Kreatin, bekannt als beliebtes Nahrungsergänzungsmittel im Sport, rückt zunehmend in den Fokus der Forschung hinsichtlich seiner Auswirkungen auf das Gehirn und die allgemeine Gesundheit im Alter. Studien deuten darauf hin, dass Kreatin nicht nur Muskeln stärken, sondern auch das Gehirn schützen und potenziell die Lebensdauer verlängern könnte.
Kreatin: Vom Muskelbooster zum potenziellen Jungbrunnen
Langlebigkeit ist längst kein Nischenthema mehr, und während Milliarden in die Forschung investiert werden, um das Altern zu verlangsamen oder gar zu besiegen, könnte Kreatin eine entscheidende Rolle spielen. Bislang galt es vor allem als Nahrungsergänzungsmittel für Kraftsportler, doch neue Studien zeigen, dass Kreatin weitaus mehr kann, als nur Muskeln aufzupumpen. Es könnte die Zellenergie steigern, das Gehirn schützen und sogar neurodegenerative Krankheiten beeinflussen.
Nils Behrens, Chief Brand Officer bei Sunday Natural, Host des Podcasts "Healthwise" und Dozent an der Hochschule Fresenius, erklärt, dass Kreatin eine natürliche Substanz ist, die in unserem Körper gebildet wird und vor allem in der Muskulatur gespeichert ist. Seine Hauptaufgabe ist die schnelle Energieversorgung. Forschungen legen nahe, dass Kreatin auch das Gehirn schützt, die Zellalterung verlangsamt und sogar neurodegenerative Krankheiten beeinflussen könnte.
Kreatin und seine Wirkung auf das alternde Gehirn
Ein gestörter Energiestoffwechsel im Gehirn sowie eine Dysfunktion des Kreatinsystems können zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit beitragen. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass Kreatin-Monohydrat die Energieversorgung im Gehirn unterstützen und die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern kann.
Eine Studie untersuchte die Auswirkungen von Kreatin auf Alzheimer-Patienten. Über einen Zeitraum von acht Wochen erhielten zehn Alzheimer-Patienten im Alter von 60 bis 90 Jahren täglich 20 Gramm Kreatin-Monohydrat, aufgeteilt in zwei Dosen. Die kognitive Leistung wurde mithilfe des „National Institutes of Health (NIH) Toolbox“-Testverfahrens gemessen, einem Set standardisierter Tests, das verschiedene Aspekte der kognitiven Funktion abbildet, darunter kognitive Flexibilität, Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie das Verstehen gesprochener und geschriebener Sprache. Zusätzlich wurde der Mini-Mental State Examination (MMSE) eingesetzt, ein Test zur Feststellung kognitiver Beeinträchtigungen.
Lesen Sie auch: Kreatin: Hoffnung bei Demenz?
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kreatinkonzentration im Gehirn nach acht Wochen im Durchschnitt um 11 % gestiegen war. Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Gesamtpunktzahl für die kognitive Leistung sowie des Problemlösungsvermögens. Die Supplementierung mit Kreatin ist bei Alzheimer-Patienten gut durchführbar und führt nachweislich zu einer erhöhten Kreatinkonzentration im Gehirn sowie zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Kreatin könnte somit eine ergänzende Unterstützung bei der Alzheimer-Krankheit darstellen.
Kreatin als Schutzschild für das Gehirn
Demenz, Alzheimer und Parkinson zählen zu den größten Herausforderungen der modernen Medizin. Forscher untersuchen, ob Kreatin helfen könnte, das Gehirn länger fit zu halten. Erste Hinweise gibt es bereits: In einer Studie mit Parkinson-Patienten zeigte sich, dass Kreatin das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen könnte. Andere Studien deuten darauf hin, dass Kreatin kognitive Funktionen verbessert - besonders bei älteren Menschen oder solchen, die sich vegetarisch ernähren. Das liegt daran, dass Kreatin nicht nur Muskeln, sondern auch das Gehirn mit Energie versorgt. Gerade im Alter, wenn die körpereigene Produktion abnimmt, könnte eine gezielte Zufuhr sinnvoll sein.
Kreatin zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei Schlafmangel
Kreatin hat das Potenzial, die durch Schlafentzug verursachten kognitiven Leistungseinbußen entgegenzuwirken. In einer randomisierten longitudinalen Studie wurde die Wirkung einer hohen Kreatin-Dosis (0,35 g/kg) auf neurometabolische Prozesse und die kognitive Leistungsfähigkeit während des Schlafentzugs untersucht. In zwei verschiedenen Nächten erhielten Probanden vor dem Schlafentzug um 20:30 Uhr Kreatin oder ein Placebo. In anschließenden Messungen wurden die neurometabolischen Veränderungen und die kognitive Leistungsfähigkeit um 0:00, 2:00 und 4:00 Uhr untersucht.
Schon ab der dritten Stunde nach der Einnahme von Kreatin wurde eine positive Wirkung auf den Gehirnstoffwechsel und die kognitive Leistungsfähigkeit festgestellt, die bis zu neun Stunden anhielt. Es verbesserten sich insbesondere die Verarbeitungsleistung und das Kurzzeitgedächtnis. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine einzige, aber hohe Dosis Kreatin die Denkleistung verbessert und Veränderungen in den Energievorräten des Gehirns während des Schlafentzugs bewirkt. Von der Einnahme einer solch hohen Dosis im privaten Umfeld ist jedoch abzuraten, da hohe Kreatindosen die Nieren stark belasten und gesundheitliche Risiken hervorrufen können.
Kreatin und seine vielfältigen Wirkungen im Alter
Kreatin übernimmt im Körper eine ganz zentrale Rolle im Energiestoffwechsel, vor allem bei kurzen, intensiven Belastungen. Die wichtigsten Wirkungen sind:
Lesen Sie auch: Gehirn-Boosting mit Kreatin?
- Energiespeicher: Kreatin wird in den Muskeln als Kreatinphosphat gespeichert. Es stellt schnell verfügbare Energie bereit, indem es hilft, Adenosintriphosphat (ATP) rasch wiederherzustellen.
- Muskelkraft und Leistung: Dadurch können Muskeln bei kurzen, intensiven Aktivitäten wie Sprinten oder Gewichtheben länger und stärker arbeiten.
- Zellvolumen und Regeneration: Kreatin zieht Wasser in die Muskelzellen, was nicht nur optisch „vollere“ Muskeln bewirkt, sondern auch die Proteinsynthese und Regeneration fördert.
- Gehirn und Nervensystem: Auch Nervenzellen nutzen das Supplement als Energiereserve - es unterstützt Konzentration, Gedächtnis und kann das Gehirn bei Stress oder Krankheit schützen.
- Gesundheit im Alter: Studien deuten darauf hin, dass Kreatin helfen kann, Muskelabbau im Alter (Sarkopenie) zu verlangsamen und kognitive Funktionen zu erhalten.
Kreatin für den Muskelstoffwechsel
In der Fitness- und Bodybuilderszene ist das Supplement bekannt und beliebt. Die Einnahme gilt bei gesunden Erwachsenen als sicher, zudem ist der Nutzen hinreichend belegt. Der menschliche Körper synthetisiert etwa 1-2 Gramm pro Tag. Mit der Nahrung wird die Substanz vor allem durch tierische Produkte ebenfalls täglich aufgenommen. Eine Supplementierung von 3 bis 5 Gramm Kreatin täglich soll die Speicher auffüllen und den Muskelstoffwechsel unterstützen.
Kontraindiziert ist die Einnahme vor allem bei Patient:innen mit bekannten Leber- oder Nierenerkrankungen. Hier sollte vor der Einnahme eine ärztliche Untersuchung stattfinden. Weil belastbare Studien zur Sicherheit fehlen, wird auch Schwangeren und Kindern von der Kreatineinnahme abgeraten.
Kreatin aus geriatrischer Sicht
Interessant ist der körpereigener Energieträger auch aus geriatrischer und neurologischer Sicht, denn die Substanz könnte neuroprotektiv wirken. Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit „Effects of creatine supplementation on cognitive function of healthy individuals: A systematic review of randomized controlled trials“ deuteten darauf hin, dass gesunde ältere Menschen potenzielle Effekte auf das Kurzzeitgedächtnis und auf kognitive Funktionen im Rahmen einer Kreatineinnahme aufwiesen. Belastbare Daten fehlen jedoch bislang, es sind weitere Untersuchungen nötig.
Kreatin zur Vorbeugung von Sarkopenie
Im Hinblick auf Sarkopenie gibt es ebenfalls Hinweise, dass eine Supplementierung in Kombination mit Krafttraining die Muskelkraft verbessern und die Muskelmasse erhalten kann. Die Ergebnisse der Studie „The Effect of 8 Weeks of Strength Training and Creatine Intake on Sarcopenia“ deuten auf positive Effekte bei älteren Menschen hin. In der Untersuchung von 80 Personen im Alter von 65 bis 79 Jahren konnte belegt werden, dass Krafttraining allein eine moderate bis schwere Sarkopenie reduzieren konnte. Wurde zusätzlich 5 Gramm Kreatin eingenommen, verstärkte dies die Effekte signifikant.
Weitere positive Effekte von Kreatin im Alter
Creatin gehört zu den Schlüssel-Substanzen bei der Energiegewinnung. Es wird im Körper in Creatin-Phosphat (Phosphocreatin) umgewandelt, das den Energieträger ATP (Adenosintriphosphat) in den Mitochondrien regeneriert. Altersbedingte Muskelschwäche (Sarkopenie) kann z.B. sich auf einen Mangel an Kreatin zurückführen sein. Auch weitere Organe wie der Herzmuskel, das Nervensystem, das Gehirn und die Knochen sind auf eine ausreichenden Versorgung mit dem Nährstoff angewiesen.
Lesen Sie auch: Risikofaktoren für Schlaganfall in jungen Jahren
Senioren ernähren sich häufiger zu einseitig. Dadurch nehmen sie die Aminosäuren, die sie für den körpereigenen Aufbau von Creatin benötigen, nicht mehr in ausreichenden Mengen auf. Gleichzeitig essen sie weniger Fleisch und Fisch, die Hauptquellen von Creatin in unserer Nahrung. Wahrscheinlich lässt auch die Bildung von Creatin zum energiereichen Creatinphosphat im Laufe der Lebensjahre nach.
Es gibt mittlerweile eine große Anzahl klinischer Studien, die den positiven Effekt von Creatin auf die Skelettmuskulatur bei älteren Menschen nachgewiesen haben. Sie zeigen einen Anstieg der Muskelmasse und Muskelkraft - wobei ein gleichzeitiges moderates Krafttraining noch bessere Resultate brachte. Bei Muskelschwund zeigt Creatin ebenfalls Wirkung. So haben sich bei Patienten, die über acht Wochen 5 bis 10 g Creatin pro Tag einnahmen, sowohl Muskelkraft als auch typische Alltagsaktivitäten verbessert. Eine Studie mit Duchenne-Patienten (sie leiden an einer muskulären Erbkrankheit) kam zu demselben Ergebnis.
Im Alter nimmt nicht nur die Muskelmasse ab. Eine Creatin-Einnahme in Verbindung mit einer altersgerechten sportlichen Betätigung (z. B. Schwimmen, Nordic Walking etc.) kann zur Stärkung des gesamten Bewegungsapparates beitragen und die Sturzgefahr reduzieren. Nicht nur die Skelettmuskeln, sondern auch der Herzmuskel enthält mit zunehmendem Alter weniger Creatin, Creatin-Phosphat und ATP. In Studien konnte bisher nur ein indirekter Einfluss von Creatin auf die Herzleistung nachgewiesen. Creatin kann das Sturzrisiko verringern und deren Folgen.
Durch zahlreichen Studien zum Muskelaufbau durch Creatin, wissen wir heute, dass dieser Nährstoff die Knochendichte erhöhen kann. Auch für die Unterstützung des Knochenerhalts wird empfohlen, die Creatin-Einnahme mit körperlicher Bewegung zu kombinieren. Welche Aktivität gewählt wird ist egal.
Creatin ist die wichtigste Energiequelle für unser Gehirn. Besonders hohe Konzentrationen wurden in Hirnbereichen nachgewiesen, die unser Gedächtnis und Lernvermögen sowie die Koordination unserer Bewegungen steuern. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass ältere Menschen durch Creatin aufmerksamer werden, besser lernen und sich räumliche, mathematische und sprachliche Informationen besser merken können. Auch unsere psychische Verfassung wird wahrscheinlich durch Creatin beeinflusst. Mehrere Studien zeigten, dass Creatin bei Depressionenverstimmungen hilfreich sein kann, wobei die aktuellste aus dem Jahr 2019 stammt. In einer doppeltblinden, placebo-kontrollierten Studie verstärkte Creatin die Wirkung der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor, SSRI), die zur Behandlung von Frauen mit schweren Depressionen eingesetzt wurden.
Wenn Unfälle oder Krankheiten eine längere Bettruhe erzwingen, wird sehr schnell Muskelmasse abgebaut. Viele altersbedingte Beschwerden lassen sich auf eine schlechtere Energieversorgung der Zellen und vermehrte Zellschädigungen durch frei Radikale zurückführen. Creatin zeigte in Studien einen deutlichen antioxidativen Effekt, weil es die Bildung dieser aggressiven Sauerstoffverbindungen hemmt.
Durch die Stärkung der Muskelkraft wirkt Creatin der altersbedingten Muskelschwäche entgegen und erhöht die körperliche Fitness. Zusammen mit der positiven Wirkung auf den Knochenerhält und der besseren Bewegungskoordination, wird auch das Risiko von Stürzen und Knochenbrüchen gemindert.
Kreatin: Nicht nur für Sportler ein Gewinn
Während Kreatin in der Fitness-Szene bereits etabliert ist, gewinnt es auch in anderen Bereichen an Bedeutung. Sportwissenschaftler Jürgen Gießing von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau betont, dass Kreatin eine medizinische Vorgeschichte hat. Es wird seit über 40 Jahren als Medikament bei der Krankheit Atrophia Gyrata eingesetzt, wodurch potenzielle Nebenwirkungen bereits gut erforscht wurden.
Kreatin kann die Muskelleistung steigern, insbesondere bei kurzen, intensiven Belastungen wie Sprinten, Krafttraining und Bergsteigen. Es verbessert die Regeneration der Muskeln nach dem Training und könnte auch Ausdauersportlern zugutekommen. Allerdings führt die Supplementierung mit Kreatin zu einer Gewichtszunahme, da es Wasser ins Muskelgewebe zieht.
Auch Neurowissenschaftler forschen seit einigen Jahrzehnten mit Kreatin, da es möglicherweise auch im Gehirn eine ähnliche Wirkung wie in den Muskelzellen entfalten kann. Eine Studie aus dem Jahr 2003 untersuchte die Auswirkungen von Kreatin auf die kognitiven Fähigkeiten von Vegetariern, da diese aufgrund des Verzichts auf Fleisch und Fisch geringere Kreatinspeicher haben.
Der Neurowissenschaftler Gordjinejad vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich hat in diesem Jahr eine Studie veröffentlicht, die die Wirkung von Kreatin auf das Gehirn unter Bedingungen untersuchte, die der Prüfungsphase vieler Studierender ähneln: 15 Probanden wurden über Nacht wachgehalten und mussten währenddessen kognitive Aufgaben lösen. Eine hohe Einmaldosis Kreatin zeigte bereits ab der dritten Stunde einen positiven Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Testpersonen. Allerdings betont der Forscher, dass diese hohe Dosis nicht zur Nachahmung empfohlen wird.
Kreatinpräparate: Was ist beim Kauf zu beachten?
Kreatin-Nahrungsergänzungsmittel sind in Form von Pulver, Tabletten, Dragees oder Gummidrops erhältlich. Als Wirkstoff sollte in jedem Fall Kreatinmonohydrat enthalten sein, da andere Kreatinarten keine nachgewiesene Wirkung haben. Außerdem ist wichtig, dass die Tagesdosis drei Gramm Kreatin pro Tag beträgt.
Vorsicht ist geboten, sobald ein Anbieter sein Produkt mit überzogenen oder unzulässigen Versprechen bewirbt. Achten Sie deshalb auf vertrauenswürdige Bezugsquellen. Bei Online-Bestellungen über unbekannte Anbieter vor allem aus dem Ausland besteht die Gefahr, dass die Präparate gestreckt sind oder Verunreinigungen enthalten.
Dosierung und Sicherheit von Kreatin
Für gesunde Menschen gilt eine Zufuhr von Kreatin über Nahrungsergänzungsmittel dann als unbedenklich, wenn eine Tagesdosis von bis zu drei Gramm nicht überschritten wird. Für Leistungssportler und -sportlerinnen, die ein intensives Trainings- und Wettkampfprogramm bestreiten, wird eine tägliche Zufuhr von bis zu 4,4 Gramm Kreatin als verträglich angesehen. Diese höhere Dosierung gilt jedoch nicht für untrainierte Menschen, auch weil mögliche Langzeitwirkungen zu wenig erforscht sind.
Auf Kreatin verzichten sollten jedoch:
- Menschen, die an einer Nieren- oder Lebererkrankung leiden
- Menschen, die ein erhöhtes Risiko für Nierenkrankheiten haben, zum Beispiel wegen Diabetes oder Bluthochdruck
- Kinder und Jugendliche, da Auswirkungen auf deren Hormonhaushalt nicht ausgeschlossen werden können
- Schwangere und stillende Frauen