Stretching, oft unterschätzt, bietet eine doppelte Wirkung: Es stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Studien zufolge lockern Dehnübungen (Stretching) nicht nur Gelenke in Beinen, Hüfte, Rücken, Schulter und Co, sondern sorgen auch für geschmeidige Faszien und elastische Blutgefäße.
Einführung
In der heutigen schnelllebigen Welt suchen viele Menschen nach einfachen Wegen, um Körper und Geist zu stärken. Stretching, oft unterschätzt, bietet genau diese doppelte Wirkung. Es ist erwiesen, dass regelmäßiges Dehnen Stress reduziert und das Wohlbefinden steigert. Bis vor Kurzem nahm man an, dass im erwachsenen Gehirn, bis auf Hirnverletzungen oder Abbauprozesse, keine strukturellen Änderungen mehr stattfinden. Heute weiß man, dass unser Gehirn ein Leben lang formbar bleibt.
Die Grundlagen des Stretchings
Ein gesunder Körper braucht neben Kraft und Ausdauer eine gute Beweglichkeit. Mit Dehnübungen lassen sich Beweglichkeit und Bewegungsspielraum verbessern, was schmerzfreie harmonische Bewegungsabläufe ermöglicht. Verspannungen und Verhärtungen - verursacht durch Schon- oder Fehlhaltungen - lassen sich mit Stretching lösen. Der menschliche Bewegungsapparat besteht aus Knochen als Grundgerüst sowie Muskeln, Bändern und Sehnen, die die Knochen beweglich machen. Alles ist mit Nerven verbunden, die Impulse für Bewegung senden. Stehen aufgrund einer Fehl- oder Schonhaltung zum Beispiel die Füße schief, stimmt die Achse der Beine nicht mehr. Die Schiefstellung setzt sich über die Knie nach oben fort, das Becken kann sich schräg stellen und die Wirbelsäule versucht den Schiefstand auszugleichen.
Messung von Muskelspannung
Mit einem speziellen Ultraschall, der Elastografie, lässt sich messen, wie viel Spannung in den Muskeln steckt. Muskuläre Verspannungen sind Dysbalancen zwischen einem Muskel und seinen Gegenspielern, die sich mit Dehnübungen ausgleichen lassen. Durch das Dehnen werden zunächst kurzfristig Fehlstellungen und Schiefstände im Bewegungsapparat korrigiert. Muskeln, Faszien und Sehnen lockern sich, die Knochen kehren zurück in eine optimale Position. Nicht nur für Schmerzpatienten, sondern auch für Vielsitzer ist regelmäßiges Dehnen wichtig - vor allem, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Denn verharrt man häufig in derselben Position, verkürzen sich Muskeln, Sehnen und Bänder und die Faszien können zu fest werden. Sie verkleben dann mit den Muskeln - und schränken so die Beweglichkeit ein. Dazu kommt, dass sich in den Faszien Schmerzrezeptoren befinden, die sich bei Verhärtung melden und für Schmerzen sorgen.
Die Auswirkungen auf die Blutgefäße
Eine japanische Studie zeigt, dass regelmäßiges Dehnen auch die Elastizität der Blutgefäße verbessern kann. Als Messgröße für die Elastizität der Gefäße dient die sogenannte arterielle Steifigkeit. Sie gibt außerdem Aufschluss über unser "Gefäßalter". Je höher die arterielle Steifigkeit, desto höher das Gefäßalter - und desto höher ist gleichzeitig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Studien deuten darauf hin, dass längeres Stretching die Elastizität der Arterien verbessert, den Blutdruck leicht senken und die Herzfrequenz reduzieren kann. Dafür sind allerdings längere Einheiten nötig: mindestens sieben Minuten statisches Dehnen für akute Effekte - oder 15 Minuten mehrmals wöchentlich, um langfristig davon zu profitieren.
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Arten von Dehnübungen
Es gibt verschiedene Arten von Dehnübungen, die jeweils unterschiedliche Vorteile bieten:
- Statisches Dehnen: Dabei nimmt man eine Position ein und hält sie 30 bis 60 Sekunden. Diese Form des Dehnens soll vor allem die Muskulatur lockern. Vor dem Sport empfiehlt sich diese Art der Dehnung nicht, denn der Muskel verliert durch das Dehnen für eine Weile die Fähigkeit sich schnell zusammen zu ziehen.
- Dynamisches Dehnen: Man bleibt nur kurz in einer Position, wiederholt diese Dehnung dafür öfter. Laut Miller werden beim dynamischen Dehnen die Bewegungen über den gesamten Bewegungsradius ausgeführt. Sie ergänzt, dass Menschen, die schon ein wenig Übung haben, schnell den halben oder gesamten Bewegungsbereich erreichen. Andere sollten das lieber langsam angehen und die Belastungen zunächst reduzieren, um wichtige Gelenke nicht zu überfordern. Eine einfache, für Anfänger:innen geeignete Übung wären beispielsweise Jumping Jacks ohne Springen. Miller erklärt außerdem, dass du durch das Dehnen die Gelenke auf ein anschließendes Training vorbereiten (quasi schmieren) kannst. Dabei solltest du aber wissen, dass nicht alle Gelenke auf dieselbe Weise funktionieren. "Einige sind sehr beweglich, wie zum Beispiel die synovialen Kugelgelenke an der Schulter oder der Hüfte. "Beim dynamischen Dehnen praktizierst du das Prinzip der Spezifität. Damit bereitest du Muskeln, Gelenke und Bänder auf Übungen in den entsprechenden Bereichen vor", erklärt sie. "Vor dem Training sind unsere Muskeln kalt. Ein weiterer Grund für dynamisches Dehnen vor dem Training: Die Körpertemperatur steigt. Das erklärt Keri Gans, Lehrerin für Vinyasa-Yoga. Beim statischen Dehnen hältst du eine Dehnung für eine bestimmte Zeit (meist 10 bis 30 Sekunden). Laut Gans sollten solche Übungen hauptsächlich beim Cool-down durchgeführt werden.
- Exzentrisches Dehnen: Dabei wird der Muskel zunächst gedehnt und dann durch Gegendruck in der Dehnung angespannt.
Beispiele für Dehnübungen
Die folgenden Dehnübungen sorgfältig und vorsichtig auf einer rutschfesten Unterlage durchführen. Die Dehnung wird zu spüren sein, sollte aber über eine 7 von 10 auf der Schmerzskala nicht hinausgehen.
- Dehnung der Arm- und Schultermuskulatur: Aufrecht hinstellen und den Arm quer vor den Oberkörper nehmen.
- Trizeps-Dehnung: Eine Hand in den Nacken legen, dabei zeigt der Ellenbogen nach oben.
- Dehnung der Brust- und Schultermuskeln: Aufrecht hinstellen und die Arme gerade nach oben strecken. Die Schultern möglichst unten halten und die Rumpf-Muskulatur anspannen.
- Dehnung der Brustmuskulatur: Aufrecht hinstellen und beide Arme nach hinten nehmen. Die Hände fest zusammenfassen und die Arme gestreckt halten, dabei die Brust nach vorne oben schieben.
- Hüfte dehnen mit Vorwärtsbeuge im Stehen: Mit den Füßen schulterbreit auseinander stehen und dann aus der Hüfte nach vorne beugen - nicht aus dem Rücken.
- Dehnübung im Knien: Mit einem Bein auf einer bequemen, stabilen Unterlage knien - das andere Bein ist aufgestellt. Jetzt das Becken nach vorne schieben. Zur besseren Stabilität eventuell mit einer Hand irgendwo festhalten.
- Beidbeinige Dehnung im Sitzen: Mit geradem Rücken auf den Boden setzen und die Beine ausstrecken. Nun versuchen, mit den Händen die Zehen zu umfassen und sich nach vorne zu ziehen. Den Rücken nur so weit beugen, wie nötig.
- Kindshaltung im Fersensitz: Auf die Knie setzen und die Arme nach vorne ausstrecken.
- Quadrizeps-Dehnung im Stehen: Auf ein Bein stellen und den anderen Fuß hinter dem Po hochziehen. Dabei die Knie zusammenhalten und das Becken nach vorne schieben.
- Yoga-Kobra zur Dehnung der Bauchmuskulatur: Auf den Bauch legen, die Hände neben den Schultern ablegen. Die Unterarme liegen neben dem Oberkörper. Nach vorne schauen und den Oberkörper auf den Ellbogen hochstemmen.
- Dehnung der Oberschenkelrückseite und des Gesäßes: Auf den Rücken legen und ein Bein anwinkeln. Das andere Bein bleibt nach vorne ausgestreckt auf dem Boden.
- Dehnung des gestreckten Beins in der Rückenlage
Stretching-Empfehlungen von Experten
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Jan Wilke, Professor für Neuromotorik und Bewegung an den Universitäten Bayreuth und Klagenfurt, hat erstmals wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Praxis formuliert. 20 der weltweit führenden Expertinnen und Experten sichteten die aktuelle Studienlage und einigten sich in einem mehrstufigen Konsensverfahren ("Delphi-Verfahren") auf klare Leitlinien.
- Beweglichkeit steigern: Wer kurzfristig beweglicher sein möchte - etwa, um beim Yoga tiefer in eine Position zu kommen oder beim Sport den Bewegungsradius zu erweitern -, sollte zwei Serien mit Dehnübungen von jeweils 5 bis 30 Sekunden durchführen. Ob statisch, dynamisch oder mit kleinen federnden Bewegungen, spielt dabei keine Rolle.
- Muskelsteifigkeit reduzieren: Bei spürbaren Verspannungen, beispielsweise in den Waden nach einem Lauf oder im Nacken nach langem Sitzen, reicht kurzes Dehnen nicht aus. Hier empfehlen die Fachleute mindestens vier Minuten statisches Dehnen, verteilt auf eine oder mehrere Übungen. Für einen nachhaltigen Effekt sollte diese Routine fünfmal pro Woche erfolgen.
- Herz-Kreislauf-System unterstützen: Studien deuten darauf hin, dass längeres Stretching die Elastizität der Arterien verbessert, den Blutdruck leicht senken und die Herzfrequenz reduzieren kann. Dafür sind allerdings längere Einheiten nötig: mindestens sieben Minuten statisches Dehnen für akute Effekte - oder 15 Minuten mehrmals wöchentlich, um langfristig davon zu profitieren.
Die Auswirkungen von Stretching auf das Gehirn
Stretching wirkt sich nicht nur positiv auf den Körper aus, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf das Gehirn.
Stressabbau und Entspannung
Radfahr-Expertin Anne van Hettinga zeigt auf, wie regelmäßiges Dehnen Stress reduziert und das Wohlbefinden steigert. Stretching aktiviert das parasympathische Nervensystem, das für Ruhe und Regeneration zuständig ist. Durch gezielte Dehnübungen wird das Stresshormon Cortisol gesenkt, was dazu beiträgt, den Körper in einen entspannteren Zustand zu versetzen.
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Achtsamkeit und Körperbewusstsein
Beim Dehnen konzentriert man sich intensiv auf den eigenen Körper und den Atem. Diese Fokussierung auf das Hier und Jetzt fördert die Achtsamkeit und hilft dabei, innere Signale besser wahrzunehmen. Mit der Zeit entwickelt sich ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse des eigenen Körpers, was zu einem gesteigerten Körperbewusstsein führt.
Stimmungsaufhellung durch Endorphine
Sanftes Dehnen kann die Ausschüttung von Endorphinen anregen - Hormone, die ein Gefühl des Wohlbefindens erzeugen und negative Gedanken verdrängen. Bereits wenige Minuten tägliches Stretching reichen aus, um die Stimmung nachhaltig zu verbessern und mehr Freude im Alltag zu empfinden.
Verbesserung von Konzentration und mentaler Klarheit
Laut Studien der Harvard Medical School fördert Stretching die Durchblutung des Gehirns. Eine verbesserte Sauerstoffversorgung führt zu erhöhter Konzentrationsfähigkeit und klarerem Denken. So können geistige Aufgaben effektiver bewältigt und kreative Lösungen leichter gefunden werden.
Förderung von besserem Schlaf und mentaler Erholung
Regelmäßiges Dehnen entspannt die Muskulatur und beruhigt das Nervensystem, was zu einer verbesserten Schlafqualität führt. Ein erholsamer Schlaf ist essenziell für die mentale Resilienz und das allgemeine Wohlbefinden.
Stretching und Yoga: Eine besondere Verbindung
Viele Praktizierende sind vom einzigartigen Zusammenspiel aus Bewegung, Atmung und Meditation fasziniert. Yoga kann sportlich sein oder extrem ruhig. Klassischerweise beinhaltet Yoga eine Kombination aus intensiven Dehnübungen und Positionen, den Asanas, sowie verschiedene Verfahren der Entspannung und Meditation, Samyama genannt. Ganz wichtig ist auch der Atem, der Pranayama. Er gilt im Yoga als Bindeglied zwischen Körper und Geist und soll helfen, den »Schleier, der die innere Erleuchtung bedeckt« zu entfernen, wie es im Yogasutra heißt, einer Art Manifest des Yoga.
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Wie Yoga das Gehirn verändert
Die aus Indien importierte Praktik ist im Westen zum Volkssport geworden. In Deutschland machen mittlerweile mehr als 15 Millionen Menschen den Sonnengruß, strecken ihre Beine in den herabschauenden Hund oder sitzen im Lotussitz meditativ nebeneinander, um zu entspannen, Stress zu bewältigen, den Rücken zu stärken und fit zu bleiben. Oder sind zumindest daran interessiert, sich auf den sanften Weg zum Wohlgefühl zu begeben. Die meisten Übenden erwartet eine Verbesserung des körperlichen Befindens sowie der Psyche. Und das ist keine gefühlte Wahrheit. Mediziner und Psychotherapeuten ergründen seit Jahrzehnten die heilsame Wirkung von Yoga.
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse über Yoga
Um die heilsame Wirkung von Yoga zu ergründen, konzentrieren sich Wissenschaftler und Forscherinnen zunehmend auf das Gehirn. Sie schieben Probanden in die Röhre eines Magnetresonanztomografen (MRT), vermessen Hirnregionen und untersuchen, wie Yoga elektrische Spannungen des Denk- und Steuerorgans verändert. Das soll möglichst objektive Ergebnisse bringen.
Veränderungen der grauen Substanz
Einen starken Effekt hat Yoga beispielsweise auf das Volumen der grauen Substanz. Die Substantia grisea setzt sich vor allem aus Nervenzellkörpern zusammen. Sie ist ein wesentlicher Teil des Zentralnervensystems und nimmt im Lauf des Lebens beim Menschen ab. Weniger graue Substanz beeinträchtigt das Gedächtnis und könnte unter anderem das Risiko für Demenz erhöhen. Yoga scheint diesen altersbedingten Abbau zu verlangsamen, wenn nicht sogar für die Bildung neuer Nervenzellkörper zu sorgen. Vermutlich deshalb, weil die veränderten Hirnareale vor allem für die kognitive Kontrolle, die Koordination von Bewegungen und die Bewertung von Entscheidungen zuständig sind, erläutern die Studienautorinnen und -autoren.
Auswirkungen auf Hirnwellen und Neurotransmitter
Yogapraktizierende weisen nach Meditation, Atemübungen und Asanas eine höhere Frequenz von Alphawellen auf. Diese Hirnwellen sind relativ langsam und versetzen das Hirn in einen Ruhezustand, in dem es gemächlicher schwingt und dadurch mehr aufnehmen kann. In einem Teil des Vorderhirns, dem ventralen Striatum, steigt der Botenstoff Dopamin während Meditationsübungen stark an. Dopamin ist ein körpereigener Stimmungsaufheller und stimuliert wichtige kognitive Prozesse im präfrontalen Kortex. Sinkt der Dopaminspiegel, lassen Aufmerksamkeit, Konzentration und andere geistige Fähigkeiten für gewöhnlich nach. Viele Studien berichten außerdem über eine Abnahme der Stressreaktion. Demnach senkt ein achtwöchiges Hatha-Yoga-Programm den Blutspiegel des Stresshormons Kortisol deutlich mehr als Stretching. Die Yogapraktizierenden lernten auch schneller und schnitten bei Genauigkeitstests besser ab.
Nachhaltigkeit der Veränderungen
Schon nach einer Meditationssitzung von nur 20 Minuten ließen sich erste neurologische Veränderungen beobachten. In einer anderen Untersuchung brauchte es dafür allerdings sechs bis elf Stunden. Für nachweislich mehr Substantia grisea wiederum ist wohl Ausdauer nötig: Menschen, die Yoga mehrere Jahre bis Jahrzehnte regelmäßig intensiv praktizieren, weisen mitunter ein größeres Volumen an grauer Substanz auf als diejenigen, die erst seit Kurzem Yoga machen.
Weitere positive Effekte von Sport auf das Gehirn
Sport ist gesund, aber wer hätte gedacht, dass Sport auch schlau macht? Sport verbessert die Durchblutung, stärkt Muskeln und Herz und macht körperlich fit. Gleichzeitig verändert Sport aber auch unser Gehirn und dabei ist es egal ob es sich um Yoga, Fußball oder Laufen handelt. So haben Neurowissenschaftler festgestellt, dass bei Sportlern nicht nur das Herz effizienter arbeitet, sondern auch das Gehirn. Sie sind aufmerksamer, gelassener, aufnahmefähiger und damit lernfähiger. Das zeigt sich schon bei Kindern und Jugendlichen. Kinder können nach dem Sportunterricht, in dem sie sich intensiv bewegt haben, besser fokussieren und Störreize besser ausblenden. Diese positiven Effekte zeigen sich aber auch in allen anderen Altersklassen. Spitzensportler zeigen zudem, dass sie auf psychischen Stress ruhiger, weniger ängstlich und mit einer besseren Stimmung reagieren als untrainierte Personen. Grundsätzlich wirkt sich jede Sportart auf das Gehirn aus. Dabei wirken sie jedoch auf unterschiedliche Areale im Gehirn. Wenn wir uns bewegen, ist das gesamte Gehirn aktiv. Es gilt Handlungsfolgen zu planen, die benötigte Kraft und das Ausmaß abzuschätzen und die zeitliche Abfolge der Bewegung zu steuern. Handelt es sich um zyklische Bewegungen wie beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen, ist das Gehirn weniger gefordert, als wenn noch andere Aspekte zur Bewegung hinzu kommen. Beim Tennis kommen noch der Zeitdruck und der Gegner hinzu. Hier gilt es vielfältige Entscheidungen zu treffen. Das steigert sich noch beim Baseball, wenn der Spieler noch entscheiden muss, ob er den Ball überhaupt schlägt oder nicht. Dies darf er nur, wenn der Ball in einen bestimmten Bereich über der Base auf ihn zufliegt. Es kommt also noch die Entscheidung „Go/No-go“ hinzu. Beim Fußball wird es dann noch einmal komplexer. Hier müssen die Spieler sich selbst, die eigenen Mitspieler, die Gegner und den Raum wahrnehmen und zusätzlich die taktischen Hinweise des Trainers berücksichtigen. Es zeigt sich, dass die Spieler der 1. Bundesliga nachweislich bessere Exekutivfunktionen haben als aus der 3. Bundesliga oder der Normalbevölkerung. Das bedeutet, dass sie sich besser kontrollieren und ihr Verhalten besser regulieren können als andere.
Selbstkontrolle verbessern
An unserer Selbstkontrolle und Regulationsfähigkeit können wir täglich arbeiten, dass heißt, auch wir können unsere Exekutivfunktionen verbessern. Am einfachsten funktioniert es mit einer Veränderung unserer Verhaltensweisen. Nehmen wir als Beispiel das direkte Ausräumen der Sporttasche nach dem Nachhausekommen. An dieses Ziel müssen wir denken, was Aufmerksamkeit und unser Arbeitsgedächtnis fordern. Außerdem muss ich das ausblenden, was ich vielleicht lieber tun würde, wie zum Beispiel direkt auf die Couch zu gehen. Bin ich schon auf dem Weg zur Couch und dabei der Versuchung nachzugeben, braucht es Flexibilität und die beschriebene Selbstkontrolle, um doch meine Sportsachen zuerst wegzuräumen. Gleiches gilt auch für Emotionen oder Gedanken. Statt sofort laut zu werden, heißt es erstmal durchatmen, Vorurteile beiseite zu legen und erstmal vom Positiven auszugehen.
Was passiert im Gehirn beim Sport?
Wenn wir uns bewegen, erhöht sich der Blutfluss ins Gehirn und damit die Durchblutung desselbigen. Außerdem verändert sich die Konzentration an Botenstoffen, zum Beispiel vom Serotonin, unserem Glückshormon. Die Vorstufe von Serotonin, das Tryptophan, ist im Blut normalerweise an Eiweißmoleküle gebunden und kann in dieser Form nicht durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen. Wenn wir aber Sport treiben, regt das die Fettverbrennung an, was zu einem Anstieg an freien Fettsäuren führt, die das Tryptophan vom Eiweiß lösen. So haben wir bis zu 75 % mehr freies Tryptophan im Blut, was ohne Probleme die Blut-Hirn-Schranke passieren kann und sich im Gehirn anschließend zu Serotonin umwandelt. Dieser Anstieg an Serotonin wirkt gedächtnisfördernd, angstlösend und stimmungsaufhellend. Studien zeigen, dass Sport bei leichter und mittelgradiger Depression genauso wirksam sein kann, wie ein Antidepressivum. Sport kann nicht nur die Muskeln, sondern auch das Nervengewebe stimulieren. So zeigt sich, dass sich bei 20 bis 40 Minuten Ausdauertraining täglich, die Konzentration eines Wachstumsfaktors um mehr als 30 Prozent erhöht, der die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus fördert. Diese Region im Gehirn ist für die Speicherung von Fakten, persönlichen Erlebnissen und räumliche Orientierung zuständig. Es ist wie bei der körperlichen Fitness, wenn ich aufhöre mit dem Training, verschlechtert sie sich. Der Anstig von Serotonin während des Trainings sinkt binnen einer Stunde wieder. Es wird jedoch vermutet, dass bei einem regelmäßigen Ausdauertraining die Anzahl an Rezeptoren zunimmt, die das Serotonin ausschütten. Aber es gibt auch Langzeiteffekte. Bei Tests an älteren Frauen hat sich gezeigt, dass nach dreimonatigem täglichem Ausdauertraining die Konzentration des Wachstumsfaktors noch immer gestiegen ist. Nach einer zweiwöchigen Pause konnte nach einem kurzen Training ein Anstieg an Wachstumsfaktoren festgestellt werden, der normalweise ein mehrwöchiges Training erfordert. Es scheint also eine Art Gedächtnis für die Beeinflussung dieses Wachstumsfaktors durch körperliches Training zu geben.
Sport in der Kindheit
Schon kleine Kinder können ihre Kraft, Beweglichkeit und Koordination und damit auch ihr Gehirn trainieren. Wie bereits erwähnt, hilft Sport auch sich zu konzentrieren. Sport formt außerdem die Einstellung zum Leben und zur Gesundheit. Wir lernen uns zu motivieren, anzustrengen und durchzuhalten. Wir formen also unsere Willensstärke. Dennoch ist es aber nie zu spät mit Sport anzufangen. Wer als Erwachsener regelmäßig Sport treibt, reduziert das Risiko für Demenz und Alzheimer. Bewegung ist eines der effektivsten Mittel, um nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Gesundheit zu fördern. Doch was passiert genau im Gehirn, wenn wir uns bewegen?
- Bewegung ist ein echter Booster für unser Gedächtnis. Vergrößerung des Hippocampus: Hillman et al. Motorisches Training fördert Synapsenbildung: Lee et al. Neuronale Pfade werden angepasst: Federmeier et al.
- Bewegung spielt eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
- Regulation von Neurotransmittern: Mashhadi et al.
- Neurogenese im Hippocampus: Patten et al.
- Signalwege werden verstärkt: Vaynman et al.
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