Chorea Huntington: Ursachen, Symptome und Behandlung

Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington, ist eine seltene, genetisch bedingte neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie ist gekennzeichnet durch eine Trias von Symptomen: extrapyramidal-motorische Störungen (typischerweise Hyperkinesien), psychische Veränderungen und kognitiven Abbau. Die Erkrankung führt zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn, insbesondere im Striatum, und beeinträchtigt dadurch die Kontrolle von Bewegungen, das Denken und die Gefühlswelt.

Ursachen und Vererbung

Die Ursache für Chorea Huntington ist ein Gendefekt auf dem kurzen Arm des 4. Chromosoms, im sogenannten Huntington-Gen (HTT). Dieses Gen enthält einen Bereich, in dem sich die DNA-Bausteine Cytosin, Adenin und Guanin (CAG) mehrfach wiederholen. Bei gesunden Menschen wiederholt sich das Basentriplett CAG etwa 10- bis 26-mal. Bei Betroffenen des Morbus Huntington liegt eine Mutation vor, die zu einer vermehrten Wiederholung dieses Basentripletts führt. Ab einer bestimmten Anzahl von Wiederholungen (zirka 36) bricht die Krankheit aus. Je mehr CAG-Wiederholungen vorhanden sind, desto früher manifestiert sich die Erkrankung und desto schneller schreitet sie voran. Bei mehr als etwa 60 CAG-Repeats tritt die Erkrankung in der juvenilen Form auf, bei welcher der Erkrankungsbeginn vor dem 20. Lebensjahr liegt.

Die Huntington-Krankheit wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass jedes Kind eines Elternteils, das das mutierte Gen trägt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % ebenfalls das mutierte Gen erbt und somit die Krankheit entwickelt. Männer und Frauen können das Gen gleichermaßen erben und damit die Krankheit entwickeln. In etwa 5 bis 10 % der Fälle tritt die Genveränderung als Spontanmutation auf, ohne dass andere Familienmitglieder betroffen sind.

Das verlängerte CAG-Segment im Huntington-Gen führt dazu, dass ein fehlerhaftes Huntingtin-Protein hergestellt wird. Während das normale Huntingtin-Protein für den Körper lebensnotwendig ist, ist die veränderte Form toxisch und führt zum Absterben von Nervenzellen.

Symptome

Die Symptome der Chorea Huntington sind vielfältig und können von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Sie lassen sich in drei Hauptbereiche einteilen: motorische, kognitive und psychiatrische Symptome.

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Motorische Symptome

Die charakteristischsten motorischen Symptome sind unwillkürliche, zuckende Bewegungen (Hyperkinesien), die vor allem im Gesicht, an den Extremitäten und am Rumpf auftreten. Diese Bewegungen werden als Chorea bezeichnet, was vom griechischen Wort für Tanz abgeleitet ist. Im Frühstadium können diese Bewegungen noch in scheinbar sinnvolle Bewegungsabläufe eingebaut werden. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf werden die Bewegungen jedoch immer ausgeprägter und unkontrollierbarer.

Neben den Hyperkinesien können auch andere motorische Störungen auftreten, wie z. B.:

  • Hypokinese: Bewegungsverlangsamung oder -armut
  • Rigor: Muskelsteifheit
  • Dystonie: Muskelverkrampfungen, die zu abnormen Körperhaltungen führen können.
  • Gleichgewichtsstörungen: Erhöhen das Sturzrisiko
  • Dysarthrie: Sprachstörungen
  • Dysphagie: Schluckbeschwerden

Bei einigen Patienten, insbesondere bei der juvenilen Form der Chorea Huntington, steht die Muskelsteifigkeit und Bewegungshemmung im Vordergrund (Westphal-Variante).

Kognitive Symptome

Die kognitiven Fähigkeiten können im Verlauf der Erkrankung beeinträchtigt werden. Zu den häufigsten kognitiven Symptomen gehören:

  • Konzentrationsstörungen
  • Gedächtnisstörungen
  • Verlangsamtes Denken
  • Schwierigkeiten bei der Planung und Organisation
  • Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit
  • Demenz: In späteren Stadien entwickelt sich bei den meisten Patienten eine Demenz.

Psychiatrische Symptome

Psychische Veränderungen können bereits im Frühstadium der Erkrankung auftreten, oft sogar bevor die motorischen Symptome erkennbar sind. Zu den häufigsten psychiatrischen Symptomen gehören:

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  • Depressionen
  • Reizbarkeit
  • Aggressivität
  • Apathie
  • Angststörungen
  • Zwangsstörungen
  • Psychotische Störungen (Wahnvorstellungen, Halluzinationen)
  • Verhaltensauffälligkeiten (z.B. vermehrte Reizbarkeit und Aggressivität)

Es ist wichtig zu beachten, dass Chorea Huntington mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergeht.

Diagnose

Die Diagnose der Chorea Huntington basiert auf der klinischen Untersuchung, der Familienanamnese und molekulargenetischen Untersuchungen.

Anamnese und klinische Untersuchung

Eine ausführliche Anamnese, einschließlich der Familienanamnese, ist von entscheidender Bedeutung. Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, ist es wichtig zu klären, ob andere Familienmitglieder an Chorea Huntington erkrankt sind oder ähnliche Symptome aufweisen. Die klinische Untersuchung umfasst eine neurologische, neuropsychologische und psychiatrische Beurteilung. Dabei werden die motorischen Fähigkeiten, die kognitiven Funktionen und der psychische Zustand des Patienten untersucht. Standardisierte Bewertungsskalen, wie die Unified Huntington’s Disease Rating Scale (UHDRS), können verwendet werden, um den Schweregrad der Erkrankung zu beurteilen.

Molekulargenetische Untersuchung

Die Diagnose wird durch eine molekulargenetische Untersuchung gesichert. Dabei wird eine Blutprobe des Patienten auf die Anzahl der CAG-Wiederholungen im Huntington-Gen untersucht. Eine erhöhte Anzahl von CAG-Wiederholungen bestätigt die Diagnose.

Bildgebung

In der zerebralen Bildgebung (cMRT oder cCT) kann eine Atrophie des Nucleus caudatus durch an den Vorderhörnern erweiterte Seitenventrikel nachgewiesen werden. Die zerebrale Bildgebung dient auch dem Ausschluss symptomatischer Ursachen und dem Nachweis von Veränderungen, die pathognomonisch für einige als Differentialdiagnosen in Betracht kommende Erkrankungen sind.

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Differentialdiagnose

Es ist wichtig, andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Zu den wichtigsten Differentialdiagnosen gehören:

  • Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit)
  • Spinocerebelläre Ataxien
  • Friedreich-Ataxie
  • Huntington’s disease-like Erkrankungen
  • Neuroakanthozytose
  • Chorea infolge von Schlaganfällen, Schilddrüsenstörungen oder Medikamenteneinnahme

Behandlung

Bislang gibt es keine Heilung für Chorea Huntington. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Ein multidisziplinärer Ansatz, der verschiedene Therapieformen kombiniert, ist dabei am effektivsten.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie richtet sich nach den vorliegenden Symptomen.

  • Hyperkinesien: Zur Behandlung der unwillkürlichen Bewegungen werden Dopaminrezeptorantagonisten (z. B. Tiaprid, Haloperidol, atypische Neuroleptika) und Tetrabenazin eingesetzt. Tetrabenazin ist ein selektiver Hemmer des vesikulären Monoamintransporters 2 (VMAT2), der die Dopamin- und Monoamin-Speicher im Gehirn reduziert. Tiaprid ist ein Dopaminrezeptorantagonist.
  • Depressionen: Antidepressiva, wie z. B. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), können zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden.
  • Psychosen: Antipsychotika können zur Behandlung von psychotischen Symptomen eingesetzt werden.
  • Schlafstörungen: Melatonin oder Melatoninagonisten können bei Schlafstörungen helfen.
  • Dystonien: Tetrabenazin in niedriger Dosierung, Amantadin, Baclofen, Tizanidin und Clonazepam können versucht werden.
  • Bradykinesen, Rigidität: In einzelnen Fallberichten wird über eine Besserung unter L-Dopa, Amantadin oder Pramipexol berichtet.

Nicht-medikamentöse Therapie

Neben der medikamentösen Therapie spielen nicht-medikamentöse Therapieformen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Chorea Huntington.

  • Physiotherapie: Regelmäßige Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu erhalten und die Beweglichkeit zu verbessern.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann den Patienten helfen, Alltagsaktivitäten besser zu bewältigen und ihre Selbstständigkeit zu erhalten.
  • Logopädie: Logopädie kann bei Sprach- und Schluckbeschwerden helfen.
  • Psychotherapie: Psychotherapie kann den Patienten helfen, mit den psychischen Belastungen der Erkrankung umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
  • Ernährungstherapie: Eine hochkalorische Ernährung mit bis zu sechs bis acht Mahlzeiten pro Tag kann helfen, Gewichtsverlust und Mangelernährung vorzubeugen. Bei Schluckbeschwerden kann das Andicken von Flüssigkeiten hilfreich sein. In schweren Fällen kann eine Ernährungssonde (PEG-Sonde) erforderlich sein.

Psychosoziale Maßnahmen

Psychologische und psychosoziale Maßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Chorea Huntington. Die Patienten und ihre Familien benötigen Unterstützung bei der Bewältigung der emotionalen, sozialen und finanziellen Herausforderungen, die mit der Erkrankung einhergehen. Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen können eine wertvolle Unterstützung bieten.

Tiefe Hirnstimulation und Stammzelltransplantation

Da derzeit keine neuroprotektiven Wirkstoffe zur Behandlung der Huntington-Erkrankung zur Verfügung stehen, kommt es im Verlauf der Erkrankung unweigerlich zu einem zunehmenden Verlust der Nervenzellen im Striatum, aber auch im Cortex und im Hirnstamm. Man versucht, diesen Zellverlust über Transplantation von Stammzellen in das Gehirn hinein auszugleichen. Ein weiterer Ansatz ist die Tiefe Hirnstimulation mit experimenteller Implantation eines Hirnschrittmachers.

Prognose

Chorea Huntington ist eine fortschreitende Erkrankung, die nicht heilbar ist. Die Lebenserwartung der Patienten ist verkürzt. Die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt etwa 15 bis 20 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome. Der Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung können jedoch von Patient zu Patient stark variieren.

Europäisches Huntington-Netzwerk (EHDN)

Um die Erforschung der Huntington-Erkrankung voranzutreiben, wurde 2003 das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN) gegründet. Dieses Netzwerk bündelt die Anstrengungen von Ärzten, Grundlagenwissenschaftlern, Pflegekräften, Therapeuten, Patienten und Angehörigen, um neue Therapien für die Huntington-Erkrankung zu entwickeln.

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