Wege zur Erforschung des Gehirns: Methoden im Überblick

Die Neurowissenschaften, auch bekannt als Hirnforschung oder Gehirnforschung, haben sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Durch interdisziplinäre Ansätze aus Medizin, Psychologie, Biologie, Chemie, Physik und Informatik ist es gelungen, grundlegende Fortschritte im Verständnis des Gehirns und seiner Funktionsweise zu erzielen. Diese Fortschritte sind sowohl für die Behandlung von Krankheiten als auch für deren Prävention von Relevanz und eröffnen neue Therapiemöglichkeiten.

Fortschritte in den Neurowissenschaften

Die Neurowissenschaften haben in den vergangenen Jahrzehnten grundlegende Fortschritte bezüglich des Wissens über das Gehirn und seine Funktionsweise gemacht, die sowohl für das Behandeln von Krankheiten als auch für deren Prävention von Relevanz sind. Angestoßen durch Innovationen in der Medizintechnik konnte die Hirnforschung wichtige Erkenntnisse über neuronale Prozesse gewinnen. Vorgänge im Gehirn können heute präziser beschrieben werden, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Das Wissen um den Aufbau und die Funktionsweise des Zentralnervensystems führt zu einem Erkenntniszuwachs, der nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht bedeutsam ist. Er hat auch Konsequenzen für die angewandte Forschung und eröffnet neue Therapiemöglichkeiten. So ist es heute schon möglich, pathologische Veränderungen im Gehirn präziser zu diagnostizieren und zum Teil auch zu therapieren.

Die Methoden der Hirnforschung haben sich in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomographie) oder PET (Positronen-Emissions-Tomographie) ermöglichen es, in ein lebendes, denkendes Gehirn zu schauen. Die Entwicklung von CLARITY, einem Verfahren, bei dem das Gewebe transparent gemacht wird, und die Optogenetik, die bereits Wege in die Therapie aufzeigt, sind weitere Beispiele für innovative Methoden.

Bildgebende Verfahren

Zu den technischen Fortschritten gehören insbesondere neue und verbesserte Verfahren der neuronalen Bildgebung. Zu nennen sind hier beispielsweise die (Weiter-)Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT), der Computertomographie (CT) und der Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Die Elektroenzephalographie (EEG) und die Magnetenzephalographie (MEG), im eigentlichen Sinn keine bildgebenden Verfahren, tragen ebenfalls zu den verbesserten Analysemöglichkeiten neuronaler Prozesse bei. Die bekannteste Methode zur Bildgebung, die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), ist ein nicht-invasives Verfahren zur Darstellung von Gehirnstrukturen und -aktivitäten. Nicht-invasiv bedeutet dabei, dass Bilder vom Gehirn gemacht werden, ohne in den Körper oder das Gehirn der Probandin oder des Probanden einzudringen oder sie/ihn einer Strahlung auszusetzen.

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Ermöglicht die Darstellung von Gehirnstrukturen in hoher Auflösung.
  • Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT): Misst die Hirnaktivität durch Veränderungen im Blutfluss. Während einer fMRT-Untersuchung kann beobachtet werden, welche Bereiche des Gehirns bei bestimmten Aufgaben, wie dem Lösen von Matheproblemen oder dem Betrachten von Bildern, aktiv werden.
  • Computertomographie (CT): Kann Schlaganfälle, Hirnblutungen oder Tumore diagnostizieren.
  • Positronen-Emissions-Tomographie (PET): Spürt metabolische Aktivität auf und bildet diese ab.
  • Elektroenzephalographie (EEG): Misst die elektrische Aktivität des Gehirns mittels Sensoren an der Kopfoberfläche und ermöglicht die Untersuchung von Schlafmustern, Epilepsie und anderen Gehirnaktivitäten.
  • Magnetenzephalographie (MEG): Misst über Sensoren die feinen elektrischen Aktivitäten der Nervenzellen im Gehirn.

Weitere Methoden

Neben den bildgebenden Verfahren gibt es weitere wichtige Methoden in der Hirnforschung:

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  • Elektrophysiologie: Misst elektrische Signale des Gehirns, um seine Aktivität zu beurteilen.
  • Optogenetik: Nutzt Licht, um Neurone zu kontrollieren. Dabei werden Licht-sensitive Proteine genutzt, um die Aktivität von Neuronen gezielt zu steuern.
  • Pharmakologische Methoden: Untersuchen die Wirkung von Medikamenten auf neuronale Prozesse.
  • Molekularbiologische Techniken: Zielen auf die Erforschung der genetischen und biochemischen Grundlagen neuronaler Prozesse ab.
  • Neurofeedback: Eine Methode, bei der die Hirnaktivität einer Person in Echtzeit für diese sichtbar gemacht wird. Den Patientinnen und Patienten werden Techniken beigebracht, wie sie ihre Gehirnaktivität bewusst steuern und eine stärkere Kontrolle über ihre kognitiven Funktionen erlangen können.
  • Traktographie: Eine Technik, die es erlaubt mit Hilfe von Magnetresonanztomographie die richtungsabhängige Diffusion von Wassermolekülen zu messen.

DELiVR: Eine KI-basierte Lösung für die Gehirnforschung

Forschende von Helmholtz Munich und dem LMU Klinikum haben DELiVR vorgestellt, eine neue KI-basierte Lösung für komplexe Aufgaben in der Gehirnforschung. Dieses Deep-Learning-Tool macht fortgeschrittene Programmierkenntnisse überflüssig und demokratisiert so die moderne Neurowissenschaft. DELiVR (kurz für „Deep Learning and Virtual Reality mesoscale annotation“) kombiniert die Prozesse der Zellenerkennung, des Abgleichs mit einem Gehirnatlas und der Visualisierung der Ergebnisse in einer Pipeline. Es arbeitet nahtlos mit Fiji, einer Open-Source-Software für die Bildanalyse, zusammen. Zudem können User anpassbare Funktionen nutzen, um die Lösung auf bestimmte Zelltypen wie Mikroglia, eine wichtige Immunzelle im Gehirn, zu trainieren. DELiVR kann somit für vielfältige Forschungsprojekte zum Einsatz kommen.

Um spezifische Zellen in Gehirnscans genau zu quantifizieren, hat das Forschungsteam zunächst einen KI-Algorithmus darauf trainiert, diese Zellen in mikroskopischen 3D-Bildern zu erkennen. Mithilfe von Virtual Reality (VR) tauchten die Forschenden dann direkt in die Bilder ein und markierten die Zellen in 3D mit Labels - eine weitaus schnellere und präzisere Methode im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen in 2D, für die Zellproben auf feinen Scheiben genutzt werden.

Am Beispiel krebsbedingter Hirnaktivitäten verdeutlicht das Forschungsteam die Leistungsfähigkeit von DELiVR. Dafür fokusierten sich die Wissenschaftler:innen auf die tumorbedingte Gewichtsabnahme, die für Betroffene eine große Belastung darstellt. In Mäusen beobachteten sie bestimmte Gehirnaktivitätsmuster, die sie mit einem Gewichtsverlust in Verbindung bringen konnten. Außerdem konnten sie diese deutlich von Hirnaktivitätsmustern unterscheiden, die keine Gewichtsveränderung zur Folge hatten.

Herausforderungen und Probleme in den Neurowissenschaften

Trotz der beeindruckenden Fortschritte gibt es in den Neurowissenschaften noch eine Reihe von Herausforderungen und Problemen:

  • Manifestation neuronaler Erkrankungen: Es ist noch nicht genau bekannt, wie sich verschiedene neuronale Erkrankungen im Gehirn manifestieren.
  • Fehlende Behandlungsmethoden: Selbst bei einer frühen Diagnose fehlen für viele neuronale Erkrankungen zurzeit noch die Behandlungsmethoden.
  • Soziale Vermittlung psychischer Störungen: Gerade psychische Störungen sind in hohem Maße sozial vermittelt und konstruiert, was es fraglich macht, ob sich jemals geeignete Biomarker für diese komplexen sozio-medizinischen Phänomene finden lassen.
  • Ethische Fragen: Die Möglichkeit der Vorhersage von Krankheiten wirft ethische Fragen auf, insbesondere wenn keine Handlungsoptionen gegeben sind.
  • Prinzip von Versuch und Irrtum in der Neuropharmakologie: Trotz aller Fortschritte basiert sowohl die Forschung als auch die richtige Einstellung von Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Medikamenten zu einem bedeutenden Anteil auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum.

Neuroethik und Gehirn-Computer-Schnittstellen

Weitere für die tertiäre Prävention relevante Bereiche sind die Neuroprothetik und Gehirn-Computer-Schnittstellen. Hier besteht eine enge Verbindung zum Neuro-Feedback. In der Neuroprothetik werden Prothesen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickelt, die diese mittels ihrer Gedanken steuern. Über Neurofeedback lernen Patientinnen und Patienten, ihre Gedanken gezielt einzusetzen, um mit einer Prothese ganz unterschiedliche Operationen auszuführen, wobei die Kommunikation zwischen Gehirn und Maschine oder Prothese über eine Schnittstelle, ein sogenanntes Interface, gewährleistet wird. Es ist dabei zwischen invasiven und nicht-invasiven Schnittstellen zu unterscheiden. Zu den nicht-invasiven Verfahren gehört die Messung der Gehirnaktivität mittels EEG, während im Rahmen invasiver Verfahren die Aktivität nicht nur ausgelesen, sondern das Gehirn auch stimuliert werden kann, um beispielsweise bei bestimmten Formen der Blindheit das Sehvermögen teilweise wiederherzustellen.

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Zukünftige Entwicklungen in der Neurobiologie

Die Welt der Neurobiologie entwickelt sich ständig weiter, mit neuen Methoden und Technologien, die unser Verständnis des Gehirns und seines Verhaltens revolutionieren.

  • Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen: Diese Technologien werden zunehmend genutzt, um riesige Datenmengen zu analysieren und Muster zu erkennen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind.
  • Verbesserte Bildgebungstechniken: Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik ermöglichen es, das Gehirn in noch nie dagewesener Auflösung zu beobachten.
  • Optogenetik: Diese Methode, die es ermöglicht, Neuronen mit Licht zu steuern, wird weiterentwickelt, um präzisere Studien über Gehirnfunktionen zu ermöglichen.
  • Integration verschiedener Methoden: Eine verstärkte Verschmelzung von Techniken, etwa die Kombination von genetischen Ansätzen mit bildgebenden Verfahren, um komplexere Fragestellungen zu adressieren.
  • Zugänglichkeit und Demokratisierung: Durch die Verringerung von Kosten und die Vereinfachung von Technologien könnten hochentwickelte neurobiologische Methoden einem breiteren Forscherkreis zugänglich gemacht werden.
  • Anpassung und Spezialisierung: Methoden werden zunehmend auf spezifische Forschungsziele oder Erkrankungen zugeschnitten, um effektivere Ergebnisse zu erzielen.

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