Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die typischerweise bei jungen Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auftritt. Die Erkrankung gilt als nicht heilbar und manifestiert sich durch vielfältige Symptome, die von Sehstörungen (Optikusneuritis) über Blasenfunktionsstörungen (Blasenatonie) bis hin zu Gangstörungen (ataktische Gangmuster) und Sprachproblemen (skandierende Sprache) reichen können. Die Diagnose stützt sich auf die McDonald-Kriterien und wird durch bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) sowie Liquoruntersuchungen ergänzt.
Die schulmedizinische Therapie konzentriert sich im Wesentlichen auf die Immunsuppression, oft mit Cortison, um Entzündungen zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Angesichts der chronischen Natur der MS suchen viele Betroffene jedoch nach ergänzenden oder alternativen Behandlungsmethoden, darunter die Homöopathie.
Homöopathie bei Multipler Sklerose: Ein alternativer Therapieansatz
Die Homöopathie ist ein alternatives Therapieverfahren, das auf dem Prinzip "Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden" basiert. Bei der Behandlung von MS werden homöopathische Mittel individuell auf den Patienten und seine spezifischen Symptome abgestimmt. Ziel ist es, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren und das Immunsystem zu modulieren.
Ein umfassendes naturheilkundliches Therapiekonzept für MS kann verschiedene Elemente umfassen, darunter die Gabe homöopathischer oder spagyrischer Mittel, Neuraltherapie, Organotherapeutika und Nosoden. Diese Therapieverfahren werden individuell für den Betroffenen zusammengestellt, um seine aktuelle Krankheitssituation bestmöglich zu berücksichtigen.
Die Rolle der Ernährung in der Alternativmedizin
In der Alternativmedizin existieren verschiedene diätetische Modelle zur Behandlung der Multiplen Sklerose, wie z.B. Agranoff & Goldberg oder das Rohkostmodell nach Evers. Diese Modelle basieren oft auf der Idee, durch die Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel Entzündungen zu reduzieren oder die Immunfunktion zu verbessern. Es wird angenommen, dass bestimmte Diäten die Prostaglandinbiosynthese beeinflussen können, indem sie beispielsweise die Produktion von Serie-II-Eicosanoiden reduzieren oder die Serie-III-Eicosanoide optimieren.
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Es ist wichtig zu beachten, dass viele dieser diätetischen Modelle empirisch in der Praxis entstanden sind und ihre Wirksamkeit nicht immer pauschal bei allen Betroffenen reproduziert werden kann. Daher ist es ratsam, individuelle Unverträglichkeiten zu suchen und die Auswirkungen der Ernährungsumstellung auf die MS-Symptome sorgfältig zu beobachten.
Mikronährstoffe und ihre Bedeutung bei MS
Neben der Homöopathie und diätetischen Ansätzen spielen auch Mikronährstoffe eine wichtige Rolle in der alternativen Behandlung von MS.
Vitamin B12
Vitamin B12 ist essentiell für die Remyelinisierung, insbesondere nach einem akuten MS-Schub. Es ist auch wichtig für die Energiegewinnung der Zellen und sollte daher bei MS-Patienten ausreichend vorhanden sein. Bei einigen Patienten kann gleichzeitig eine Kryptopyrrolurie (KPU) vorliegen, eine angeborene Stoffwechselstörung, die den Bedarf an Vitamin B6 und Zink erhöht. In solchen Fällen kann eine orthomolekulare Behandlung der KPU die Symptome verbessern.
Vitamin B6
Vitamin B6 spielt eine wichtige Rolle bei der Synthese der Sphingolipide im ZNS, insbesondere des Ceramid-Stoffwechselwegs, der als Regulator von Apoptose, Zellproliferation und Immunantwort fungiert.
Kalium
Kalium befindet sich vor allem intrazellulär und ist Teil der Natrium-Kalium-Pumpe. Ein Kaliummangel wird in serologischen Tests oft erst in sehr weit fortgeschrittenen Fällen erkannt. Daher ist es wichtig, neben Kalium auch Magnesium und Calcium im Vollblut zu messen, um ein umfassendes Bild des Elektrolythaushaltes zu erhalten. Ein Kaliummangel kann Spasmen verstärken, daher sollte die Ursache des Mangels behandelt werden.
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Zink
Zink ist ein wichtiger Bestandteil des Enzyms Carboanhydrase und spielt eine besondere Rolle bei der Entzündungsregulation in den Gliazellen.
Vitamin D
Ein Vitamin-D-Mangel wird in der Literatur mit einer Reihe von neurologischen Symptomen in Verbindung gebracht, darunter eine Reduktion der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeit. Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung kann Entzündungsreaktionen bremsen und möglicherweise die Schubfrequenz minimieren. Aktuelle Empfehlungen gehen von einem idealen Vitamin-D-Serospiegel von etwa 100-150 nmol/l aus. Es ist wichtig, den Vitamin-D-Spiegel regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls zu supplementieren, wobei die Dosierung individuell angepasst werden sollte.
Osteopathie als ergänzende Behandlungsmethode
Osteopathie ist eine manuelle Behandlungsmethode, die im 19. Jahrhundert von Andrew Taylor Still begründet wurde. Obwohl osteopathische Techniken keine Multiple Sklerose heilen können, bieten sie eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten zur Linderung von Symptomen und zur Verbesserung der Lebensqualität.
Bei MS-Patienten dienen bestimmte Symptome oft als Hinweise auf Blockaden im Körper, insbesondere im Bereich des Iliosakralgelenks (ISG) oder der Kopfgelenke (C0-C1). Auch Bandscheibenschäden in der unteren Brustwirbelsäule (BWS) können sich negativ auf die MS-Symptomatik auswirken. Durch minimale Kompressionsphänomene an den Nervenaustrittsstellen kann die Nervenfunktion beeinträchtigt werden. Darüber hinaus können lokale Adhäsionen der Dura mater auftreten, die ebenfalls zu Beschwerden führen können.
Insbesondere MS-bedingte Blasenstörungen können osteopathisch vielfältig positiv beeinflusst werden, indem die Funktion der Harnblase, der Beckenmechanik, des Beckenbodens und des Nervus pudendus behandelt wird. In der Praxis hat sich beispielsweise die Anwendung von Nervus pelvinus WALA oder Nervus pudendus WALA in verschiedenen Potenzen bewährt.
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Umweltfaktoren und Intoxikationen
Intoxikationen können sich vielfältig auf die Symptomatik bzw. den Verlauf einer Multiplen Sklerose auswirken. Zu den wichtigsten Substanzgruppen gehören Metalle (vor allem Quecksilber) und Umweltchemikalien, allen voran Pyrethroide. Die Diagnostik ist bei den Metallen nicht immer einfach und erfordert oft spezielle Testverfahren. Es ist wichtig, den Körper auf solche Belastungen zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Entgiftung einzuleiten.
Infektionen und ihre Rolle bei MS
Auch Infektionen können eine Rolle bei MS spielen. Es ist wichtig, den Immunstatus des Patienten zu überprüfen und gegebenenfalls virusspezifische IgG-Antikörper zu bestimmen, um festzustellen, ob eine frühere Infektion stattgefunden hat. Insbesondere bei Verdacht auf eine Neuroborelliose ist eine sorgfältige Differenzialdiagnose erforderlich. Die Vorgehensweise bei einer „slowvirus-infection“ ist in der Regel sehr individuell und richtet sich u.a. nach der Sensibilität der Patienten gegenüber Triggern.
Weitere therapeutische Ansätze
Neben den bereits genannten Therapieansätzen gibt es eine Reihe weiterer Optionen, die bei der Behandlung von MS in Betracht gezogen werden können. Dazu gehören beispielsweise die Anwendung von Oleuropin zur Modulation des Immunsystems sowie die Gabe von Homöopathika oder Isopathika wie z.B. Engystol® bzw. Habifac® spag.
Ernährungskonzepte und ihre Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf
Aus klinischen Erfahrungswerten und ersten Studien mit verschiedenen Ernährungskonzepten gibt es Hinweise, dass sich der Verlauf der Multiplen Sklerose durch Ernährung beeinflussen lässt.
Eine Ernährungsstudie zur Multiplen Sklerose untersuchte die Wirksamkeit dreier Ernährungskonzepte auf den Erkrankungsverlauf von MS-Betroffenen. Im Verlauf der Studie fanden MS-spezifische Ernährungsberatungen in Kleingruppen statt, um die Teilnehmer zur Ernährungsumstellung zu schulen und sie während der Studie beratend zu begleiten. Die Erkenntnisse der kontrollierten Anwendungsstudie können zur besseren Einschätzung der Wirksamkeit und Wirkungsweise von verschiedenen Ernährungsformen beitragen.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass bestimmte Erkrankungen oder Therapien Kontraindikationen für bestimmte Ernährungskonzepte darstellen können. Dazu gehören beispielsweise eine Diagnose einer progressiven Multiplen Sklerose, eines Diabetes mellitus (Typ 1), einer Stoffwechselerkrankung oder bekannter Nierensteine sowie die Therapie mit oralen Antikoagulantien.
Komplementäre und alternative Therapien (KAT): Ein Überblick
Zusätzlich zu den durch die Leitlinien beschriebenen Standard-Therapieformen der MS gibt es eine Fülle weiterer Therapien, die sich hinsichtlich Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit stark unterscheiden. Fundierte Informationen sowie Abstimmung mit den behandelnden Ärzten helfen MS-Erkrankten bei der Wahl der für sie ggf. geeigneten Ergänzungen und Alternativen.
Die Palette an komplementären (die Schulmedizin ergänzenden) oder alternativen (anstelle der schulmedizinischen Behandlung) Therapien und Produkten reicht von Akupunktur bis Yoga. Grob gliedern kann man sie in die Bereiche „Sport und Bewegung“, „Physikalische Therapien“ (zum Beispiel Massagen, Elektrotherapie oder Kältetherapie), „Entspannungstechniken“, „Ernährung“, „traditionelle Heilverfahren“ (unter anderem Akupunktur und Pflanzenheilkunde), sowie weitere Verfahren (zum Beispiel Amalgamentfernung, Homöopathie, Musik- und Kunsttherapie, Osteopathie, tiergestützte Therapien etc.).
Eine Studie der Deutschen Medizinischen Wochenschrift zeigt, dass circa 70 Prozent aller MS-Erkrankten Naturheilkunde und Komplementärmedizin anwenden. An der Spitze des Spektrums mit 30 bis 35 Prozent stehen Entspannungsverfahren sowie Mineralien- und Spurenelemente, gefolgt von Diäten, Akupunktur und Homöopathie (20 Prozent). Meist werden diese als Ergänzung zu den Standard-Therapien genutzt. Einige Erkrankte probieren vor allem bei geringer Symptomatik zunächst diese Verfahren.
Pauschal lässt sich feststellen, dass sich jegliche Formen von Sport und Bewegung bei MS gut bewährt haben und dass sich physio- und ergotherapeutische Maßnahmen sowie Entspannungstechniken positiv auf MS-Symptome auswirken können.
Stress als Risikofaktor bei MS
Verschiedene Studien zeigen, dass negativer Stress ein möglicher Faktor beim Auslösen von MS-Schüben ist und dass Stress die Symptome einer Multiplen Sklerose verschlechtern kann. Therapien, die helfen können, Stress zu vermeiden, können daher für MS-Erkrankte wirkungsvoll sein. Gute Methoden der Stressreduktion sind unter anderem Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR), Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung sowie Bewegungstherapien mit Aufmerksamkeitskomponente (Yoga, Tai-Chi, Heileurythmie, Feldenkrais, Qigong).
Pflanzliche Präparate für mehr Lebensqualität
Drei pflanzliche Wirkstoffe haben sich mit ermutigenden Studienergebnissen hervorgetan. Ginseng, über drei Monate verabreicht im Vergleich zu Placebo, zeigte bei den beteiligten MS-Erkrankten eine Besserung von Müdigkeit und allgemeiner Lebensqualität. Die in der Cannabis-Pflanze enthaltenen Wirkstoffe THC und CBD können MS-Symptome wie Spastik und Schmerzen lindern sowie das Gangbild verbessern. Mut macht auch eine frühe Phase-II-Studie aus Deutschland, die zeigt, dass Weihrauch die Entzündungsaktivität bei MS signifikant senken kann. Auch bei Omega-Fettsäuren kann die entzündungshemmende Wirkung positive Effekte bei MS-Erkrankten haben, das gilt nachweisbar für die pflanzlich basierten Omega-6-Fettsäuren, die in Borretsch- oder Nachtkerzenöl vorkommen.
Akupunktur als Booster für die Lebensqualität
Als Teil der Traditionellen chinesischen Medizin ist fachkundig ausgeführte Akupunktur eine Option bei der funktionellen und regulativen Therapie zur Symptomlinderung bei MS. Die Wirkungsmechanismen der Akupunktur sind wissenschaftlich umstritten. Allerdings wurden mehrfach positive Effekte in der Behandlung von MS-Erkrankten mit chronischen Schmerzen beobachtet. Auch positive Wirkungen auf Darmfunktion und Fatigue sind möglich und können insgesamt zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
Therapien, die Sie nicht anwenden sollten
Neben unwirksamen Therapien gibt es auch gefährliche Behandlungsmethoden, die zudem in der Regel nicht wissenschaftlich untersucht worden sind. Zu ihnen zählen die Verstärkung der Immunreaktion (sogenannte Immunaugmentation), die Frischzelltherapie, bei der Zellen von Kalbsföten oder jungen Kälbern gespritzt werden, die Behandlung mit Schlangen- oder Bienengift, die schwere Allergien nach sich ziehen kann sowie die intrathekale Stammzelltherapie, bei der dem Patienten eigene Stammzellen in den Rückenmarkskanal gespritzt werden und die tödlich verlaufen kann. Auf diese Behandlungen sollten MS-Erkrankte in jedem Fall verzichten. Auch die Amalgamsanierung kann nach heutigem Kenntnisstand nicht empfohlen werden.
Die Rolle der Alpha-Liponsäure
Schon länger gehen Mediziner:innen davon aus, dass die Einnahme der Fettsäure Alpha-Liponsäure den Verlauf einer Multiple Sklerose günstig beeinflussen, die Symptome lindern und womöglich auch einem krankheitsbedingten Verlust an Hirnvolumen (Hirnatrophie) bremsen kann. Einer anderen Untersuchung (2021) zufolge könnten es die ausgeprägten antioxidativen und anti-entzündlichen Eigenschaften der Liponsäure sein, die zum Abklingen der MS-Entzündungsherde im Gehirn beitragen könnten. Bei Multipler Sklerose scheint die Synthese von Alpha-Liponsäure nicht ausreichend zu sein.
Immunglobulin-Infusionen als Therapieansatz
Seit fast 20 Jahren gelten Immunglobulin-Infusionen als aussichtsreicher Behandlungsansatz für Patienten mit schubförmig-remittierender multipler Sklerose (MS). Die krankheitsmodifizierende Wirksamkeit wurde auch unter kontrollierten Bedingungen bestätigt. Allerdings erfüllte bisher keine Studie sämtliche wissenschaftlichen Kriterien, die für eine Zulassung durch die Arzneimittelbehörden erforderlich sind. Der Einsatz von Immunglobulinen bei MS-Patienten ist daher weiterhin nur im „Off-Label-Use“ möglich.
Immunglobulin-Infusionen werden auch in den Leitlinien der Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie als „Second-Line-Therapie“ empfohlen.
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