Pregabalin: Wirkung, Anwendung und Risiken im Gehirn

Pregabalin ist ein vielseitiges Medikament, das zur Behandlung verschiedener neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt wird. Ursprünglich als Antiepileptikum entwickelt, findet es heute Anwendung bei Nervenschmerzen (Neuropathie), generalisierten Angststörungen und als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise von Pregabalin im Gehirn, seine Anwendungsgebiete, Dosierung, Nebenwirkungen und Risiken, insbesondere im Hinblick auf Missbrauch und Abhängigkeit.

Was ist Pregabalin und wie wirkt es?

Pregabalin ist ein Arzneistoff, der zur Gruppe der Antiepileptika gehört, aber auch bei neuropathischen Schmerzen und generalisierten Angststörungen eingesetzt wird. Es wirkt im zentralen Nervensystem, indem es die Erregbarkeit der Nervenzellen reduziert. Dies geschieht durch die Blockade von Kalziumkanälen, was wiederum die Freisetzung bestimmter Botenstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn beeinflusst.

Der Wirkmechanismus im Detail

Pregabalin bindet selektiv an die α2δ-Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle. Diese Kanäle spielen eine wichtige Rolle bei der Freisetzung von Neurotransmittern im gesamten Nervensystem. Durch die Bindung von Pregabalin wird der Calciumeinstrom in die Zelle vermindert, was die Exozytose synaptischer Vesikel und somit die Freisetzung von erregenden Neurotransmittern wie Glutamat, Substanz P, Calcitonin-Gen-verwandtem Peptid (CGRP) und monoaminergen Transmittern reduziert. Interessanterweise scheint dieser Effekt von Pregabalin eng an den Funktionszustand des jeweiligen Neurotransmittersystems gekoppelt zu sein: Er tritt nur dann ein, wenn sich das System in einem Zustand erhöhter Exzitation befindet. Im Normalzustand entfaltet Pregabalin keine Wirkung. Die Bindungsfähigkeit von Pregabalin an die α2δ-Subeinheit des spannungsabhängigen Calciumkanals ist im Vergleich zu Gabapentin mindestens dreimal stärker. Pregabalin ist inaktiv an GABAA- und GABAB-Rezeptoren und wird auch nicht zu einem GABA-Agonisten metabolisiert. An eine große Zahl der bekannten ZNS-Rezeptoren bindet die Substanz nicht.

Pharmakokinetik: Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Nach der Einnahme wird Pregabalin rasch und fast vollständig absorbiert. Die maximale Plasmakonzentration wird etwa eine Stunde nach der Einnahme erreicht, wobei die Bioverfügbarkeit bei etwa 90% liegt. Die Dosis-Plasma-Relation ist im therapeutisch relevanten Bereich linear. Pregabalin bindet kaum an Plasmaproteine und überwindet die Blut-Hirn-Schranke schnell. Die Elimination erfolgt zu 98% unverändert renal, mit einer Eliminationshalbwertszeit von etwa sechs Stunden. Dies ermöglicht eine zwei- bis dreimal tägliche Einnahme. Da Pregabalin praktisch nicht hepatisch metabolisiert wird und weder eine Induktion noch eine Blockade hepatischer Cytochrom-P450-Enzyme hervorruft, weist es nur ein geringes Interaktionspotenzial auf.

Anwendungsgebiete von Pregabalin

Pregabalin ist in Deutschland für drei Hauptindikationen zugelassen:

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  • Neuropathische Schmerzen: Behandlung von peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen.
  • Epilepsie: Zusatztherapie bei partiellen Anfällen (fokaler Epilepsie) bei Erwachsenen.
  • Generalisierte Angststörung (GAS): Behandlung von übermäßiger Angst und Besorgnis.

Einsatz bei neuropathischen Schmerzen

Pregabalin wird häufig zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt, die durch Schädigungen oder Erkrankungen des Nervensystems verursacht werden. Beispiele hierfür sind Nervenschmerzen bei Diabetes (diabetische Polyneuropathie), nach Gürtelrose (Herpes Zoster Neuralgie) oder nach Rückenmarksverletzungen. Die Medikamente Pregabalin und Gabapentin werden zunehmend bei allgemeinen chronischen Schmerzen eingesetzt, obwohl ihre Wirksamkeit bei dieser Anwendung zweifelhaft ist. Das schließen Medizinerinnen und Mediziner aus der Analyse von Verschreibungsdaten der Krankenversicherungen. Ursprünglich entwickelt für die Behandlung von Epilepsie, setzt man die Arzneistoffe Pregabalin und Gabapentin mittlerweile auch gegen sogenannte neuropathische Schmerzen ein - das sind Schmerzen, die auf Nervenleiden beruhen, zum Beispiel Nervenschmerzen durch eine Diabeteserkrankung oder eine Herpesinfektion. „Den offensichtlich eher schwachen therapeutischen Wirkungen und dem vergleichsweise kleinen Anwendungsgebiet stehen jedoch stetig steigende Verschreibungszahlen in den vergangenen Jahren gegenüber“, erklärt die Medizinerin Dr. Annika Viniol von der Philipps-Universität, eine der Leitautorinnen des aktuellen Aufsatzes. Viniol sowie ihre Kolleginnen und Kollegen untersuchten, wie Pregabalin und Gabapentin typischerweise angewendet werden, insbesondere bei Schmerzen. Hierfür nutzten die Autorinnen und Autoren anonymisierte Krankenversicherungsdaten von vier Millionen Versicherten, die dem Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin zur Verfügung stehen. „Diese Daten enthalten Informationen über Medikamente, die Ärztinnen und Ärzte verordnet haben und die von Apotheken abgegeben werden“, erläutert die Marburger Medizinprofessorin Dr. Die Ergebnisse des Forschungsteams zeigen zwei widersprüchliche Trends: Einerseits stiegen im Untersuchungszeitraum von 2009-2015 die Anzahl der Verschreibungen Jahr für Jahr an; andererseits weisen die Daten nur bei etwa 25 Prozent der Betroffenen, die erstmals Pregabalin oder Gabapentin erhielten, auf eine typische neuropathische Schmerzstörung hin. Drei Viertel der Patientinnen und Patienten litten hingegen an chronischen Schmerzen, aber ohne eine neuropathische Schmerzkomponente. In 61 Prozent aller Fälle kam es zum Abbruch der Behandlung. „Offenbar werden die Medikamente häufig bei allgemeinen chronischen Schmerzen verschrieben, unabhängig davon, ob eine neuropathische Diagnose vorliegt“, fasst Viniol zusammen. Die hohe Abbruchrate lasse vermuten, dass die Verabreichung keinen therapeutischen Nutzen bringe oder dass unerwünschte Nebenwirkungen aufträten. „Wenn bereits mehrere Therapien wirkungslos waren, so greift man zu Pregabalin oder Gabapentin - in der Hoffnung, dass Nervenschmerz bei den Beschwerden eine Rolle spielt“, vermutet die Medizinerin. Neben der Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin der Philipps-Universität und dem Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin GmbH beteiligte sich auch die Universität von Calgary in Kanada an der Studie.

Wirksamkeit bei Epilepsie

Als Antiepileptikum wird Pregabalin zur Zusatztherapie bei fokalen Anfällen eingesetzt, wenn andere Medikamente allein nicht ausreichend wirken. Es hilft, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren, indem es die übermäßige Erregung der Nervenzellen im Gehirn hemmt.

Linderung bei generalisierter Angststörung

Pregabalin hat sich auch bei der Behandlung der generalisierten Angststörung (GAS) als wirksam erwiesen. Es reduziert die Symptome von übermäßiger Angst und Besorgnis und kann somit die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. In klinischen Studien zeigte Pregabalin eine Überlegenheit gegenüber Plazebo in einem Dosisbereich von 150 bis 600 mg/d. Es zeigte sich ein ebenso schneller Wirkungseintritt wie unter Benzodiazepinen, der Wirkungseintritt war schneller als unter Venlafaxin. Auch in einer 6-monatigen, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Erhaltungstherapiestudie zeigte sich Pregabalin in der Wirksamkeit Plazebo überlegen.

Dosierung und Anwendung

Die Dosierung von Pregabalin ist abhängig von der jeweiligen Erkrankung und dem individuellen Ansprechen des Patienten. Die Behandlung beginnt in der Regel mit einer niedrigen Dosis, die dann schrittweise erhöht wird, um die optimale Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren. Kapseln oder Lösung mit Pregabalin werden normalerweise zwei- bis dreimal täglich eingenommen. Dies kann unabhängig zu den Mahlzeiten erfolgen. Je nach Indikation liegt die empfohlene Dosis zwischen 150 und 600 mg.

  • Neuropathische Schmerzen: Die Therapie beginnt mit 150 mg täglich, verteilt auf zwei oder drei Einzeldosen. Je nach individuellem Ansprechen und individueller Verträglichkeit kann die Dosis nach einigen Tagen verdoppelt werden. Nach zwei Wochen kann auf 600 mg täglich erhöht werden - dies ist die maximal empfohlene Dosis.
  • Epilepsie: Die Therapie beginnt mit 150 mg täglich, verteilt auf zwei oder drei Einzeldosen. Je nach individuellem Ansprechen und individueller Verträglichkeit kann die Dosis nach einer Woche verdoppelt werden. Nach einer weiteren Woche kann auf 600 mg täglich erhöht werden - dies ist die maximal empfohlene Dosis.
  • Generalisierte Angststörungen: Die Therapie beginnt mit 150 mg täglich, verteilt auf zwei oder drei Einzeldosen. Je nach individuellem Ansprechen und individueller Verträglichkeit kann die Dosis nach einer Woche verdoppelt werden. Nach einer weiteren Woche kann auf 450 mg täglich erhöht werden. Auf die maximal empfohlene Tagesdosis von 600 mg sollte erst nach Ablauf einer weiteren Woche erhöht werden.

Wichtiger Hinweis zum Absetzen

Es ist entscheidend, Pregabalin nicht abrupt abzusetzen. Anderenfalls drohen Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Übelkeit. Stattdessen sollte die Dosis schrittweise reduziert werden, um dem Körper die Anpassung zu ermöglichen.

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Mögliche Nebenwirkungen und Risiken

Wie alle Medikamente kann auch Pregabalin Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten gehören:

  • Benommenheit und Schläfrigkeit
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit
  • Gewichtszunahme
  • Sehstörungen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Mundtrockenheit
  • Verstopfung

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Patient diese Nebenwirkungen erlebt und dass sie in der Regel mild bis moderat ausgeprägt sind. Allerdings gibt es auch schwerwiegendere Risiken, die im Zusammenhang mit Pregabalin auftreten können.

Atemdepression

Bei der Einnahme von Pregabalin kann sich die Atemtiefe und die Anzahl der Atemzüge verringern. Das ist besonders problematisch, wenn die Lungenfunktion bereits beeinträchtigt ist. Auch die gleichzeitige Einnahme von Opiaten ist sorgfältig abzuwägen, da auch Opiate die Atmung hemmen und sich die Wirkung verstärken kann.

Abhängigkeit und Missbrauch

Ein wachsendes Problem ist das Missbrauchspotenzial von Pregabalin. Insbesondere bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Suchterkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Pregabalin kann eine euphorisierende Wirkung haben, die zum Missbrauch als Rauschmittel verleitet. Dies kann zu einer Dosissteigerung und letztendlich zu einer Abhängigkeit führen. Eine Abhängigkeit von Pregabalin lässt sich mithilfe eines standardisierten Fragebogens zur Sucht feststellen. Darin werden sechs Fragen gestellt - unter anderem wird danach gefragt, ob es einen starken Wunsch gibt, das Medikament zu konsumieren, ob man den Beginn und das Ende der Einnahme noch unter Kontrolle hat. Beantwortet man mindestens drei der sechs Fragen mit Ja, gilt man als abhängig. Die Berichte über die vermehrten Todesfälle haben die Aufmerksamkeit auf Pregabalin und Gabapentin und die mit diesen Wirkstoffen verbundenen Risiken gelenkt. „Im positiven Sinne könnte das dazu führen, dass ein Missbrauch von Pregabalin künftig erschwert wird“, sagt Bartels. Um das zu erreichen, könnte er sich etwa verstärkte Kontrollen bei der Abgabe des Medikaments vorstellen. Denn oft gelangen solche Medikamente auf den Schwarzmarkt, indem sie von als Patienten getarnten Strohmännern in mehreren Arztpraxen eingefordert werden.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Substanzen

Pregabalin hat zwar ein geringes Interaktionspotenzial, kann aber dennoch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Substanzen eingehen. Besonders gefährlich ist die Kombination mit Opiaten, Benzodiazepinen oder Alkohol, da diese Substanzen die dämpfende Wirkung von Pregabalin verstärken und zu einer lebensbedrohlichen Atemdepression führen können. Zwischen Pregabalin und Oxycodon (kognitive und grobmotorische Fähigkeiten) sowie Ethanol und Alprazolam (Verstärkung derer Wirkungen) sind pharmakodynamische Interaktionen beschrieben worden. Unter Einnahme von Pregabalin sollte auf den Konsum von Alkohol verzichtet werden.

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Weitere Vorsichtsmaßnahmen

  • Fahrtüchtigkeit und Bedienen von Maschinen: Pregabalin kann das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. Daher ist Vorsicht beim Autofahren oder Bedienen schwerer Maschinen geboten.
  • Schwangerschaft und Stillzeit: Während der Schwangerschaft sollte Pregabalin nur eingenommen werden, wenn der Nutzen für die Mutter das Risiko für das Kind überwiegt. Während der Stillzeit sollte entweder abgestillt oder auf die Einnahme von Pregabalin verzichtet werden, da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht.
  • Nierenfunktion: Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisanpassung erforderlich, da Pregabalin hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird.

Alternativen zu Pregabalin

Es gibt verschiedene alternative Behandlungsoptionen zu Pregabalin, die je nach der spezifischen Erkrankung und den individuellen Umständen des Patienten in Betracht gezogen werden können. Einige Beispiele sind:

  • Gabapentin: Ein weiteres Antikonvulsivum, das häufig zur Behandlung von Nervenschmerzen und bestimmten Anfallsarten eingesetzt wird.
  • Duloxetin: Ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), der zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen und Fibromyalgie eingesetzt werden kann.
  • Amitriptylin: Ein trizyklisches Antidepressivum, das zur Behandlung von chronischen Schmerzen angewendet werden kann.
  • Carbamazepin: Ein Antikonvulsivum, das zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen und bestimmten Anfallsarten verwendet werden kann.

Die Wahl der geeigneten Alternative sollte immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen.

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