Methylphenidat: Wirkung, Auswirkungen und ethische Fragen im Gehirn

Viele Studenten und Berufstätige greifen in Phasen erhöhten Leistungsdrucks zu Substanzen wie Methylphenidat (Ritalin), um ihre Konzentration und Aufmerksamkeit zu steigern. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise von Methylphenidat im Gehirn, seine Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die damit verbundenen ethischen und sozialen Fragen.

Die Beliebtheit von Ritalin und ähnlichen Substanzen

In Lern- und Prüfungsphasen sind Substanzen wie Ritalin bei Studenten beliebt. Medikamente wie zum Beispiel Ritalin können die Hirntätigkeit stimulieren. Vor Prüfungen schlucken viele Studenten Mittel wie Ritalin, um ihre Leistung zu steigern.

Wie Methylphenidat im Gehirn wirkt

Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) wird bei vielen Kindern und zunehmend auch bei Erwachsenen festgestellt. Viele Experten glauben, dass die Störung, die sich durch Hyperaktivität, Impulsivität und mangelnde Konzentration äußert, mit einer veränderten Übertragung des Botenstoffs Dopamin zusammenhängt, der etwa an Bewegungen und Denkvorgängen beteiligt ist.

Methylphenidat (Ritalin) verstärkt die Dopamin-Wirkung, indem es ein bestimmtes Eiweiß in der Membran der Nervenzellen blockiert. Dieses Protein namens Dopamin-Transporter (DAT) fördert die Aufnahme von Dopamin aus der Synapse - also der Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen - in die Zelle und beendet so die Wirkung des Botenstoffs. Methylphenidat dockt im Hirn an den Dopamin-Transporter an und sorgt so für einen gewaltigen Anstieg an Dopamin. Und dieser Dopamin-Schub spricht direkt unser Belohnungssystem an. Die Folge: Wir werden wacher und euphorischer.

Methylphenidat ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Stimulanzien. Es wirkt als sogenannter Wiederaufnahmehemmer der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn. Über diese beiden und viele andere Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, kommunizieren die Gehirnzellen miteinander. Neurotransmitter werden je nach Bedarf ausgeschüttet und von den Nachbarzellen über spezielle Andockstellen (Rezeptoren) wahrgenommen. Anschließend werden sie abgebaut oder von der ausschüttenden Zelle wieder aufgenommen. Damit endet die Reizung der Nachbarzelle. Durch Methylphenidat verweilen die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin länger an ihren Rezeptoren und wirken somit länger. Das führt im Gehirn zu einer anregenden Wirkung, Wachheit, erhöhter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit.

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Normalisierung des Dopaminhaushalts bei ADHS

Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) können sich nur schlecht konzentrieren, sind impulsiv und rastlos. Methylphenidat normalisiert den Dopaminhaushalt im Nucleus accumbens und in damit verbundenen Hirnregionen.

Erhöhte neuronale Aktivität im Nucleus accumbens

Nach der Einnahme von Methylphenidat war die spontane neuronale Aktivität im Nucleus accumbens erhöht, einem Teil der in der Tiefe sitzenden Basalganglien, in dem sich besonders viele Dopaminrezeptoren tummeln. Der Neurotransmitter wirkt motivationsfördernd und erleichtert zielgerichtetes Handeln. Nach der Einnahme ähnelte die Aktivität des Nucleus accumbens im Ruhezustand mehr derjenigen der Kinder ohne Diagnose. Das gleiche Ergebnis fand sich auch im Salienz- sowie im Default-Mode-Netzwerk. Ersteres ist dafür verantwortlich, die Aufmerksamkeit auf wichtige Reize zu lenken. Zweiteres wird häufig mit selbstbezogenen Prozessen und aufgabenunabhängigen Gedanken in Verbindung gebracht. Im Default-Mode-Netzwerk ging die gesteigerte spontane Aktivität außerdem mit einem besseren Abschneiden in den Aufmerksamkeitsaufgaben einher: Je ähnlicher sie derjenigen der neurotypischen Kontrollgruppe war, desto besser konnten sich die Kinder mit ADHS konzentrieren.

Veränderungen im Gehirnstoffwechsel bei Langzeiteinnahme

In einer Langzeitstudie haben Forscher eine deutliche Veränderung im Hirnstoffwechsel durch Ritalin-Einnahme festgestellt. Bei erwachsenen ADHS-Patienten zeigte sich eine Zunahme des Eiweißes, das durch das Medikament eigentlich gehemmt werden soll. Die dauerhafte Einnahme des ADHS-Medikaments Ritalin kann den Hirnstoffwechsel deutlich verändern: Wie US-Forscher in einer Studie an Erwachsenen nachwiesen, bewirkt das Stimulans Ritalin im Belohnungszentrum eine Zunahme jenes Eiweißes, dessen Wirkung es eigentlich hemmen soll. Dies deute darauf hin, dass mit der Zeit eine Toleranz gegen das Mittel entstehe, mahnten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift “PLoS One”. Das Absetzen der Arznei würde demnach die Symptomatik verstärken. Dies zeige erstmals beim Menschen Veränderungen des Nervensystems nach der Langzeiteinnahme von Ritalin, betonen die Wissenschaftler. Die Zunahme bewerten sie als Reaktion der Zelle auf die gestiegene Konzentration des Botenstoffs im synaptischen Spalt. Möglicherweise deute die erhöhte DAT-Dichte auf die Entstehung einer Toleranz hin, schreiben sie. Beim Weglassen des Medikaments - etwa an Wochenenden - könne dies Symptome verstärken und damit den Bedarf für die Arznei steigern. "Das könne zu stärkerer Unaufmerksamkeit und dem Bedarf höherer Arzneidosierungen führen”, mahnen sie.

Auswirkungen auf die Hirnstruktur

Die Behandlung mit Methylphenidat hat in einer randomisierten kontrollierten Studie bei Jungen, nicht aber bei männlichen Erwachsenen, zu Veränderungen in der Magnetresonanztomografie (MRT) geführt, die auf strukturelle Veränderungen des Gehirns hindeuten. Die klinische Bedeutung der Befunde ist unklar.

Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit

Zwar könnten einige Substanzen vor­übergehend vor Müdigkeit schützen oder die Aufmerksamkeit steigern. Im Gegenteil: Kognitionsforscher fanden heraus, dass der Konsum von Ritalin mitunter sogar negative Auswirkungen auf das geistige Leistungsvermögen hat - zu Selbstüberschätzung, Impulsivität und Fahrigkeit führt. Zudem wissen die Forscher noch nicht, welche langfristigen Auswirkungen die Präparate auf das Gehirn haben.

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Steigerung der Motivation

Mittel wie Ritalin steigern womöglich nur indirekt die Leistungsfähigkeit. „Sie erhöhen unsere Motivation: Der wahrgenommene Nutzen einer herausfordernden Aufgabe steigt an, während die Kosten geringer erscheinen. Demnach steigert Dopamin den Willen, sich für das Erreichen eines Ziels kognitiv anzustrengen - und zwar schon zu einem frühen Zeitpunkt im Entscheidungsprozess, wie die Wissenschaftler herausfanden.

Individuelle Unterschiede und genetische Faktoren

Tatsächlich bestimmt unsere genetische Beschaffenheit, wie wir auf die Mittel reagieren. Ein bestimmtes Enzym im Gehirn beeinflusst, wie hoch die Dopamin-Konzentration im "Normalzustand" ist. Nimmt nun eine Person mit naturgemäß niedriger Dopamin-Konzentration Ritalin, ist eine Steigerung von Aufmerksamkeit und Wachheit möglich.

Mögliche negative Effekte

Den Dopaminspiegel künstlich in die Höhe zu treiben, kann auch negative Effekte haben und zum Beispiel zu riskantem Glücksspiel oder Sexualverhalten verleiten, wie Westbrook erklärt. Für Menschen mit krankhaft niedrigem Dopaminspiegel zum Beispiel bei ADHS oder auch Depressionen können die Medikamente dagegen eine Hilfe sein.

Ethische und soziale Fragen des "Hirndopings"

Viele Menschen greifen im Wettbewerb um gute Noten und Leistungen am Arbeitsplatz zu vermeintlich leistungssteigernden Substanzen. Der Leistungsdruck am Arbeitsplatz steigt. Handelt es sich bei der Einnahme leistungssteigernder Medikamente um verwerfliches „Hirndoping“ im täglichen Konkurrenzwettbewerb? Oder kann „Cognitive Enhancement“ die Chancengleichheit fördern - beispielsweise indem es Studierenden mit Nebenjobs und Kindern hilft, Mehrfachbelastungen zu kompensieren?

Die vielfältigen Aspekte des „Hirndopings“ zeigen, wie wichtig es ist, mögliche Folgen des lebenswissenschaftlichen Fortschritts mit einem gesellschaftlichen Diskurs zu begleiten. Dieser muss die ethischen, rechtlichen und sozialen Dimensionen neuer Entwicklungen öffentlich ausleuchten.

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Informationsdefizite und Wettbewerbsdruck

Britta Oertel ist Informationswissenschaftlerin am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Sie leitete das Projekt JuHdo und stellt bei Jugendlichen ein hohes Informationsdefizit zur kognitiven Leistungssteigerung fest. „Das betrifft sowohl das Wissen um die Wirkung als auch um die gesundheitlichen Nebenwirkungen der Substanzen. Sebastian Sattler erforscht das Phänomen Neuroenhancement seit vielen Jahren, etwa die Frage, was Menschen dazu bewegt, Mittel wie Ritalin oder Modafinil zu nehmen. "Generell ist beruflicher Stress ein wichtiger Faktor. Was aber auch eine Rolle spielt, sind Persönlichkeits-Eigenschaften. Nimmt eine Person Neuroenhancer, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass auch in ihrem Umfeld zu den entsprechenden Substanzen gegriffen wird.

"Manche Menschen fühlen sich unter Druck gesetzt, wenn sie wissen, andere machen das", sagt Sattler und liefert einen bedauernswerten Befund: "Wenn man Eltern befragt: Sind Sie bereit, Ihrem Kind so etwas zu geben, wenn andere Eltern das auch machen würden? Was aber heißt das für die Verbreitung des Phänomens, wenn hier offenbar schnell eine Art Wettbewerbsdruck entsteht? Werden wir irgendwann bei einem pharmakologischen Wettrüsten landen, bei dem bestimmte Gruppen mit immer neuen Wirkstoffen versuchen, ihre Leistung zu steigern?

Die Gefahr einer neuen Normalität

"Wenn wir uns vorstellen, dass es - zum Beispiel für Studierende oder für junge Menschen in der Arbeitswelt - immer normaler wird, diese Mittel zu konsumieren, dann wird irgendwann die Normalität sozusagen hoch gehoben," sagt Saskia Nagel, Professorin für Angewandte Ethik an der RWTH Aachen University. "Wir sind dann alle nicht mehr auf Level 50, sondern alle auf Level 70, das ist dann der Standard. Und dann wird sich irgendetwas Neues finden, damit die, die jetzt alle auf 70 sind, schauen können, dass sie auch auf 90 kommen.

Alternativen zu Methylphenidat

Durch die Kombination von funktionalem Bewegungstraining und Neurofeedbacktraining werden entsprechend nicht nur die Strukturen aktiviert, die normalerweise durch Ritalin aktiviert werden (Selbstkontrolle und Leistungsverbesserung), sondern es finden auch weitere Verbesserungen wie Raumorientierung, Sozialverhalten und Kreativität statt. Dies bedeutet: In den Strukturen, die zur Steuerung des Verhaltens und der kognitiven Leistungen zuständig sind, kommt es zu erhöhter Aktivität. Nebenwirkungen solcher Mittel reichen von Kopfschmerzen, Nervosität, Schlaflosigkeit bis hin zu Herzrhythmusstörungen, Organ-Funktionsschäden, Stimmungsschwankungen oder Persönlichkeitsveränderungen. Der Suchtfaktor ist zudem hoch.

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