Die Diagnose Demenz stellt für Betroffene und Angehörige eine einschneidende Veränderung dar. Neben der Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild selbst, drängen sich viele Fragen auf, insbesondere zur Lebenserwartung und den zu erwartenden Veränderungen im Krankheitsverlauf. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die durchschnittliche Lebenserwartung bei Demenz, die verschiedenen Demenzformen, Risikofaktoren, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sowie den Umgang mit der Erkrankung im Alltag.
Demenz: Mehr als nur Vergesslichkeit
Demenz ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Syndrom, das verschiedene Erkrankungen umfasst, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern und Orientierung einhergehen. Obwohl Demenz vor allem im höheren Alter auftritt, ist sie keine normale Alterserscheinung. Ende 2023 lebten in Deutschland schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen mit Demenz.
Ursachen und Formen der Demenz
Die Symptome einer Demenz können durch unterschiedliche Krankheiten hervorgerufen werden. Daher spricht man von verschiedenen "Demenzformen". Grundsätzlich lassen sich primäre und sekundäre Demenzen unterscheiden.
Primäre Demenzen:
- Neurodegenerative Demenzen: Diese werden durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn verursacht. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, die mehr als 60 Prozent aller Demenzerkrankungen ausmacht. Weitere Formen sind die frontotemporale Demenz (Morbus Pick) und die Lewy-Körper-Demenz. Im Zusammenhang mit Parkinson entwickelt sich bei etwa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen eine Parkinson-Demenz.
- Vaskuläre Demenzen: Hierbei wird das Hirngewebe durch Durchblutungsstörungen nachhaltig geschädigt, was ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen führt. Typische Ursachen sind langjähriger unbehandelter Bluthochdruck oder Schlaganfälle.
Sekundäre Demenzen: Diese werden indirekt durch äußere Einflussfaktoren wie Medikamente, Alkoholmissbrauch (Korsakow-Demenz) oder schädliche Umwelteinflüsse ausgelöst.
In der Praxis treten häufig Mischformen von Demenz auf, beispielsweise eine Kombination aus neurodegenerativer und vaskulärer Demenz.
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Alzheimer-Krankheit: Die häufigste Demenzform
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz. Aus bislang ungeklärten Gründen sterben bei Alzheimer nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was die typischen Symptome wie den frühen Verlust des Kurzzeitgedächtnisses hervorruft.
Frontotemporale Demenz (Morbus Pick)
Die frontotemporale Demenz ist ebenfalls eine neurodegenerative Krankheit, bei der vor allem Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns zurückgehen. Dies führt vor allem zu Veränderungen der Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens, während das Erinnerungsvermögen weniger beeinträchtigt ist. Die frontotemporale Demenz tritt häufig bei jüngeren Menschen zwischen 45 und 60 Jahren auf.
Lewy-Körper-Demenz
Die Lewy-Körper-Demenz ist eine weitere neurodegenerative Erkrankung, die durch sogenannte "Lewy-Körperchen" verursacht wird, welche für den Rückgang von Nervenzellen in der Hirnrinde verantwortlich sind. Typische Symptome sind optische Sinnestäuschungen (Halluzinationen) sowie motorische Störungen und ein rascher Wechsel von Wachheit zu Müdigkeit im Tagesverlauf.
Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu Schädigungen des Hirngewebes führen. Ursachen sind häufig langjähriger unbehandelter Bluthochdruck oder Schlaganfälle. Die Beeinträchtigungen können sehr unterschiedlich sein und äußern sich vor allem in den Bereichen Gedächtnis, Sprache, Denkvermögen, Bewegung und Orientierung.
Lebenserwartung bei Demenz: Individuelle Unterschiede
Die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen mit Demenz variiert stark und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das Alter bei Diagnosestellung, die spezifische Form der Demenz, der Schweregrad der Symptome und das Vorliegen von Begleiterkrankungen.
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Studien zeigen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Diagnose zwischen 4,8 und 8 Jahren liegt. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um Durchschnittswerte handelt und die tatsächliche Lebenserwartung im Einzelfall deutlich abweichen kann.
- Alter bei Diagnosestellung: Je jünger eine Person bei der Diagnose ist, desto länger ist tendenziell die Lebenserwartung. Menschen, bei denen die Demenz vor dem 65. Lebensjahr auftritt, haben oft eine Lebenserwartung von acht bis zehn Jahren. Tritt die Demenz im Alter zwischen 65 und 75 Jahren auf, verkürzt sich die Lebenserwartung statistisch auf weniger als fünf Jahre. Bei einer Diagnose nach dem 85. Lebensjahr beträgt die Lebenserwartung weniger als drei Jahre.
- Geschlecht: Einige Studien deuten darauf hin, dass Frauen nach der Diagnose eine kürzere Überlebenszeit haben als Männer.
- Demenzform: Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form, aber nicht die einzige. Vaskuläre Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz, Frontotemporale Demenz und Demenz bei Parkinson sind weitere Formen.
- Begleiterkrankungen: Das Vorliegen von Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infektionskrankheiten kann die Lebenserwartung verkürzen.
- Soziale Faktoren: Das Zusammenleben mit einer anderen Person scheint die Lebenszeit zu verlängern, während eine höhere Bildung sie verkürzen kann.
Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung
Verschiedene Faktoren können die Lebenserwartung von Menschen mit Demenz beeinflussen:
- Risikofaktoren: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht erhöhen das Risiko für eine Demenzerkrankung und können auch die Lebenserwartung verkürzen.
- Lebensstil: Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung, gesunder Ernährung, sozialen Kontakten und geistiger Aktivität kann das Fortschreiten der Demenz verlangsamen und die Lebensqualität verbessern.
- Frühe Diagnose und Behandlung: Eine frühe Diagnose ermöglicht es, den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern und das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder zu verlangsamen.
- Pflege und Betreuung: Eine gute Pflege und Betreuung, die auf die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen eingeht, kann die Lebensqualität und die Lebenserwartung positiv beeinflussen.
Todesursachen bei Demenz
Die Demenz selbst ist nicht direkt die Todesursache. Allerdings schwächt eine fortgeschrittene Demenz das Immunsystem und erschwert es den Betroffenen, auf ihre eigene Gesundheit zu achten und Frühwarnzeichen für Erkrankungen wahrzunehmen. Die häufigste Todesursache bei Menschen mit Demenz ist die Lungenentzündung (Pneumonie), da in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit oft Kau- und Schluckstörungen auftreten.
Diagnose von Demenz: Den Ursachen auf den Grund gehen
Eine frühzeitige und umfassende Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache der demenziellen Symptome zu klären und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Die Diagnose umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und seiner Angehörigen.
- Körperliche Untersuchung: Überprüfung des allgemeinen Gesundheitszustands.
- Neurologische und psychiatrische Untersuchung: Beurteilung der geistigen Funktionen und des Verhaltens.
- Demenz-Tests: Messung der geistigen Leistungsfähigkeit, z.B. mit dem Mini-Mental-Status-Test (MMST).
- Bildgebende Verfahren: Darstellung des Gehirns mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT), um organische Ursachen auszuschließen.
- Blutuntersuchungen: Überprüfung von Blutbild, Blutzucker, Leberwerten, Schilddrüsenhormonen etc., um körperliche Erkrankungen auszuschließen.
Behandlung von Demenz: Symptome lindern und Lebensqualität verbessern
Obwohl die meisten Demenzformen nicht heilbar sind, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern.
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Medikamentöse Therapie
- Antidementiva: Diese Medikamente können bei bestimmten Demenzformen (z.B. Alzheimer-Krankheit) das Fortschreiten der Symptomatik verzögern und die geistige Leistungsfähigkeit verbessern.
- Weitere Medikamente: Je nach Bedarf können weitere Medikamente zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Depressionen, Angstzuständen, Schlafstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden.
Nicht-medikamentöse Therapien
- Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration und Sprache.
- Realitätsorientierungstraining (ROT): Hilfestellungen zur Verbesserung der Orientierung zu Ort, Zeit und Person.
- Ergotherapie: Training von Alltagsaktivitäten und Anpassung des Wohnumfelds.
- Physiotherapie: Förderung der Beweglichkeit und des Gleichgewichts.
- Musik- und Kunsttherapie: Kreative Ausdrucksmöglichkeiten zur Förderung des Wohlbefindens.
- Psychotherapie: Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung und der Verarbeitung von Ängsten und Depressionen.
- Validation: Wertschätzender Umgang mit den Betroffenen, der ihre veränderte Wahrnehmung und ihr Verhalten akzeptiert.
Weitere Unterstützungsangebote
- Pflegeberatung: Informationen und Unterstützung bei Fragen zur Pflege und Betreuung.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
- Tagespflege: Betreuung und Aktivierung in einer Gruppe während des Tages.
- Ambulante Pflegedienste: Unterstützung bei der häuslichen Pflege.
- Wohnformen für Menschen mit Demenz: Spezielle Wohngruppen oder Demenzdörfer, die eineCommunity bieten.
- Patientenverfügung: Sicherstellung der medizinischen Wünsche in unerwarteten Situationen.
- Palliative Care: Palliativmedizinische Versorgung und Sterbebegleitung.
Leben mit Demenz: Herausforderungen und Chancen
Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Erkrankung auseinanderzusetzen, sich Unterstützung zu suchen und die Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten.
Umgang mit den Betroffenen
- Kommunikation: Achten Sie auf eine wertschätzende und respektvolle Kommunikation. Sprechen Sie langsam und deutlich, verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden SieIronie und Sarkasmus.
- Alltagsgestaltung: Strukturieren Sie den Alltag und schaffen Sie eine vertraute Umgebung. Fördern Sie die Selbstständigkeit und die Teilnahme anaktivitäten, die Freude bereiten.
- Herausforderndes Verhalten: Bleiben Sie ruhig und geduldig, wenn es zu herausforderndem Verhalten kommt. Versuchen Sie, die Ursache des Verhaltens zu verstehen und darauf einzugehen.
- Entlastung: Nehmen Sie Entlastungsangebote in Anspruch, um sich selbst nicht zu überfordern.
Tipps für Angehörige
- Information: Informieren Sie sich umfassend über die Erkrankung und ihreVerlauf.
- Unterstützung: Suchen Sie sich Unterstützung bei anderen Angehörigen,Freunden, Selbsthilfegruppen oder professionellenAnbietern.
- Selbstfürsorge: Achten Sie auf Ihre eigene Gesundheit und Ihr eigenes Wohlbefinden.Nehmen Sie sich Auszeiten und tun Sie Dinge, die Ihnen Freude bereiten.
- Patientenverfügung: Sorgen Sie dafür, dass die Wünsche des Betroffenen in einerPatientenverfügung festgehalten werden.
- Akzeptanz: Akzeptieren Sie die Erkrankung und die damit verbundenenVeränderungen. Konzentrieren Sie sich auf die positivenAspekte und die schönen Momente.