Was tun gegen Polyneuropathie in den Füßen?

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der mehrere Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks geschädigt sind. Dies führt zu einer gestörten Signalübertragung zwischen Gehirn, Rückenmark und dem Rest des Körpers. Die Symptome können vielfältig sein und reichen von Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Brennen und Taubheit bis hin zu Muskelschwäche und Schmerzen. In Deutschland leiden etwa fünf Millionen Menschen an Polyneuropathie, oft ohne es zu wissen. Die Schäden betreffen häufig die langen, sensiblen Nervenfasern, die bis in die Füße reichen.

Ursachen und Diagnose

Die Ursachen für Polyneuropathie sind vielfältig. Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Alkoholmissbrauch gehören zu den häufigsten Auslösern. Weitere Ursachen können sein:

  • Entzündungsprozesse im Körper als Folge einer Autoimmunerkrankung oder einer Infektion (z.B. Borreliose, Diphtherie, Gürtelrose)
  • Erkrankungen der Leber
  • Mangelernährung, z.B. bei Zöliakie
  • Vitaminmangel, z.B. Vitamin B12
  • Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Antibiotika wie Nitrofurantoin oder Metronidazol, Chemotherapeutika)
  • Kontakt mit giftigen Substanzen, z.B. Schwermetalle
  • HIV-Infektionen
  • Krebserkrankungen (z.B. Brustkrebs, Blutkrebs)
  • Hormonelles Ungleichgewicht, z.B. durch eine Schilddrüsenunterfunktion
  • Erbliche Veranlagung (hereditäre Neuropathien)

Die Diagnose einer Polyneuropathie erfolgt in der Regel durch einen Neurologen. Zunächst wird ein ausführliches Gespräch geführt, um die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden zu erheben. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der Muskelkraft, Reflexe und die Wahrnehmung von Berührungen, Temperatur und Vibration geprüft werden.

Zur weiteren Diagnostik können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:

  • Elektroneurographie (ENG): Misst die Geschwindigkeit, mit der Nerven Erregungen weiterleiten.
  • Elektromyographie (EMG): Zeichnet die Aktivität eines Muskels in Ruhe und bei Anspannung auf.
  • Quantitative Sensorische Testung (QST): Misst verschiedene Gefühlsempfindungen an der Haut, um festzustellen, welche Nervenfasern geschädigt sind.
  • Thermode: Computergesteuerte Temperaturreize werden eingesetzt, um das Temperaturempfinden exakt zu messen.
  • Hautbiopsie: Eine Gewebeprobe aus der Haut wird unter dem Mikroskop untersucht, um Schäden an den Nervenfasern festzustellen.
  • Blutuntersuchungen: Können behandelbare Ursachen wie Vitaminmangel oder Diabetes aufdecken.
  • Liquoruntersuchung: Analyse des Nervenwassers, um entzündlich bedingte Polyneuropathien festzustellen.
  • Erbgutanalyse: Bei Verdacht auf eine genetische Polyneuropathie.
  • Nervenbiopsie: In schweren Fällen, um seltene, aber behandelbare Polyneuropathien zu identifizieren.

Therapie der Polyneuropathie

Die Therapie der Polyneuropathie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Ziel ist es, die Ursache zu behandeln, um weitere Schäden zu verhindern und die Beschwerden zu lindern.

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Behandlung der Ursache

  • Diabetes: Eine konsequente Einstellung des Blutzuckers ist entscheidend. Ein langfristig gut eingestellter Blutzucker kann verhindern, dass sich die Nervenschäden überhaupt entwickeln oder fortschreiten können. Die effektive Einstellung des Blutzuckers wird durch die Kombination diätetischer Maßnahmen, körperlicher Aktivität und optimierter Medikamenten- bzw. Insulingabe erreicht. Eine zu rasche Senkung des Blutzuckers sollte vermieden werden, da dies zu weiteren Nervenschäden führen kann. Optimal ist eine sanfte Senkung des HbA1c-Wertes um weniger als zwei Prozentpunkte über einen Zeitraum von drei Monaten.
  • Alkoholmissbrauch: Ein konsequenter Verzicht auf Alkohol ist notwendig.
  • Vitaminmangel: Ausgleich des Mangels durch Ernährungsumstellung oder Nahrungsergänzungsmittel.
  • Infektionen: Behandlung mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten.
  • Autoimmunerkrankungen: Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Kortison oder Immunglobulinen.
  • Medikamente: Wenn Medikamente die Ursache sind, sollte ein Wechsel des Präparats in Erwägung gezogen werden, sofern möglich.

Symptomatische Behandlung

Zusätzlich zur Behandlung der Ursache ist es wichtig, die Symptome der Polyneuropathie zu lindern.

  • Schmerztherapie: Polyneuropathisch bedingte Schmerzen sind oft schwer zu behandeln. Folgende Medikamente können eingesetzt werden:
    • Acetylsalicylsäure (ASS): Bei gelegentlich auftretenden Beschwerden. Vor Einnahme sollte ein Arzt konsultiert werden.
    • Thioctsäure (Alphaliponsäure): Kann Schmerzen und das Wahrnehmungsvermögen verbessern. Die Wirkung ist jedoch unsicher und die Behandlung wird oft nicht von den Krankenkassen übernommen.
    • Antidepressiva (z.B. Amitriptylin): Beseitigen den Schmerz nicht, machen ihn aber erträglicher, indem sie die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark unterdrücken. Die Dosis wird einschleichend gesteigert, um Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen und Probleme beim Wasserlassen zu minimieren.
    • Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin): Dämpfen die Erregbarkeit von Nervenzellen und werden ebenfalls einschleichend dosiert, um Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit zu vermeiden. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind notwendig, um Veränderungen von Blutwerten zu überwachen.
    • Opioide: Können bei starken Schmerzen eingesetzt werden, sollten aber aufgrund des Abhängigkeitspotenzials nur kurzzeitig verschrieben werden.
    • Capsaicin-Pflaster: Können bei lokaler Anwendung Schmerzen lindern und die Durchblutung fördern. Es gibt Hinweise darauf, dass sie die Neubildung kleiner Nervenfasern anregen können.
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Ein kleines elektrisches Gerät, das über Elektroden mit der schmerzhaften Hautregion verbunden ist, gibt elektrische Impulse ab, welche die Hautnerven reizen. Es gibt verschiedene Theorien zur Wirkungsweise, aber die Wirksamkeit bei Nervenschmerzen ist nicht eindeutig belegt.
  • Physikalische Therapie: Hilft bei der Schmerzbekämpfung und gegen sensible und motorische Störungen. Verschiedene Anwendungen sollen die Durchblutung verbessern, die geschwächten Muskeln stärken und die Mobilität aufrechterhalten. Beispiele sind Krankengymnastik, Wechsel- und Bewegungsbäder, Elektrobehandlung oder warme und kalte Wickel.
  • Gleichgewichtstraining: Kann bei Gangunsicherheit helfen.
  • Akupunktur: Die gezielten Reize der Akupunktur können die Nerven beleben, der genaue Wirkmechanismus ist jedoch noch ungeklärt.
  • Orthesen: Spezielle Schienen können bei Muskellähmungen helfen, Hände und Füße beweglich zu halten.

Weitere Maßnahmen

Neben der medikamentösen und physikalischen Therapie gibt es weitere Maßnahmen, die Betroffenen helfen können, ihren Alltag besser zu bewältigen:

  • Fußpflege: Regelmäßige professionelle medizinische Fußpflege ist sinnvoll, um Verletzungen zu vermeiden.
  • Fußhygiene: Tägliche Kontrolle der Füße auf Blasen, Rötungen, Schwielen etc. Die Füße sollten täglich mit warmem Wasser und einer milden Seife gereinigt werden.
  • Schuhwerk: Gut passende Schuhe tragen, in denen die Zehen genügend Bewegungsfreiheit haben und keine Druckstellen entstehen können. Neue Schuhe sollten langsam eingelaufen werden.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sind wichtig für die Gesunderhaltung der Nerven.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Rauchen und hoher Alkoholkonsum sollten vermieden werden, da sie Nervenschäden verstärken können.
  • Kontrolle des Blutzuckers: Menschen mit Diabetes sollten ihren Blutzucker regelmäßig kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung, z.B. Aquagymnastik oder Gehtraining, kann bei Schmerzen und Missempfindungen helfen.
  • Entspannungsübungen: Können bei Schlafstörungen helfen.
  • Hilfsmittel: Bei Unsicherheit beim Gehen können Hilfsmittel wie Krücken, Rollator oder Haltegriffe im Bad nützlich sein.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.

Alltag mit Polyneuropathie

Der Alltag mit Polyneuropathie kann herausfordernd sein, insbesondere wenn das Temperatur- und Schmerzempfinden eingeschränkt ist. Folgende Tipps können helfen, Verletzungen zu vermeiden und die Lebensqualität zu bewahren:

  • Kontrollieren Sie täglich Ihre Füße und Hände auf Rötungen, kleine Schnitte oder Druckstellen. Nutzen Sie für schwer einsehbare Stellen einen Handspiegel.
  • Cremen Sie Ihre Haut regelmäßig ein, um trockene, rissige Haut vorzubeugen.
  • Überprüfen Sie die Wassertemperatur mit einem Thermometer, bevor Sie duschen oder baden. Verzichten Sie auf Wärmflaschen oder Heizdecken.
  • Tragen Sie im Winter warme Handschuhe und gut isolierte Schuhe, um sich vor Kälte zu schützen.
  • Achten Sie zu Hause auf rutschfeste Böden, ausreichende Beleuchtung und entfernen Sie Stolperfallen.
  • Tragen Sie im Freien festes Schuhwerk und nutzen Sie Gehhilfen, wenn nötig. Vermeiden Sie glatte oder unebene Flächen.
  • Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt über sexuelle Funktionsstörungen. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten.

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