Wadenkrämpfe sind ein weit verbreitetes Problem, das viele Menschen betrifft. Sie können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter Dehydration, Elektrolytungleichgewicht, Muskelüberlastung oder bestimmte Grunderkrankungen. Während einige Fälle von Wadenkrämpfen durch einfache Maßnahmen wie Dehnen, Massieren oder die Einnahme von Elektrolyten gelindert werden können, benötigen andere möglicherweise eine medikamentöse Behandlung. Dieser Artikel beleuchtet die verschreibungspflichtigen Medikamente, die zur Behandlung von Wadenkrämpfen eingesetzt werden, wobei der Fokus auf Chinin und anderen Therapieoptionen liegt.
Chinin: Ein Medikament mit eingeschränkter Indikation
Chinin ist ein Wirkstoff, der aus der Chinarinde gewonnen wird und traditionell zur Behandlung von Malaria eingesetzt wurde. In niedriger Dosierung verleiht es Getränken wie Bitter Lemon oder Tonic Water ihren charakteristischen Geschmack. Chinin besitzt auch muskelentspannende Eigenschaften und wurde daher lange Zeit zur Prophylaxe und Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe eingesetzt.
Rezeptpflicht und Indikationseinschränkung für Chinin-haltige Medikamente
In Deutschland ist das einzige Chinin-haltige Medikament, Limptar N, seit dem 1. April rezeptpflichtig. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat zudem die Indikation eingeschränkt und Warnhinweise in die Fachinformation aufgenommen.
Die Rezeptpflicht wurde aufgrund möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen eingeführt, insbesondere Blutbildveränderungen wie Thrombozytopenie. Diese Komplikation ist im Zusammenhang mit Chininsulfat seit langem bekannt.
Die Indikation für Limptar N wurde auf die "Therapie und Prophylaxe nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen" eingeschränkt, wobei die Krämpfe "sehr häufig oder besonders schmerzhaft sind und behandelbare Ursachen der Krämpfe ausgeschlossen wurden und nicht-pharmakologische Maßnahmen die Beschwerden nicht ausreichend lindern können".
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Wirksamkeit von Chinin bei Wadenkrämpfen
Das BfArM verweist auf eine Cochrane-Übersichtsarbeit, wonach die Evidenz für die Wirkung von Chinin gegen nächtliche Wadenkrämpfe "eher limitiert" ist. Es wird jedoch eingeräumt, dass eine Studie, die nicht in die Cochrane-Analyse eingeschlossen war, eine signifikante Reduktion der nächtlichen Wadenkrämpfe zeigte.
Die Stiftung Warentest bewertete das Mittel für die Selbstmedikation aufgrund der geringen Wirksamkeit und der Risiken bislang als "wenig geeignet".
Mögliche Nebenwirkungen von Chinin
Chinin kann eine Reihe von Nebenwirkungen verursachen, darunter:
- Blutbildveränderungen, insbesondere Thrombozytopenie (Verminderung der Blutplättchen)
- Herzrhythmusstörungen (Verlängerung des QT-Intervalls)
- Hör- und Sehstörungen
- Symptome des Cinchonismus (Ohrgeräusche, Hörstörungen, Schwindel)
- Magen-Darm-Störungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall)
- Überempfindlichkeitsreaktionen (Hautausschlag, Juckreiz)
Aufgrund des Risikos einer Thrombozytopenie beurteilen andere Arzneimittelagenturen das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Chinin in der Indikation Wadenkrämpfe als negativ. Die amerikanische FDA hat mehrfach von der Anwendung bei Wadenkrämpfen abgeraten, und auch die kanadische Behörde hat davor gewarnt. Die englische Arzneimittelbehörde hat bereits 2010 die Anwendung von Chininsulfat in der Therapie der nächtlichen Wadenkrämpfe erheblich eingeschränkt.
Missbräuchliche Anwendung von Chinin
Die Rezeptpflicht soll auch eine missbräuchliche Anwendung von Chinin durch Drogenkonsumenten minimieren, da Chinin die Wirkung von Loperamid verstärken kann.
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Alternative Therapieoptionen bei Wadenkrämpfen
Neben Chinin gibt es auch andere Medikamente, die zur Behandlung von Wadenkrämpfen eingesetzt werden können, obwohl die Evidenzlage für ihre Wirksamkeit oft begrenzt ist.
Naftidrofuryl
Eine Meta-Analyse der amerikanischen Akademie für Neurologie (AAN) deutet auf eine mögliche therapeutische Wirksamkeit des Medikamentes Naftidrofuryl hin, das ursprünglich zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) zugelassen war. In verschiedenen Medikamententestungen zeigte sich jedoch auch eine positive Beeinflussung von schmerzhaften Muskelkrämpfen.
Naftidrofuryl ist in Deutschland im Vertrieb und auf Privatrezept erhältlich. Allerdings basieren die bisherigen Studien zu Naftidrofuryl nur auf geringen Patientenzahlen, so dass die statistische Sicherheit bei dieser Therapieoption noch relativ gering ist.
Weitere Medikamente
Weitere kleinere Studien konnten eine potentielle Wirksamkeit des etablierten Hypertonie-Medikamentes Diltiazem sowie des Antiepileptikums Levetiracetam aufweisen. Aufgrund der potentiellen unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Diltiazem und der hohen Kosten von Levetiracetam stehen diese beiden Therapieoptionen nur in Ausnahmefällen zur Verfügung.
Magnesium
Ein interessantes Ergebnis der Meta-Analyse ist der fehlende Wirksamkeitsnachweis für die Behandlung mit Magnesium, die bisher zum Therapiestandard gehörte. Aufgrund der geringen Kosten und des unproblematischen Nebenwirkungsprofils ist ein Therapieversuch mit Magnesium zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch gerechtfertigt.
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Medikamente ohne Studienbasierte Wirksamkeit
Andere Medikamente mit guten theoretischen Grundlagen für eine potentielle Wirksamkeit gegen Muskelkrämpfe einschließlich Carbamazepin, Phenytoin und Baclofen sind bisher leider nicht durch kontrollierte Studien untersucht worden.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen bei Wadenkrämpfen
Bevor zu Medikamenten gegriffen wird, sollten nicht-medikamentöse Maßnahmen ausprobiert werden, um Wadenkrämpfe zu lindern oder zu verhindern:
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Dehydration ist ein häufiger Auslöser von Wadenkrämpfen. Trinken Sie ausreichend Wasser, insbesondere bei körperlicher Anstrengung oder heißem Wetter.
- Elektrolytausgleich: Ein Mangel an Elektrolyten wie Magnesium, Kalium oder Kalzium kann Wadenkrämpfe verursachen. Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung oder nehmen Sie bei Bedarf Elektrolytpräparate ein.
- Dehnübungen: Regelmäßiges Dehnen der Wadenmuskulatur kann helfen, Krämpfen vorzubeugen.
- Massage: Eine Massage der betroffenen Muskeln kann Krämpfe lindern.
- Wärme oder Kälte: Die Anwendung von Wärme oder Kälte kann ebenfalls helfen, Muskelkrämpfe zu lindern.
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