oft schon geronnene Blut wird entfernt und bei epiduralen Hämatomen die blutende Arterie verschlossen. So hat das Gehirn mehr Platz, sich auszudehnen. Gegebenenfalls muss das Blut über eine Drainage abgeleitet werden. Anschließend werden Drainagen eingelegt, um das Blut aus kleinen Nachblutungen abzuleiten.

Bei älteren Menschen kann es zu einer chronischen Subduralblutung kommen. Dabei treten einige Tage nach dem Trauma neurologische Störungen auf, die sich in der Folge immer weiter verstärken. Die Therapie ist auch in diesem Fall eine Öffnung des Schädels und die Einlage einer Drainage in die Blutung, die in der Regel über ein kleines Bohrloch erfolgt.

Bei schweren Schädel-Hirn-Traumen kommt es zudem zu einem Anschwellen des Gehirns. Um den Sauerstoffverbrauch des Gehirns zu reduzieren, werden die Betroffenen in Narkose versetzt und kontrolliert beatmet. Zur Drucksenkung wird der Oberkörper leicht hochgelagert und ein ausreichend hoher Blutdruck auf der Intensivstation sichergestellt. Bei einer schweren Schwellung erfolgt möglicherweise eine großflächige Entfernung des Schädelknochens, um dem geschwollenen Gehirn mehr Platz zu verschaffen.

Rehabilitation nach einem Schädel-Hirn-Trauma

Eine medizinische Rehabilitation (Reha) ist ein wichtiger Baustein der Behandlung nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Der Bedarf und die Leistungsfähigkeit zur Reha werden von den behandelnden Personen eingeschätzt. Auch der betroffene Mensch selbst soll, soweit möglich, bei der Entscheidung zur Reha mitwirken. Der Sozialdienst im Krankenhaus kann bei der Beantragung und Planung einer Reha weiterhelfen. Für Erwerbstätige trägt die Rentenversicherung die Kosten einer Reha. Wenn eine medizinische Reha beantragt werden soll, ist der behandelnde Arzt der erste Ansprechpartner. Reha-Leistungen können ambulant, stationär oder mobil erbracht werden. Ambulante Leistungen sind dabei, wenn möglich, zu bevorzugen. Sie finden wohnortnah in einer Klinik oder einem Rehazentrum statt. Nach der Behandlung können die Betroffenen abends nach Hause zurückkehren. Deshalb ist eine wichtige Voraussetzung die ausreichende Mobilität des Teilnehmenden.

Logopädie behandelt Störungen in der Kommunikation, beim Sprechen und Schlucken. Physiotherapie, oft auch Krankengymnastik genannt, hilft die motorischen Fähigkeiten, Beweglichkeit und Balance zu verbessern oder zu erhalten. Durch gezielte Übungen werden Muskelkraft, Gelenkmobilität, Koordination und Gleichgewicht trainiert. Sie hilft, Schmerzen zu lindern und die körperliche Funktion zu optimieren. Ergotherapie konzentriert sich auf Alltagsaktivitäten und hilft den Patienten, ihre Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu verbessern oder zu erhalten. Es geht um die Fähigkeit, tägliche Aufgaben und Tätigkeiten selbstständig durchzuführen. Sporttherapie verbessert Ausdauer, Kraft und allgemeine körperliche Fitness. Es kann auch dazu beitragen, das Fortschreiten von Symptomen einiger neurologischer Erkrankungen zu verlangsamen, wie zum Beispiel bei Parkinson.

Prävention von Kopfverletzungen

Ein vorbeugender Schutz des Kopfes ist eine wichtige Maßnahme im Alltag. Der Kopf ist empfindlich und man sollte ihn so gut wie möglich schützen. Daher sollte man Unfälle von vornherein vermeiden und Sicherheitssysteme nutzen, wie einen Sicherheitsgurt oder gut sitzenden Fahrradhelm. Speziell für Kinder und ältere Leute sollte man etwa im Haushalt Stolperfallen wie Teppichkanten oder Absätze beseitigen und glatte Böden vermeiden. Bewegungsgesteuerte Lichtquellen verringern das Sturzrisiko auch in der Nacht.

Kopfverletzungen im Sport

Schon längst werden Gefahren für Kopf und Gehirn nicht mehr nur in Sportarten wie Boxen oder Football genau beobachtet, sondern auch im Fußball. Ein Thema hier: Kopfbälle. Bis zu 1500 Kopfbälle pro Jahr, zeigen Studien, absolvieren Profis - je nach Position.

Dr. Matthias Pawlowski, Oberarzt in der Klinik für Neurologie am UKM (Universitätsklinikum Münster) erklärt: "Der einfache, sauber durchgeführte Kopfball ist wahrscheinlich nicht schädlich. Wenn Kopfbälle aber häufig und wiederholt durchgeführt werden, kann es sein, dass öfter leichte Traumata des Gehirns auftreten, die dann negative langfristige Folgen im Sinne von kognitiven Einschränkungen haben und das Risiko für die Entstehung einer Demenz erhöhen können. Bei Zusammenstößen - die wir gerade auch bei der EM im Fernsehen sehen -, wenn Spieler etwa im Sprung heftig gegeneinander prallen, kann es neben anderen Verletzungen auch zu einer Gehirnerschütterung kommen, die auch Folgen für das Gehirn haben kann."

Es gibt Hinweise, dass das sich entwickelnde Gehirn von Kindern anfälliger für Schäden in Folge von Schädel-Hirn-Traumata ist. Einige Verbände verbieten Kopfbälle bis zum elften Lebensjahr im Fußball grundsätzlich. Der DFB (Deutscher Fußball-Bund) empfiehlt, dass der Kopfball nur dosiert eingesetzt werden soll, ein grundsätzliches Verbot gibt es hier aber nicht.

Im Jugendsport können kleine und leichtere Bälle eingesetzt werden, man kann Flanken aus kürzerer Distanz und weniger scharf schießen und vor allem Kopfbälle nur sehr dosiert trainieren, also nicht zu viele auf einmal und mit ausreichenden Pausen dazwischen.

Sportarten ohne die Gefahr von regelmäßigen Hirntraumata haben in aller Regel positive Auswirkungen auf die Gesundheit.

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