Pflegegrade bei Epilepsie: Anspruch und Leistungen

Epilepsie kann das Leben von Betroffenen und ihren Familien stark beeinträchtigen. Die Beantragung eines Pflegegrads kann eine wichtige Unterstützung sein, um Zugang zu finanziellen Hilfen und Entlastungsangeboten für die häusliche Pflege zu erhalten. Dieser Artikel erklärt, wie Sie Schritt für Schritt einen Pflegegrad für Menschen mit Epilepsie beantragen können, und erläutert die besonderen Anforderungen der Pflege, die Ermittlung des Pflegebedarfs sowie finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten und Entlastungsangebote.

Was sind Pflegegrade?

Die Pflegegrade von 1 bis 5 sind "Grade der Pflegebedürftigkeit". Sie drücken aus, wie stark eine Person in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Pflegebedürftige Menschen erhalten einen Pflegegrad auf Antrag von ihrer Pflegeversicherung und können damit Pflegeleistungen beanspruchen.

Voraussetzungen für einen Pflegegrad

Einen Pflegegrad benötigen Sie, wenn Sie Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen möchten. Sie stellen dafür einen formlosen Antrag bei Ihrer Pflegeversicherung. Egal, ob Sie einen Erstantrag stellen oder Ihren vorhandenen Pflegegrad erhöhen möchten, Sie müssen einen Pflegegrad-Antrag bei Ihrer Pflegeversicherung stellen. In dringenden Fällen können Sie mit einem Eilantrag bewirken, dass innerhalb von nur 5 oder 10 Tagen eine vorläufige Pflegebegutachtung durchgeführt wird.

Der Weg zum Pflegegrad bei Epilepsie: Schritt für Schritt

  1. Antragstellung: Legen Sie sich das richtige Formular zu: Der Pflegegrad-Antrag klappt mit nur einem Formular, und zwar mit dem „Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung“. Sind Sie lieber virtuell unterwegs, können Sie auf den Seiten Ihrer Krankenkasse nach dem Antrag Ausschau halten. Die Pflegekasse ist nämlich an die Krankenkasse angegliedert.
  2. Angaben machen: Ihr Antrag kann nur mit den richtigen Informationen reibungslos bearbeitet werden. Deshalb ist es wichtig, dass Sie alle Angaben im Formular wahrheitsgemäß und ausreichend machen. Neben persönlichen Angaben erfragt die Pflegekasse im Antrag auch, ob Sie zeitgleich Leistungen wie Pflegesachleistungen beantragen möchten. Außerdem müssen Sie Angaben zu der Person machen, die die Pflege übernimmt. Checken Sie zum Schluss unbedingt noch einmal, ob Sie alles ausgefüllt haben und vergessen Sie die Unterschrift nicht.
  3. Pflegebegutachtung: Wenn Sie einen Pflegegrad beantragen, kommen Sie automatisch in Kontakt mit dem Medizinischen Dienst (MD). Dieser ist nämlich für die sogenannte Pflegebegutachtung zuständig. In Ihrer Wohnumgebung stellt ein Gutachter dabei fest, wie selbstständig Sie im Alltag agieren können. Die Pflegebegutachtung findet aber nur nach vorheriger Terminvereinbarung statt - nehmen Sie also unbedingt den Anruf des Mitarbeiters an. Für das Gutachten kommt ein Pflegegutachter an Ihre Wohnstätte, also zu Ihnen nach Hause oder auch ins Pflegeheim, falls Sie dort leben. In einigen Fällen sind auch eine Begutachtung am Telefon (strukturiertes Telefoninterview) oder der Einsatz von Videotelefonie möglich. Im Anschluss wird das Pflegegutachten erstellt. Darin wird nach einem festen Begutachtungsverfahren ermittelt, welchen Pflegegrad Sie erhalten sollen.
  4. Bescheid der Pflegekasse: Spätestens nach 25 Arbeitstagen haben Sie ein Schreiben von der Pflegekasse im Briefkasten. Der Bescheid informiert Sie darüber, ob Sie einen Pflegegrad erhalten und wie hoch dieser ist. Ab Pflegegrad 1 stehen Ihnen nun zahlreiche Leistungen der Pflegekasse zur Verfügung. Die Empfehlung im Gutachten ist aber nicht die finale Entscheidung, denn diese wird von der Pflegeversicherung getroffen. In der Regel folgt sie aber dem Gutachten. Wurde Ihnen ein Pflegegrad bewilligt, gelten Ihre Ansprüche jetzt rückwirkend zum Tag des Antrags.
  5. Prüfung und Einspruch: Bevor Sie das Schreiben abheften, raten wir Ihnen dazu, eine genaue Prüfung vorzunehmen. Haben Sie den Eindruck, dass der Pflegegrad Ihre Pflegesituation ausreichend abbildet? Falls nicht, haben Sie die Möglichkeit, innerhalb eines Monats einen Widerspruch einzulegen. Den Widerspruch richten Sie schriftlich an die Pflegekasse. Egal ob Ablehnung, Rückstufung oder zu niedriger Pflegegrad: Wenn Sie einen Pflegegrad-Bescheid erhalten und damit nicht einverstanden sind, sollten Sie Widerspruch einlegen. So können Sie mit einem Pflegegrad-Widerspruch ein Wiederholungsgutachten erreichen. Dabei wird ein neues Gutachten erstellt und genauer auf die strittigen Punkte eingegangen.

Die Pflegebegutachtung

Das Pflegegutachten folgt klaren Richtlinien, um zu einer Einstufung in einen Pflegegrad zu gelangen. Darin werden in verschiedenen Kategorien 0 bis 100 Punkte für die Einschränkung der Selbständigkeit einer Person vergeben. Das Verfahren berücksichtigt zahlreiche Einzelpunkte in verschiedenen Modulen, die zusammen die Punktzahl ergeben. Die möglichen 100 Punkte im Pflegegutachten setzen sich aus Kriterien in sechs verschiedenen Modulen zusammen. Die einzelnen Module fließen unterschiedlich stark in das Gesamtergebnis ein.

Die Module sind:

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  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller in seinem Alltag noch räumlich und zeitlich orientieren?
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Hilfen benötigt der Antragsteller beim Umgang mit Krankheit und Behandlungen wie z. B. Medikamenteneinnahme?
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
  7. Außerhäusliche Aktivitäten und
  8. Haushaltsführung

Pflegegradrechner

Reicht es bei mir oder einem Angehörigen für einen Pflegegrad? Oder ist vielleicht sogar ein höherer Pflegegrad als bisher möglich? Diese Fragen zu beantworten ist trotz aller Informationen im Einzelfall schwierig. Der Pflegegradrechner führt Sie Schritt für Schritt durch die entscheidenden Fragen und errechnet das Ergebnis automatisch.

Pflegeleistungen

Versicherte können bei Ihrer Pflegeversicherung verschiedene Leistungen beanspruchen. Für alle Pflegeleistungen gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Pflegeleistungen und viele davon haben je nach Pflegegrad eine unterschiedliche Höhe. Die meisten Leistungen lassen sich aber nicht auszahlen und frei einsetzen. Das Sozialgesetzbuch sagt dazu nur: „Die Untersuchung ist in angemessenen Zeitabständen zu wiederholen.“ (Paragraf 18a SGB XI). Jede Pflegebegutachtung ist ergebnisoffen und kann unabhängig vom bestehenden Pflegegrad zu jedem möglichen Ergebnis kommen.

Das System der Pflegegrade

Das System der Pflegegrade hat 2017 die alten Pflegestufen abgelöst. Dabei hat sich nicht nur der Name geändert, sondern das gesamte Begutachtungsverfahren wurde fairer gestaltet. Es gab bis 2016 Pflegestufen und dabei die Stufe 0. Seit 2017 ist Pflegegrad 1 der niedrigste Pflegegrad.

Die Pflege von Menschen mit Epilepsie zu Hause

Die Pflege von Menschen mit Epilepsie zu Hause erfordert besondere Aufmerksamkeit und Vorkehrungen. Es ist wichtig, ein sicheres Umfeld zu schaffen und auf die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. Bei der häuslichen Pflege von Epilepsie-Patienten ist das Anfallsmanagement von zentraler Bedeutung. Angehörige sollten wissen, wie sie bei einem epileptischen Anfall richtig reagieren. Dazu gehört, ruhig zu bleiben und die Umgebung zu sichern, um Verletzungen zu vermeiden. Ein wichtiger Punkt ist die Zeiterfassung. Pflegende sollten die Dauer des Anfalls messen, da dies für die medizinische Beurteilung relevant ist. Bei Anfällen, die länger als fünf Minuten dauern, sollte der Notruf verständigt werden. In manchen Fällen kann die Gabe eines Notfallmedikaments wie Diazepam oder Midazolam erforderlich sein. Um das Verletzungsrisiko bei Anfällen zu minimieren, sollte das Wohnumfeld angepasst werden. Besondere Vorsicht ist beim Baden geboten. Für eine effektive häusliche Pflege ist es unerlässlich, dass alle Familienmitglieder über Epilepsie informiert und in der richtigen Handhabung von Anfällen geschult sind. Die häusliche Pflege bei Epilepsie erfordert Geduld, Verständnis und eine gute Vorbereitung.

Ermittlung des Pflegebedarfs bei Epilepsie

Die Ermittlung des Pflegebedarfs bei Epilepsie ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Aspekte berücksichtigt. Um einen Pflegegrad bei Epilepsie zu beantragen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Bei der Beurteilung der Selbstständigkeit im Alltag wird untersucht, inwieweit die Person mit Epilepsie in der Lage ist, alltägliche Aufgaben ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Epileptische Anfälle können die Selbstständigkeit erheblich beeinträchtigen, insbesondere wenn sie mit Bewusstseinsstörungen oder Stürzen einhergehen. Epilepsie kann sich auf die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten auswirken. Häufige Anfälle und ein auffälliges EEG können zu Lernschwierigkeiten und einer gestörten kognitiven Entwicklung führen. Epilepsie hat oft Auswirkungen auf das Verhalten und die psychische Verfassung der Betroffenen. Etwa 20-35% der Kinder mit Epilepsie gelten als verhaltensauffällig. Bei der Beantragung eines Pflegegrads für Epilepsie ist es wichtig, alle Aspekte der Erkrankung und ihre Auswirkungen auf den Alltag detailliert zu dokumentieren. Es ist zu beachten, dass die Bewilligung eines Pflegegrads voraussetzt, dass eine Pflegebedürftigkeit nach § 14 des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) besteht. In den meisten Fällen reicht die erhöhte Anforderung an die tägliche Betreuung bei Epilepsie allein nicht aus, um einen Pflegegrad zu erhalten.

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Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten bei Epilepsie

Bei der Pflege von Menschen mit Epilepsie gibt es verschiedene finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten, die Betroffenen und ihren Angehörigen zur Verfügung stehen.

  • Pflegegeld: Pflegegeld ist eine wichtige finanzielle Unterstützung für Menschen mit Epilepsie und ihre pflegenden Angehörigen. Es wird ab Pflegegrad 2 gewährt und steigt mit höheren Pflegegraden an. Das Pflegegeld kann frei verwendet werden, um die häusliche Pflege zu organisieren und zu finanzieren.

  • Pflegesachleistungen: Pflegesachleistungen sind eine Alternative zum Pflegegeld und ermöglichen die Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste. Pflegesachleistungen umfassen körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung.

  • Kombinationsleistung: Eine besonders flexible Option ist die Kombinationsleistung, bei der Pflegegeld und Pflegesachleistungen miteinander kombiniert werden können. Bei der Kombinationsleistung wird der nicht für Sachleistungen genutzte Betrag anteilig als Pflegegeld ausgezahlt. Diese Kombination bietet den Vorteil, dass sowohl professionelle Pflege durch einen Pflegedienst als auch die Unterstützung durch Angehörige flexibel genutzt werden können.

Zusätzlich zu diesen Hauptleistungen gibt es weitere finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten, die bei Epilepsie in Frage kommen können. Es ist wichtig zu beachten, dass die Beantragung eines Pflegegrads bei Epilepsie und die damit verbundenen finanziellen Leistungen sorgfältig geprüft werden.

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Entlastungsangebote für pflegende Angehörige

Die Pflege von Menschen mit Epilepsie kann für Angehörige eine große Herausforderung darstellen. Um Überforderung vorzubeugen und die Lebensqualität aller Beteiligten zu erhalten, gibt es verschiedene Entlastungsmöglichkeiten.

  • Verhinderungspflege: Die Verhinderungspflege ist eine wichtige Leistung der Pflegeversicherung, die pflegenden Angehörigen eine Auszeit ermöglicht. Sie kann in Anspruch genommen werden, wenn die Hauptpflegeperson vorübergehend verhindert ist, etwa durch Urlaub, Krankheit oder andere Gründe. Der Leistungsbetrag für die Verhinderungspflege beläuft sich auf bis zu 1.612 Euro pro Jahr.

  • Kurzzeitpflege: Die Kurzzeitpflege ist eine weitere wichtige Entlastungsmöglichkeit für pflegende Angehörige von Menschen mit Epilepsie. Sie ermöglicht eine vorübergehende stationäre Unterbringung des Pflegebedürftigen, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht möglich oder nicht ausreichend ist.

Neben den finanziellen Unterstützungsleistungen spielen auch der Erfahrungsaustausch und die emotionale Unterstützung eine wichtige Rolle bei der Entlastung pflegender Angehöriger. In Deutschland gibt es rund 250 Epilepsie-Selbsthilfegruppen, die in der Deutschen Epilepsievereinigung zusammengeschlossen sind.

Zusätzliche Informationen

  • Pflegegrad bei Kindern: Auch Kinder mit besonderem Pflegebedarf können einen Pflegegrad erhalten. Die Eltern müssen diesen beantragen. Hier wird eine natürliche Pflegebedürftigkeit vorausgesetzt, da auch gesunde Kinder eine Rund-um-Versorgung benötigen. Bei Kindern unter 11 Jahren müssen sich viele Fähigkeiten erst mit den Jahren entwickeln und auch die Selbstständigkeit ist naturgemäß eingeschränkt.
  • Pflegegrad bei Demenz: Erkrankt eine Person an Demenz, so braucht sie ziemlich bald Unterstützung im Alltag. Allerdings eher bei kognitiven, emotionalen und sozialen Themen. Aus diesem Grund war es für Menschen mit einer Demenzerkrankung bis 2016 im alten System der Pflegestufen oft schwierig, eine angemessene Einstufung zu erhalten. Früher galt der tägliche Pflegeaufwand in Minuten als entscheidendes Kriterium. Bei den Pflegegraden entscheidet nicht mehr der Pflegeaufwand, sondern der Grad der Selbständigkeit. Das entsprechende Pflegegutachten muss dem Bescheid beiliegen.

Grad der Behinderung (GdB) bei Epilepsie

Menschen mit Epilepsie können vom Versorgungsamt ihren Grad der Behinderung (GdB) feststellen lassen und einen Schwerbehindertenausweis sowie sog. Merkzeichen beantragen. Die Höhe des GdB richtet sich nach Schwere, Häufigkeit, Art und tageszeitlicher Verteilung der Anfälle. Ab einem GdB von 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert. Unterstützung und Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind hauptsächlich im SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt. Das Versorgungsamt (in manchen Bundesländern heißt es auch anders, z.B. Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung) bestimmt den Grad der Behinderung (GdB) und die sog. Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis nach der sog. Versorgungsmedizinverordnung. Diese enthält als Anhang die sog. Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit Anhaltspunkten zur Höhe des GdB bei verschiedenen Krankheiten. Im Unterschied zum GdB geht es beim GdS nur um die Folgen eines bestimmten Ereignisses, z.B. einer Gewalttat.

GdB bei epileptischen Anfällen

Der GdB bzw. GdS bei epileptischen Anfällen hängt hauptsächlich von der Schwere, Art und Häufigkeit der Anfälle ab. Weil Anfälle am Tag meistens mehr Probleme machen als Anfälle im Schlaf, kommt es zusätzlich auf die Tageszeit der Anfälle an.

  • Generalisierte (große) Anfälle: Gemeint sind die früher in der Medizin als "Grand mal" (= großes Übel) bezeichneten bilateral tonisch-klonischen Anfälle. "Tonisch" bedeutet "angespannt" und "klonisch" heißt "ruckartig". Diese Anfälle beginnen entweder in beiden Gehirnhälften (generalisiert beginnende Anfälle), oder sie beginnen in einer Gehirnhälfte und weiten sich dann auf die andere aus (fokal zu bilateral tonisch-klonisch). Bei diesen Anfällen wird der Mensch in der tonischen Phase unter anderem bewusstlos, versteift am ganzen Körper und stürzt.
  • Komplex-fokale Anfälle: Damit sind (ganz oder teilweise) nicht bewusst erlebte fokal (= in einer Gehirnhälfte) beginnende Anfälle gemeint, die sich nicht zu einem bilateral tonisch-klonischen Anfall ausweiten.
  • Kleine Anfälle: Gemeint sind die früher in der Medizin als "Petit mal" (= kleines Übel) bezeichneten generalisiert beginnenden Anfälle mit kurzen Bewusstseinsaussetzern, aber ohne Verkrampfen. Betroffene wirken dabei verträumt oder unkonzentriert und können sich hinterher nicht daran erinnern. Darunter fallen z.B. sog.
  • Einfach-fokale Anfälle: Damit sind bewusst erlebte fokal beginnende Anfälle gemeint. Betroffene haben dabei z.B. Zuckungen oder seltsame Empfindungen.
  • Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen: Bei einer Anfallsserie haben Betroffene an einem Tag mehrere Anfälle. Mit "generalisierten Krampfanfällen" sind nur Anfälle mit Verkrampfungen gemeint, aber nicht nur generalisiert beginnende Anfälle, sondern auch fokal beginnende Anfälle, die sich später auf die andere Gehirnhälfte ausweiten (fokal zu bilateral tonisch-klonisch). Fokal betonte und multifokale Anfälle betreffen jeweils nur Teile des Gehirns.

Die Einteilung epileptischer Anfälle und die Bezeichnungen für die verschiedenen Anfallsarten richten sich in der Medizin nach der Klassifizierung der ILAE (International League Against Epilepsy, deutsch: "Internationale Liga gegen Epilepsie"). Diese Klassifizierung wurde und wird immer wieder aktualisiert und dem neuen Stand der Wissenschaft angepasst. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze verwenden aber andere (veraltete) Bezeichnungen für die Anfallsarten und auch Neurologen verwenden nicht immer die aktuellen Bezeichnungen, sondern vermischen die alten und die neuen Begrifflichkeiten häufig. Das kann ggf. in der Praxis die Zuordnung der Anfallsarten erschweren. Der GdB berücksichtigt alle sog. Funktionseinschränkungen eines Menschen gemeinsam.

Beispiele für die Festlegung des GdB

  • Thomas hat eine Absence-Epilepsie (Epilepsie mit generalisiert beginnenden epileptischen Anfällen ohne Krampfen und Zuckungen). Er hat im Durchschnitt 2-3 Mal pro Woche Absencen, also kurze Bewusstseinsaussetzer.
  • Aya hat ebenfalls eine Absence-Epilepsie. Oft hat sie mehrere Absencen an einem Tag, aber das kommt im Schnitt nur 1-2 Mal pro Woche vor. Das Versorgungsamt setzt ihren GdB auf 70 fest, weil Aya zwar Anfallsserien hat, aber die Absencen sind weder generalisierte Krampfanfälle, noch fokal betonte oder multifokale Anfälle.

Nachteilsausgleiche

Wenn ein Kind schwer pfle­ge­be­dürf­tig ist, bedeu­tet das für Fami­li­en oft eine täg­li­che Her­aus­for­de­rung. Der Pfle­ge­grad 4 wird dann ver­ge­ben, wenn eine schwers­te Beein­träch­ti­gung der Selbst­stän­dig­keit vor­liegt - z. B. auf­grund kör­per­li­cher Behin­de­run­gen, chro­ni­scher Erkran­kun­gen oder kogni­ti­ver Ein­schrän­kun­gen. Pfle­ge­grad 4 wird ver­ge­ben, wenn ein Kind in hohem Maße auf Hil­fe bei all­täg­li­chen Ver­rich­tun­gen ange­wie­sen ist - und zwar dau­er­haft. Dabei wird das Ver­hal­ten mit gesun­den Gleich­alt­ri­gen ver­gli­chen. Die Bewer­tung basiert auf sechs Modu­len (z. B. Kin­der mit schwe­ren neu­ro­lo­gischen Erkran­kun­gen (z. B.

Mit Pfle­ge­grad 4 erhal­ten Fami­li­en einen umfang­rei­chen Leis­tungs­ka­ta­log - finan­zi­ell, orga­ni­sa­to­risch und pfle­ge­risch.

Leis­tungHöhe / Umfang
Pfle­ge­geld800 € monat­lich bei häus­li­cher Pflege
Pfle­ge­sach­leis­tun­genbis zu 1.859 € monat­lich für ambu­lan­te Dienste
Kom­bi­na­ti­ons­leis­tungantei­li­ge Aus­zah­lung von Sach- und Pflegegeld
Ent­las­tungs­be­trag131 € monat­lich (z. B. für Haushaltshilfen)
Gemein­sa­mer Jah­res­be­trag (§ 42a)- Kurz­zeit­pfle­ge (§ 42)- Ver­hin­de­rungs­pfle­ge (§ 39) 3.529 €
Tages- und Nachtpflegebis zu 1.685 € monatlich
Pfle­ge­hilfs­mit­tel42 € monat­lich (z. B. Antrag bei der Pfle­ge­kas­se stel­len Ein form­lo­ses Schrei­ben genügt. Vor­be­rei­tung mit Pfle­ge­ta­ge­buch & Unter­la­gen Notie­ren Sie täg­lich, wel­che Hil­fen im All­tag nötig sind. Nicht nur kör­per­lich schwer erkrank­te Kin­der kön­nen Pfle­ge­grad 4 erhal­ten.

Pfle­ge­grad 4 stellt eine wich­ti­ge Aner­ken­nung der Pfle­ge­si­tua­ti­on dar - und eröff­net betrof­fe­nen Fami­li­en den Zugang zu spür­ba­rer finan­zi­el­ler, prak­ti­scher und psy­cho­so­zia­ler Ent­las­tung.

Fazit

Die Beantragung eines Pflegegrads bei Epilepsie hat eine große Bedeutung für die häusliche Versorgung. Sie ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Unterstützungsleistungen, die den Alltag der Betroffenen und ihrer Angehörigen erleichtern können. Letztendlich ist es wichtig, dass pflegende Angehörige von Menschen mit Epilepsie alle verfügbaren Ressourcen nutzen. Dies umfasst nicht nur finanzielle Hilfen, sondern auch den Austausch in Selbsthilfegruppen und die Nutzung von Beratungsangeboten. So können sie besser mit den Herausforderungen der Epilepsie-Pflege umgehen und gleichzeitig auf ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden achten.

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