In Deutschland leben derzeit etwa eine Million Menschen mit Demenz. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird erwartet, dass die Häufigkeit dieser Erkrankungen in den kommenden Jahren deutlich zunimmt. Demenz ist im höheren Alter die häufigste Ursache für Pflegebedürftigkeit. Angesichts dieser Herausforderungen ist es von entscheidender Bedeutung, effektive Versorgungskonzepte für Menschen mit Demenz zu entwickeln und zu implementieren. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene pflegerische Versorgungskonzepte, ihre Evidenz, Wirtschaftlichkeit sowie ethisch-soziale Aspekte.
Herausforderungen in der Versorgung von Menschen mit Demenz
Die Versorgung von Menschen mit Demenz stellt das Gesundheitssystem vor vielfältige Herausforderungen. Dazu gehören:
- Zunehmende Prävalenz: Die steigende Anzahl von Demenzerkrankungen aufgrund des demografischen Wandels erfordert eine Anpassung der Versorgungsstrukturen.
- Komplexe Bedürfnisse: Menschen mit Demenz haben komplexe Bedürfnisse, die von kognitiven Einschränkungen über Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu körperlichen Beschwerden reichen können.
- Belastung der Angehörigen: Die Pflege von Menschen mit Demenz ist oft eine große Belastung für die Angehörigen, die Unterstützung und Entlastung benötigen.
- Kosten: Die Versorgung von Menschen mit Demenz ist mit hohen Kosten verbunden, die sowohl das Gesundheitssystem als auch die Familien belasten.
- Herausforderungen im Krankenhaus: Patienten mit Demenz kommen mit den straff organisierten Versorgungsabläufen in Krankenhäusern oft nur schwer zurecht. Kurze Verweildauern, komplexe Diagnose- und Therapiestrategien und ökonomischer Druck erfordern straff durchorganisierte Strukturen. Vor allem die fremde Umgebung, der Einsatz sedierender Medikamente, das Fehlen vertrauter Bezugspersonen oder ungewohnte Tagesstrukturen können zu einer deutlichen Verschlechterung der kognitiven und funktionalen Fähigkeiten demenzkranker Menschen führen. Auch für die im Krankenhaus Arbeitenden bedeutet die Behandlung und Pflege von Menschen mit Demenz eine große fachliche und emotionale Herausforderung.
Pflegerische Versorgungskonzepte: Ein Überblick
Es gibt eine Vielzahl von pflegerischen Versorgungskonzepten für Menschen mit Demenz. Diese lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen:
- Validation/emotionsorientierte Pflege: Dieser Ansatz konzentriert sich auf die Akzeptanz und Wertschätzung der Gefühle und Bedürfnisse von Menschen mit Demenz, auch wenn diese nicht rational erscheinen. Ziel ist es, das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie hilft Menschen mit Demenz, ihre ऑलtagsfähigkeiten zu erhalten oder wiederzuerlangen. Durch gezielte Aktivitäten und Übungen werden मोटरische, kognitive und soziale Fähigkeiten gefördert. Umweltbezogene Maßnahmen im Zusammenhang mit Ergotherapie können ebenfalls eingesetzt werden.
- Sensorische Stimulation: Dieser Ansatz nutzt sensorische Reize wie Licht, Musik, Düfte und Berührungen, um die Aufmerksamkeit, Entspannung und das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz zu fördern. Zu den bekanntesten Formen der sensorischen Stimulation gehören Snoezelen und Aromatherapie.
- Entspannungsverfahren: Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen und die Entspannung bei Menschen mit Demenz zu fördern.
- Realitätsorientierung: Maßnahmen zur Orientierung in Raum und Zeit und zu Personen, sollen Menschen mit Demenz helfen, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden und ihre kognitiven Fähigkeiten zu erhalten.
- Reminiszenztherapie: Die Reminiszenztherapie nutzt Erinnerungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit, um die Kommunikation, das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu verbessern. Häufig wird hier Biographiearbeit eingesetzt.
- Umweltanpassung: Die Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz kann dazu beitragen, ihre Selbstständigkeit und Sicherheit zu erhöhen. Dazu gehören beispielsweise die Gestaltung von Wohnräumen mit guter Beleuchtung, klaren Farbkontrasten und einfachen Orientierungshilfen.
- Training: Training persönlicher ADL (Aktivitäten des täglichen Lebens), instrumenteller ADL (z.B. Kochen, Einkaufen), im Bereich Spiel, Freizeit, Erholung, prozessbezogener Fertigkeiten (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis) sowie Wahrnehmungs- und Sensibilitätstraining.
- Andere Therapien: Es gibt eine Vielzahl weiterer Therapien, die bei Menschen mit Demenz eingesetzt werden können, wie z.B. Musiktherapie, Kunsttherapie oder tiergestützte Therapie.
Evidenzbasierung der Versorgungskonzepte
Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit vieler pflegerischer Versorgungskonzepte für Menschen mit Demenz ist begrenzt. Eine systematische Literaturrecherche von Rieckmann N, Schwarzbach C, Nocon M. umfasste randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit mindestens 30 Teilnehmern zu verschiedenen Pflegekonzepten. Insgesamt erfüllten 20 Studien die Einschlusskriterien. Die Ergebnisse zeigten, dass in der Hälfte der eingeschlossenen Studien keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe festgestellt wurden. Die andere Hälfte der Studien berichtete teilweise positive Effekte bezüglich unterschiedlicher Zielkriterien.
Konkret ergab die Analyse:
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- Validation/emotionsorientierte Pflege: Zwei von drei Studien berichteten keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe.
- Ergotherapie: Zwei von fünf Studien zeigten keine signifikanten Unterschiede.
- Sensorische Stimulation: Drei von sieben Studien ergaben keine signifikanten Unterschiede.
- Realitätsorientierung: Keine der Studien zeigte signifikante Unterschiede.
- Reminiszenz: Beide Studien berichteten keine signifikanten Unterschiede.
- Entspannungsverfahren: Die einzige Studie zu Entspannungsverfahren zeigte keine signifikanten Unterschiede.
Von den verbleibenden zehn Studien berichteten sieben teilweise positive Ergebnisse zugunsten der Intervention, und drei Studien (Ergotherapie, Aromatherapie, Musik/Massage) berichteten positive Effekte der Intervention hinsichtlich aller erhobenen Zielkriterien.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Studienlage insgesamt heterogen ist und methodische Mängel aufweist. Viele Studien haben kleine Fallzahlen, unterschiedliche Einschlusskriterien, Durchführungsmethoden und erfasste Zielkriterien. Daher ist es schwierig, allgemeingültige Aussagen über die Wirksamkeit der verschiedenen Pflegekonzepte zu treffen.
Wirtschaftlichkeit von Pflegemaßnahmen
Die ökonomische Bewertung von Pflegemaßnahmen für Menschen mit Demenz ist ebenfalls schwierig, da die Studienlage begrenzt und methodisch heterogen ist. Sechs Publikationen berichteten über ökonomische Ergebnisse von Pflegemaßnahmen.
Einige Ergebnisse:
- Eine Studie berichtete Zusatzkosten von 16 GBP (24,03 Euro (2006)) pro Patient pro Woche für Beschäftigungstherapie.
- Zwei weitere Veröffentlichungen gaben inkrementelle Kosten von 24,30 USD (25,62 Euro (2006)) pro gewonnenen Mini-mental-state-examination-(MMSE)-Punkt pro Monat bzw. 1.380.000 ITL (506,21 Euro (2006)) pro gewonnenen MMSE-Punkt an.
- Zwei Publikationen berichteten über Mischinterventionen, wobei einmal die Zusatzkosten für ein Aktivitätsprogramm (1,13 USD (1,39 Euro (2006)) pro Tag pro Pflegebedürftigem) und einmal der zeitliche Mehraufwand für die Betreuung mobiler Demenzpatienten (durchschnittlich 45 Minuten zusätzliche Pflegezeit pro Tag) berichtet wurde.
Diese Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da die Studien methodisch und thematisch nicht dazu geeignet sind, die aufgeworfenen Fragestellungen umfassend zu beantworten.
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Ethisch-soziale und juristische Aspekte
Hinsichtlich ethisch-sozialer Aspekte wird vor allem die Selbstbestimmung von Demenzpatienten diskutiert. Aus einer Demenzdiagnose lässt sich nicht zwingend schließen, dass die Betroffenen nicht eigenständig über eine Studienteilnahme entscheiden können.
Im juristischen Bereich versucht die Regierung mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) die finanzielle Lage und die Betreuung der Pflegenden und Gepflegten zu verbessern. Weitere Fragestellungen rechtlicher Natur betreffen die Geschäftsfähigkeit bzw.
Verbesserungsansätze in der Krankenhausversorgung
Für eine angemessene Versorgung von Demenzkranken im Krankenhaus sind Konzepte erforderlich, die die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz beachten. Dazu gehören Aspekte wie Tagesstrukturierung, Angehörigenarbeit, biografieorientierte Pflege, aber auch strukturelle Faktoren, wie eine räumliche Gestaltung, die den Patienten die Orientierung erleichtert und die Anpassung von Personaleinsatz und -qualifikation.
Verschiedene Krankenhäuser haben mittlerweile auf die Herausforderungen reagiert und im Rahmen von Praxisprojekten Konzepte entwickelt, die zur Verbesserung der Versorgungssituation von dementiell Erkrankten führen sollen. Das Ziel einer Studie des DZNE Witten ist es, erstmals eine übergreifende und zusammenführende Analyse unterschiedlicher Versorgungsansätze und der jeweils erforderlichen strukturellen, fachlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen vorzustellen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie werden dringend benötigte Handlungsempfehlungen für die Entwicklung von Versorgungskonzepten für Menschen mit Demenz in Akutkrankenhäusern erarbeitet.
Aktuelle Studien und Initiativen
Die landesweite wissenschaftliche Studie Demenz: lebenswelt- und patientenzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern (DelpHi-MV) zielt darauf ab, langfristig die Lebenssituation von Demenzkranken und deren Familien zu verbessern. Im Rahmen der DelpHi-MV-Studie werden der demenzbedingte Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung in der Bevölkerung erfasst, neue Versorgungskonzepte entwickelt, umgesetzt und in der Praxis auf ihre Wirksamkeit überprüft.
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Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) forscht an den Ursachen und Risikofaktoren, die zu der Entwicklung einer demenziellen Erkrankung führen, und entwickelt neue Therapie- und Pflegestrategien.
Praktische Hilfestellungen und Entscheidungshilfen
Das Buch "Versorgungskonzepte für Menschen mit Demenz: Praxishandbuch und Entscheidungshilfe" von Kornelia Klare bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz und dient als praktischer Leitfaden und Entscheidungshilfe für Fachkräfte, Betreuer und Angehörige. Es behandelt unterschiedliche Versorgungskonzepte, rechtliche Rahmenbedingungen, ethische Fragestellungen sowie Kommunikationsstrategien.
Das Buch "Wegweiser und Entscheidungshilfe für die passende Betreuung von Menschen mit Demenz" bietet einen praktischen Wegweiser durch die vielfältigen ambulanten und stationären Versorgungsangebote für Menschen mit Demenz. Es gibt einen schnellen Überblick und erste Vergleichsmöglichkeiten zwischen einzelnen Versorgungsformen, die bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein können.
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