Welcher Nerv versorgt den großen Zeh? Eine detaillierte anatomische Betrachtung

Als Wirbelsäulenchirurg bzw. Neurochirurg ist das Verständnis der komplexen Interaktion zwischen der Wirbelsäule und dem Nervensystem von zentraler Bedeutung. Rückenschmerzen und neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle in den Zehen können miteinander in Verbindung stehen, aber auch andere Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet die anatomischen Grundlagen der Nervenversorgung des großen Zehs, mögliche Ursachen für Sensibilitätsstörungen und Behandlungsansätze.

Die komplexe Anatomie des Fußes

Jeder Fuß besteht aus 28 Knochen, einschließlich der Sesambeine, die in Sehnen eingebettet sind. Die Fußwurzel besteht aus den Fußwurzelknochen: Sprungbein (Talus), Fersenbein (Calcaneus), Kahnbein (Os naviculare), Würfelbein (Os cuboideum) und den drei Keilbeinen. Der Mittelfuß wird von fünf Mittelfußknochen gebildet, die sich auf dem Fußrücken gut ertasten lassen. Die große Zehe wird in der Medizin als 1. Zehe, die Kleinzehe als 5. Zehe bezeichnet. Im Gegensatz zu den anderen Zehen des Fußes ist der Hallux nur aus zwei Knochen aufgebaut: der Phalanx proximalis (Grundglied) und der Phalanx distalis (Endglied). Beide Gelenke werden unter anderem durch Kollateralbänder gesichert.

Die Fußsohle ist die Unterseite des Fußes und gleichzeitig ein Fettpolster, das Stöße dämpfen kann. Zwischen den Muskeln und der Haut spannt sich eine Sehnenplatte aus Bindegewebe - die Plantaraponeurose (auch Plantarfaszie). Plantar bedeutet so viel wie „zur Fußsohle gehörend“. Die Sehnenplatte stabilisiert unter anderem das Längsgewölbe im Fuß. Außerdem ist sie mit der Haut der Fußsohle verwachsen und damit nicht verschiebbar, was einen sicheren Stand ermöglicht. Die Oberseite des Mittelfußes wird als Fußrücken (auch Spann/Rist) bezeichnet. Jeder Fuß hat außerdem ein Längsgewölbe (von vorne nach hinten) und ein Quergewölbe (quer zum Längsgewölbe auf Höhe der Mittelfußknochen). Gebildet werden die Fußgewölbe von Sehnen, Bändern und Muskeln, die an den Fußknochen ansetzen.

Muskeln und Sehnen des großen Zehs

Einige Muskeln, die für die Fuß- und Zehenbeweglichkeit zuständig sind, befinden sich in der Wade. Die Musculi extensor hallucis longus und brevis bewirken eine Streckung der Grundgelenke, wohingegen die Kontraktion der Musculi flexor hallucis longus und brevis zu einer Beugung der Großzehe führt. Der Musculus abductor hallucis streckt den Hallux von den restlichen Zehen weg und der Musculus adductor hallucis zieht ihn wieder zu ihnen zurück. Der Musculus extensor hallucis longus und der Musculus flexor hallucis longus entspringen als einzige Muskeln der Großzehe schon am Schienbein. Die sogenannte Großzehenloge befindet sich auf der Seite der Fußsohle, wo die restlichen Muskeln des Hallux durchziehen. Dem Metatarsus des Hallux ist am distalen Ende auf der plantaren Seite eine Faserknorpelplatte eingebaut. In diese Platte sind zwei Sesambeine eingebettet.

Blutversorgung

Im Bereich des oberen Sprunggelenks geht die Arteria tibialis anterior in die Arteria dorsalis pedis über, welcher wiederum in eine bogenförmige Arteria arcuata mündet. Äste dieses Gefäßes versorgen alle Zehen mit Blut. Die Versorgung des Beines mit frischem und sauerstoffreichen Blut erfolgt über die Arterien. Über die großen Stämme der Rumpfarterien fließt das Blut unterhalb der Leistenregion im Oberschenkel in die Arterie Femoralis. Diese Arterie gliedert sich nach ein paar Zentimetern in die Arterie Profunda Femoris für die Versorgung der Adduktorenmuskeln des Oberschenkels und der Arterie Femoralis. Die Arterie Femoralis verläuft bis in die Kniekehle und von dort als Arterie Poplitea weiter an der Unterschenkelrückseite entlang.

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Nervenversorgung des großen Zehs

Die Nerven, die im Bereich der Großzehe verlaufen, sind der Nervus cutaneus hallucis lateralis auf dem Fußrücken und der Nervus plantaris medialis auf der Seite der Fußsohle. Die sensible Innervation des Bereiches zwischen Großzehe und zweiter Zehe erfolgt durch den Nervus fibularis profundus. Diese Stelle wird aufgrund ihrer Lage auch als Flip-Flop-Areal bezeichnet. Sensibilitätsstörungen in diesem Bereich deuten auf eine Verletzung dieses Nervs hin, die unter anderem auch im Unterschenkel liegen können.

Grundsätzlich entspringen alle peripheren Nerven, abgesehen von den Hirnnerven, aus dem Rückenmark. Zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule treten sie als dicke, etwa 2-3 cm lange Spinalnerven aus dem Rückenmark aus und verzweigen sich dann im weiteren Verlauf durch den Körper zu einem komplizierten Netzwerk. Die peripheren Nerven werden entsprechend ihrer Austrittshöhe im Rückenmark bestimmten Hautarealen zugeordnet. Diese Hautareale werden als Dermatome bezeichnet und ziehen streifenförmig über den ganzen Körper. Sie sind für die Höhendiagnostik von Rückenmarkschäden von wesentlicher Bedeutung.

Berührungs- oder Schmerzreize, die auf die Haut des Fußes treffen, werden von verschiedenen Nerven an das Rückenmark weitergeleitet. Die Nerven entstammen der Lenden- (lumbalen) und Kreuzbeinregion (sakralen) der Wirbelsäule (L4 bis S3). Jeder Nerv hat sein spezielles Versorgungsgebiet, manche Hautbezirke werden jedoch überlappend von mehreren Nerven versorgt. Ein für den Fuß wichtiger Nerv ist der Nervus tibialis.

Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle im großen Zeh

Ein Gefühl der Taubheit in den Zehen kann verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig zu beachten, dass der Zusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und Taubheit von Zehen und Fingern nicht pauschal hergestellt werden kann, aber individuell gegeben sein kann und stets geprüft werden sollte.

Erkrankungen der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule ist eine komplexe anatomische Struktur, die aus miteinander verbundenen Knochen (Wirbeln) besteht und von entscheidender Bedeutung für das Nervensystem ist. Im Inneren der Wirbelsäule verläuft das Rückenmark, das eine Vielzahl von Nervenfasern enthält. Außerdem führen die spinalen Nervenwurzeln, die sich zwischen den Wirbeln befinden, in verschiedene Teile des Körpers. Probleme oder Schäden an der Wirbelsäule haben dementsprechend eine direkte Auswirkung auf die Funktion der Nerven.

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Taube Zehen können auf Spinalkanalstenosen und auch auf Bandscheibenvorfälle hindeuten, die außerdem auch gleichzeitig vorliegen können. Bei einem Bandscheibenvorfall, bei dem eine einseitige Symptomatik vorliegt, kann der sogenannte Radikulärschmerz (Radikulopathie) rechts oder links auch ins Bein ausstrahlen. Ein radikulärer, also ausstrahlender Schmerz tritt in dem Bereich auf, in dem der Nerv die Haut versorgt und bringt auch Taubheitsgefühle mit sich. Die Nerven, die die Zehen anregen, sitzen als Spinalnerven in der Lenden- und Sakralregionen der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule und Kreuzbein).

Polyneuropathie

Als Polyneuropathien werden verschiedene Erkrankungen bezeichnet, die das periphere Nervensystem betreffen. Das periphere Nervensystem umfasst jenes Nervensystem außerhalb des Gehirns und Rückenmarks. Wie der Name schon sagt, sind bei der Polyneuropathie gleich mehrere periphere Nerven erkrankt, dementsprechend variieren auch die Symptome. Diabetes mellitus kann beispielsweise eine Polyneuropathie verursachen.

Morton Neurom

Ein Morton Neurom (auch Morton-Neuralgie oder Morton-Metatarsalgie) ist die Verdickung einer Nervenhülle im Mittelfuß. Sie tritt meistens zwischen der 3. und 4. Zehe auf und ist schmerzhaft, weil sie Druck auf den Nerv ausübt. Das Morton Neurom wurde nach dem US-amerikanischen Chirurgen Thomas G. Morton (1835-1903) benannt. Neurom steht dabei für die Vermehrung von Nervengewebe. Es können sowohl einer als auch beide Füße betroffen sein. Bei rund zwei Drittel der Patientinnen und Patienten findet sich die Nervenreizung zwischen der 3. und der 4. Zehe - seltener zwischen der 2. und 3. Die Nervenverdickungen werden auch als Nervenknoten bezeichnet. Diese sind nicht immer gleich groß, sondern von Patient zu Patient sehr unterschiedlich: Zwischen wenigen Millimetern und der Größe einer Erbse ist alles möglich. Jeder einzelne dieser Umbauprozesse führt zu einer Größenzunahme des betroffenen Nervs und der Strukturen um ihn herum - und dadurch zu starker mechanischer Belastung beim Laufen. Frauen leiden etwa viermal häufiger unter dem Morton Neurom als Männer.

Typisch sind brennende oder stechende Schmerzen im Mittelfuß und in den Zehen (Mittelfußschmerzen und Vorfußschmerzen), die plötzlich einschießen. Die Beschwerden verschlimmern sich bei Fortschreiten der Krankheit. Der Fuß wird vorne breiter. Auch Belastungsschmerzen sind typisch. Die Morton-Neuralgie ist eine Reaktion auf eine permanente Reizung der Nerven, weil diese dauerhaft zusammengedrückt werden (Kompression). Einseitige Belastungen könnten auch eine Ursache sein: Sie sorgen dafür, dass Muskeln und Faszien hohe Spannungen aufbauen.

Weitere mögliche Ursachen

Neben den genannten Ursachen können auch andere Erkrankungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), tiefe Venenthrombosen, chronische venöse Insuffizienz oder periphere Nervenverletzungen zu Taubheitsgefühlen in den Zehen führen.

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Diagnose und Behandlung

Die Bewertung von Taubheitsgefühlen bzw. Sensibilitätsstörungen erfolgt im Rahmen der klinischen Untersuchung. Ein Neurologe kann dabei zusätzlich zur klinischen Untersuchung auch Nervenmessungen durchführen.

Bei Verdacht auf ein Morton Neurom kann die Ärztin oder der Arzt bei der Untersuchung von beiden Seiten auf die Stelle drücken, an der die Morton-Neuralgie vermutet wird. Dieses Vorgehen wird als Mulder-Zeichen (auch Mulder-Click-Zeichen oder Klick-Zeichen) bezeichnet. Manchmal geben Röntgenbilder, Ultraschall, Kernspintomographie oder MRT (Magnetresonaztomographie) im Rahmen der Diagnostik in der Orthopädie näheren Aufschluss. Allerdings sind auch sie nicht eindeutig. Ein weiteres Diagnose-Verfahren ist die Betäubung (Lokalanästhesie) des schmerzenden Bereichs mit einer Spritze.

Die Behandlungsmöglichkeiten für ein Morton Neurom reichen von konservativen Maßnahmen wie speziellen orthopädischen Einlagen und geeignetem Schuhwerk bis hin zu Kortison-Spritzen und Operationen. Spezielle orthopädische Einlagen sollen die Nerven im Mittel- und Vorfuß entlasten. Kurzfristig kann das die Schmerzen lindern. Endet die Einlagenversorgung jedoch, kehren die Beschwerden meist schnell zurück. Viele Betroffene bekommen den Tipp, geeignete Schuhe zu tragen oder auf hohe Absätze zu verzichten. Kortison-Spritzen werden herkömmlicherweise empfohlen, wenn Einlagen und ein verändertes Schuhwerk nichts helfen. Oft werden bei dieser Methode entzündungshemmende Mittel wie Kortison gespritzt, die dafür sorgen sollen, dass der Nervenknoten abschwillt. Letzte Maßnahme des Behandlungskatalogs ist eine Operation. Meistens wird in der Fußchirurgie das Nervengeschwulst über einen Schnitt am Fußrücken entfernt (Neurektomie).

Unabhängig von der Ursache der Taubheitsgefühle ist es wichtig, die genaue Ursache in einer Arztpraxis abzuklären, um eine geeignete Behandlung einzuleiten.

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