Die steigende Zahl älterer Menschen in Deutschland führt zu einer Zunahme von Demenzerkrankungen, insbesondere Alzheimer. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, welche Medikamente und Strategien zur Vorbeugung von Demenz eingesetzt werden können. Dieser Artikel beleuchtet vielversprechende Entwicklungen, Rückschläge und präventive Maßnahmen im Kampf gegen Alzheimer.
Die Alzheimer-Epidemie in Deutschland
In Deutschland leiden derzeit rund 1,8 Millionen Menschen an Demenz, wobei Alzheimer mit etwa 60 Prozent die häufigste Form darstellt. Laut dem Robert Koch-Institut könnte sich diese Zahl bis 2070 verdoppeln. Alzheimer ist durch die Ablagerung falsch gefalteter Eiweiße im Gehirn gekennzeichnet, die zu Verklumpungen und fortschreitenden geistigen Ausfällen führen. Obwohl genetische Faktoren eine Rolle spielen können, begünstigen auch Lebensstil und Umweltfaktoren den Ausbruch der Krankheit.
Prävention: Ein gesunder Lebensstil als Schlüssel
Auch bei einem gesunden Lebensstil ist eine Alzheimer-Erkrankung nicht ausgeschlossen. Dennoch lässt sich der Ausbruch der Krankheit vermutlich verzögern oder in manchen Fällen sogar verhindern, indem wichtige Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel vermieden werden.
Die 14 Risikofaktoren für Alzheimer
Eine Kommission des Fachmagazins Lancet Psychiatry hat 14 Risikofaktoren für Alzheimer identifiziert und die These aufgestellt, dass sich dadurch rund 40 Prozent aller Fälle vermeiden ließen. Zu diesen Risikofaktoren gehören:
- Hörminderung: Schlechtes Hören reduziert die Reize für das Gehirn und erhöht die Gefahr von sozialem Rückzug.
- Niedrige schulische Bildung: Geistige Anregung in jungen Jahren schützt das Gehirn und stärkt seine Widerstandskraft.
- Rauchen: Schadet Gefäßen und Gehirn und kann Demenzerkrankungen fördern.
- Depression: Erhöht vor allem im mittleren und höheren Alter das Demenzrisiko.
- Übermäßiger Alkoholkonsum: Kann zum Verlust von Hirnmasse führen und das Demenzrisiko erhöhen.
- Soziale Isolation: Mangelnde Kontakte und Einsamkeit schwächen die geistige Gesundheit.
- Traumatische Hirnschädigungen: Schwere und wiederholte Kopfverletzungen erhöhen das Risiko für Demenzerkrankungen.
- Feinstaubbelastung: Luftverschmutzung kann Entzündungen und Zellschäden im Gehirn auslösen.
- Bluthochdruck: Erhöht das Risiko für vaskuläre Demenz.
- Körperliche Inaktivität: Bewegungsmangel beeinträchtigt die Durchblutung des Gehirns.
- Übergewicht: Fördert hohen Blutdruck, Entzündungen und belastet die Gefäße.
- Diabetes: Zählt zu den am besten belegten Risikofaktoren für Demenz.
- Erhöhtes LDL-Cholesterin: Kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen im Gehirn fördern.
- Sehverlust: Nachlassendes Sehvermögen führt oft zu sozialem Rückzug und Reizverlust für das Gehirn.
Ernährungsempfehlungen zur Demenzvorbeugung
Ein hoher Cholesterinspiegel, Diabetes Typ 2, starkes Übergewicht sowie Bluthochdruck erhöhen das Demenzrisiko. Diese Faktoren lassen sich durch eine ausgewogene Ernährung beeinflussen:
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- Weniger Zucker, Fett und Fleisch: Reduzieren Sie den Konsum von zuckerhaltigen, fettreichen und fleischlastigen Produkten.
- Mehr Ballaststoffe: Integrieren Sie ballaststoffreiche Lebensmittel in Ihre Ernährung.
- Mittelmeerküche: Orientieren Sie sich an der Mittelmeerküche mit viel Olivenöl, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen.
Weitere präventive Maßnahmen
Neben einer gesunden Ernährung und der Vermeidung von Risikofaktoren gibt es weitere Maßnahmen, die zur Demenzvorbeugung beitragen können:
- Regelmäßige Bewegung: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche.
- Soziale Interaktion: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten das Gehirn fit.
- Geistige Anregung: Neues lernen und den Geist herausfordern, z.B. durch Lesen, Spielen, Musikhören oder das Erlernen einer Fremdsprache.
- Gutes Hören und Sehen: Rechtzeitige Behandlung von Hör- und Sehproblemen, z.B. durch Hörgeräte oder Brillen.
Medikamentöse Behandlungsansätze: Aktuelle Entwicklungen und Rückschläge
In den vergangenen Monaten gab es vielversprechende Entwicklungen, aber auch Rückschläge bei der medikamentösen Behandlung von Alzheimer.
Lecanemab: Ablehnung durch die EMA
Ein Beispiel für einen Rückschlag ist der Wirkstoff Lecanemab. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat die Zulassung Ende Juli 2024 abgelehnt, da sie die Wirkung als zu schwach einschätzt und gleichzeitig schwere Nebenwirkungen wie Schwellungen und Blutungen im Gehirn möglich sind. Laut EMA überwiegen die Risiken den Nutzen.
Donanemab: Ein Hoffnungsschimmer?
Das Wirkprinzip von Donanemab ist ähnlich wie bei Lecanemab, jedoch könnte der positive Effekt etwas größer sein. Beide Wirkstoffe funktionieren jedoch nur im Frühstadium von Alzheimer und erfordern eine sehr gute Diagnostik sowie eine engmaschige Überwachung der Patienten in einer Klinik. Dies ist mit hohen Kosten und Aufwand verbunden.
Repurposing: Umwidmung von Medikamenten
Eine spannende Richtung ist das "Repurposing", also die Umwidmung von Medikamenten. Vielversprechende Studien gibt es mit Diabetesmedikamenten wie Gliflozinen. Auch bei den neuen Abnehmspritzen wie Wegovy wird eine positive Wirkung vermutet. Studien dazu laufen bereits. Die genauen Mechanismen im Gehirn sind jedoch noch unklar. Vermutlich spielen die Bremsung von Entzündungsprozessen und die Unterdrückung des Herpes-Zoster-Virus eine Rolle.
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Impfstoffe gegen Gürtelrose: Ein möglicher Schutzfaktor?
Eine Studie hat gezeigt, dass der Impfstoff gegen Gürtelrose (Shingrix) den Ausbruch von Alzheimer verzögern kann. Geimpfte Probanden entwickelten Alzheimer im Schnitt ein halbes Jahr später als Ungeimpfte. Die genauen Gründe dafür sind noch unklar, eine Theorie besagt, dass die Impfung das Herpes-Zoster-Virus unterdrückt, das möglicherweise an der Entstehung von Alzheimer beteiligt ist.
Antipsychotika bei Demenz: Nutzen und Risiken
Antipsychotika werden bei Demenz häufig zur Behandlung von psychischen und Verhaltenssymptomen wie Ängsten, Unruhe, Aggressionen, Schlafstörungen oder Halluzinationen eingesetzt. Sie können kurzfristig notwendig und hilfreich sein, bergen jedoch auch Risiken.
Problematische Nebenwirkungen
Antipsychotika haben viele Nebenwirkungen, insbesondere bei älteren Menschen mit Demenz. Sie können Schwindel, niedrigen Blutdruck, Bewegungsstörungen und eine erhöhte Sturzgefahr verursachen. Zudem können sie die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen. Trotz dieser Risiken erhalten in Deutschland rund 40 Prozent der Demenzerkrankten Antipsychotika.
Alternativen zu Medikamenten
Es gibt gute Belege für die Wirksamkeit von psychosozialen Maßnahmen wie Beschäftigungstherapie oder Bewegungsangeboten. Diese Maßnahmen sind individuell auf den Patienten zugeschnitten und erfordern Zeit und Zuwendung. Auch die Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer, der Austausch mit anderen Angehörigen und die Tagespflege können entlastend sein. Ein strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Aktivitäten kann das Risiko von Verhaltenssymptomen senken.
Medikamente, die Kognitionsstörungen begünstigen können
Einige Medikamente können Kognitionsstörungen, Verwirrtheit und Delir begünstigen, insbesondere bei älteren Menschen. Dazu gehören nicht nur Psychopharmaka wie Benzodiazepine, sondern auch Opiate, Parkinsonmittel, Antidepressiva und Antiepileptika. Auch Arzneimittel, die aufgrund ihrer Kreislaufeffekte wirken, können das Risiko für Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Delir erhöhen.
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Anticholinergika: Ein besonderes Risiko
Anticholinergika sind bekannt für ihre kognitionsverändernden Effekte. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Substanzen dieser Klasse bei älteren Patienten mit einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen einhergehen. Auch rezeptfreie Arzneimittel wie Doxylamin (ein Antihistaminikum) können das Delirrisiko erhöhen.
FORTA-Klassifikation: Hilfestellung für die Arzneimitteltherapie im Alter
Die FORTA-Klassifikation (Fit fOR The Aged) ist eine Positiv-Negativ-Kategorisierung für Medikamente im Alter, die Ärzten helfen soll, unnötige, ungeeignete und gefährliche Medikamente zu vermeiden und älteren Patienten die Chance zu geben, von positiv bewerteten Medikamenten zu profitieren. Medikamente werden in vier Kategorien eingeteilt:
- A (absolutes Muss): Für Ältere unverzichtbare Medikamente mit eindeutigen Vorteilen.
- B (Benefit): Vorteilhaft mit geprüfter oder offensichtlicher Wirksamkeit bei Älteren.
- C (cautious/careful): Medikamente mit fragwürdiger Nutzen-Risiko-Bewertung bei Älteren, die als Erstes weggelassen werden sollen.
- D (don't/Das muss weg): Bei älteren Patienten zu vermeiden, Alternativen sollten gefunden werden.
Neue Therapieansätze: Die Rolle der Gamma-Sekretase-Modulatoren
Zwei deutsche Forscherteams haben einen wichtigen Schritt für die zukünftige Medikamentenentwicklung gegen Alzheimer gemacht, indem sie das Zielprotein einiger neuer, von den NSAIDs abgeleiteten Substanzen identifiziert haben. Diese Substanzen gehören zur Gruppe der Gamma-Sekretase-Modulatoren (GSMs). Die Gamma-Sekretase ist ein körpereigenes Protein, das als eines der zentralen Schlüsselelemente bei der Entstehung der Plaques im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten gilt.
Photoaffinitäts-Markierung: Eine innovative Methodik
Um dem Zielprotein der GSMs auf die Spur zu kommen, haben die Forscher die Methodik der Photoaffinitäts-Markierung angewendet. Dabei wird eine feste Verbindung zwischen den GSMs und ihrem Zielprotein hergestellt, das dann genau analysiert wird.
Potenzial für die Prävention von Alzheimer-Demenz
Inzwischen ist bereits die zweite Generation von GSMs mit verbesserten pharmakologischen Eigenschaften verfügbar. Diese Substanzen haben das Potenzial, die klinische Erprobung erfolgreich zu durchlaufen und möglicherweise nicht nur bei der Behandlung, sondern auch bei der Prävention von Alzheimer-Demenz eine wichtige Rolle zu spielen.
Infektionen und Demenzrisiko: Ein möglicher Zusammenhang
Eine große Datenanalyse stützt die Hypothese, dass virale oder bakterielle Infektionen das Demenzrisiko erhöhen können. Die Nutzung von Antibiotika, schützenden Impfungen und entzündungshemmenden Medikamenten lasse sich mit einem geringeren Demenzrisiko in Verbindung bringen.
Entzündungsprozesse im Gehirn als Ursache?
Als mögliche Ursache werden Entzündungsprozesse im Gehirn im Zuge der Infektion angenommen. Studien haben gezeigt, dass Infektionen mit bestimmten Erregern mit einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen einhergehen könnten.
Medikamente im Zusammenhang mit geringerem Demenzrisiko
- Antibiotika
- Virostatika
- Bestimmte Schutzimpfungen (Hepatitis A, Typhus, Hepatitis A und Typhus kombiniert, Diphtherie)
- Entzündungshemmende Medikamente
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