Was passiert beim Absetzen von Epilepsie-Medikamenten? Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle resultieren aus plötzlichen, abnormalen elektrischen Aktivitäten im Gehirn. Die Diagnose wird anhand des Anfallgeschehens und zusätzlicher Befunde gestellt, die auf eine Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hindeuten. Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie, gegebenenfalls begleitet von nicht-pharmakologischen Maßnahmen wie einer ketogenen Diät und Psychotherapie. Aber was passiert, wenn diese Medikamente abgesetzt werden? Dieser Artikel beleuchtet die potenziellen Folgen und gibt einen umfassenden Überblick über das Thema.

Epilepsie: Eine Definition

Epilepsie (ICD-10 G40) ist der Oberbegriff für zerebrale Funktionsausfälle aufgrund einer neuronalen Netzstörung. Leitsymptom sind wiederholte Anfälle. Ein epileptischer Anfall ist definiert als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn. Die Phänomenologie variiert beträchtlich, abhängig von Ort und Ausprägung der Anfälle. Es gibt nur wenige Sekunden dauernde motorische und sensible Episoden, Absencen, Abläufe mit Zuckungen einer Extremität, komplexe Bewegungs- und Bewusstseinsphänomene sowie die klassischen tonisch-klonischen Anfälle. Daneben existieren die sogenannten Epilepsie-Syndrome, zum Beispiel das Lennox-Gastaut- und Dravet-Syndrom.

Epidemiologie der Epilepsie

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Prävalenz in Industrieländern wird mit 0,5-0,9 Prozent angegeben. Die jährliche kumulative Inzidenz aller Epilepsien beträgt über alle Altersgruppen hinweg 67,77/100.000 Personen. Hier sind jedoch zwei Spitzen zu verzeichnen: eine in den ersten fünf Lebensjahren (Early-onset-Epilepsie) und eine weitere jenseits des 50. Lebensjahrs (Late-onset-Epilepsie). Im Alter wird die höchste altersadjustierte Inzidenz von Epilepsien gemessen. Bei den über 65-Jährigen liegt die Inzidenz bei 90-150/100.000 Personen. Ebenso nimmt die Prävalenz mit dem Alter zu und steigt auf 1-2 Prozent bei den über 85-Jährigen. Der Häufigkeitsgipfel in der letzten Lebensdekade ist insbesondere mit dem Auftreten von Epilepsien nach Schlaganfällen und Hirntumoren sowie bei Demenzerkrankungen assoziiert.

Schätzungsweise erleiden circa 5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt. Bei Kindern und Jugendlichen kann ein solcher Anfall bei etwa 4-10 Prozent beobachtet werden. Dazu gehören Fieberkrämpfe, akut symptomatische Anfälle oder unprovozierte epileptische Anfälle. Mit 20 Jahren wird aber nur bei 1 Prozent die Erkrankung Epilepsie, das heißt sich wiederholende epileptische Anfälle, diagnostiziert. Die Hälfte der Epilepsie-Erkrankungen beginnt vor dem 10. Lebensjahr, 2/3 vor dem 20. Lebensjahr.

Klassifikation der Epilepsie

Aus pragmatischen Gründen teilte man Epilepsien lange Zeit in symptomatische, idiopathische und kryptogene Formen ein. 2017 überarbeitete die internationale Liga gegen Epilepsie ihre Klassifikation und Terminologie. Die aktualisierte ILAE- Klassifikation besitzt nunmehr eine dreistufige Grundstruktur:

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  1. Anfallstyp bzw. Anfallsform: Hier unterscheidet man zwischen generalisiertem, fokalem und unklarem Beginn. Innerhalb der generalisierten Epilepsien wurde die Untergruppe der idiopathisch generalisierten Epilepsien wieder eingeführt.
  2. Art der Epilepsie: Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle sind auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Aktuell werden folgende Ätiologien unterschieden: strukturelle, genetische, infektiöse, metabolische, immunologische und unbekannte Ursachen.
  3. Ätiologie: Die Ursache der Epilepsie wird bestimmt, um die Behandlung besser zu steuern.

Strukturelle Ursachen

Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen.

Genetische Ursachen

In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab. Sehr viel seltener ist nur ein Gen betroffen (zum Beispiel Ionenkanal-Gene oder Neurotransmitter assoziierte Gene). Die Mutation kann vererbt werden oder de novo auftreten.

Infektiöse Ursachen

Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis.

Metabolische Ursachen

Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind. Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a.: Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie, Störungen des Aminosäurestoffwechsels, Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE), Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), Urämie, Hyper-/Hypoglykämie und zerebraler Folsäuremangel.

Immunologische Ursachen

Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).

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Unbekannte Ursachen

Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist. Eine spezifischere Diagnose als die elektro-klinische Einordnung, etwa als Frontallappenepilepsie, ist bei diesen Patienten nicht möglich.

Pathophysiologie der Epilepsie

Bislang sind die neurobiologischen Zusammenhänge der Epileptogenese nicht bis ins letzte Detail verstanden. Man weiß allerdings, dass eine neuronale intra- und transzelluläre Übererregung (Hyperexzitabilität) einzelner Nervenzellen, Fehlkoordinationen von Erregung und Hemmung neuronaler Zellverbände, veränderte Zellmembraneigenschaften und eine fehlerhafte Erregungsübertragung synaptischer Netzwerke zu einer abnormen exzessiven neuronalen Entladung führen.

Die dem epileptischen Anfall zugrunde liegenden paroxysmalen Depolarisationsstörungen sind meist auf ein Ungleichgewicht bzw. einer fehlerhaften Verteilung von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmitterwirkungen zurückzuführen. Dabei spielen die Aminosäuren Glutamat und Aspartat als erregende Neurotransmitter sowie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmende Signalsubstanz eine entscheidende Rolle. Zudem können Neurotransmitter-Synthesestörungen und ein gesteigerter Abbau oder eine Rezeptor-Blockade von GABA-Rezeptoren anfallsauslösend wirken. Pathologische Veränderungen an spannungsabhängigen Ionenkanälen (Kalium, Natrium, Calcium) beeinflussen ebenfalls die neuronale Erregbarkeit. Für einige dieser Mechanismen wurden inzwischen genetische Ursachen nachgewiesen.

Paroxysmale Depolarisationsshift (PDS)

Nach international gängiger Lehrmeinung ist der sogenannte paroxysmale Depolarisationsshift (PDS) als gemeinsamer Nenner der fokalen Epileptogenese anzusehen. Elektrophysiologisch handelt es sich um eine Serie hochfrequenter Aktionspotenziale, die durch eine sich anschließende Hyperpolarisation beendet wird. Auf zellulärer Ebene korreliert der PDS mit interiktalen eleptiformen Signalen (sogenannte Spikes) im EEG. Während eines epileptischen Anfalls wird der PDS in eine anhaltende Depolarisation der Zellen überführt.

Symptome und Anfallsformen

Die Symptome der unterschiedlichen Epilepsieformen variieren stark. Das klinische Bild richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der neuronalen Fehlerregung sowie nach der Art des Anfallgeschehens. Möglich sind Parästhesien auf der Haut (Parietallappenanfälle), orale Automatismen wie Schmatzen und Kauen (Temporallappenanfälle), visuelle Halluzinationen (Okzipitallappenanfälle) oder komplexe Anfallsbewegungen (frontale Anfälle) und Mischbilder.

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Die ILAE unterscheidet grundsätzlich zwischen Anfällen mit fokaler, generalisierter oder unbekannter Ausbreitung. Darüber hinaus werden diese in Formen mit motorischen und nicht-motorischen Bewegungsstörungen eingeteilt. Bei fokal beginnenden Anfällen wird zusätzlich unterschieden, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder nicht. Fokale und generalisierte Anfälle können einzeln (inklusive mehrerer fokaler oder generalisierter Ereignisse) oder zusammen auftreten.

Anfälle mit fokalem Beginn

Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn haben ihren Ursprung in einem begrenzten Neuronensystem innerhalb einer Hemisphäre. Sie werden entsprechend der motorischen Initialsymptomatik klassifiziert und in Anfälle mit und ohne Bewusstseinsstörung eingeordnet.

Fokal beginnende Anfälle mit motorischer Initialsymptomatik

Ein Beginn mit motorischen Störungen kann gekennzeichnet sein durch: Automatismen, atonische Anfälle, klonische Anfälle, epileptische Spasmen, hyperkinetische Anfälle, myoklonische Anfälle und tonische Anfälle.

Wie jeder epileptische Anfall kann auch ein fokal beginnender Anfall mit motorischen Symptomen in einen Status epilepticus (SE) übergehen und stunden- oder sogar tage- bis wochenlang andauern (Epilepsia partialis continua, Koževnikov-Status).

Fokal beginnende Anfälle ohne motorische Initialsymptomatik

Fokale Anfälle ohne initial-motorische Störungen können folgenden Charakter haben: autonom, mit Arrest-Symptomatik, kognitiv, emotional, sensorisch. Daneben gibt es fokal beginnende und zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen übergehende Ereignisse.

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung entsprechen den bisher als „einfach-fokal“ bezeichneten Anfällen. Die Anfälle weisen häufig auf eine intrazerebrale Läsion hin. Sie können im Verlauf zu einer Bewusstseinsstörung führen oder in generalisierte Anfälle übergehen.

Wesentliche Formen im klinischen Alltag sind: Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen und Ausbreitungstendenz (Jackson-Anfälle) und Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen ohne Ausbreitungstendenz.

Medikamentöse Therapie der Epilepsie

Ist eine Epilepsie diagnostiziert und die Form der epileptischen Anfälle genau charakterisiert, kann eine passende Therapie angewandt werden. Diese beginnt meist mit Medikamenten (Anfallssuppressiva / Antikonvulsiva), mit deren Hilfe etwa zwei von drei Patientinnen und Patienten anfallsfrei werden. Allerdings müssen die Medikamente dafür häufig über Jahre, oder sogar ein Leben lang eingenommen werden. Zudem wirken die verschiedenen Wirkstoffe nicht bei allen Betroffenen gleichermaßen und gehen oft mit unterschiedlichsten Nebenwirkungen einher. Die genaue Auswahl und Einstellung der Medikation kann deshalb oft Monate oder sogar Jahre dauern und erfordert regelmäßige Untersuchungen und vor allem ein großes Vertrauen zwischen Angehörigen, Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten.

Pharmakoresistente Epilepsie

Stellt sich allerdings nach mindestens einem Jahr, unter maximal möglicher Dosierung und der Verabreichung von mindestens zwei unterschiedlichen Anfallssuppressiva (entweder in Mono- oder Kombinationstherapie) noch immer kein Behandlungserfolg ein, also eine Verbesserung des Anfallsgeschehens, handelt es sich eventuell um eine pharmakoresistente Epilepsie (Epilepsie spricht nicht auf Medikamente an). Dann gibt es weitere Optionen, wie Epilepsiechirurgie und Neurostimulation (Vagusnervstimulation).

Weitere Therapieansätze

Neben der Ursache der Epilepsie werden auch die Anfallsform, zusätzlich bestehende Krankheiten und weitere medizinische Befunde zur Diagnose und Auswahl der richtigen Medikamente bzw. Behandlungsmöglichkeit herangezogen. So wirken manche Medikamente zum Beispiel nur bei bestimmten Epilepsie-Syndromen, während die Epilepsiechirurgie häufig nur bei fokalen Epilepsien anwendbar ist. Auch das Alter des Betroffenen bei Krankheitsbeginn spielt eine sehr wichtige Rolle. Auch eine Umstellung der Ernährung (ketogene Ernährungstherapie), Psychotherapie, Neuropsychologie und gezielten Anfallsunterbrechung zur Verbesserung des Anfallsgeschehens beitragen.

Medikamentenauswahl

Zur Behandlung steht eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung, jedoch wirken nicht alle Medikamente bei allen Epilepsie-Formen. Es gibt Präparate, die nur bei fokalen Anfällen wirksam sind und andere, die insbesondere bei generalisierten Anfällen wirken. Wieder andere wirken bei beiden Anfallsformen oder nur bei ganz bestimmten Epilepsie-Syndromen. Um das wirksamste und verträglichste Anfallssuppressivum für Betroffene zu finden, müssen bei der Wahl des Präparats weitere Faktoren, wie z. B. Alter, Vor- und Begleiterkrankungen und EEG-Befunde der Patientinnen und Patienten spielt vor allem die konkrete Anfallsform eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Anfallssuppressiva. Bestimmte Abläufe, Häufigkeiten und Symptome werden zu sogenannten Epilepsie-Syndromen zusammengefasst.

Gängige Substanzen bei Epilepsie

Es gibt eine Vielzahl von Wirkstoffen, die je nach Verträglichkeiten, Alter und Form der Epilepsie als Mono- oder Kombinationsbehandlung verabreicht werden können. Mittel wie Valproat werden jedoch häufiger als andere für die Behandlung idiopathischer generalisierter Epilepsiesyndrome verschrieben, während z. B. Ethosuximid vor allem bei Absencen im Schulkindalter verwendet wird, da es besser verträglich ist.

Da es aber noch weitaus mehr Faktoren bei der Auswahl zu berücksichtigen gilt, ist das vertrauensvolle Verhältnis zwischen behandelndem Ärztinnen und Ärzte und Patient*in sehr wichtig. Es gibt noch weitere Therapie-Ansätze, z. B. bei der Behandlung des West-Syndroms (auch BNS-Epilepsie), bei der Hormone wie ACTH und Glucocorticoide zum Einsatz kommen.

Wirkmechanismen der Anfallssuppressiva

An der Verarbeitung von Informationen im Gehirn sind Botenstoffe (Neurotransmitter) beteiligt. Sie sorgen dafür, dass Informationen von einer Nervenzelle zur anderen weitergegeben werden. Im Gehirn gibt es verschiedene Arten von Neurotransmittern, die sich alle in einem Gleichgewicht zueinander befinden. Wird dieses Gleichgewicht gestört, reagieren die Nervenzellen mit einer gesteigerten Erregbarkeit und es kann (z. B. durch eine Entzündung, Kopfverletzungen, hormonelle Schwankungen oder andere Auslöser) zu einem epileptischen Anfall kommen. Fast alle Anfallssuppressiva bewirken das Aufrechterhalten bzw. Wiederherstellen dieses Gleichgewichts. Das ist allerdings nur möglich, solange eine bestimmte Menge des Wirkstoffs im Blut vorhanden ist. Sinkt der Medikamentenspiegel im Blut unter eine bestimmte für jeden Betroffenen individuell zu bestimmende Schwelle, wirkt das Präparat nicht.

Monotherapie vs. Kombinationstherapie

Ein zentraler Aspekt ist, ob die Epilepsie mit einem oder mehreren Medikamenten behandelt werden sollte. In der Regel wird mit einer Monotherapie begonnen. Wenn diese nicht erfolgreich ist, kann eine zweite Monotherapie oder auch bereits eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden. Die Monotherapie, bei der nur ein Antikonvulsivum eingesetzt wird, ist in der Regel der erste Schritt in der Behandlung von Epilepsie. Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Einfachheit: Es gibt eine klare Übersicht über Wirksamkeit und Nebenwirkungen, und die Medikamenten-Compliance der Patientinnen und Patienten ist am höchsten. Bei Epilepsien fokalen Ursprungs sind beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Valproinsäure Mittel der ersten Wahl.

Die Kombinationstherapie kommt ins Spiel, wenn die Monotherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Hier werden zwei oder mehr Antikonvulsiva kombiniert, um verschiedene, sich ergänzende Wirkmechanismen zu nutzen. Dies kann die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen. Die Entscheidung zwischen Mono- und Kombinationstherapie sollte immer individuell getroffen werden, basierend auf dem klinischen Bild der Patientinnen und Patienten, den bisherigen Therapieerfahrungen und den potenziellen Nebenwirkungen der Medikamente.

Ziele der antiepileptischen Therapie

Oberstes Ziel einer jeden antiepileptischen Therapie muss Anfallsfreiheit oder doch wenigstens Anfallskontrolle sein und zwar mit möglichst geringen Nebenwirkungen. Es gibt beträchtliche Unterschiede in Bezug auf das Risiko für Nebenwirkungen. Einige Anfallssuppressiva, wie z. B. Lamotrigin und Levetiracetam, zeichnen sich durch deutlich seltener auftretende kognitive Nebenwirkungen aus. Das Risiko steigt auch mit der Anzahl der Medikamente, die eine Therapie.

Beispiel Levetiracetam

Levetiracetam gehört zu den wichtigsten Mitteln gegen Krampfleiden. Es senkt die Gefahr eines epileptischen Anfalls. Der Wirkstoff gilt allgemein als gut verträglich und kann auch mit anderen Medikamenten kombiniert werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit und Kopfschmerzen. Levetiracetam senkt die Übererregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn durch Bindung an ein spezielles Protein (synaptisches Vesikelprotein 2A). Durch dieses Andocken wird die freigesetzte Menge eines erregenden Botenstoffes reduziert. Außerdem beeinflusst Levetiracetam den Calciumspiegel in den Nervenzellen verschiedener Hirnareale. In Summe sinkt so die neuronale Erregung.

Was passiert beim Aussetzen von Epilepsie-Medikamenten?

Das Aussetzen von Epilepsie-Medikamenten sollte niemals ohne Rücksprache mit einem Arzt erfolgen. Hier sind einige mögliche Konsequenzen:

  • Erhöhtes Anfallsrisiko: Das plötzliche Absetzen von Antiepileptika kann zu einer deutlichen Erhöhung des Anfallsrisikos führen. Die Medikamente wirken, indem sie die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn reduzieren. Wird diese Wirkung plötzlich unterbrochen, kann es zu einer Übererregung kommen, die Anfälle auslöst.
  • Status epilepticus: In einigen Fällen kann das Absetzen von Medikamenten sogar einen Status epilepticus auslösen, einen lebensbedrohlichen Zustand, bei dem Anfälle über einen längeren Zeitraum anhalten oder sich wiederholen, ohne dass der Betroffene zwischendurch das Bewusstsein wiedererlangt.
  • Entzugserscheinungen: Einige Menschen erleben Entzugserscheinungen, wenn sie ihre Epilepsie-Medikamente absetzen. Diese können Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Angstzustände umfassen.
  • Beeinträchtigung der Lebensqualität: Anfälle können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie können zu Verletzungen, Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und sozialer Isolation führen.
  • Verlust der Fahrtüchtigkeit: Epileptische Anfälle und/oder Medikamente beeinträchtigen oft die Fahrtüchtigkeit. Wer zunächst wegen der Epilepsie fahruntauglich war, aber jetzt wieder fahrtauglich ist und den Führerschein behalten hat, darf sich ans Steuer setzen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann den Führerschein entziehen, wenn die Epilepsie amtsbekannt wird, z.B. nach einem Unfall.

Gründe für das Absetzen von Medikamenten

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen ihre Epilepsie-Medikamente absetzen möchten:

  • Anfallsfreiheit: Nach einer längeren anfallsfreien Zeit unter medikamentöser Therapie kann der Wunsch entstehen, die Medikamente abzusetzen.
  • Nebenwirkungen: Antiepileptika können verschiedene Nebenwirkungen haben, die die Lebensqualität beeinträchtigen.
  • Schwangerschaft: Einige Antiepileptika können während der Schwangerschaft schädlich sein. In Absprache mit dem Arzt kann eine Umstellung oder Reduktion der Medikation erwogen werden.
  • Wunsch nach Natürlichkeit: Einige Menschen bevorzugen alternative Behandlungsmethoden und möchten daher auf Medikamente verzichten.

Wann ist ein Absetzen der Medikamente möglich?

Ein Absetzen der Medikamente sollte nur in Absprache mit einem erfahrenen Arzt erfolgen. Folgende Faktoren können für ein Absetzen sprechen:

  • Lange Anfallsfreiheit: Eine Anfallsfreiheit von mindestens zwei bis fünf Jahren unter medikamentöser Therapie.
  • Günstige Epilepsieform: Idiopathische Epilepsien mit gutem Ansprechen auf Medikamente.
  • Normales EEG: Ein unauffälliges EEG kann ein positives Zeichen sein.
  • Keine strukturellen Hirnschäden: Das Fehlen von strukturellen Läsionen im Gehirn.

Wie erfolgt das Absetzen der Medikamente?

Das Absetzen der Medikamente sollte immer schrittweise erfolgen, um das Risiko von Entzugserscheinungen und Anfällen zu minimieren. Der Arzt wird einen individuellen Plan erstellen, der die Dosis über einen bestimmten Zeitraum reduziert.

Was tun, wenn man die Medikamente vergessen hat?

Bei der medikamentösen Behandlung der Epilepsie ist es besonders wichtig, dass die Anfallssuppressiva regelmäßig und zu festen Zeiten eingenommen werden. Sinkt der Medikamentenspiegel im Blut unter eine bestimmte für jeden Betroffenen individuell zu bestimmende Schwelle, wirkt das Präparat nicht.

Es gibt eine Reihe von einfachen Verhaltensregeln und technischen Hilfsmitteln, z. B. Tablettenboxen, elektronische Wecker, Handy-Apps, etc., mit denen man selbst die Zuverlässigkeit seiner Medikamenteneinnahme verbessern kann. Viele der Befragten berichteten auch, dass sie manchmal unsicher seien, ob sie ihre Tabletten bereits eingenommen hätten. Hier kann insbesondere eine Tablettenbox hilfreich sein, da man mit einem kurzen Blick in die Box erkennen kann, ob man die entsprechende Dosis zu sich genommen hat.

Wenn man bemerkt hat, dass die Medikamenteneinnahme vergessen wurde, ist es in der Regel besser, die vergessene Medikamentendosis unverzüglich nachzunehmen, als diese wegzulassen. So kann der Anfallsschutz rasch wieder auf den erforderlichen Stand gebracht werden. Ängste, dass die nachträgliche Einnahme der vergessenen Antiepileptika-Dosis Nebenwirkungen verursachen könnte, sind zumeist unbegründet. Ist man sich unsicher, empfiehlt sich ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt.

Falls Hindernisse für eine zuverlässige Medikamenteneinnahme im Zusammenhang mit dem Therapieregime bestehen, ist im Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu klären, ob die Verordnung vereinfacht werden kann, z. B. durch Umstellung von drei Tagesdosen auf zwei Tagesdosen (Wegfall der Mittagsdosis), auf ein Retard-Präparat oder vielleicht ein Wechsel auf eine Monotherapie.

Weitere Aspekte im Umgang mit Epilepsie

Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere Aspekte, die im Umgang mit Epilepsie berücksichtigt werden sollten:

  • Lebensstil: Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf, regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung kann helfen, Anfälle zu vermeiden.
  • Vermeidung von Triggern: Bestimmte Faktoren können Anfälle auslösen. Diese Trigger sollten vermieden werden.
  • Erste Hilfe: Angehörige und Freunde sollten über die richtige Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall informiert sein.
  • Fahrtüchtigkeit: Die Fahrtüchtigkeit kann durch Anfälle und Medikamente beeinträchtigt sein. Die rechtlichen Bestimmungen sollten beachtet werden.
  • Schwerbehinderung: Ab einer bestimmten Anfallshäufigkeit kann ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt werden. Dies kann zu bestimmten Leistungen und Vergünstigungen führen.

Zusammenfassung

Das Absetzen von Epilepsie-Medikamenten ist eine Entscheidung, die sorgfältig abgewogen und immer in Absprache mit einem Arzt getroffen werden sollte. Das plötzliche Aussetzen der Medikamente kann schwerwiegende Folgen haben, wie ein erhöhtes Anfallsrisiko, ein Status epilepticus und Entzugserscheinungen. Eine schrittweise Reduktion der Dosis unter ärztlicher Aufsicht ist der sicherste Weg, um die Medikamente abzusetzen. Neben der medikamentösen Therapie spielen ein gesunder Lebensstil, die Vermeidung von Triggern und die Kenntnis der richtigen Erste Hilfe eine wichtige Rolle im Umgang mit Epilepsie.

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