Ein Augeninfarkt, auch retinaler Gefäßverschluss genannt, ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die zu plötzlicher Sehverschlechterung oder sogar Erblindung führen kann. Weniger als eine von 100.000 Personen erleidet einen solchen Infarkt. Im Gegensatz zum ischämischen Schlaganfall im Gehirn, für den es etablierte Therapien gibt, existiert für den Augeninfarkt bislang keine nachweislich wirksame Standardbehandlung, die die Ursache direkt angeht. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und aktuellen Behandlungsmöglichkeiten des Augeninfarkts und gibt einen Einblick in vielversprechende Forschungsansätze.
Was ist ein Augeninfarkt?
Ein Augeninfarkt entsteht durch den akuten Verschluss von Blutgefäßen, die die Netzhaut (Retina) mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Der Verschluss wird meist durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) verursacht. Sind die Gefäße verstopft, wird die Sauerstoffzufuhr behindert, und das Gewebe der Netzhaut kann innerhalb kürzester Zeit absterben. Dieser Zustand wird als retinaler Gefäßverschluss oder retinaler Venenverschluss bezeichnet, wobei letzterer auch als „Schlaganfall im Auge“ bekannt ist.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen für einen retinalen Venenverschluss sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass ein Zusammenhang mit systemischen Erkrankungen besteht, darunter:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern
- Blutbildveränderungen: Erhöhte Blutfettwerte (Hyperlipidämie), Gerinnungsstörungen
- Diabetes mellitus
- Arteriosklerose: Verengung der Halsschlagader durch Kalkablagerungen
- Erhöhter Augeninnendruck (Glaukom)
- Tabakkonsum
Das Risiko für einen Augeninfarkt steigt typischerweise mit dem Alter, wobei die meisten Betroffenen zwischen 60 und 70 Jahre alt sind. Viele der genannten Risikofaktoren sind die gleichen, die auch mit Schlaganfällen im Gehirn in Verbindung gebracht werden.
Symptome
Die Symptome eines Augeninfarkts treten in der Regel plötzlich und schmerzlos auf. Typische Anzeichen sind:
Lesen Sie auch: Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Katzen
- Plötzliche Sehverschlechterung: Innerhalb von Sekunden oder Minuten kommt es zu einem deutlichen Sehverlust auf einem Auge.
- Schatten auf dem Auge: Viele Patienten berichten von einem dauerhaften Schatten, Schleier oder einer Verdunkelung des gesamten Sichtfelds.
- Verzerrtes oder verschwommenes Sehen
- Ausfälle im Gesichtsfeld: Einzelne Bereiche im Sichtfeld erscheinen schwarz oder fehlen ganz.
- Floater: Wahrnehmung von dunklen Flecken, Linien oder Schnörkeln im Sehfeld.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein Augeninfarkt fast immer schmerzlos ist. Das plötzliche Auftreten der genannten Symptome sollte jedoch als Notfall betrachtet werden.
Diagnose
Die Diagnose eines Augeninfarkts erfordert eine umgehende augenärztliche Untersuchung. Folgende Diagnoseverfahren kommen in der Regel zum Einsatz:
- Allgemeine augenärztliche Untersuchung: Beurteilung der Sehschärfe, des Gesichtsfelds und des Augeninnendrucks.
- Funduskopie: Untersuchung des Augenhintergrunds (Netzhaut, Blutgefäße, Sehnerv) mit einem speziellen Instrument (Ophthalmoskop).
- Optische Kohärenztomographie (OCT): Bildgebendes Verfahren, das hochauflösende Querschnittsbilder der Netzhaut liefert. Damit können Flüssigkeitsansammlungen (Makulaödem) oder andere Veränderungen der Netzhautstruktur erkannt werden.
- OCT-Angiographie: Nicht-invasive Methode zur Darstellung der Blutgefäße in der Netzhaut ohne Farbstoffinjektion.
- Fluoreszenzangiographie: Klassische Gefäßuntersuchung, bei der ein Farbstoff (Fluoreszein) in eine Armvene injiziert wird. Anschließend werden mit einer speziellen Kamera Bilder der Netzhautgefäße aufgenommen.
- Blutuntersuchungen: Zur Abklärung möglicher Ursachen für ein Gerinnungsproblem oder anderer zugrunde liegender Erkrankungen.
- Langzeit-EKG und Langzeit-Blutdruckmessung: Zur Identifizierung von Risikofaktoren wie Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlungsmöglichkeiten beim Augeninfarkt sind begrenzt und zielen darauf ab, die Durchblutung der Netzhaut wiederherzustellen und Folgeschäden zu minimieren. Da es sich um einen Notfall handelt, ist schnelles Handeln entscheidend.
Akuttherapie
- Thrombolyse (Lyse-Therapie): Versuch, das Blutgerinnsel, das den Gefäßverschluss verursacht, medikamentös aufzulösen. Die Thrombolyse wird idealerweise innerhalb von 4,5 Stunden nach Auftreten der Symptome durchgeführt.
- Intravenöse Thrombolyse: Verabreichung des Medikaments (z.B. Alteplase) über eine Vene. Dies ist die Standardmethode bei ischämischen Schlaganfällen im Gehirn und wird derzeit in Studien für den Augeninfarkt untersucht.
- Lokale Thrombolyse: In der Vergangenheit wurde das Medikament über einen Katheter, der in der Leiste eingeführt und bis zum Auge vorgeschoben wird, direkt am Gerinnsel verabreicht. Dieses Verfahren ist jedoch aufwendiger und birgt zusätzliche Risiken.
- Durchblutungsfördernde Maßnahmen: Infusionen zur Verbesserung der Durchblutung der Netzhaut.
- Gegebenenfalls Aderlass: In manchen Fällen wird ein Aderlass durchgeführt, um die Viskosität des Blutes zu verringern.
- Senkung des Augeninnendrucks: Bei erhöhtem Augeninnendruck können drucksenkende Medikamente eingesetzt werden.
Langzeittherapie und Nachsorge
- Behandlung von Grunderkrankungen: Identifizierung und Behandlung von systemischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, um das Risiko weiterer Gefäßverschlüsse zu senken.
- Medikamentöse Therapie:
- Anti-VEGF-Injektionen: Bei Entwicklung eines Makulaödems (Flüssigkeitsansammlung in der Makula, dem Punkt des schärfsten Sehens) können Medikamente, die den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) hemmen, direkt ins Auge injiziert werden. Diese Medikamente reduzieren die Schwellung der Makula und können die Sehkraft verbessern.
- Gerinnungshemmende Medikamente: Zur Vorbeugung weiterer Blutgerinnsel.
- Lasertherapie (Panretinale Photokoagulation): Bei schweren Gefäßverschlüssen kann eine Laserbehandlung eingesetzt werden, um schlecht durchblutete Bereiche der Netzhaut zu veröden und die Bildung neuer, minderwertiger Gefäße (Neovaskularisationen) zu verhindern.
- Regelmäßige augenärztliche Kontrollen: Zur Überwachung des Krankheitsverlaufs und zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen wie Netzhautablösung, Blutungen im Augeninneren oder Druckentgleisungen.
Aktuelle Forschung
Da es bislang keine etablierte Standardtherapie für den Augeninfarkt gibt, wird intensiv an neuen Behandlungsmöglichkeiten geforscht. Ein vielversprechender Ansatz ist die intravenöse Thrombolyse mit Alteplase, die bereits erfolgreich bei ischämischen Schlaganfällen im Gehirn eingesetzt wird.
REVISION-Studie
Die REVISION-Studie ist eine doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie, die untersucht, ob eine frühzeitige intravenöse Thrombolyse mit Alteplase innerhalb von 4,5 Stunden nach Auftreten der Symptome einen Zentralarterienverschluss im Auge auflösen kann. An der Studie nehmen rund 30 deutsche Zentren teil, darunter die Universitätskliniken Tübingen, Heidelberg, Ulm, Frankfurt, Bonn, Leipzig, München und Homburg. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Studie mit rund 4 Millionen Euro. Insgesamt sollen 400 Patientinnen und Patienten behandelt werden.
Lesen Sie auch: Gesundheitliche Rückschläge und politische Leistungen von Lafontaine
Die Studie untersucht auch eine zweite Beobachtungsgruppe von Patienten, bei denen der Augeninfarkt zwischen 4,5 und 12 Stunden zuvor aufgetreten ist. Diese Patienten werden ebenfalls genauestens untersucht, um Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen des Augeninfarkts und mögliche Risikofaktoren zu gewinnen.
Was können Sie tun?
- Achten Sie auf Risikofaktoren: Kontrollieren Sie regelmäßig Ihren Blutdruck, Blutzuckerspiegel und Cholesterinspiegel.
- Gesunder Lebensstil: Ernähren Sie sich ausgewogen, treiben Sie regelmäßig Sport und verzichten Sie auf das Rauchen.
- Nehmen Sie Warnzeichen ernst: Bei plötzlicher Sehverschlechterung, Schatten auf dem Auge oder anderen Sehstörungen suchen Sie umgehend einen Augenarzt oder eine Notaufnahme auf.
- Regelmäßige Augenchecks: Lassen Sie Ihre Augen regelmäßig untersuchen, um Risiken frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall
tags: #schlaganfall #im #auge #behandlungsmöglichkeiten