Verwirrungszustände nach Schlaganfall: Ursachen und Behandlung

Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs sind bekannte Volkskrankheiten. Auch Delir ist eine Volkskrankheit, die sehr viele Menschen betrifft und unerkannt bis zum Tod führen kann. Dennoch haben die wenigsten von ihr gehört. Der Welt-Delir-Tag am 15.3. will das ändern und öffentliche Aufmerksamkeit schaffen. Ein Delir ist ein akuter Verwirrtheitszustand, der verschiedene Ursachen haben kann, darunter auch ein Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Verwirrungszuständen nach einem Schlaganfall und die entsprechenden Behandlungsansätze.

Was ist ein Delir?

Das Delir ist ein Krankheitsbild, das vor, während oder nach einem stationären Krankenhausaufenthalt auftreten kann. Ein Delir kann sich durch Verwirrung, Teilnahmslosigkeit, Unruhe oder auch aggressive Zustände äußern. Besonders gefährdet sind ältere Patienten und Patientinnen. Schwere oder auch langfristige Auswirkungen können die Folge sein: ein längerer Krankenhausaufenthalt, ein erhöhtes Demenzrisiko und eine verkürzte Lebensdauer.

Ursachen von Verwirrungszuständen nach Schlaganfall

Ein Schlaganfall kann verschiedene kognitive Beeinträchtigungen verursachen, darunter auch Verwirrtheitszustände. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und können direkt oder indirekt mit dem Schlaganfall zusammenhängen.

Direkte Hirnschädigung

Der Schlaganfall selbst verursacht eine Schädigung des Gehirns. Der Krankheitsverlauf und die Chancen auf eine Heilung hängen beim Schlaganfall in erster Linie vom Ort und der Größe der dauerhaften Hirnschädigungen ab. Diese Schädigung kann die normale Funktion der Gehirnzellen beeinträchtigen und zu Verwirrung führen. Je nachdem, welche Hirnregionen betroffen sind, können unterschiedliche Arten von Verwirrtheitszuständen auftreten.

Begleitende Faktoren

Neben der direkten Hirnschädigung gibt es weitere Faktoren, die nach einem Schlaganfall zu Verwirrung beitragen können:

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  • Medikamente: Verschiedene Medikamente, die nach einem Schlaganfall eingesetzt werden, können als Nebenwirkung Verwirrung verursachen.
  • Schmerzen: Starke Schmerzen können die kognitive Funktion beeinträchtigen und zu Verwirrung führen.
  • Schlafstörungen: Schlafstörungen sind nach einem Schlaganfall häufig und können die Verwirrung verstärken. Regelmäßiger Schlaf ist von zentraler Bedeutung für die Erholung des Gehirns.
  • Dehydration: Wassermangel kann die Denkfähigkeit beeinträchtigen und sich in der Folge als Verwirrtheit äußern.
  • Infektionen: Infektionen können ebenfalls Verwirrtheitszustände auslösen oder verstärken.
  • Psychische Belastung: Gab es in der letzten Zeit eine psychische Belastung? Eine Verwirrtheit kann zudem als Nebenwirkung bei verschiedenen Medikamenten auftreten oder die Folge von Drogen (z.B. Heroin, LSD, Kokain) beziehungsweise einer Vergiftung sein. Neben diesen körperlichen Gründen kann eine Verwirrtheit außerdem auch psychischer oder sozialer Natur sein.

Alzheimer und Demenz

Alzheimer ist eine Ursache von Demenz. In Deutschland leben 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz-Erkrankung - zwei Drittel leiden an Alzheimer. Bei der Krankheit kommt es zu einem Absterben von Nervenzellen und der Zerstörung ihrer Verbindungen untereinander. Bei Alzheimer-Erkrankten beobachtet man zwischen den Nervenzellen vermehrt harte, unauflösliche Ablagerungen (Plaques). Im Inneren der Zellen wiederum kommt es zu einer chemischen Veränderung der sogenannten Tau-Fibrillen. Sie sind eigentlich wichtig für die Zellstruktur und den Nährstofftransport. Darüber hinaus ist weniger Acetylcholin im Gehirn von Alzheimer-Betroffenen vorhanden. Für Alzheimer gibt es verschiedene Risikofaktoren. Je mehr sie bei einer Person vorliegen, desto wahrscheinlicher tritt die Krankheit bei ihr auf. Bei den beeinflussbaren Risikofaktoren viel tun können. Durch einen anderen Lebensstil kann man ebenfalls viele beeinflussbare Risikofaktoren für das Auftreten von Alzheimer minimieren. Die Symptome entwickeln sich in der Regel langsam und verschlechtern sich zunehmend über mehrere Jahre. Zu Beginn kann der Verlauf ganz schleichend, nahezu unmerklich sein. Die Alzheimer-Krankheit kann bei jedem etwas unterschiedlich verlaufen. Man geht bei Alzheimer von einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von 12 bis 24 JahrenÖffnet in neuem Tab aus. Es gibt über 50 verschiedene Ursachen einer kognitiven Störung oder Demenz. Alzheimer ist eine davon.

Diagnose von Verwirrungszuständen

Die Diagnose einer Verwirrtheit stellt der Arzt in der Regel fest, indem er ein Gespräch mit den Bezugspersonen des Betroffenen oder dem Pflegepersonal führt. Dabei werden folgende Fragen gestellt:

  • Wann hat die Verwirrtheit begonnen und hat sie sich seitdem verschlimmert?
  • Leidet der Betroffene unter Grunderkrankungen, die zu Verwirrtheit führen können, z.B. Demenz oder Diabetes mellitus?
  • Welche Medikamente nimmt der Betroffene ein?
  • Trinkt der Betroffene ausreichend?

Zusätzlich können neuropsychologische Tests durchgeführt werden, um die Art und den Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigungen zu bestimmen.

Behandlung von Verwirrungszuständen nach Schlaganfall

Die Behandlung von Verwirrungszuständen nach einem Schlaganfall zielt darauf ab, die Ursachen zu beseitigen und die kognitive Funktion zu verbessern.

Beseitigung der Ursachen

Die wichtigste Maßnahme ist die Beseitigung der Ursachen der Verwirrung. Dies kann beispielsweise bedeuten:

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  • Anpassung der Medikation
  • Schmerzlinderung
  • Behandlung von Infektionen
  • Ausgleich von Flüssigkeitsmangel
  • Vermeidung von Stressfaktoren

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Neben der Beseitigung der Ursachen gibt es eine Reihe von nicht-medikamentösen Maßnahmen, die bei Verwirrungszuständen helfen können:

  • Orientierungshilfen: Alles, was Orientierung und Erinnerung bringt, hilft gegen Delir. Im Bogenhausener Aufwachraum hängen deshalb große, gut lesbare Uhren, die neben der Uhrzeit auch den Wochentag und das Datum anzeigen. Patientinnen erhalten unmittelbar dort auch ihre Brille oder ihr Hörgerät sowie persönliche Gegenstände von den Pflegekräften in einer „pinken Box“ zurück, um direkt wieder die Orientierung zu fördern. Die persönlichen Gegenstände verbleiben auch bis kurz vor Operationsbeginn bei den Patientinnen. „Wir wissen, dass es einen positiven Effekt hat, je kürzer wir die orientierungslosen Zustände gestalten. Patient*innen sind vor einer Operation angespannt und fühlen sich ohne Brille und Hörgerät noch unsicherer. Mit der frühzeitigen Rückgabe nach erfolgreicher OP und dem direkten Kontakt mit dem Personal im Aufwachraum schaffen wir einen sicheren Rahmen, der Orientierung schenkt. All diese vermeintlich kleinen Maßnahmen wirken zusammen und sind in Summe nicht zu unterschätzen“, erklärt Prof. Friederich.
  • Ruhige Umgebung: Auf der Intensivstation sorgt eine Geräuschampel dafür, dass Personal und Angehörige für ein ruhiges Umfeld sensibilisiert werden. Zur Beruhigung tragen auch Vorhänge in sanften Farben bei.
  • Tag-Nacht-Rhythmus: Die medizinischen und pflegerischen Maßnahmen werden auf den Tag-Nacht-Rhythmus der Patientinnen abgestimmt - tagsüber werden die Patientinnen aktiviert, und nachts mit schlaffördernden Maßnahmen unterstützt. Das alles gibt Halt und hilft, eine Desorientierung zu vermeiden.
  • Lichttherapie: Die MediClin Fachklinik Rhein-Ruhr in Essen schuf als erste Rehaklinik in Deutschland eine eigene Station für Patienten mit Aufmerksamkeitsstörungen. Der zentrale Therapieraum der „Attention Lounge“ ist mit einem speziellen Lichtsystem mit einer Beleuchtungsstärke von bis zu 12.000 Lux ausgestattet. Die Lichttherapie hat einen antidepressiven Effekt, unterstützt einen normalen Schlaf-/Wachrhythmus und verbessert die Konzentrationsfähigkeit.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern und den Alltag besser zu bewältigen.
  • Logopädie: Logopädie kann helfen, Sprach- und Schluckstörungen zu behandeln, die nach einem Schlaganfall auftreten können.
  • Psychotherapie: Bei psychischen Ursachen der Verwirrung kann eine Psychotherapie hilfreich sein.

Medikamentöse Behandlung

In einigen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung erforderlich sein, um die Verwirrung zu lindern. Dies sollte jedoch nur in Absprache mit einem Arzt erfolgen. Bei einer psychischen Grunderkrankung sollte eine entsprechende Psychotherapie in die Wege geleitet werden. Es gibt zudem Medikamente, die der Arzt zusätzlich bei Verwirrtheit aufgrund psychischer Erkrankungen zur Behandlung verschreiben kann.

Rolle der Angehörigen

Nach der OP spielen die Angehörigen eine entscheidende Rolle, denn sie sorgen mit ihrer Präsenz für einen vertrauten und beruhigenden Rahmen - das ist neben der Zugewandtheit unseres Teams sehr wichtig“, betont Prof. Friederich die Rolle der Angehörigen.

Prävention von Verwirrungszuständen

Einige Maßnahmen können helfen, Verwirrungszustände nach einem Schlaganfall zu vermeiden:

  • Schonende Narkose: „Wir setzen alles daran, dass unsere Patientinnen nach einer Operation ein Delir gar nicht erst entwickeln“, erklärt Prof. Friederich. Das umfassende Maßnahmenpaket zur Delirvermeidung beginnt in der München Klinik Bogenhausen schon vor der Operation mit einer möglichst schonenden Narkose. Grundlage hierfür ist eine hohe anästhesiologische Expertise. Gerade bei Risikopatientinnen (z.B. in hohem Alter oder mit Vorerkrankungen) wird die Betäubung soweit möglich lokal begrenzt.
  • Frühzeitige Mobilisierung: Eine frühzeitige Mobilisierung nach dem Schlaganfall kann helfen, Komplikationen wie Infektionen und Dekubitus zu vermeiden, die zu Verwirrung beitragen können.
  • Optimale Behandlung von Begleiterkrankungen: Eine optimale Behandlung von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus kann das Risiko für Verwirrungszustände reduzieren.
  • Förderung eines gesunden Lebensstils: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und regelmäßigem Schlaf kann die kognitive Funktion verbessern und das Risiko für Verwirrungszustände senken.

Fortschritte in der Delir-Prävention und Behandlung

Die München Klinik Bogenhausen geht unter Leitung von Chefarzt Prof. Patrick Friederich mit einem umfassenden Konzept bereits fortschrittlich voran. Da die Umgebung im Aufwachraum unmittelbar nach der OP sowie auf der Intensiv- und Überwachungsstation einen entscheidenden Faktor für die Genesung spielt, soll der Bogenhausener Erweiterungsbau mit einem hochmodernen Lichtsystem ausgestattet und das Delir-Konzept damit in 2024 auf die nächste Stufe gehoben werden.

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Hochmoderne Tag-Nacht-Simulation

Im kommenden Jahr sollen die OP-Säle und Intensiv- und Überwachungsstationen der München Klinik Bogenhausen in das hochmoderne Umfeld des neuen Erweiterungsbaus umziehen. Die neuen baulichen Strukturen ermöglichen einen weiteren Schritt in der Delir-Vermeidung: Einzelzimmer mit Tageslichtzugang schaffen für die Patientinnen und Angehörige ein ruhiges und geschütztes Umfeld innerhalb der Intensivstation. Geplant ist darüber hinaus ein hochmodernes, heilungsförderndes Lichtkonzept, das die Simulation des natürlichen „Tag-Nacht-Rhythmus“ auch in der hochtechnischen Umgebung der Intensivstationen ermöglicht. „Der Alltag im Krankenhaus mit u.a. Medikamentengabe, Untersuchungen, Visiten und Kontrollen bedeutet für Patientinnen eine stete Unterbrechung des natürlichen Rhythmus. Häufig kommen zur Beruhigung dann zusätzliche Medikamente zum Einsatz, die gegen ein Delir ebenfalls nicht hilfreich sind. Wir möchten das Wohlbefinden und einen gesunden Schlaf mit technischer Unterstützung fördern - Licht ist hierfür das wichtigste Steuerungsinstrument“, führt Prof. Friederich weiter aus. Alle Intensiv- und Überwachungsstationen sollen in Bogenhausen mit einem solchen Lichtkonzept ausgestattet werden, das die Genesung nachweislich beschleunigen und die Verweildauer der Patienten auf der Intensivstation verkürzen kann.

Fenster allein können das nicht leisten, da auch eine Lichtanpassung an den individuellen Tag-Nacht-Rhythmus der Patientinnen erforderlich ist. Die Patientinnen sollen tagsüber schlafen können - aber dann nicht in nächtlicher Dunkelheit aufwachen, sondern im Sinne der Orientierung in einer morgendlichen Stimmung. Ein solches Lichtkonzept kostet 1.800 Euro pro Bett - insgesamt ist die Ausstattung des Bogenhausener Erweiterungsbaus mit rund 230.000 Euro veranschlagt. Da die Ausstattung nicht über das Gesundheitssystem refinanziert ist, möchte die München Klinik das heilungsfördernde Lichtsystem über Spenden finanzieren. Rund 80.000 Euro konnten für das Projekt bereits gesammelt werden.

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