Seit Jahrhunderten werden Wärme und Kälte zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und Entzündungen eingesetzt. Archäologische Funde belegen, dass bereits im 15. Jahrhundert wärmende Kirschkernkissen genutzt wurden. Im alten Ägypten linderte man Schmerzen mit heißen Steinen und Sandsäcken, während die römischen Thermen für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und Dampf berühmt waren. Auch Kälteanwendungen haben eine lange Tradition: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen, und auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser zur Therapie von Prellungen und Entzündungen.
Wirkungsweisen von Wärme und Kälte
Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin. Inzwischen verstehen Forschende besser, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken:
Wärme
In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle), die auf definierte Temperaturveränderungen reagieren. Wärme aktiviert insgesamt vier TRP-Kanäle, von denen einer auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika, angeregt wird. Dies führt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen, wodurch der Schmerz abgeschwächt wird.
Durch die Wärmeeinwirkung steigt die Temperatur im Gewebe, wodurch die Durchblutung verbessert, der Stoffwechsel angekurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt werden. Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer, was die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert. Bei Stress ziehen sich die Gefäße zusammen, Wärme weitet sie wieder und wirkt beruhigend auf das vegetative Nervensystem.
Kälte
Auch für Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen unter 17° C Signale an das Gehirn und ist an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert - und durch chemische Substanzen wie Menthol. Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert. Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert, welcher eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen spielt.
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Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt, wodurch weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe gelangen und Entzündungen gemildert werden.
Anwendungsgebiete von Wärme
Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet: lokal und systemisch.
Lokale Wärmetherapie
Die lokale Wärmetherapie, also die direkte Anwendung auf der Haut, ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens und kann bei rheumatoider Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird.
Systemische Wärmetherapie
Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen.
Hinweise zur Anwendung
Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben.
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Anwendungsgebiete von Kälte
Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete.
Akute Verletzungen
Bei akuten Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen reduziert die Kälte die Durchblutung, wodurch Schwellungen und Schmerzen gelindert werden. Im Sport ist die Kühlung von Distorsionen in gängigen Leitfäden wie der „PECH-Regel“ fixiert und soll zur Schmerzlinderung, Schwellungsreduktion und zu einem mäßigeren Symptomverlauf beitragen. Ob diese klassische Handlungsweise zielführender ist, als auf Kälte im Falle eines Traumas zu verzichten, wird diskutiert.
Rheumatische Erkrankungen
Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
Schmerztherapie
Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
Regeneration beim Sport
Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen.
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Kältekappe
Eine relativ neue Art der lokalen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern.
Ganzkörper-Kältetherapie
Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen.
Hinweise zur Anwendung
Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Die zugrunde gelegten Wirkmechanismen unterliegen kritischer Betrachtung, da ein tiefer reichender Wärmeentzug der Muskulatur nur in reduziertem Maße nachvollzogen werden kann und die Einwirkung von Kälte auf das Gewebe mit der Tiefe des Zielortes und dem Durchmesser des subkutanen Fettgewebes abnimmt.
Kryotherapie: Detailbetrachtung und Anwendungsformen
Die Behandlung von Schmerzen mit Kälte hat eine weit zurückreichende Tradition. Bereits im antiken Ägypten wurden verletzte Arbeiter mit kalten Kompressen behandelt. Auch heute werden schmerzhafte Zustände oft mit Kälteapplikationen versorgt. Eine wissenschaftliche Fundierung von Kälte in Form von Kryotherapie ist in den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten gegen Schmerz dagegen bis heute eher wenig ausgeprägt. Das vermeintliche Wissen um Kälteauswirkung basiert demnach vor allem auf Erfahrungen. In diversen spezifischen Fachgebieten, wie der kryotherapeutischen Vorbeugung einer chemotherapieinduzierten peripheren Neuropathie bei Brustkrebs, konnten Studien jedoch deutlich auf die Wirksamkeit von Kryotherapie hinweisen.
Allgemeiner Wirkmechanismus der Kryotherapie
Der allgemeine Wirkmechanismus hinter der Eisanwendung begründet sich auf dem Wärmeentzug des Behandlungsgebiets und damit auf eine Verminderung der sensorischen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeit, einer verminderten Rezeptorfeuerrate und der Beeinflussung der Muskelspannung. Zunächst tonussteigernd und vasokonstriktorisch, reagiert die Muskulatur sekundär mit Vasodilatation und Tonussenkung. Des Weiteren scheinen sekundäre, hypoxische und enzymatische Schädigungen reduziert zu werden. Hohenauer et al. vermuten, dass nach einem Trauma eine möglichst schnelle, umfassende und starke Senkung der Temperatur im Behandlungsgebiet ein Faktor für den Erfolg ausmachen könnte. Die Reduktion des Metabolismus und somit der verminderte Bedarf im umliegenden Gewebe könnte laut den Autoren durch Kälteanwendung zu einer verbesserten Zelltoleranz hinsichtlich des ischämischen Milieus führen, das nach einer Verletzung entsteht. Ein sekundärer Zelltod sowie sekundäre Zellschädigung, auch durch die Bildung freier Sauerstoffradikale im Blut, sollen durch Eisanwendung positiv beeinflusst werden können.
Neben der Versorgung von akuten Verletzungen und Schmerzen kann Kryotherapie auch in späteren, subakuten Zeitfenstern positiv auf das Schmerzgeschehen einwirken. Hier scheint die kombinierte Anwendung mit Bewegungsübungen oder passiven Bewegungsformen sinnvoll. Durch Senkung des Muskeltonus sowie der neuronalen Inhibition wird ein erweiterter Bewegungsumfang (im Sinne einer Bewegungseinschränkung, wie sie im Falle eines Traumas oder einer Distorsion besteht) ermöglicht, der aktiv, assistiv oder passiv durchgeführt zur morphologischen Veränderung führt. Somit kann Kryotherapie eine entsprechende Physiotherapie unterstützen.
Anwendungsformen der Kryotherapie
Im Grundsatz verfolgen alle Applikationsformen der Kryotherapie das Ziel des Wärmeentzugs im Anwendungsgebiet. Die Anwendungsdauer richtet sich dabei nach der Größe des Behandlungsgebiets, der Wärmeleitgeschwindigkeit und der Temperatur des Trägers.
Kalte Kompressen
Kalte Kompressen sollten möglichst eng am Anwendungsgebiet angebracht werden. Die Anwendungszeit variiert je nach Dicke der Zwischenlage zwischen 15 und 30 Minuten. Kalte Kompressen finden auch als Wadenwickel gegen Kopfschmerzen Anwendung.
Fallbeispiel Inversionstrauma: Nach Hochlagerung des betroffenen Fußes wird die kalte Kompresse in ein Baumwolltuch eingeschlagen und um das Sprunggelenk angelegt. Mit Kurzzugbinden kann die Kompresse am Behandlungsort fixiert werden. Der Patient sollte eine angenehme Kühlung empfinden.
Eislolli
Eislollis sind einfach in der Herstellung und finden insbesondere bei Sehnenansatzschmerzen und Sportverletzungen Anwendung. Eislollis kommen als direkte, nasse Kälte auf die Haut. Das Schmelzwasser fungiert hierbei als weiterer Wärmeleiter und verfügt damit über ein höheres Potenzial zur schnellen Temperatur- und damit Schmerzsenkung im Behandlungsgebiet.
Vor jeder Eis- oder sonstigen Kälteanwendung sollte ein Sensibilitätstest durchgeführt werden, um eine Störung der Sensibilität auszuschließen. Der Eislolli wird mit kreisenden Bewegungen auf dem Areal bewegt. Dabei sollte nicht statisch länger auf einem Punkt verharrt werden. Im Bereich von Muskelbäuchen kann mit leichtem Druck gearbeitet werden. Immer wieder nimmt der behandelnde Therapeut das Schmelzwasser mit einem Handtuch auf, um die Haut auf Zeichen einer drohenden Unterkühlung zu prüfen.
Lymphdrainage kann zusätzlich zur Kälteanwendung gegen Schwellungen und druckbedingte Schmerzen wirken. Querdehnungen und Faszienmobilisation können nach eigener Erfahrung in Verbindung mit Kryotherapie zur Schmerzverbesserung beitragen.
Fallbeispiel Tennisellenbogen (Epicondylitis radialis humeri) im Rudersport: Ein junger Sportler eines Ruderkaders entwickelte durch Überlastung einen Tennisellenbogen. Nach einem Sensibilitätstest wird der Eislolli zügig über dem gesamten lateralen Arm hin- und herbewegt. Über dem schmerzenden Sehnenansatz wird immer wieder kreisend etwa 5 Sekunden verweilt. Nach spürbarer Temperaturreduktion des Behandlungsgebiets wird die Eislolli-Behandlung mit weiteren Techniken der Physiotherapie kombiniert.
Fallbeispiel Plantarfasziitis bei einem Ausdauerläufer: Starke Schmerzen beim Gehen und Laufen begleiten den Patienten und limitieren ihn in seinem Sport. Nach einem Sensibilitätstest wird der betroffene Fuß auf einem Handtuch gelagert. Mit zügigen Bewegungen wird die gesamte Fußsohle mit dem Eislolli ausgestrichen. Nach erreichter Temperatursenkung und (idealerweise) Schmerzreduktion wird der Fuß mobilisiert und die Plantarfaszie gedehnt. Kälte und Mobilisation wechseln sich etwa 4- bis 6-mal in einer Behandlung ab.
Crushed Ice
Crushed-Ice-Anwendungen werden i. d. R. bei Sportlern nach Traumata der Hände (z. B. Sportklettern) oder Füße (z. B. Hürdenlauf) angewandt. Die betroffene Extremität wird in das gesammelte Crushed Ice getaucht. Dies wird meist nur wenige Minuten von Patientenseite toleriert und stellt einen massiven Kältereiz dar.
Fallbeispiel Bewegungslimitation und subakute Schmerzen nach Distorsionstrauma: Positive Auswirkungen konnten mit der Crushed-Ice-Anwendung bei Sportlern mit subakuten Schmerzzuständen nach Distorsionstraumata beobachtet werden, die unter Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenks litten. Die Kälteanwendung sollte bei Kälteschmerzempfinden, spätestens aber nach 1 Minute beendet werden.
Kältekammer
Die Intensität dieser indirekten Anwendungsform wird durch deutlich geringere Temperaturen bestimmt. Kältekabinen weisen i. d. R. Temperaturen von Minusgraden im dreistelligen Bereich auf. Üblicherweise führen die Patienten wenig bekleidet in der Kältekammer Bewegungsübungen aus. Zur Regeneration und Leistungssteigerung werden Kältekammern auch von Sportlern genutzt. Kliniken mit Kältekammern berichten von Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenkfunktion, Reduktionsmöglichkeit von Medikamenten sowie Langzeiteffekten. Krankheitsbilder wie Fibromyalgie, immunvermittelte entzündliche Erkrankungen, chronische Schmerzen, Tendopathien, Arthrosen, atopische Erkrankungen, aber auch Schlaf- und Kreislaufstörungen sowie Beschwerden des psychischen Formenkreises sind gängige Krankheitsbilder, die mit systemischer Kälte in Form von Kältekammern therapiert werden.
Wichtige Hinweise zur Kryotherapie
Generell sollten keine schnellen Bewegungen oder Sport im erkalteten Zustand durchgeführt werden, da die reduzierte Propriozeption die Verletzungsgefahr erhöht. Wird Kryotherapie unsachgemäß angewandt, kann sie zu Folgeschäden oder zu einer Verschlechterung des Befunds führen. Die Auswirkung von Kälte auf das Gewebe (bei Eis) oder den Patienten insgesamt (bei Applikationsformen, die den ganzen Körper beinhalten) zu beobachten, ist daher eine Notwendigkeit.
Wärmetherapie bei Kreuzschmerzen: Eine Studie im Fokus
Bei akuten Kreuzschmerzen ist sich bewegen und aktiv bleiben die Grundlage der Behandlung. Will man darüber hinaus noch etwas machen, kommt laut medizinischer Leitlinie u.a. die Wärmetherapie in Frage. In einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) wurde eine Wärmesalbe im Vergleich zu einer Placebo-Salbe bei Menschen mit akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen untersucht. Die Ergebnisse der Studie sprechen für den Nutzen der durchblutungsfördernden Wärmesalbe gegenüber der Placebo-Salbe.
Studiendesign und Ergebnisse
In dieser Studie, die von Herbst 2012 bis Frühling 2013 an verschiedenen Studienorten in ganz Deutschland durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 805 Personen in vier Gruppen teil. Für die vorliegende Darstellung wurden die Ergebnisse aus zwei Gruppen mit 406 Personen herangezogen. Das Durchschnittsalter lag bei 39-40 Jahren und etwa die Hälfte der Teilnehmenden waren Frauen. Für die Teilnahme an der Studie durfte der Beginn der akuten Rückenschmerzen nicht länger als drei Wochen zurückliegen. Im Mittel bestand der Schmerz seit sechs Tagen und die mittleren Schmerzwerte lagen zu Beginn bei 6-7 auf einer Skala von 0-10.
Im Vergleich zu Teilnehmenden, die die wirkstofffreie Salbe anwendeten, hatten die Teilnehmenden mit Wärmesalbe nach acht Stunden deutlich weniger Schmerzen. Die Teilnehmenden mit Wärmesalbe beurteilten die Beweglichkeit im unteren Rücken am ersten Behandlungstag besser. In der Gruppe mit Placebo-Salbe haben 42 von 100 Teilnehmenden die Behandlung vorzeitig wegen fehlendem Nutzen abgebrochen.
Nebenwirkungen und Einschränkungen
Zu den aufgetretenen Nebenwirkungen gehörten neben Hautreaktionen, wie Rötungen, u.a. auch Hitzegefühl, Brennen und Juckreiz im eingecremten Bereich. In der Gruppe mit der Wirkstoffsalbe traten bei 9 von 100 Patienten diese Nebenwirkungen auf. Obwohl die Verträglichkeit der Behandlung von der Mehrheit der Teilnehmenden insgesamt als gut oder sehr gut bewertet wurde, haben dennoch etwa 6 von 100 Studienteilnehmern, die die Wärmesalbe anwendeten, die Behandlung wegen der Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen.
Es ist unklar, ob die Teilnehmenden und die Wissenschaftler, die die Messungen vorgenommen haben, wussten, wer welche Behandlung erhalten hat. Zudem wurde die Studie mit finanzieller Unterstützung des Herstellers durchgeführt. In den Studien erhielten die Betroffenen nicht die Standardtherapie, die heute in Deutschland bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen verordnet wird. Studien, die die Standardtherapie plus zusätzlicher Wärmebehandlung untersucht haben, konnten nicht gefunden werden.
Capsaicin-Pflaster bei Nervenschmerzen
Bis zu acht Millionen Menschen in Deutschland sind von Nervenschmerzen betroffen. Dagegen gibt es eine wirksame Therapie, die allerdings selbst schmerzhaft ist: ein Pflaster mit dem Wirkstoff Capsaicin. Nervenschmerzen sind besonders stark und quälend. Meistens verlaufen Nervenschmerzen chronisch und oft fortschreitend, wie bei einer Polyneuropathie.
Wirkungsweise und Anwendung
Zum Einsatz kommen kann die Capsaicin-Pflastertherapie, wenn die Schmerzen lokalisiert in einem umschriebenen Areal auftreten. Das Pflaster enthält acht Prozent Capsaicin, eine vielfache Konzentration des Wirkstoffs, der auch in frei verkäuflichen Wärmepflastern enthalten ist. Der in vielen Paprikasorten vorkommende Wirkstoff schmeckt nicht nur scharf, sondern wirkt auch scharf auf der Haut. Um gegen neuropathische Brennschmerzen zu wirken, muss es erstmal weh tun.
Daniel Wertheimer erklärt das so: "Es kommt praktisch zu einem Sturm der Erregung über diese Nervenzellen. Das führt dazu, dass die Zellen immer unempfindlicher werden, sich erschöpfen und keine Schmerzinformationen mehr senden." Mit der Zeit regenerieren sich die Nerven nach einer Behandlung.
30 bis 60 Minuten bleibt so ein Pflaster auf der Haut. Zuerst sei es gar nicht schlimm, aber dann sei die Wirkung rasant gewesen, mit stark angestiegenem Puls. "Das war nachher so, als hätten Sie eine offene Wunde. Und es hätte Ihnen jemand Chili, scharfe Chili-Sauce reingegeben." Doch die Tortur hat sich für ihn gelohnt.
Empfehlungen und Einschränkungen
Die Capsaicin-Pflastertherapie ist zugelassen und wird in der aktuellen Leitlinie zur Therapie von Nervenschmerzen empfohlen. Die Behandlung findet in der Regel ambulant unter Beobachtung statt. Die Wirkung ist so stark, dass der Blutdruck dabei in die Höhe schießen kann. Als zugelassenes Medikament können die Pflaster zu Lasten der Kostenträger verwendet werden. Aber zu oft erhalten Menschen mit stärksten Schmerzen diese wirksame Therapie nicht.
Das liege an noch fehlendem Bewusstsein über diese Therapieoption, Unsicherheiten wegen der Kostenerstattung, aber auch an fehlenden Praxisräumlichkeiten, in denen die Betroffenen sich während der ca. 30-60 min dauernden Therapie aufhalten können.
Wärme und Kälte im Überblick: Wann ist was geeignet?
Wärmflasche, Kirschkernkissen oder Heizdecke helfen bei Bauchschmerzen oder Muskelverspannungen. Wärme erweitert die Gefäße und sorgt für eine bessere Durchblutung der betroffenen Stellen. Dadurch werden Sauerstoffaustausch und Stoffwechsel aktiviert, Stoffwechselendprodukte abtransportiert und hilfreiche Enzyme zu ihrem Einsatzort gebracht. Die Wirkung von Wärme bei Bauchschmerzen, bei schmerzhaften Muskelverspannungen oder auch bei Arthrose beruht zudem auf einer Art neuronalem Ablenkungsmanöver: Unser Gehirn nimmt Schmerzsignale weniger intensiv wahr, wenn es gleichzeitig Signale von denen durch Wärme aktivierten Wärmerezeptoren empfängt.
Nicht immer ist Wärme hilfreich: Bei akuten Gelenkentzündungen, Schwellungen und Verstauchungen sowie bei hohem Fieber ist Wärme kontraproduktiv. Auch bei einer aktivierten Arthrose, also wenn das Gelenk entzündet ist, würde Wärme den Entzündungsprozess zusätzlich triggern und die Schmerzen verstärken. Bei Wärmeanwendungen vorsichtig sein sollten zudem Menschen mit einer Herzschwäche oder mit starkem Bluthochdruck.
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