Die Frage, ob man eine Alzheimer-Diagnose mitteilen sollte oder nicht, ist komplex und kann nicht pauschal mit Ja oder Nein beantwortet werden. Eine solche Diagnose ist zunächst ein Schock, ähnlich wie bei anderen schweren Erkrankungen. Sie kann jedoch auch helfen, bestimmte Verhaltensweisen zu verstehen und frühzeitig Entscheidungen zu treffen - vorausgesetzt, der Betroffene befindet sich in einem frühen Stadium der Erkrankung. Grundsätzlich hat jeder Betroffene das Recht, seine Diagnose zu erfahren. Es ist ratsam, Angehörige in die Entscheidung und Aufklärung über die Diagnose einzubeziehen.
Früherkennung von Alzheimer: Ein Blick in die Zukunft der Demenzdiagnostik
Die Alzheimer-Krankheit kann heute schon in frühesten Stadien erkannt werden, dennoch fristet die Früherkennung in diesem Bereich ein Schattendasein. Die Forschung arbeitet intensiv daran, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen und andere, seltenere Demenzen diagnostisch eindeutig zu ermöglichen.
Ein wichtiger Aspekt der Demenzdiagnostik ist die korrekte Abgrenzung verschiedener Demenzerkrankungen. Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen.
Der Weg zur Diagnose: Vom ersten Verdacht bis zur Gewissheit
Die meisten Demenzerkrankungen beginnen schleichend und bleiben oft lange unbemerkt. Wenn sich das Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig verschlechtern, ist die hausärztliche Praxis meist die erste Anlaufstelle.
1. Das Anamnese-Gespräch:
Zunächst findet ein ausführliches Anamnese-Gespräch statt, in dem die Ärztin oder der Arzt nach aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten und möglichen Risikofaktoren fragt. Im Anschluss folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung.
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2. Kognitive Tests:
Kognitive oder neuropsychologische Tests können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben. Diese Tests untersuchen verschiedene höhere Hirnfunktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sprache. Es gibt verschiedene Arten von Tests, von einfachen Kurztests bis hin zu ausführlichen Gedächtnistests.
- Kurztests: Ein Beispiel ist der Kurztest, bei dem drei Wörter vorgegeben werden (z.B. "Auto, Blume, Kerze"), gefolgt von einer kleinen Rechenaufgabe. Nach der Rechenaufgabe wird nach den drei Wörtern gefragt.
- Ausführliche Gedächtnistests: In der Gedächtnisambulanz wird beispielsweise ein Test durchgeführt, bei dem 15 Wörter mehrmals hintereinander gelernt werden müssen. Danach wird eine zweite Wortliste gelernt, und nach einer Weile wird erneut nach der ersten Wortliste gefragt.
3. Weitere Untersuchungen:
Welche weiteren Untersuchungen sinnvoll sind, hängt von der vermuteten Demenzform ab.
- Alzheimer-Krankheit: Der Nachweis bestimmter Proteine (Amyloid-beta, Tau) im Nervenwasser oder Blut kann die Diagnose absichern.
- Frontotemporale Demenz: Bildgebende Verfahren (MRT) sind besonders wichtig, um den für diese Form typischen Abbau im Stirn- oder Schläfenlappen zu erkennen.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Hier helfen zusätzliche Untersuchungen, etwa zur Beweglichkeit oder zum Schlafverhalten. Auch spezielle bildgebende Verfahren können zum Einsatz kommen.
- Vaskuläre Demenz: Die Diagnose basiert auf MRT-Aufnahmen, die Durchblutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder Schlaganfälle zeigen.
Auch psychologische Testverfahren können helfen, Demenzformen voneinander zu unterscheiden. Dank der Fortschritte in der Forschung ist es mittlerweile möglich, die Alzheimer-Krankheit auch per Bluttest zu erkennen. Allerdings können Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen.
Die Bedeutung einer frühen Diagnose
Viele Menschen mit Gedächtnisstörungen sind stark verunsichert und verbergen oder überspielen ihre Schwächen. Eine frühe Diagnose kann helfen, die Ursache der Beschwerden zu klären und den Betroffenen und ihren Angehörigen Klarheit zu verschaffen.
Prof. Dr. Christian Haass betont: „Alzheimer wird viel zu spät erkannt, um noch eine effiziente Therapie zu ermöglichen. Wir benötigen dringend eine zuverlässige Frühdiagnostik“.
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Neue Therapieansätze: Hoffnung durch Amyloid-Antikörper
Bislang war eine Diagnose der Alzheimer-Erkrankung in frühen Stadien nicht sinnvoll, da es keine effektiven Therapien gab. Studienergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass ein Amyloid-Antikörper das Fortschreiten der kognitiven Beeinträchtigungen in der Frühphase der Erkrankung verlangsamen könnte.
Bei Patienten mit milder kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder leichter Demenz konnte der Amyloid-Antikörper Lecanemab den Abbau der kognitiven Fähigkeiten um 27 % verlangsamen.
Prof. Dr. med. Frank Jessen betont: „Es handelt sich hierbei nicht um ein heilendes Medikament, und es handelt sich auch nicht um ein Medikament, das in der Lage ist, die Erkrankung vollständig zum Stillstand zu bringen. Aber es ist ein Meilenstein in der Alzheimer-Forschung, der in die Geschichtsbücher eingehen wird.“
Leben mit der Diagnose: Unterstützung und Selbstbestimmung
Die Diagnose Alzheimer-Demenz zu erhalten, ist für die meisten Menschen ein Schock. Manchmal macht die Diagnose jedoch auch zuvor unerklärliche Veränderungen des Verhaltens oder der Persönlichkeit begreiflich. Wie ein Mensch auf die Krankheit reagiert und mit ihr umgeht, hängt nicht nur von Veränderungen im Gehirn ab, sondern auch von seinem Charakter, seiner Lebensgeschichte, der aktuellen Lebenssituation und den Beziehungen zu anderen Menschen.
1. Umgang mit der Diagnose:
- Manchen Menschen gelingt es, auch mit der Alzheimer-Demenz ein aktives und zufriedenes Leben zu führen. Anderen fällt dies schwer.
- Unterstützung benötigen die meisten. Und auch für Angehörige und Freunde ist die Erkrankung eine große Herausforderung.
- Der Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen - etwa in Selbsthilfegruppen - wird von vielen als wertvoll erlebt.
2. Entscheidungen treffen:
- Im Laufe der Zeit müssen viele Entscheidungen getroffen werden: zur Unterstützung im Alltag genauso wie zur Behandlung, zur späteren Versorgung und zur passenden Wohnform (häusliches Umfeld, Pflegeheim, Wohngruppe).
- Menschen mit Demenz wollen sich dabei aktiv an Entscheidungen über ihre Belange beteiligen, solange es ihnen möglich ist. Ihnen ist es wichtig, dass viel mit ihnen und weniger über sie gesprochen wird.
- Für Angehörige ist es wichtig, in die Behandlungspläne einbezogen zu werden und Angebote zu erhalten, die zur persönlichen Situation und den eigenen Bedürfnissen passen.
3. Selbstbestimmung erhalten:
- Menschen mit Demenz haben das Recht auf Selbstbestimmung. Dieses Recht kann nur unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden.
- Vorausschauend kann jeder Mensch in einer Patientenverfügung die Einzelheiten einer gewünschten Versorgung für die Zukunft festlegen.
- Mit einer Betreuungsverfügung können Menschen mit Demenz vorab festlegen, wer bei Bedarf ihre Betreuung beziehungsweise gesetzliche Vertretung übernehmen soll.
Tipps für den Arztbesuch
Ein Besuch in einer neurologischen oder psychiatrischen Praxis oder einer Gedächtnissprechstunde kann für Betroffene mit Ängsten und Sorgen verbunden sein. Es ist wichtig, das Thema behutsam anzusprechen und einen respektvollen Rahmen zu schaffen, in dem sich Betroffene gut aufgehoben fühlen können.
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1. Vorbereitung:
- Berichten Sie Ihre Beobachtungen und Vermutungen in Bezug auf die Diagnose der Hausärztin oder dem Hausarzt.
- Machen Sie sich Notizen zu den erlebten Situationen, in denen sich möglicherweise demenzielle Veränderungen bemerkbar gemacht haben.
2. Begleitung:
- Menschen mit Demenz sollten von einer vertrauten Person in die Sprechstunde begleitet werden.
- Sorgen Sie für Ruhe und Kontinuität am Tag des Arztbesuchs und vermeiden Sie Zeitdruck.
3. Verhalten als Begleitperson:
- Strahlen Sie Ruhe und freundliche Gelassenheit aus.
- Vermeiden Sie es, zu argumentieren und die Untersuchung zu rechtfertigen.
Demenz vorbeugen: Ein gesunder Lebensstil als Schutzschild
Studien zeigen, dass bis zu 45 Prozent aller Demenzerkrankungen durch einen gesunden Lebensstil und die gezielte Beeinflussung von Risikofaktoren verhindert oder hinausgezögert werden können. Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte und geistige Aktivität spielen dabei eine zentrale Rolle.
Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Es gibt zahlreiche regionale Anlaufstellen für das Thema Demenz, die Sie mit Ihren Fragen und Sorgen kontaktieren können. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet eine gute Übersicht über Beratungsstellen, Gedächtnissprechstunden und Memory-Klinken.