Fahrverbot bei Epilepsie in Deutschland: Ein umfassender Überblick

Epilepsie kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und zu einem Fahrverbot führen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, medizinischen Aspekte und individuellen Faktoren, die bei der Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Menschen mit Epilepsie in Deutschland eine Rolle spielen.

Epilepsie und Fahrtüchtigkeit: Ein komplexes Thema

Menschen mit Epilepsie können ein Risiko für plötzliche Anfälle haben, die beim Autofahren gefährlich wären. Ein epileptischer Anfall am Steuer und ein dadurch verursachter Verkehrsunfall kann nie ganz ausgeschlossen werden. Wenn sie trotzdem fahren, machen sie sich strafbar. Bei längerer Anfallsfreiheit, Anfällen nur aus dem Schlaf heraus oder bei Anfällen nur mit vollständig klarem Bewusstsein ist Autofahren nach ärztlicher Rücksprache in einigen Fällen wieder möglich.

Trotz Führerschein müssen Menschen mit Epilepsie das Auto in der Regel stehen lassen. Fahren darf nämlich nur, wer das Fahrzeug "sicher führen" kann. Ein Anfall kann z.B. das Bewusstsein, das Sehen, das Hören und/oder die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigen und dadurch Autounfälle verursachen. Die Medikamente gegen Epilepsie können z.B. die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Trotzdem muss niemand den Führerschein freiwillig abgeben. Wer zunächst wegen der Epilepsie fahruntauglich war, aber jetzt wieder fahrtauglich ist und den Führerschein behalten hat bzw. den Führerschein (zurück) bekommen hat, darf sich ans Steuer setzen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann den Führerschein entziehen, wenn die Epilepsie amtsbekannt wird, z.B. nach einem Unfall.

Rechtliche Grundlagen und Begutachtungsrichtlinien

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung bei Personen mit Epilepsie in Deutschland sind in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) festgelegt. Empfehlungen und Regelungen für den Einsatz Epilepsiekranker im Straßenverkehr und im Erwerbsleben findet man zum einen in der Fahrerlaubnisverordnung. Sie ist Teil des Verkehrsrechts und somit rechtsverbindlich.

Die Entscheidung darüber, inwieweit ein Patient mit Epilepsie geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen, stellt hohe Anforderungen an den Arzt. In Abhängigkeit von der Epilepsieform und -häufigkeit kann man ein Gefährdungspotenzial ableiten. Darauf basierend ist unter Beachtung der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung und der Fahrerlaubnisverordnung eine Beratung möglich. Hieraus kann auch das Aussprechen eines Fahrverbotes resultieren.

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Ob ein Mensch mit Epilepsie fahrtauglich ist, ist eine individuelle Frage. Es gibt zwar Begutachtungsleitlinien mit Richtlinien die bei Gutachten über die Fahrtauglichkeit verwendet werden, aber sie gelten nicht starr. In diesen Leitlinien heißt die Fahrtauglichkeit "Kraftfahreignung", weil es nur um Kraftfahrzeuge geht. Sie wird abhängig von der Art des Führerscheins unterschiedlich eingeschätzt. Es gibt 2 Fahrerlaubnisgruppen:

  • Fahrerlaubnisgruppe 1: Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T (PKW-, Motorrad-, Sonderklassen)
  • Fahrerlaubnisgruppe 2: Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und FzF (LKW- und Busklassen)

Für die Fahrerlaubnisklassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T kann der Führerschein mit Epilepsie genutzt werden, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Patient seit einem Jahr oder länger anfallsfrei ist. Für die Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, oder FzF gelten strengere Vorgaben.

"Wer epileptische Anfälle oder andere anfallsartige Bewusstseinsstörungen hat, ist in der Regel nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, solange ein wesentliches Risiko für Anfallsrezidive besteht.“ Hierbei wird der Begriff des „wesentlichen Risikos“ nicht näher definiert, sondern unter anderem auf das anfallsfreie Intervall bezogen. Allgemein gilt:

  • Eine Fahreignung kann attestiert werden, wenn Anfallsfreiheit besteht für die Fahrzeugklassen der Gruppe 1 nach 12 bis 24 Monaten ohne Rezidiv auch unter entsprechender medikamentöser Therapie.
  • Für die Fahrzeugklassen der Gruppe 2 bleibt die Eignung ausgeschlossen. Als Ausnahme gilt ein anfallsfreies Intervall von fünf Jahren ohne medikamentöse Therapie.

In der Anlage 4 (zu §§ 11, 13 und 14) der Fahrerlaubnisverordnung (12) werden die Bewertungen der Eignung und bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei einigen Erkrankungen dargestellt (Tabelle 2 gif ppt). Hier wird unter 6.6 bei einem Anfallsleiden eine Eignung/bedingte Eignung für die Fahrerlaubnis der Klassen L und T ausnahmsweise angenommen, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht (zum Beispiel zwei Jahre anfallsfrei). Diese Bewertung gilt jedoch nur für die Fahrerlaubnis bestimmter Fahrzeugklassen (Gruppe 1), unter die auch in der Regel das Führen eines Baggers fällt. Die Eignung zum Führen eines LKW oder zur Fahrgastbeförderung (Gruppe 2) hingegen wird bei einem Anfallsleiden (mehr als ein Anfall) verneint. Sie kann ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn eine Anfallsfreiheit ohne Therapie seit fünf Jahren besteht. Hier ist eine Zusatzbegutachtung durch einen „nach § 65 FeV verkehrsmedizinisch qualifizierten“ Arzt dringend empfehlenswert.

Besondere Fälle und Ausnahmen

Bei einmaligen Anfällen und Gelegenheitsanfällen ist von keinem wesentlichen Risiko eines Rezidivs auszugehen, wenn es keinen Anhalt für den Beginn einer idiopathischen oder symptomatischen Epilepsie in der weiteren Diagnostik gibt oder keine provozierenden Bedingungen wie Schlafmangel, Alkoholkonsum oder Stoffwechselstörungen mehr gegeben sind. Die Fahreignung wird in diesen Fällen nach einem anfallsfreien Intervall von 3 bis 6 Monaten angenommen. Wird eine antikonvulsive Medikation ausgeschlichen, muss man während der Phase des Absetzens sowie in den folgenden drei Monaten wegen erhöhter Rezidivgefahr vom Führen eines Kraftfahrzeugs abraten. Neu ist in dieser Übersicht (11) auch, dass ein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven dann nicht mehr als gegeben gilt, wenn ein medikamentös behandelter Betroffener ein Jahr anfallsfrei oder bei langjährigen therapieresistenten Epilepsien zwei Jahre anfallsfrei ist. Bis dato galt für diese Personengruppe stets eine Frist von zwei Jahren.

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Ärztliches Fahrverbot und seine Bedeutung

Ein ärztliches Fahrverbot aufgrund von Epilepsie ist zwar rechtlich nicht bindend, kann aber zu Problemen führen, wenn es ignoriert wird. Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Straßenverkehrsgesetz im § 2 besagt, dass geeignet zum Führen von Fahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt. Gelangt Ihr Arzt an diese Information, kann er Ihr Fehlverhalten bei der Straßenverkehrsbehörde melden.

Attestiert die Ärztin oder der Arzt eine zeitweise Fahruntauglichkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, müssen sich Verkehrsteilnehmende daran halten. Das "ärztliche Fahrverbot" ist nicht gleichzusetzen mit einem vom Gericht oder der Fahrerlaubnisbehörde verhängten Fahrverbot.

Wer jedoch dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er oder sie trotz fehlender Fahrtauglichkeit fährt, und macht sich (z. B. bei einem Unfall) strafbar, wenn andere Personen dadurch gefährdet werden. Bei einem Unfall drohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen, wenn jemand verletzt oder im schlimmsten Fall getötet wird. Zudem kann die Kfz-Haftpflichtversicherung bereits an die Unfallgeschädigten ausgezahltes Geld zurückfordern; die Kaskoversicherungen können Leistungen kürzen oder verweigern.

Die Rolle des Arztes und die Schweigepflicht

Der mitwissende behandelnde Arzt befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen ärztlicher Schweigepflicht und Abwägung der Rechtsgüter (9). Hierbei obliegt ihm zunächst die Entscheidung, welches Rechtsgut höher einzustufen ist. Erst danach kann eine Aussage über die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht oder die Notwendigkeit, diese zu brechen, getroffen werden.

Unfallrisiko und Haftung

Die Unfallhäufigkeit Epilepsiekranker ist statistisch gesehen nicht höher als die der Durchschnittsbevölkerung (13). Dennoch ist das Risiko bei einem Anfall während der Fahrt unbestreitbar erhöht. Falls aufgrund eines Anfallsleidens eine Ordnungswidrigkeit beziehungsweise bei einem anfallsbedingten Unfall sogar ein Strafverfahren eingeleitet wird, ist es ratsam, sich im Einzelfall juristisch beraten zu lassen. Das gilt auch, wenn die Fahrerlaubnisbehörde z.B. Tatsachen für eine Epilepsie-Erkrankung erhält und Führerscheinmaßnahmen drohen.

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Fallbeispiel: Fahrerlaubnisentzug bei schlafgebundener Epilepsie

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Mannes bestätigt, der ausschließlich an schlafgebundener Epilepsie leidet. Der Mann hatte einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein epileptischer Anfall vermutet wurde. Trotz ärztlicher Atteste und Medikation wurde entschieden, dass er nicht sicher Kraftfahrzeuge führen kann.

Im Zentrum des Falles steht die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Mannes, der an schlafgebundener Epilepsie leidet. Der Antragsteller, geboren 1991, war im Besitz einer Fahrerlaubnis für verschiedene Fahrzeugklassen. Ein Verkehrsunfall im Juli 2020 auf der BAB 93, verursacht vom Antragsteller, löste den rechtlichen Konflikt aus. Der Beifahrer des Antragstellers berichtete, dass der Antragsteller während der Fahrt nicht auf seinen Namen reagierte und körperliche Anzeichen eines epileptischen Anfalls zeigte.

Auf Anforderung des Landratsamts legte der Antragsteller ein ärztliches Attest vor, das seine Epilepsie bestätigte, welche seit seinem sechsten Lebensjahr bekannt und medikamentös behandelt wird. Seit 2008 wurden tagsüber keine Anfälle mehr beobachtet, lediglich schlafgebundene nächtliche Anfälle traten auf. Das Landratsamt Schwandorf reagierte darauf mit der Auflage, regelmäßige neurologische Untersuchungen durchzuführen und jegliche Änderungen in der Medikation zu melden.

Im weiteren Verlauf wurden unterschiedliche medizinische Stellungnahmen eingeholt. Ein Arztbrief der Schön Klinik, in die der Antragsteller zur Behandlung ging, erwähnte verminderte Konzentration und Gedächtnisstörungen. Eine fachärztliche neurologische Stellungnahme berichtete von drei epileptischen Anfällen im Juni 2020, die tagsüber auftraten. Diese Informationen führten zu Unsicherheiten bezüglich der Fahrtauglichkeit des Antragstellers.

Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis ab. Das Gericht begründete dies mit der Annahme, dass der Antragsteller aufgrund des diagnostizierten Krankheitsbildes und des Unfallgeschehens im Juli 2020 ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Verkehrssicherheit darstellt.

Unterstützung und Beratung

Eine persönliche Beratung bieten auch Verkehrspsychologen. Unterstützung erhalten Epilepsie-Patienten von ihrem Arzt. Er muss sie über ihre Anfallsfreiheit bzw. ihre Tauglichkeit, ein Fahrzeug zu führen, informieren. Seine Entscheidung gründet er auf die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung herausgegeben vom Bundesamt für Straßenwesen (BAST-Leitlinien).

Alternativen zur individuellen Mobilität

Ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem Grad der Behinderung (GdB) ab 70 bekommen Menschen mit Epilepsie meist das Merkzeichen G und das Merkzeichen B und bei sehr häufigen Anfällen mit einem GdB von 100 das Merkzeichen H. Näheres unter Epilepsie > Behinderung. Das Merkzeichen G steht für "Gehbehinderung“ und ermöglicht unter anderem starke Ermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Merkzeichen B steht für "Begleitperson", die damit kostenfrei in öffentlichen Verkehrsmitteln mitfahren darf. Das Merkzeichen H steht für "Hilflosigkeit" und ermöglicht sogar kostenlose Fahrten im öffentlichen Nahverkehr.

Der Mensch mit Epilepsie hat keine andere Person, die ihn fahren kann, z.B. Der Zuschuss ist eine sog. Ermessensleistung. Das bedeutet: Wenn die Voraussetzungen vorliegen, entscheidet der Kostenträger nach den Umständen des Einzelfalls über den Zuschuss. Die unabhängige Teilhabeberatung, die Rehabilitationsträger wie z.B. die Agentur für Arbeit oder der Rentenversicherungsträger (Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit) und das Integrationsamt bzw. Manchmal kann eine Person aus der Familie oder dem Bekanntenkreis Fahrten übernehmen.

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