Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das Denken, Verhalten und Empfinden steuert und beeinflusst. Es besteht aus Milliarden von Neuronen und Gliazellen und ist in vier Hauptbereiche unterteilt: das Großhirn, das Kleinhirn, das Zwischenhirn und der Hirnstamm.
Das Kleinhirn: Die Kontrollinstanz für Bewegungsabläufe
Das Kleinhirn (Cerebellum) ist der Bereich des Gehirns, der den flüssigen Bewegungsablauf kontrolliert. Es ist die höchste Kontrollinstanz für die Koordination aller Bewegungsabläufe und reguliert die Motorik durch Feinabstimmung des Muskeltonus. Es befindet sich über dem Hirnstamm in der hinteren Schädelgrube und ist über die drei Kleinhirnstiele mit diesem verbunden.
Anatomie des Kleinhirns
Das Kleinhirn ist in zwei Hemisphären geteilt, die über den Kleinhirnwurm miteinander verbunden sind. Die Oberfläche ist wie die des Großhirns von zahlreichen Furchen durchzogen und dadurch vergrößert. Die beiden Kleinhirnhemisphären werden durch Furchen in drei Lappen gegliedert:
- Lobus anterior cerebelli
- Lobus posterior cerebelli
- Lobus flocculonodularis
Das Kleinhirn gliedert sich in einen äußeren Bereich, die Rinde, und einen inneren Bereich, Mark genannt. Die Kleinhirnrinde besteht aus grauer Substanz, also Nervenzellkörpern. Das Mark enthält weiße Substanz, also Nervenfasern, sowie pro Hemisphäre vier grau gefärbte Ansammlungen von Nervenzellen, die Kleinhirnkerne: Nucleus fastigii, Nucleus dentatus, Nucleus emboliformis und Nucleus globosus.
Funktion des Kleinhirns
Das Kleinhirn hat keine übergeordnete Funktion, sondern ist ein nebengeordnetes Zentrum, das alle Erregungen, die ihm zugeleitet werden, verarbeitet und dann im Sinne einer normalen Motorik reguliert. Es steht mit dem Großhirn in einem Regelkreis, der die gesamte Motorik des Organismus kontrolliert und durch Feinabstimmung des Muskeltonus anpasst.
Lesen Sie auch: Leitfaden: Welcher Arzt hilft bei Nervenschmerzen im Fuß?
Funktional unterteilen die Anatomen das Cerebellum in drei Bereiche, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen:
- Vestibulocerebellum: Beeinflusst die Köperhaltung und die Feinabstimmung von Augenbewegungen. Es erhält Informationen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr und leitet diese an die Kerne des Gehör- und Gleichgewichtsnervs beziehungsweise zu den Augenmuskelnervenkernen im Hirnstamm weiter.
- Spinocerebellum: Wird hauptsächlich durch den Kleinhirnwurm gebildet. Es erhält Nachrichten aus dem Rückenmark über die Stellung von Armen, Beinen, Rumpf sowie über die Muskelspannung.
- Pontocerebellum: Besteht aus den beiden Hemisphären. Über die Brückenkerne im Hirnstamm ist es eng mit dem Großhirn verbunden und ist an willkürlichen Bewegungen beteiligt.
Probleme, die das Kleinhirn verursachen kann
Erkrankungen oder Verletzungen des Cerebellums führen zu Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie = Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörungen).
Ein Abszess im Kleinhirn geht meist von Ohrerkrankungen aus, kann aber auch durch Metastasen fernerer Tumore oder durch Verletzungen entstehen. Mögliche Anzeichen sind Kopfschmerzen, Bewegungsstörungen, Erbrechen, Schluck- und Atemstörungen. Auch ein Augenzittern (Nystagmus) zur betroffenen Seite hin und eine Lähmung des siebten Hirnnerven (Nervus facialis) sind möglich.
Genetisch bedingt oder durch Störungen in der frühen embryonalen Entwicklung können einige Kleinhirnbereiche fehlen, zum Beispiel der Kleinhirnwurm. Es kann aber auch das gesamte Cerebellum fehlen (Kleinhirn-Agenesie). Leitsymptom ist eine Kleinhirnataxie (Störungen der Bewegungsabläufe).
Ein Kleinhirnbrückenwinkeltumor geht von der Hülle des achten Hirnnerven, des Gleichgewichtsnerven (Nervus vestibulocochlearis), aus.
Lesen Sie auch: So finden Sie den Spezialisten für Fußpolyneuropathie
Ein Ausfall der Kleinhirn-Kerne führt zu unterschiedlichen Formen der Ataxie wie Gangataxie (bei Ausfall des Nucleus fastigii) oder eine skandierende Sprache (bei Ausfall des Nucleus dentatus).
Weitere Gehirnbereiche und ihre Funktionen
Neben dem Kleinhirn gibt es weitere wichtige Gehirnbereiche, die an der Steuerung und Koordination von Körperfunktionen beteiligt sind:
- Großhirn (Cerebrum): Der größte Teil des Gehirns, der für höhere kognitive Funktionen wie Denken, Sprache und Gedächtnis zuständig ist. Es besteht aus zwei Hälften, den sogenannten Hemisphären, die durch eine tiefe Fissur getrennt sind. Jede Hemisphäre besteht aus vier Lappen: dem Frontallappen (Stirnlappen), dem Parietallappen (Scheitellappen), dem Temporallappen (Schläfenlappen) und dem Okzipitallappen (Hinterhauptlappen).
- Zwischenhirn: Liegt zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm. Seine größte Struktur, der Thalamus, filtert eingehende Signale von unseren Sinnesorganen und leitet sie dann an das Großhirn weiter. Der kleinere Hypothalamus liegt darunter und steuert durch Hormone primitive Funktionen wie unsere Körpertemperatur, Sexualverhalten, Hunger, Durst und Schlaf.
- Hirnstamm: Befindet sich unterhalb des Zwischenhirns und ist der Übergangsbereich zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark. Er umfasst eine Vielzahl von Kerngebieten, die für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruckregulation verantwortlich sind. Der Hirnstamm besteht aus drei Teilen: dem Rautenhirn, dem Mittelhirn und dem Zwischenhirn.
Das Rückenmark: Die Verbindung zwischen Gehirn und Körper
Das Rückenmark ist ein Teil des zentralen Nervensystems und dient als Verbindung zwischen dem Gehirn und den peripheren Nerven des Körpers. Es verläuft entlang der Wirbelsäule und besteht aus Nervenfasern, die Signale vom Gehirn zu den Muskeln und Drüsen des Körpers übertragen.
Die Bedeutung der Konnektivität im Gehirn
Die verschiedenen Komponenten des Gehirns sind miteinander verbunden und kommunizieren über Milliarden von Nervenzellen, die auch als Neuronen bezeichnet werden. Diese Kommunikationswege heißen Synapsen und mehrere Billiarden Synapsen im menschlichen Gehirn bilden komplexe Schaltkreise, die für die Verarbeitung von Informationen und die Steuerung von Bewegungen und Verhalten verantwortlich sind.
Neuroplastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns
Die Plastizität des Gehirns ist eine faszinierende Eigenschaft, die es dem Gehirn ermöglicht, sich an neue Herausforderungen, Veränderungen und Erfahrungen anzupassen. Das Gehirn kann durch die Bildung neuer Verbindungen zwischen Neuronen und die Modifikation bestehender Verbindungen seine Funktionen verändern und verbessern. Dieser Prozess der Anpassungsfähigkeit findet während der gesamten Lebensspanne statt und wird durch Faktoren wie Lernen, Erfahrung, körperliche Aktivität und Umgebung beeinflusst.
Lesen Sie auch: Schlagerstar nach Schlaganfall: Einblick in die Genesung
Intelligenz und das Kleinhirn
Bisher hatten Wissenschaftler angenommen, dass die Intelligenz vor allem durch das Großhirn bestimmt wird und dass der Rückgang kognitiver Fähigkeiten im Alter mit Abbauprozessen im Stirnhirn zusammenhängt. Zwar lassen sich auch im Kleinhirn oder Cerebellum, das sich im hinteren Teil des Kopfes befindet, im höheren Alter Abbauprozesse beobachten. Dieser Hirnbereich wurde bisher jedoch vor allem mit der Koordination von Bewegungen und Gleichgewichtsprozessen in Zusammenhang gebracht. Ob er auch für die Intelligenz eine Rolle spielt, war bislang unklar.
Eine Studie mit über 200 Freiwilligen im Alter von über 60 Jahren hat gezeigt, dass das Volumen der grauen Substanz im Kleinhirn bei älteren Erwachsenen mit der allgemeinen Intelligenz zusammenhängt. Möglicherweise könne ein gezieltes Training des Kleinhirns eine Volumenabnahme verhindern und damit dem geistigen Abbau im Alter entgegenwirken.