Die diabetische Neuropathie ist eine häufige Komplikation des Diabetes mellitus, die durch Nervenschäden infolge von dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten entsteht. Diese Schädigung kann verschiedene Bereiche des peripheren Nervensystems betreffen und sowohl sensomotorische als auch autonome Nerven beeinträchtigen. In diesem Artikel werden die Ursachen, Symptome, Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten und Präventionsmaßnahmen der diabetischen Neuropathie umfassend erläutert.
Was ist diabetische Neuropathie?
Diabetische Neuropathien umfassen verschiedene Beschwerden, die durch Nervenschäden bei Diabetes mellitus entstehen. Betroffen sind die Nerven des peripheren Nervensystems, also jene, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen. Das periphere Nervensystem wird funktionell in das somatische und das autonome Nervensystem unterteilt.
- Somatisches Nervensystem: Steuert willentlich beeinflussbare Körpervorgänge, wie die Ansteuerung der Skelettmuskeln und die sensorische Wahrnehmung von Sinnesreizen. Erkrankungen dieses Systems äußern sich als sensomotorische, motorische oder sensible Neuropathien.
- Autonomes Nervensystem: Steuert automatisch ablaufende Grundfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung, Schweißbildung und Blutdruckregulation. Erkrankungen dieses Systems werden als autonome Neuropathien bezeichnet.
Die diabetische Neuropathie ist eine der häufigsten Folgen von Diabetes. Fast die Hälfte aller Diabetespatienten über 60 Jahre ist betroffen, wobei sowohl Menschen mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes gleichermaßen betroffen sein können.
Ursachen der diabetischen Neuropathie
Die Entstehung einer diabetischen Neuropathie ist komplex und multifaktoriell. Die Hauptursache ist ein über lange Zeit erhöhter Blutzuckerspiegel, der verschiedene schädliche Prozesse im Körper auslöst.
Hauptursachen und Risikofaktoren:
- Erhöhter Blutzuckerspiegel: Schädigt die Blutgefäße, die die Nerven mit Sauerstoff versorgen.
- Lange Diabetesdauer: Je länger die Diabeteserkrankung besteht, desto höher ist das Risiko einer Neuropathie.
- Störung des Fettstoffwechsels: Besonders bei Typ-2-Diabetes beteiligt.
- Weitere Risikofaktoren: Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen, diabetische Retino- oder Nephropathie, erhöhte Blutfette, Alkohol, Nikotin, Übergewicht, Bewegungsmangel und falsche Ernährung.
- Vitamin B1 Mangel: Diabetes erhöht das Risiko für einen Mangel an Vitamin B1. Durch den erhöhten Blutzucker wird mehr Vitamin B1 im Stoffwechsel verbraucht, während es gleichzeitig verstärkt über die Nieren ausgeschieden wird.
- Vitamin B12 Mangel: Auch ein Mangel an Vitamin B12-Mangel ist mit einem erhöhten Risiko für Neuropathien verbunden.
- Freie Radikale: Durch den erhöhten Blutzucker werden bei Diabetes vermehrt aggressive Moleküle, so genannte freie Radikale, gebildet. Experten sprechen von oxidativem Stress.
Symptome der diabetischen Neuropathie
Die Symptome einer diabetischen Neuropathie sind vielfältig und hängen davon ab, welche Nerven geschädigt sind. In frühen Stadien kann die Neuropathie unbemerkt und beschwerdefrei bleiben. Nach 25 Jahren Diabetesdauer besteht jedoch bei etwa 50 % der Betroffenen eine symptomatische periphere Neuropathie.
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Typische Symptome:
- Sensomotorische Neuropathie:
- Missempfindungen, Taubheits- und Pelzigkeitsgefühle
- Kribbeln, Brennen
- Schmerzen (oft nachts schlimmer)
- Gestörtes oder verringertes Empfinden von Schmerzen, Kälte, Hitze und anderen äußeren Reizen
- Lähmungen
- Unsicherheit beim Gehen, häufiges Stolpern
- Restless-Legs-Syndrom
- Autonome Neuropathie:
- Blutdruck-, Puls- und Herzrhythmusstörungen
- Übelkeit, Verdauungsprobleme, Sodbrennen
- Schluckstörungen
- Blasenschwäche
- Erektionsprobleme und gestörtes sexuelles Empfinden
- Extremes Schwitzen oder Schwitzen im Gesicht und Hals beim Essen
- Verstopfung und Durchfall
- Atypische Formen:
- Einseitige Schmerzen, beispielsweise im Brustbereich
- Gewichtsverlust
- Schwäche
Besonderheiten:
- Die Symptome beginnen typischerweise an den Zehen und breiten sich nach oben aus.
- Bewegung kann die Symptome verbessern.
- Bei gestörtem Schmerzempfinden kann es zu einem diabetischen Fußsyndrom kommen, bei dem Verletzungen oft erst spät bemerkt werden.
Diagnose der diabetischen Neuropathie
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um den Verlauf der diabetischen Neuropathie zu beeinflussen. Menschen mit Diabetes sollten sich regelmäßig auf Anzeichen einer Neuropathie untersuchen lassen.
Diagnostische Maßnahmen:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Erfragen von Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung:
- Betrachtung von Händen und Füßen auf Verletzungen, Druckstellen, trockene Haut.
- Prüfung der Sensibilität auf Berührungen, Vibrationen, Schmerzen, Temperatur.
- Überprüfung der Muskelreflexe (z.B. Achillessehnenreflex).
- Beurteilung des Ganges.
- Screeninguntersuchungen: Jährlich bei Typ-2-Diabetikern ab der Diagnose und bei Typ-1-Diabetikern spätestens fünf Jahre nach Diabetesbeginn.
- Weitere Untersuchungen: Bei Auffälligkeiten oder untypischen Symptomen, z.B. Laboruntersuchungen, EKG, Echokardiografie.
Wichtig: Viele Symptome der autonomen Neuropathie können auch andere Ursachen haben, daher ist eine sorgfältige Abklärung notwendig.
Behandlung der diabetischen Neuropathie
Die diabetische Neuropathie ist nicht heilbar, aber der Verlauf kann durch eine konsequente Therapie beeinflusst und Komplikationen vorgebeugt werden.
Ziele der Behandlung:
- Verlangsamung des Krankheitsverlaufs.
- Linderung der Beschwerden.
- Vorbeugung von Komplikationen wie dem diabetischen Fußsyndrom.
- Verbesserung der Lebensqualität.
Therapeutische Maßnahmen:
- Optimale Blutzuckereinstellung:
- Wichtigste Maßnahme, um weiteren Nervenschäden vorzubeugen.
- Besonders wichtig bei Typ-1-Diabetes.
- Bei Typ-2-Diabetes spielen auch Blutfette, Blutdruck und Körpergewicht eine Rolle.
- Gesunde Lebensweise:
- Gesunde Ernährung mit viel frischem Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und hochwertigen pflanzlichen Ölen.
- Regelmäßige Bewegung.
- Gewichtsreduktion bei Übergewicht.
- Verzicht auf Alkohol und Nikotin.
- Medikamentöse Therapie:
- Schmerzmittel: Übliche Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen sind nicht geeignet. Stattdessen werden Medikamente eingesetzt, die üblicherweise zur Behandlung von Depressionen und Epilepsie verwendet werden, z.B. Pregabalin oder Duloxetin. Diese verändern die Schmerzwahrnehmung und hemmen die Weiterleitung von Schmerzreizen an das Gehirn.
- Alpha-Liponsäure: Ein frei verkäufliches und gut verträgliches Medikament, das in Studien einen günstigen Einfluss auf die Nervenfunktion und Symptome der peripheren diabetischen Polyneuropathie gezeigt hat.
- Benfotiamin: Eine Vorstufe von Vitamin B1, die ebenfalls günstige Effekte auf die Nerven haben soll.
- Weitere Behandlungsansätze:
- Elektrische Nervenstimulation (TENS): Kann bei manchen Betroffenen die Beschwerden lindern.
- Akupunktur: Die Wirksamkeit bei diabetischer Neuropathie ist bisher nicht eindeutig belegt.
- Psychotherapie: Kann helfen, die durch chronische Missempfindungen oder Bewegungseinschränkungen eingeschränkte Lebensqualität zu verbessern.
- Krankengymnastik/Physiotherapie: Hilft bei Muskelschwäche, Bewegungsstörungen oder Lähmungen.
- Lokale Anwendung von Capsaicin-Pflastern: Bei schwer zu behandelnden neuropathischen Schmerzen.
Wichtig: Die Dosierung der Medikamente sollte bis zum Wirkeintritt, aber nicht über die Maximaldosierung hinaus gesteigert werden, sofern sie vertragen werden. Bei Nebenwirkungen muss sorgfältig abgewogen werden, inwiefern diese vertretbar sind oder nicht. Abhängig von der Art der neuropathischen Symptome und der Begleiterkrankungen können gegebenenfalls auch mehrere Medikamente kombiniert werden. In schweren Fällen ist auch der Einsatz von Morphinen gerechtfertigt.
Vorbeugung von Fußkomplikationen
Menschen mit diabetischer Neuropathie haben oft rissige und trockene Haut und bemerken kleine Verletzungen häufig nicht. Daher ist eine sorgfältige Fußpflege und regelmäßige Kontrolle wichtig.
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Maßnahmen zur Vorbeugung von Fußkomplikationen:
- Tägliche Fußinspektion: Auf Verletzungen, Geschwüre, Hautinfektionen achten.
- Sorgfältige Fußpflege: Trockene Haut pflegen, Nägel richtig schneiden.
- Bequeme Schuhe: Auf Druck- und Scheuerstellen achten.
- Regelmäßige Untersuchung durch Fachpersonal: Bei Bedarf medizinische Fußpflege in Anspruch nehmen.
Prognose der diabetischen Neuropathie
Die Prognose einer diabetischen Neuropathie ist variabel. Die Nervenschäden lassen sich meist nicht rückgängig machen, aber der Verlauf der Erkrankung kann durch eine gute Blutzuckereinstellung und eine gesunde Lebensweise positiv beeinflusst werden. Auch wenn sich eine Neuropathie manifestiert hat, können die Schmerzen durch eine Behandlung gelindert werden. Für Patienten mit einer fortgeschrittenen Neuropathie ist es wichtig zu lernen, mit den körperlichen Einschränkungen umzugehen und im Alltag selbstständig zu bleiben.
Prävention der diabetischen Neuropathie
Einer diabetischen Neuropathie lässt sich durch verschiedene Maßnahmen vorbeugen.
Präventive Maßnahmen:
- Bei Typ-1-Diabetes: Vor allem durch einen gut eingestellten Blutzuckerwert.
- Bei Typ-2-Diabetes: Eine gesunde Lebensweise ist die beste Maßnahme zur Vorbeugung. Dazu gehören eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und der Verzicht auf Alkohol und Nikotin.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Bei Diabetes sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden, um Anzeichen einer Neuropathie frühzeitig zu erkennen.
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