Einer der schockierendsten Momente in der Geschichte des deutschen Fernsehens ereignete sich im Dezember 2010, als der damals 23-jährige Samuel Koch bei "Wetten, dass…?" schwer stürzte und seitdem querschnittsgelähmt ist. Sein geplanter Stunt, mit Sprungfedern über fünf fahrende Autos zu springen, endete in einer Tragödie, die nicht nur sein Leben, sondern auch die deutsche Fernsehlandschaft nachhaltig veränderte.
Der Unfall und seine unmittelbaren Folgen
In der Live-Sendung vom 4. Dezember 2010 wollte Samuel Koch mit sogenannten Sprungstiefeln im Salto über fünf auf ihn zukommende Autos mit zunehmender Größe springen. Dabei prallte er gegen das vierte, von seinem Vater gesteuerte Auto und fiel mit Wucht auf den Boden. Die Bilder, auf denen er regungslos am Boden lag, bleiben unvergessen. "Sofort den Arzt, bitte", sagte Co-Moderatorin Michelle Hunziker. Mitten in der Gute-Laune-Show lag ein Mann auf dem Hallenboden und konnte sich nicht mehr bewegen. Die Sendung wurde sofort unterbrochen.
Die Diagnose war niederschmetternd: zwei gebrochene Halswirbel und eine Rückenmarkschädigung durch Einblutung, die die Lähmung auslöste. Ein Helm hatte einen Schädelbruch verhindert. Seitdem ist der damals 23-Jährige querschnittsgelähmt.
Thomas Gottschalk, der damalige Moderator von "Wetten, dass…?", konnte nicht fassen, dass sich vor den Augen von Millionen eine Tragödie ereignete. Er besuchte Samuel Koch und stand ihm zur Seite. Doch der Sturz löste auch Gottschalks Rücktritt aus. Er konnte nicht "zu der guten Laune zurückfinden".
Samuel Kochs Leben nach dem Unfall
Trotz der schweren Verletzung kämpfte Samuel Koch und verlor nur selten den Mut. Er wollte zeigen, was es für ihn bedeutete, querschnittsgelähmt zu sein, und ließ eine TV-Doku über seinen Alltag drehen. Er trainierte unentwegt, schrieb Bücher und studierte Schauspiel. Einige Jahre nach dem Unfall konnte er seine Arme wieder bewegen.
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Koch schloss sein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover ab. Es folgten Engagements am Nationaltheater Mannheim und aktuell bei den Münchner Kammerspielen. Auch in Kino- und Fernsehfilmen wie "Honig im Kopf" oder in Soaps wie "Sturm der Liebe" ist Koch zu sehen.
Seine große Liebe fand er beim Dreh von "Sturm der Liebe" in Kollegin Sarah Elena Timpe. 2016 heirateten sie. Koch ist überzeugt, dass sich seine Lähmung zurückbilden kann. Er sagt, er sei Christ. Aber sagt auch: "Ich habe mit Gott gehadert. Dennoch bleibe ich ein Glaubender und Hoffender." Heute weiß er, dass "wir nicht da sind, um uns selbst zu verwirklichen, sondern füreinander da zu sein".
Samuel Koch unterstützt die Deutsche Stiftung Querschnittlähmung (DSQ) sowie die internationale Rückenmarksforschung "wings for life".
Die juristische Auseinandersetzung um die Anerkennung als Arbeitsunfall
Fast 15 Jahre nach dem Unfall wird das Verfahren um die Frage, ob es sich dabei um einen Arbeitsunfall handelte, neu aufgerollt. Samuel Koch argumentierte, dass er während der Show für eine öffentlich-rechtliche Anstalt gearbeitet und deshalb Versicherungsschutz genossen habe. Er begründete seinen 2020 gestellten Antrag auf eine gesetzliche Unfallrente mit dem Argument, er sei ehrenamtlich für einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender tätig gewesen.
Die Vorinstanzen hatten seine Klage abgewiesen. Sie waren der Ansicht gewesen, dass Kochs Auftritt als Wettkandidat ihm keinen Versicherungsschutz als Beschäftigter verschafft habe. Koch habe als sein eigener Regisseur agiert und der Auftritt sei hauptsächlich durch sein eigenwirtschaftliches Interesse motiviert gewesen, um Bekanntheit zu erlangen.
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Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zurück an das Landessozialgericht Baden-Württemberg. Zwar bestätigte das BSG die Entscheidung der Vorinstanzen, dass kein Versicherungsschutz als Beschäftigter oder "Wie-Beschäftigter" und auch nicht im Ehrenamt bestehe. Aber nach Ansicht des 2. Senats des Gerichts kommt der Versicherungsschutz als nicht versicherter Unternehmer in Betracht.
Das BSG urteilte, es lasse sich nicht abschließend entscheiden, ob Koch als nicht versicherter Unternehmer einem Versicherten gleichgestellt ist, weil der Unfall von einem Mitglied seines Wettteams mit verursacht worden ist. Denn er war Chef eines Teams mit mehreren Personen, das den Wett-Stunt aufführte. "Dann hat womöglich ein Teil des Teams mitgewirkt an der Schädigung", sagte die Vorsitzende Richterin Elke Roos. In diesem speziellen Fall könnte dann der eigentlich nicht versicherte Unternehmer Koch doch versichert sein.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg muss nun klären, ob Samuel Koch als Wettkandidat einer gesetzlichen Unfallversicherung unterlag. Bei einem Arbeitsunfall sind Arbeitnehmer, Azubis und bestimmte ehrenamtliche Mitarbeiter automatisch geschützt. Im Unglücksfall werden so bei Betroffenen Folgekosten für Behandlungen, Pflege, nötige Umbaumaßnahmen getragen.
Die finanzielle Belastung durch die Querschnittslähmung
Für Samuel Koch wären Leistungen aus der gesetzlichen Unfallkasse eine wichtige finanzielle Hilfe. Denn dass er seinen Beruf als Schauspieler ausüben kann, kostet ihn viel Geld. Die zusätzlichen Kosten für die persönliche Assistenz, die der vom Hals abwärts Gelähmte braucht, um seinen Alltag als Schauspieler zu meistern, kann das Theater nicht stemmen. Seine Helfer bezahlt er privat, Koch finanziert das, indem er nebenbei als Vortragsredner oder Moderator auftritt.
Die Rolle des ZDF und die Frage der Schuld
In der Diskussion über die Schuld kam auch das ZDF in Erklärungsnot: Waren die Wetten im Kampf um die Quote zu spektakulär - also zu riskant? Ein Gutachten entkräftete die Vorwürfe. Das ZDF sieht sich zwar von jeglicher Schuld an Samuel Kochs Unfall befreit, will aber dennoch auf Stunt-Wetten verzichten. Der Sender setzt stattdessen stärker auf Unterhaltung.
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Samuel Kochs Blick zurück und seine Zukunftspläne
Samuel Koch hat aus dem Unfall gelernt. "Heute würde ich mehr auf mein Bauchgefühl achten", sagt Koch. Er habe auf dem monatelangen Weg zu dem Auftritt immer mal wieder Zweifel gehabt.
Koch ist überzeugt, dass sich seine Lähmung zurückbilden kann. Er spürt heute mehr als in der ersten Phase nach dem Unfall. Er hofft, sich irgendwann aus seinem E-Rollstuhl zu erheben. Solange hält er seinen Körper mit Hilfe von Physiotherapeuten und an speziellen Trainingsgeräten fit - nicht nur für ihn selbst und fürs Theater, sondern zur Vorbereitung auf mögliche medizinische Fortschritte.
Der 4. Dezember wird für Koch immer ein schwieriger Tag sein.