Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems, von der in Deutschland etwa 0,5 bis 1 % der Bevölkerung betroffen sind. Grundsätzlich kann bei jedem Menschen unter bestimmten Voraussetzungen oder Provokationsfaktoren ein epileptischer Anfall auftreten. Doch was genau passiert dabei im Gehirn? Dieser Artikel beleuchtet die Vorgänge, die während eines epileptischen Anfalls ablaufen, die verschiedenen Anfallsformen, Ursachen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Was ist ein epileptischer Anfall?
Ein epileptischer Anfall ist eine kurzzeitige Funktionsstörung des Gehirns, die durch plötzliche, rhythmische und synchrone Entladungen eines neuronalen Zellverbandes verursacht wird. Die Neurone entladen viel schneller als normal, was oft zu Bewusstlosigkeit und Muskelkrämpfen führt. Diese Anfälle treten in der Regel schlagartig und unprovoziert auf und sind nach wenigen Sekunden bis Minuten wieder beendet.
Das harmonische Zusammenspiel der Nervenzellen (Neurone) im menschlichen Gehirn wird plötzlich gestört und viele Nervenzellen entladen sich gleichzeitig und reizen entweder einzelne Hirnregionen oder beide Gehirnhälften. Dieser ungewohnte Impuls führt zum epileptischen Anfall. Seine Erscheinungsform und Ausprägung hängt dabei von der jeweils betroffenen Gehirnregion ab.
Es gibt viel mehr Betroffene, als man annehmen würde, denn etwa 2 bis 4 % aller Menschen erleiden in ihrem Leben einen einzelnen, isoliert auftretenden epileptischen Anfall. Ca. 0,5 bis 1 % entwickeln eine manifeste Epilepsie. Die genaue Inzidenz ist abhängig vom Lebensalter.
Gelegenheitsanfall vs. Epilepsie
Tritt der Anfall nur einmalig auf, wird er als „Gelegenheitsanfall“ bezeichnet. Etwa 5-10% aller Menschen erfahren einmal in ihrem Leben einen solchen Gelegenheitsanfall. Ursachen hierfür können z.B. Fieberkrämpfe bei Kindern sein. Bei einer Epilepsie hingegen liegt eine langfristige Veränderung des Gehirns vor. Sie äußert sich durch wiederholt auftretende epileptische Anfälle, die nur mit geeigneten therapeutischen Maßnahmen wirksam behandelt werden können.
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Eine Epilepsie liegt vor, wenn mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auftreten. Meist kommen diese Anfälle “aus dem Nichts” (unprovozierte Anfälle). Auch ein einziger unprovozierter Anfall oder Reflexanfall, bei dem die Wahrscheinlichkeit für weitere Anfälle in den nächsten zehn Jahren bei mindestens 60 Prozent liegt, kann auf eine Epilepsie hindeuten. Ebenso kann ein sogenanntes Epilepsie-Syndrom, zum Beispiel das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS), vorliegen.
Formen epileptischer Anfälle
Die verschiedenen Formen von epileptischen Anfällen kann man grob unterteilen in sogenannte fokale Anfälle, die nur Teile des Gehirns betreffen, und generalisierte Anfälle, die das gesamte Gehirn betreffen. Die Symptome erlauben Rückschlüsse auf die Lokalisation des Anfallsherdes im Gehirn.
Fokale Anfälle
Zu fokalen Anfällen kommt es, wenn die rhythmischen Entladungen herdförmig in einem umschriebenen Gebiet der Hirnrinde beginnen. Die Symptome bei einem fokalen Anfall hängen davon ab, in welchem Teil des Gehirns die Nervenzellen übermäßig stark feuern.
- Einfache fokale Anfälle: Bleiben auf einen relativ kleinen Bereich im Gehirn beschränkt. Bei einfachen fokalen Anfällen tritt keine Bewusstseinsstörung auf, häufig kann der Patient die Symptome des Anfalls beschreiben. Das, was du als Außenstehender beobachten kannst, sind Zuckungen, Verkrampfungen oder Versteifungen bestimmter Körperteile. Manchmal lässt die Muskelanspannung in einem Körperteil abrupt nach. Einige Betroffene spüren nur ein Kribbeln, plötzliche Wärme oder Kälte und einige haben sogar Halluzinationen. Dann riechen, schmecken, hören oder sehen sie etwas, das gar nicht da ist.
- Komplexe fokale Anfälle: Breiten sich die Entladungen der Nervenzellen erheblich weiter aus, führen zu einer Störung des Bewusstseins und können bei Ausbreitung auf das gesamte Gehirn zu einem sekundär generalisierten Anfall mit Bewusstlosigkeit führen. Bei komplex-fokalen Anfällen breiten sich die Entladungen der Nervenzellen erheblich weiter aus, führen zu einer Störung des Bewusstseins und können bei Ausbreitung auf das gesamte Gehirn zu einem sekundär generalisierten Anfall mit Bewusstlosigkeit führen. Die Betroffenen wirken benommen, verwirrt oder abwesend. Häufig kannst du auch Automatismen beobachten wie Kauen und Schmatzen, Scharren mit den Füßen oder Nesteln an der Kleidung. Die Betroffen können sich hinterher nicht daran erinnern.
Ein fokaler Anfall kann sich zu einem generalisierten epileptischen Anfall ausweiten, wenn die Nervenzellen im gesamten Gehirn überreagieren.
Generalisierte Anfälle
Bei primär generalisierten Anfällen werden hingegen sehr früh Nervenzellen des gesamten Gehirns miteinbezogen. Es kommt zu Muskelzuckungen oder -krämpfen im ganzen Körper, häufig mit Bewusstseinsstörungen.
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- Absencen (Petit Mal): Eine eher milde Form sind die sogenannten Absencen, eine kurze geistige Abwesenheit. Als Abcencen (Petit mal) bezeichnet man abrupte kurz dauernde Bewusstseinsstörungen, welche nur mit sehr geringen motorischen Phänomenen wie Lidflattern oder leichten Zuckungen im Gesicht einhergehen. Die Betroffenen wirken für einige Sekunden abwesend und blicken ins Leere. Manchmal ist es, als würden sie bei ihren Tätigkeiten einfrieren. Sie stoppen, was sie tun, für ein paar Sekunden. Wenn sie weitermachen, erinnern sie sich nicht daran.
- Großer Krampfanfall (Grand Mal): Die häufigste Form des generalisierten epileptischen Anfalls ist der sogenannte große Krampfanfall, auch „Grand Mal“ genannt. Generalisierte, tonisch-klonische Anfälle (Grand mal) sind charakterisiert durch einen plötzlichen Bewusstseinsverlust, einer generalisierten Verkrampfung und nachfolgend rhythmischen Muskelzuckungen des gesamten Körpers. Der verläuft in zwei Phasen: Zuerst versteift sich der ganze Körper, die Betroffenen verlieren das Bewusstsein und atmen nur noch sehr flach. In Kombination mit der hohen Muskelanspannung kann das zu Sauerstoffmangel führen. Das erkennst du daran, dass sich die Haut oder die Lippen blau färben. Nach zehn bis 30 Sekunden setzt die zweite Phase mit unkontrollierten Zuckungen ein. Diese Phase dauert in der Regel nur ein bis zwei Minuten.
- Myoklonische Anfälle: Myoklonische Anfälle gehen mit beidseitigen Zuckungen bei erhaltenem Bewusstsein einher.
Nicht-epileptische Anfälle
Dissoziative Anfälle sind nur schwer von epileptischen Anfällen zu unterscheiden. Allerdings haben sie nicht eine Epilepsie, also eine zeitweise auftretende Funktionsstörung des Gehirns, zur Ursache. Entsprechend helfen in diesem Fall auch keine Medikamente gegen Epilepsie. Dissoziative Anfälle können individuell vielfältige und unterschiedliche Ursachen haben. Häufig treten sie im Zusammenhang mit belastenden Situationen oder Stress auf. In vielen Fällen ereignen sich die ersten Anfälle nach belastenden oder erschütternden Erfahrungen, beispielsweise nach einem Trauma.
Dissoziative Anfälle können unterschiedlich aussehen, wie epileptische Anfälle auch: regloses Verharren ohne Reaktionen, halbwache Dämmerzustände mit wenigen Bewegungen oder Anfälle mit heftigen Bewegungen. Dissoziative Anfälle treten viel seltener auf als Epilepsien. Von 100 Menschen mit Anfällen haben nur 4 Menschen dissoziative Anfälle, 96 haben jedoch eine Epilepsie. Am Epilepsiezentrum Freiburg werden bei etwa 10-20 Menschen jährlich Dissoziative Anfälle diagnostiziert.
Ursachen von Epilepsie
Ursächlich für eine Epilepsie können Entwicklungs- und Differenzierungsstörungen oder akute Erkrankungen des Gehirns sein wie zum Beispiel eine Entzündung, ein Tumor oder erworbene Narben nach Hirninfarkt, Hirntrauma oder Blutungen. Ursachen für epileptische Anfälle variieren nach je nach Alter der betroffenen Person. Neben akuten Hirnerkrankungen sowie Anlageanomalien können auch Substanzmissbrauch und Substanzentzug zu akut symptomatischen Anfällen führen. Für jedes Alter gilt jedoch, dass bei rund der Hälfte aller betroffenen Patienten die Ursache unbekannt ist.
Jede Schädigung von Hirngewebe kann zu einer spontanen Entladung von Nervenzellen und damit zu einem Krampf führen. Säuglinge und kleine Kinder entwickeln oft einen Anfall, wenn sie hohes Fieber haben. Prinzipiell kann ein epileptischer Anfall oder eine Epilepsie in jedem Lebensalter auftreten. Manchmal bleibt die Ursache unbekannt. Bei einigen Patientinnen und Patienten erhöhen Trigger das Risiko für einen Krampf.
Diagnose von Epilepsie
Kommt es erstmalig zu einem Anfall bzw. besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Epilepsie, sollte von einem in der Epilepsiebehandlung erfahrenem Facharzt geprüft werden, ob es sich dabei um einen epileptischen Anfall oder ein anderes behandlungsbedürftiges Ereignis gehandelt hat. Die Epilepsiediagnostik ist ein Prozess, bei dem verschiedene Untersuchungen durchgeführt und deren Ergebnisse aufeinander bezogen werden müssen.
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Zunächst ist eine genaue Anamnese (Erfragung der Vorgeschichte) notwendig. Wir legen besonderen Wert auf die Erhebung der Anfallsanamnese einschließlich der Fremdanamnese beispielsweise durch Angehörige, Medikamentenanamnese und Familienanamnese. Auch die Erfassung und von neuropsychologischen und psychischen Störungen ist uns wichtig.
Anamnese
Was spürt der/die Betreffende selbst vor, während und nach dem Anfall? Da häufig Teile des Anfalls oder der ganze Anfall nicht bewusst miterlebt werden, ist eine möglichst gute Fremdbeschreibung - z.B. durch Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen - unverzichtbar. Hilfreich kann auch die Aufzeichnung einer kurzen Videosequenz mit dem Handy sein. Wenn nötig, kann die Anfallsbeschreibung auch durch eine Videobeobachtung in einer spezialisierten Klinik - z.B. einem Epilepsiezentrum - im Rahmen eines stationären Aufenthalts ergänzt werden.
Wichtige Punkte sind: Eine kurze Beschreibung des ersten Anfalls, welche Medikamente werden bzw. wurden bereits eingenommen. Bei welchem Medikament traten weniger Anfälle und/oder Nebenwirkungen auf? Gab es Medikamente, die den Ablauf der Anfälle günstig beeinflusst haben?
Elektroenzephalogramm (EEG)
Das EEG registriert Potentialschwankungen der Hirnrinde, welche durch die Summe aktivierender und hemmender Potentiale der einzelnen Nerven entstehen. Die Hirnstromkurve zeigt an, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht. Im wachen Zustand mit geschlossenen Augen findet sich ein Alpha-Rhythmus von 8-13 Hz mit Betonung über den okzipitalen Regionen. Im Falle einer Epilepsie lassen sich epilepsietypische Muster ableiten (zum Beispiel spike-wave-Komplexe), welche generalisiert oder fokal (umschrieben) auftreten können. Auch EEG-Anfälle oder regionale Verlangsamungen lassen sich gut erkennen.
- Langzeit-Video-EEG-Ableitung: Hierbei handelt es sich um eine videoüberwachte EEG-Überwachung, welche in speziell ausgerüsteten Patientenzimmern erfolgt. Die Dauer der Ableitung beträgt mind.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Mit Hilfe der MRT-Untersuchung (auch Kernspintomogramm genannt) können hirnorganische Veränderungen sichtbar gemacht werden. Diese können Hinweise auf die Ursache der Epilepsie bzw. der epileptischen Anfälle geben. Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn lassen sich zum Beispiel mittels der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen.
Weitere Untersuchungen
Auch die Blutuntersuchung kann dabei helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren. Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.
Behandlung von Epilepsie
Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Grundsätzlich erfolgt eine ausführliche Beratung zur Vermeidung möglicher Auslöser von Anfällen.
Medikamentöse Therapie
Rund 80 Prozent der Epilepsie-Erkrankten können durch Medikamente langfristig gut eingestellt werden. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Mit den Antiepileptika können die epileptischen Anfälle unterdrückt werden. Als erste antiepileptisch wirksame Substanzen wurden bereits 1857 Brom und 1912 Phenobarbital entdeckt, 1938 folgte Phenytoin. Mittlerweile gibt es über 20 weitere verschiedene Antiepileptika.
Antiepileptika wirken direkt auf das Nervensystem und die Nervenzellen. Sie sorgen dafür, dass die Reizweiterleitung der Nerven gehemmt und die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn vermindert wird. Im Wesentlichen werden zwei Wirkmechanismen unterschieden: Die Blockierung epileptischer Impulse sowie das Verhindern der Ausbreitung epileptischer Aktivität.
Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Aber nicht jedes Medikament ist für jede Epilepsie geeignet. Andere Faktoren sind bei der Auswahl des Medikamentes zu berücksichtigen wie zum Beispiel Begleiterkrankungen, die Einnahme anderer Medikamente (Interaktionen), individuelle Lebenssituation und die Verträglichkeit des Antiepileptikums. Insbesondere die Nebenwirkungen (sowohl kurzfristige als auch langfristige) müssen berücksichtigt werden, da die Medikation zumeist über sehr lange Zeit, oft lebenslang, eingenommen werden muss.
Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe. Da es oft bei einem einzigen Anfall bleibt, kann man mit einer Behandlung meist erst einmal abwarten. Die Therapie beginnt in der Regel erst nach einem zweiten Anfall. Besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für erneute Anfälle, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann bereits nach dem ersten Krampfanfall eine Behandlung sinnvoll sein. Wichtig ist, die persönliche Situation ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.
Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente. Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig.
Epilepsiechirurgie
Sind die Anfälle medikamentös auch mit mehreren Medikamenten nicht befriedigend kontrolliert, sollte die Möglichkeit eines Epilepsie-chirurgischen Eingriffes geprüft werden. Unter Epilepsiechirurgie versteht man die Behandlung der Epilepsie mittels neurochirurgischer Verfahren. Sie ist eine erprobte und anerkannte Behandlungsform und wird in spezialisierten Zentren durchgeführt. Im Rahmen einer stationären prächirurgischen Abklärung sollte die Möglichkeit einer epilepsiechirurgischen Behandlung überprüft werden.
Dabei untersucht man, ob die epileptischen Anfälle von einer bestimmten Stelle des Gehirns ausgehen und ob es möglich ist, diese operativ zu entfernen, ohne dass der Patienten Störungen im Bereich von Gedächtnis, Kraft oder Sprache erleidet. Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
Nach der Operation und dem anschließenden stationären Aufenthalt wird in der Regel ein weiterer stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik mit Epilepsie-Schwerpunkt (Medizinische Rehabilitation) empfohlen. Innerhalb der ersten Jahre nach der Operation finden in unterschiedlichen Abständen Nachsorgeuntersuchungen statt, in die alle an der prächirurgischen Diagnostik und operativen Epilepsietherapie beteiligten Berufsgruppen (Ärzte, Neuropsychologie, Psychologie, Sozialdienst) mit eingebunden sind. Ebenso müssen die Medikamente zur Epilepsiebehandlung nach der Operation noch mehrere Jahre eingenommen werden. Sind dann keine weiteren Anfälle aufgetreten, kann nach Absprache mit dem behandelnden Arzt versucht werden, die Medikamente abzusetzen.
Neurostimulation
Im Gegensatz zur Epilepsiechirurgie kann mit der Neurostimulation keine Anfallsfreiheit erreicht werden. Allerdings bewirkt sie, je nach Art der Epilepsie und des eingesetzten Verfahrens, eine deutliche Minderung der Anfallsfrequenz bzw. Unter Neurostimulation versteht man zusammengefasst, dass Strukturen im Gehirn oder solche, die dort hinführen (wie der Vagus-Nerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert werden.
20-30 Prozent aller Epilepsiepatienten sprechen nicht ausreichend auf eine medikamentöse Behandlung an und / oder können aus verschiedenen Gründen nicht operiert werden. Die VNS steht bereits seit Mitte der 90er Jahre als erfolgversprechende Behandlungsalternative zur Verfügung. Hierbei wird der 10. Dafür muss ein Pulsgenerator in eine Hauttasche unter dem linken Schlüsselbein eingesetzt und mittels eines Elektrodenkabels eine Verbindung zum 10. Hirnnerv im linken Halsbereich hergestellt werden. Dies erfolgt im Rahmen einer (minimalinvasiven) 1,5-stündigen OP unter Vollnarkose. In der Regel können die Patienten bereits am Folgetag nach Aktivierung des Systems entlassen werden.
- Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.
- Transkutane Vagusnerv-Stimulation (tVNS): Dies ist die Weiterentwicklung der VNS, bei der keine Operation und kein Klinikaufenthalt erforderlich sind. Allerdings liegt die Effektivität deutlich unter der der konventionellen Methode. Spezielle Nervenfasern werden hier über eine Ohrelektrode am Ohr durch sanfte elektrische Impulse aktiviert (Neurostimulation).
- Transkranielle Magnetstimulation: Bei der Transkraniellen Magnetstimulation erfolgt die Stimulation durch die Schädeldecke und erreicht so die übererregten Hirnstrukturen.
- Tiefe Hirnstimulation: Bei diesem Verfahren werden Elektroden in bestimmte Strukturen meist auf beiden Seiten des Gehirns implantiert. Die Tiefe Hirnstimulation ist bei Menschen mit Bewegungsstörungen etabliert und zur Therapie des M. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Tiefe Hirnstimulation zu einer Reduzierung der Anfallshäufigkeit führt, wenn eine bestimmte Hirnregion - der anteriore Thalamus - stimuliert wird; besonders profitiert haben Menschen mit komplex-fokalen (bzw. automotorischen) Anfällen und Menschen mit Temporallappenepilepsien. Im direkten Vergleich scheint die Tiefe Hirnstimulation - die allerdings nur unter bestimmten Bedingungen in Frage kommt - effektiver als die Vagus-Nerv-Stimulation zu sein.
Anfallsselbstkontrolle
Parallel zur medikamentösen Epilepsietherapie kann auch der verhaltenstherapeutische Ansatz der Anfallsselbstkontrolle in die Behandlung integriert werden. In manchen Fällen ist es dem Betroffenen möglich, durch Selbstkontrolle anfallsauslösenden Bedingungen wie zum Beispiel Stress bei Auseinandersetzungen entgegenzuwirken und so einen Anfall zu verhindern.
Psychotherapie
Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Im Grunde genommen ist ein epileptischer Anfall kein Notfall, denn meistens hört er von selbst wieder auf und ist für sich genommen auch nicht gefährlich. Das Gehirn wird dabei auch nicht geschädigt. Die Gefahr liegt vor allem darin, dass die Betroffen stürzen oder einen Kreislaufkollaps bekommen.
Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.
Als Ersthelferin oder Ersthelfer ist es deine Aufgabe, die Betroffenen vor Verletzungen zu schützen und zu erkennen, wann du unbedingt den Notarzt rufen solltest.
Spezialisierte Einrichtungen
Die Behandlung wird von einer Neurologin oder einem Neurologen begleitet. Kinder und Jugendliche werden von Kinder- und Jugendneurologinnen und -neurologen betreut. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Manche ambulanten Einrichtungen und Kliniken haben sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert: Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen. Diese eignen sich besonders bei speziellen Problemen, einer unklaren Diagnose oder wenn es trotz Behandlung weiter zu Anfällen kommt.