Was passiert im Gehirn bei Demenz? Ein umfassender Überblick

Weltweit leiden mehr als 26 Millionen Menschen an Alzheimer, der häufigsten Form der Demenz. In Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen, wobei die Alzheimer-Demenz den größten Anteil ausmacht. Diese fortschreitende Erkrankung des Gehirns, für die es bislang keine Heilung gibt, wirft viele Fragen auf. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Vorgänge im Gehirn von Menschen mit Demenz, insbesondere bei Alzheimer, und gibt Einblicke in die Ursachen, Symptome, Diagnose und aktuelle Forschungsansätze.

Demenz: Mehr als nur Vergesslichkeit

Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "Weg vom Geist" oder "ohne Geist". Er beschreibt den Abbau geistiger Fähigkeiten, der über normale altersbedingte Veränderungen hinausgeht. Demenz ist ein Oberbegriff für etwa 50 verschiedene Erkrankungen des Gehirns, wobei die Alzheimer-Krankheit mit 60 bis 70 Prozent die häufigste Ursache darstellt.

Symptome und Auswirkungen

Zu Beginn einer Demenz sind oft das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit gestört. Im weiteren Verlauf verschwinden auch Inhalte des Langzeitgedächtnisses. Betroffene haben zunehmend Schwierigkeiten, sich im Alltag zu orientieren, vertraute Tätigkeiten auszuführen und für sich selbst zu sorgen. Vergesslichkeit ist oft eines der ersten und auffälligsten Anzeichen. Alzheimer-Patienten können auch die örtliche und zeitliche Orientierung verlieren und Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu treffen sowie Dinge zu planen und zu organisieren.

Weitere Symptome können sein:

  • Sprachstörungen (Aphasie): Wortfindungsstörungen, das Ersetzen von Wörtern durch andere ("Hand-Uhr" statt "Armbanduhr").
  • Fehlinterpretationen: Falsches Einordnen von Informationen, Gegenständen oder Personen.
  • Verhaltensänderungen: Veränderungen in Stimmung und Persönlichkeit, vermindertes Urteilsvermögen, Gefühlsausbrüche.
  • Schwierigkeiten bei Alltagsaufgaben: Probleme bei der Körperpflege, dem Essen und Trinken.

Alzheimer-Demenz: Eine detaillierte Betrachtung

Die Alzheimer-Krankheit, benannt nach dem deutschen Psychiater Alois Alzheimer, ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben. Dies führt zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten.

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Veränderungen im Gehirn

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden sich zwei charakteristische Veränderungen:

  • Amyloid-Plaques: Ablagerungen von Amyloid-beta-Proteinen zwischen den Nervenzellen. Diese Plaques stören die Kommunikation zwischen den Zellen, insbesondere im Hippocampus, dem für das Gedächtnis verantwortlichen Hirnbereich.
  • Tau-Fibrillen: Im Inneren der Nervenzellen sorgen Tau-Proteine für Stabilität. Bei Alzheimer verändern sich diese Proteine und bilden knäuelartige Fasern, sogenannte Fibrillen. Dadurch können sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen, was zur Zerstörung der Zellstruktur führt.

Die Amyloid-Kaskade

Die Alzheimer-Krankheit verläuft in einem mehrstufigen Prozess, der als Amyloid-Kaskade bezeichnet wird. Zunächst lagert sich Amyloid-beta im Gehirn ab, was Entzündungen auslöst. In der Folge lagert sich vermehrt Tau-Protein ab, das eine krankhafte Faltung annimmt und verklumpt. Diese Tau-Ablagerungen bilden sich in den Gehirnregionen, die bei Alzheimer zuerst zerstört werden: im Schläfenlappen und im Scheitellappen. Der Verlust von Nervenzellen in diesen Bereichen führt zu den charakteristischen Gedächtnis- und Orientierungsstörungen.

Rolle der Gliazellen

Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau spielen auch Fehlfunktionen bestimmter Zellen, insbesondere der Gliazellen, eine Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit. Gliazellen machen etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen aus und unterstützen die Nervenzellen.

  • Mikrogliazellen: Diese Zellen sind Teil des Immunsystems des Gehirns und sorgen dafür, dass schädliche Substanzen zerstört und abtransportiert werden.
  • Astrozyten: Diese Gliazellen versorgen das Gehirn mit Nährstoffen, regulieren die Flüssigkeitszufuhr und helfen bei der Regeneration des Zellgewebes. Es wird vermutet, dass Astrozyten an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt sind.

Genetische Faktoren

In etwa einem Prozent aller Alzheimer-Fälle handelt es sich um eine familiäre Alzheimer-Demenz (FAD), bei der eine genetische Veranlagung besteht. Das ApoE-Gen, von dem jeder Mensch zwei Kopien erbt, spielt ebenfalls eine Rolle. Die Variante ApoE4 erhöht das Alzheimer-Risiko.

Vaskuläre Demenz: Durchblutungsstörungen als Ursache

Die vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Demenzform und entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn. Diese Störungen können durch Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen verursacht werden. Die betroffenen Hirnbereiche werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was zu Schädigungen und zum Absterben von Hirnzellen führen kann.

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Risikofaktoren

Ein beeinträchtigtes Herz-Kreislauf-System erhöht das Risiko für eine vaskuläre Demenz. Risikofaktoren sind beispielsweise Bluthochdruck und Diabetes.

Symptome

Zu Beginn einer vaskulären Demenz können vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Auch Gangstörungen, Kontrollverluste der Blase und Sprachprobleme können vorkommen. Gedächtnisstörungen stehen zu Beginn nicht immer im Vordergrund.

Frontotemporale Demenz (FTD): Veränderungen im Stirn- und Schläfenlappen

Die frontotemporale Demenz (FTD), auch Pick-Krankheit genannt, ist eine eher seltene neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen in den Schläfenlappen (Temporallappen) und im Stirnlappen (Frontallappen) absterben.

Diagnose von Demenz

Die Diagnose von Demenz umfasst in der Regel mehrere Untersuchungen und Tests. Zunächst werden die Symptome und deren Verlauf erfasst. Kognitive Tests und psychometrische Tests werden durchgeführt, um die geistige Leistungsfähigkeit zu untersuchen. Bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomographie) können eingesetzt werden, um Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen.

Frühdiagnostik

Eine frühe Diagnose ist wichtig, auch wenn die Krankheit bislang nicht heilbar ist. Sie ermöglicht es, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um den Verlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Erste Anlaufstelle bei Verdacht auf Demenz ist in der Regel der Hausarzt. Neurologen und Gedächtnisambulanzen sind auf die Frühdiagnostik spezialisiert.

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Therapie und Behandlung

Bislang gibt es keine Heilung für Demenz. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

Medikamentöse Therapie

  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente erhöhen die Konzentration des Botenstoffs Acetylcholin im Gehirn, der für die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen wichtig ist.
  • NMDA-Antagonisten: Diese Medikamente schützen Nervenzellen vor schädlichen Einflüssen des Botenstoffs Glutamat.
  • Antikörper-Medikamente: Seit kurzem stehen Antikörper zur Verfügung, die Amyloid-Plaques abbauen und so den Krankheitsverlauf verlangsamen können.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und anderer kognitiver Fähigkeiten.
  • Ergotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben.
  • Physiotherapie: Förderung der Beweglichkeit und Koordination.
  • Musiktherapie: Einsatz von Musik zur Förderung des Wohlbefindens und zur Aktivierung von Erinnerungen.
  • Psychotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung von emotionalen Problemen.

Nanopartikel-Forschung

Ein vielversprechender Forschungsansatz ist der Einsatz von Nanopartikeln, um Medikamente gezielt ins Gehirn zu transportieren. Nanopartikel sind winzige Fettkügelchen, die mit Medikamenten beladen werden können. Sie werden mit Ankermolekülen versehen, die bestimmte Strukturen in der Blut-Hirn-Schranke erkennen und so die Nanopartikel und das Medikament ins Gehirn transportieren.

Prävention von Demenz

Obwohl Demenz nicht immer vermeidbar ist, gibt es einige Maßnahmen, die das Risiko einer Erkrankung senken können:

  • Gesunder Lebensstil: Viel Bewegung, ausgewogene Ernährung, ausreichend geistige Stimulation.
  • Soziale Kontakte: Regelmäßige Kontakte zu Familie und Freunden.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Nichtrauchen, moderater Alkoholkonsum, Vermeidung von Übergewicht.
  • Frühe Behandlung von Risikofaktoren: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes und anderen Erkrankungen.
  • Omega-3-Fettsäuren: Eine Meta-Studie hat gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren das Erkrankungsrisiko für Morbus Alzheimer um bis zu 65 Prozent senken können.
  • Schrittzahl: Personen, die täglich etwa 10.000 Schritte gehen, können ihr Erkrankungsrisiko um 50 Prozent senken.

Leben mit Demenz

Eine Demenzdiagnose stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und Unterstützung zu suchen.

Unterstützung für Betroffene

  • Anpassung der Lebensumstände: Anpassung des Wohnraums, um die Orientierung zu erleichtern und Stürze zu vermeiden.
  • Erinnerungshilfen: Einsatz von Fotos, Kalendern und anderen Hilfsmitteln, um das Gedächtnis zu unterstützen.
  • Beschäftigung: Teilnahme an Aktivitäten, die Freude bereiten und die geistigen Fähigkeiten fördern.

Unterstützung für Angehörige

  • Information und Beratung: Informationen über die Erkrankung und Unterstützungsmöglichkeiten.
  • Entlastungsangebote: Inanspruchnahme von Entlastungsangeboten wie Tagespflege oder Kurzzeitpflege.
  • Selbsthilfe: Teilnahme an Selbsthilfegruppen, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Fazit

Die Demenz ist eine komplexe Erkrankung des Gehirns, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten einhergeht. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz, aber es gibt auch andere Formen wie die vaskuläre Demenz und die frontotemporale Demenz. Obwohl es bislang keine Heilung gibt, können Therapie und Behandlung den Krankheitsverlauf verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Eine frühe Diagnose und ein gesunder Lebensstil können dazu beitragen, das Risiko einer Demenzerkrankung zu senken. Die Forschung arbeitet intensiv daran, neue Therapien zu entwickeln und die Ursachen der Demenz besser zu verstehen.

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