Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das die Grundlage für unsere Intelligenz, unser Verhalten und unsere Wahrnehmung bildet. Es ist jedoch nicht das größte Gehirn im Tierreich, weder absolut noch relativ zur Körpergröße. In diesem Artikel werden wir die Größe des menschlichen Gehirns untersuchen, es mit anderen Tieren vergleichen und die evolutionären Faktoren betrachten, die zu seiner Entwicklung geführt haben.
Gehirngröße beim Menschen: Durchschnittswerte und Geschlechterunterschiede
Die menschliche Schaltzentrale des Körpers wiegt rund 1.400 Gramm. Biologische Männer haben im Schnitt ein etwas größeres Gehirn als biologische Frauen, etwa 100 Gramm schwerer. Studien zeigen, dass das durchschnittliche Gehirnvolumen bei Männern etwa 1230 Kubikzentimeter beträgt. Dies bedeutet keinesfalls, dass Männer intelligenter sind als Frauen, da die Gehirngröße vielmehr von Gewicht und Statur des Trägers abhängig ist. Die Gehirngröße korreliert eher mit der Körpergröße als mit der Intelligenz.
Vergleich mit anderen Tieren: Wer hat das größte Gehirn?
Obwohl das menschliche Gehirn im Verhältnis zur Körpergröße relativ groß ist, ist es nicht das größte im Tierreich. Der Pottwal schwimmt mit einem 8 bis 9 kg schweren Gehirn durchs Meer, und auch Elefanten haben mit rund 5 kg deutlich größere Gehirne als der Mensch. Wenn man die relative Gehirngröße betrachtet, also das Verhältnis von Gehirngewicht zur Körpermasse, stehen Spitzmäuse ganz oben. Ihr Gehirn macht bis zu 10 Prozent ihrer Körpermasse aus. Allerdings bedeutet eine große relative Gehirngröße nicht zwangsläufig höhere Intelligenz.
Gehirngröße und Intelligenz: Ein komplexer Zusammenhang
Die Vorstellung, dass die Gehirngröße direkt mit der Intelligenz zusammenhängt, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Obwohl es eine gewisse Korrelation geben kann, ist der Zusammenhang komplexer. Die innere Struktur des Gehirns, die Vernetzung der Nervenzellen und die Effizienz der Informationsverarbeitung sind wichtiger für die kognitiven Fähigkeiten als die reine Größe. So haben beispielsweise Delphine zwar nicht das größte Gehirn, aber eine überdurchschnittlich ausgeprägte Intelligenz. Auch die Anzahl der Nervenzellen scheint nicht entscheidend zu sein, da Delphine beispielsweise weniger Nervenzellen haben als erwartet.
Evolution des menschlichen Gehirns: Eine lange Reise
Die Evolution der menschlichen Linie ist untrennbar mit der Evolution des Gehirns verknüpft. Vergleiche von Schädelknochen moderner Menschen mit denen ihrer engsten lebenden und fossilen Verwandten zeigen, dass sich das Gehirnvolumen in den letzten zwei Millionen Jahren dramatisch vergrößert hat. Das Gehirnvolumen heute lebender Menschen ist etwa dreimal so groß wie das von Schimpansen.
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Der aufrechte Gang als Ausgangspunkt
Interessanterweise ging die Entwicklung des aufrechten Gangs der dramatischen evolutionären Expansion des Gehirnvolumens um bis zu vier Millionen Jahre voraus. Diese Chronologie der Ereignisse ist wichtig, weil die evolutionären Anpassungen an den aufrechten Gang das Skelett dramatisch verändert haben. Unter anderem wurde das Becken schmaler und dadurch der Geburtskanal des knöchernen Beckens kleiner. Im Laufe der Evolution der aufrecht gehenden Homininen musste also bei der Geburt ein Baby mit immer größerem Kopf durch den bereits verengten knöchernen Geburtskanal.
Nesthocker-Strategie und Gehirnentwicklung
Im Vergleich zu anderen Primaten sind Menschenkinder Nesthocker, d.h. sie sind für einen längeren Zeitraum von der Zuwendung der Eltern abhängig. Bereits bei der Geburt hat das Gehirn eines menschlichen Babys mit circa 400 ml etwa die Größe eines erwachsenen Schimpansengehirns. In den ersten Lebensjahren verdreifacht sich das Volumen des Gehirns. Im Vergleich zu Menschenaffen nimmt das Gehirn des Menschen im Laufe der Kindesentwicklung also deutlich schneller an Volumen zu und wächst über einen etwas längeren Zeitraum. Bei Menschen sind zum Zeitpunkt der Geburt zwar alle Nervenzellen bereits angelegt, aber noch kaum miteinander verknüpft. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend für die Vernetzung des Gehirns.
Unterschiede zwischen Neandertalern und modernen Menschen
Auch wenn Neandertaler und moderne Menschen ähnlich große Gehirne hatten, gibt es Hinweise darauf, dass es Unterschiede in der Gehirnentwicklung gab. So konnten Wissenschaftler nachweisen, dass sich das Muster der endocranialen Gestaltveränderung direkt nach der Geburt zwischen Neandertalern und modernen Menschen unterscheidet. Diese Entwicklungsunterschiede direkt nach der Geburt könnten Auswirkungen auf die neuronale und synaptische Organisation des Gehirns haben.
Faktoren, die die Gehirngröße beeinflussen
Es gibt verschiedene Theorien darüber, welche Faktoren die Vergrößerung des menschlichen Gehirns im Laufe der Evolution beeinflusst haben.
Werkzeuggebrauch
Eine verbreitete Hypothese besagt, dass der erste Anstoß zur Vergrößerung des menschlichen Gehirns von der aufkommenden Herstellung von Werkzeugen ausgegangen ist. Auf den ersten Blick scheint das mit den fossilen Belegen übereinzustimmen. Allerdings gab es bereits eine Zunahme der relativen Gehirngröße, bevor Werkzeuge sicher belegt sind.
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Nahrungssuche und Sozialleben
Andere Erklärungsmodelle beziehen sich auf Vergleiche zwischen Primaten allgemein und betonen die Bedeutung der Nahrungssuche und des Soziallebens. So wird vermutet, dass fruchtfressende Primaten größere Gehirne benötigen, weil ihre Nahrung im Wald schwieriger zu finden ist als Blätter. Auch das Leben in Sozialverbänden, das ein hohes Maß an abgestimmtem Verhalten verlangt, könnte die Gehirnentwicklung beeinflusst haben.
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