Gedächtnis im Gehirn: Lokalisation, Funktion und Störungen

Wo und wie das Gehirn Gedächtnisinhalte festhält, ist eine der interessantesten Fragen der Neurowissenschaften. Die Suche nach dem Sitz des Gedächtnisses fasziniert Wissenschaftler schon lange - und hat sie immer wieder auf Irrwege geführt. Hippokrates schrieb gut vier Jahrhunderte vor Beginn der christlichen Zeitrechnung: „Die Menschen sollten wissen, dass aus nichts anderem als dem Gehirn Freuden, Wonnen, Gelächter, Spott sowie Kummer, Leid, Verzweiflung und Wehklagen hervorkommen“. Er war sich sicher: Unser Gedächtnis sitzt im Gehirn. Wie die Erinnerungen jedoch dorthin gelangen, wo genau in den grauen Zellen sie gespeichert werden und was konkret sie abbilden, das sollte die Forscher über Jahrhunderte beschäftigen. Heute weiß die Wissenschaft viel über die Lokalisation und die Funktionsweise des Gedächtnisses, bis hin zu den molekularen Vorgängen auf Zellebene. Dies verdankt sie immer ausgeklügelteren Versuchen und modernsten Untersuchungstechniken, aber auch den Theorien und Studien früher Wegbereiter.

Die Rolle des Hippocampus und der Großhirnrinde

Lange galt der Hippocampus als ein Gedächtniszentrum im Gehirn, in dem Erinnerungen dauerhaft abgelegt werden. Henry Molaison, abgekürzt H. M., ist ein berühmter Name in der Gedächtnisforschung. Um seine epileptischen Anfälle zu lindern, wurden dem Amerikaner in den 1950er Jahren große Teile des Hippocampus entfernt - eine Gehirnregion, die maßgeblich an Lern- und Gedächtnisvorgängen beteiligt ist. Er litt seitdem unter schweren Gedächtnisausfällen und konnte sich an neu Erlerntes meist nicht mehr erinnern.

Mazahir T. Hasan vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg und José Maria Delgado-Garcìa von der Universität Pablo de Olavide in Sevilla haben herausgefunden, dass Erinnerungen an miteinander verknüpfte Sinneswahrnehmungen in der Großhirnrinde liegen und nicht im Hippocampus, wie in den meisten Lehrbüchern beschrieben. Die Ergebnisse der Studie verändern die bisherige Vorstellung vom Gedächtnis fundamental, nach der der Hippocampus als Speicherort genutzt wird. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der Hippocampus als Entscheidungsinstanz dient und Informationen über die Umwelt an die Großhirnrinde weiterleitet, wo Sinneswahrnehmungen miteinander verknüpft werden. Dass die Großhirnrinde der Ort ist, wo das Gehirn Assoziationen dauerhaft speichert, widerlegt die gängige Lehrmeinung über die Speicherung von Erinnerungen. Mit ihren Ergebnissen präsentieren Hasan und Delgado-Garcìa ein völlig neues Modell für die Organisation des Gedächtnisses.

Experimentelle Beweise und synaptische Plastizität

Die Wissenschaftler haben das Lernverhalten genetisch veränderter Mäuse untersucht, bei denen sogenannte NMDA-Rezeptoren ausschließlich in der motorischen Hirnrinde ausgeschaltet sind. NMDA-Rezeptoren binden den Neurotransmitter Glutamat an den Synapsen und werden aktiv, wenn gleichzeitig mehrere Signale an einer Synapse einlaufen. Sie sind die zentralen molekularen Elemente von Lernvorgängen, indem sie dazu beitragen, die Signalübertragung an Synapsen zu verstärken oder abzuschwächen. Auch in der motorischen Hirnrinde funktioniert diese sogenannte synaptische Plastizität ohne die NMDA-Rezeptoren nicht mehr, wie die neue Studie zeigt. Die Mäuse sollten in Verhaltenstests lernen, einen Ton mit einem darauf folgenden schwachen elektrischen Reiz des Augenlids zu verknüpfen. Als Reaktion auf den Reiz schließen die Tiere reflexartig ihr Auge. Nach einer Lernphase schließen die Tiere ihr Auge bereits, wenn sie nur den Ton hören, der den elektrischen Reiz ankündigt. An diesem Lernvorgang ist neben dem Hippocampus und der Großhirnrinde als wichtigen Lern- und Gedächtniszentren auch das Kleinhirn beteiligt, das die notwendige Bewegung des Augenlids koordiniert. „Ohne NMDA-Rezeptoren in der primären motorischen Großhirnrinde können sich die genetisch veränderten Mäuse dagegen den Zusammenhang zwischen Ton und elektrischem Reiz nicht merken. Die Forscher ergänzen damit frühere Erkenntnisse von Kollegen am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung. Im Juli 2012 hatten Rolf Sprengel und Peter Seeburg entdeckt, dass Mäuse auch ohne NMDA-Rezeptoren im Hippocampus räumliche Zusammenhänge lernen und speichern können.

Historische Perspektiven der Gedächtnisforschung

Mit dieser Erkenntnis, die er im Selbstversuch gewann, schlug Hermann Ebbinghaus ein neues Kapitel der Gedächtnisforschung auf. Mit seinen bahnbrechenden Labyrinth-Experimenten an Ratten brachte Karl Lashley die Idee auf, dass Erinnerungen auf die Abermillionen Nervenzellen der Großhirnrinde verteilt sein könnten. Dies gilt heute als erwiesen. Frederic Bartletts Forschungsarbeiten führten zu einer Erkenntnis, die manchen ernüchtern mag: Unser Gedächtnis ist alles andere als perfekt.

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Hermann Ebbinghaus und das quantitative Gedächtnis

„WUX“, „CAZ“ und „PAF“. Mit diesen kruden Silben schlug der deutsche Psychologe Hermann Ebbinghaus (1850 - 1909) um 1885 ein neues Kapitel in der Hirnforschung auf. Denn Ebbinghaus kam damals auf die Idee, das menschliche Gedächtnis nicht allein durch Introspektion, also die subjektive Sicht nach Innen, zu untersuchen, sondern mit Hilfe von objektivierbaren Experimenten und quantitativen Angaben. Versuchskaninchen war er allerdings selbst. Versuchsleiter im übrigen auch. Der Forscher erstellte eine Liste mit sinnlosen Silben, die er auswendig lernte. Anschließend notierte er, wie viele der Silben er sich merken konnte, wie lange diese Erinnerung anhielt und welchen Einfluss Übung auf den Lernerfolg hatte. Er entdeckte, dass er nach einmaligem Lernen nie mehr als sieben Silben auswendig aufsagen konnte, erst durch mehrmaliges Wiederholen konnte er sich steigern. Wiederholungen halfen ihm auch, sich später leichter an identische Silbenfolgen zu erinnern. Ebbinghaus folgerte daraus richtigerweise, dass das Gedächtnis Erinnerungen in Stufen abspeichert - und hatte damit einen ersten empirischen Beweis für die Existenz des Kurzzeitgedächtnisses und Langzeitgedächtnisses erbracht.

Karl Lashley und die Suche nach dem Engramm

Doch nicht immer sorgt ein Rückgriff auf empirische Daten für eindeutige Erkenntnisse. Dies musste Karl Lashley (1890 - 1958) feststellen, der sein wissenschaftliches Leben der Suche nach dem Ort der Erinnerungen verschrieb. Der amerikanische Psychologe war überzeugt, dass das Abspeichern von Informationen im Gehirn mit physiologischen Veränderungen einhergeht, die dementsprechend auch nachzuweisen sein müssten: also so genannten Engramme oder Gedächtnisspuren. Um deren Lokalisation zu finden, unternahm er in den 1920er Jahren umfangreiche Studien mit Ratten. Die Tiere wurden zunächst darauf trainiert, in einem Labyrinth den direkten Weg zum Ausgang zu finden, wo eine Belohnung in Form von Futter auf sie wartete. Das Ergebnis verblüffte den Forscher: Denn allein die Größe der Läsion schien zu beeinflussen, ob und wie schnell eine Ratte den gelernten Weg zum Ausgang des Labyrinthes fand, nicht aber der Ort der Schädigungen. Lashley formulierte daraufhin die Äquipotenz-​Hypothese. Ihr zufolge gibt es keine spezialisierten Hirnareale für die Erinnerung, sondern jeder Teil des Cortex kann jede beliebige Funktion übernehmen und also auch jede beliebige Erinnerung speichern. Oder anders formuliert: Alle Cortex-​Regionen tragen gleichermaßen zu Lernen und Gedächtnis bei.

Mit dieser These goss Lashley Öl in das Feuer einer seit Jahrzehnten schwelenden Forscherfehde: Besitzt das Gehirn für verschiedene Funktionen spezialisierte Hirnareale oder nicht? Bereits 1861 schien diese Frage entschieden, als der französische Arzt Paul Broca spezifische Hirnareale für die Sprachfähigkeit fand. Doch die Studien Lashleys schienen zu zeigen, dass eine solche Arbeitsteilung und Spezialisierung zumindest beim Gedächtnis nicht vorhanden ist. Lashley aber hatte sich geirrt. Denn zum einen waren die Läsionen, die er den Ratten zufügte, allesamt sehr groß, so dass eine genaue Zuordnung von Gehirnareal und Gedächtnisausfall schwierig war, wie spätere Forscher nachwiesen. Zum anderen hatte er nicht bedacht, dass Ratten zur Orientierung im Labyrinth unterschiedliche Sinne nutzen. Die sensorischen Informationen von Augen, Nase und Tastsinn jedoch werden jeweils in zu diesem Sinnessystem gehörenden Feldern im Cortex abgespeichert. Zerstört man etwa das für den Tastsinn, geht zwar diese Erinnerung verloren. Nicht aber die der anderen Sinne. Und so konnten die Ratten trotz der Läsionen den Verlust der einen Erinnerung durch die anderen, noch greifbaren kompensieren - zumindest so lange, bis Lashley eine kritische Menge an Hirnmasse zerstört hatte. Ausgerechnet ein Schüler Lashleys rückte das Bild wieder gerade: Der kanadische Psychologe Donald Hebb (1904 - 1985) erkannte, dass Erinnerungen zwar in der Tat im Gehirn verteilt sind - für ihre Repräsentation aber spezifische Neuronenverbände zuständig sind. Lashley hatte also nicht ganz falsch gelegen.

Frederic Bartlett und die Verformbarkeit der Erinnerung

Ein allzu menschliches Vergehen, wie die Studien eines weiteren Pioniers der Gedächtnisforschung belegen. Der britische Psychologe Sir Frederic Bartlett (1886 - 1969), früherer Direktor der MRC Cognition and Brain Sciences Unit in Cambridge veröffentlichte 1932 das Buch „Remembering: A Study in Experimental and Social Psychology“, das seinerzeit gängige grundlegende Vorstellungen über das Wesen der Erinnerung in Frage stellte - und dies mit simplen Mitteln. Bartlett las seinen Versuchsteilnehmern, allesamt im Königreich geborene Briten, eine indianische Erzählung vor, deren kulturelle Verweise dieser Personengruppe fremd und seltsam vorkommen mussten. Unter anderem war in der Geschichte von Geistern und übernatürlichen Situationen die Rede. Anschließend bat er die Probanden, das Gehörte nachzuerzählen. Dabei stellte er fest, dass seine Versuchsteilnehmer die Erzählung nie so wiedergaben, wie er sie vorgelesen hatte. Die Geschichte wurde kürzer, einfacher, oft fielen die übernatürlichen Elemente unter den Tisch, dafür wurden andere hinzugedichtet, um der Erzählung einen Sinn zu geben. Am Ende, stellte Bartlett fest, war die Geschichte „all ihrer überraschenden, ruckartigen und inkonsequenten Form beraubt und reduziert auf eine geordnete Erzählung.“ Die Menschen passten die merkwürdige Story ihrem Erfahrungshorizont an. Sie formten aktiv eine Art Schema, in das die Erinnerung eingepasst wurde. Dieses Schema, so Bartlett, würde es den Probanden erleichtern, sich an die Geschichte zu erinnern, sie aber auch zu Fehlern verführen.

Unser Gedächtnis, erkannte Bartlett, ist also nicht so perfekt, wie wir gerne annehmen. Wir erinnern Ereignisse nicht unbedingt genauso, wie sie geschehen sind, also ähnlich wie mit einer Videokamera. Vielmehr interpretiert unser Gehirn das Wahrgenommene und baut es so in unsere bisherigen Erfahrungen ein, dass es in unser Weltbild und unsere bisher festgelegten Schemata passt. Bartlett war damit einer der ersten, der die Unzuverlässigkeit unseres Gedächtnisses erkannte - und damit ein Problem empirisch belegte, das schon zu den Zeiten von Hippokrates und Platon die Menschen bewegte: Wie können wir uns ein Bild von der Welt machen, wenn wir gar nicht sicher sein können, dass dieses Bild der Wahrheit entspricht?

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Lernen und Gedächtnis: Ein Zusammenspiel

Lernen und die Ausbildung des Gedächtnisses sind Prozesse, die sowohl anatomisch als auch physiologisch eng miteinander verbunden sind. Der Begriff Lernen beschreibt das Erlangen von Erkenntnissen und ist die Basis für das Abspeichern von Inhalten im Gedächtnis. Neurophysiologische Grundlage des Lernens ist die neuronale Plastizität. Lernen umfasst also Auf- und Abbauprozesse des Gehirns. Das Gedächtnis unterscheidet sich in Abhängigkeit der Speicherzeit und Kapazität in das Ultrakurzzeitgedächtnis, das Kurzzeitgedächtnis, das Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Physiologische Grundlage des Gedächtnisses ist der Papez-Neuronenkreis. Er sorgt für den Übergang von Inhalten vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis.

Neuronale Plastizität und der Papez-Kreis

Grundlage der Ausbildung des Nervensystems und des Lernens ist die neuronale Plastizität. Der Hippocampus im medialen Temporallappen ist von besonderer Bedeutung für den Lernprozess. Für die Gedächtnisbildung ist der Papez-Kreis von großer Bedeutung. Er befindet sich im Zentrum des limbischen Systems. Das limbische System liegt oberhalb des Hirnstamms und ist bei allen Säugetieren vorhanden. Es wird davon ausgegangen, dass der Papez-Kreis der Speicherung von Gedächtnisinhalten dient. Die verschiedenen Gedächtnistypen entsprechen unterschiedlichen Formen der Gedächtnisspeicherung. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Gedächtnisspeichern besteht in der Länge der Informationsspeicherung. Die Inhalte aus dem sensorischen Gedächtnis gehen im Kurzzeitgedächtnis nach ca. Für das Abspeichern von Informationen im Langzeitgedächtnis ist wichtig, dass die abzuspeichernden Informationen wiederholt werden (Konsolidierung). Gut nachvollziehbar ist dieser Prozess beim Erlernen von komplexen Bewegungsabläufen, z. B.

Gedächtnisstörungen: Ursachen und Auswirkungen

Das hochkomplexe System rund um Lernen und Gedächtnisleistung ist anfällig für Störungen. Die möglichen Ursachen für Gedächtnisstörungen sind vielfältig. Elektrolyte kann zu Problemen führen z. B. Gedächtnisstörungen wie z. B. demenzielle Erkrankungen treten immer häufiger auf. Dies ist u. a. Keine eigenständige Erkrankung, sondern Symptom einer Erkrankung oder Folge einer Einwirkung auf das Gehirn. Das Abspeichern von Erlebtem und Erlerntem ist bei einer Amnesie nicht möglich. Das kann alle Gedächtnisinhalte betreffen oder Teile, z. B. Alzheimer kommt es zu einem Untergang der Nervenzellen. Auch die Verarbeitung von Eindrücken ist nicht mehr in vollem Umfang möglich.

Amnesie und Alzheimer

Das Gedächtnis ist die Fähigkeit, sich an Dinge, Menschen und Ereignisse zu erinnern. Das Gedächtnis ist die Voraussetzung für jedes Verhalten, das aufgrund von Erfahrung über vorausgegangene Eindrücke und Erlebnisse das gegenwärtige und zukünftige Verhalten steuert. Das Abspeichern von Erlebtem und Erlerntem ist bei einer Amnesie nicht möglich. Das kann alle Gedächtnisinhalte betreffen oder Teile. Bei Alzheimer kommt es zu einem Untergang der Nervenzellen. Auch die Verarbeitung von Eindrücken ist nicht mehr in vollem Umfang möglich.

Verschiedene Gedächtnistypen und ihre Störungen

Das Gedächtnis lässt sich entweder als Prozess oder als Struktur auffassen, mit dessen Hilfe der Mensch Informationen speichern und später wieder abrufen kann. Das Gedächtnis wird in mehrere unterschiedliche Kategorien unterteilt, die sich auf die Zeitspanne beziehen, in der die Gedächtnis-Inhalte abgerufen werden können.

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  • Ultrakurzzeitgedächtnis: Seine Inhalte werden nur einige Millisekunden bis maximal zwei Sekunden behalten. Das ist die kürzeste Zeitspanne, in der Fakten und Sinneseindrücke präsent bleiben. Sie reicht gerade aus, um eine erste Informationsverarbeitung zu ermöglichen. Neu eintreffende Informationen verdrängen rasch die aktuellen Inhalte im Immediatgedächtnis. Nur ein geringer Teil der Informationen wird aus dem sensorischen Gedächtnis in das Kurzzeitgedächtnis überführt.
  • Kurzzeitgedächtnis: Das Kurzzeitgedächtnis ermöglicht das Abspeichern von Daten über einen Zeitraum von einigen Sekunden bis wenigen Minuten. In der ersten Phase nach Aufnahme von Gedächtnis-Inhalten in das Kurzzeitgedächtnis sind diese noch nicht stabil gespeichert. So kann eine Gehirnerschütterung bei einem Unfall zum Beispiel eine Erinnerungslücke hervorrufen, die Sekunden und bis zu mehrere Stunden vor das Ereignis zurückreicht.
  • Langzeitgedächtnis: In das Langzeitgedächtnis kommen alle wichtigen Informationen, die es wert sind, aufgehoben zu werden und die das Kurzzeitgedächtnis sonst zum „Überlaufen“ bringen würden. Im Langzeitgedächtnis wird alles gespeichert, das aufgrund vielfacher Wiederholungen oder mit einem starken emotionalen Gehalt auf lange Sicht behalten werden soll. Es wird unterteilt in deklaratives (episodisches und semantisches) und nicht deklaratives Gedächtnis.

Bei Gedächtnisstörungen sind die Merk- oder Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigt. Der Auslöser kann zum Beispiel ein Trauma, beispielsweise ein Unfall sein. Eine retrograde Amnesie bezeichnet dabei den Gedächtnisverlust für die Zeit vor einem bestimmten Ereignis (wie einem Unfall), eine anterograde Amnesie den Gedächtnisverlust für die Zeit nach diesem Ereignis. Wenn das Kurzzeitgedächtnis ausfällt, dann können sich Betroffene nicht an direkt vorausgegangene Gespräche oder Ereignisse erinnern, während ältere Ereignisse, die zum Teil Jahre zurückliegen, genau erinnert werden. Das Kurzzeitgedächtnis nimmt im Alter zunehmend ab. Die Betroffenen konzentrieren sich dann bevorzugt auf lange zurückliegende Ereignisse. Gedächtnisstörungen sind aber nicht nur durch Verletzungen möglich, die von außen (Schädel-Hirn-Trauma) einwirken, sondern auch durch innere Verletzungen wie zum Beispiel Gefäßblutungen bei einem Schlaganfall. Degenerative Veränderungen wie die Alzheimer-Krankheit oder Demenz sind ebenfalls häufige Ursachen für ein gestörtes Gedächtnis. Und nicht zuletzt führen auch Medikamente (Neuroleptika) und Alkohol („Filmriss“ nach einer durchzechten Nacht, Korsakow-Syndrom) zu Gedächtnis-Störungen. Bei Schädigungen im Bereich der Amygdala sind mit Emotionen verbundene Gedächtnis-Inhalte gestört. Die Betroffenen können sich nur noch an reine Fakten ohne jeglichen emotionalen Inhalt erinnern.

Lokalisation psychischer und sensorisch-motorischer Funktionen

[engl. localization; lat. locus Ort], [BIO, WA], ein Problemkreis der Gehirnpathologie und Neuropsychologie mit der Frage nach dem Ort psych. und sensorisch-motorischer Funktionen in der Hirnrinde.

Psychische Funktionen

Nach der klassischen Theorie des «engen Lokalisationismus» soll es außer den Arealen der Hirnrinde, die Empfindungs- oder Motorikfunktionen haben, auch spezif. begrenzte Kortexbereiche geben, in denen auch die höchsten psych. Funktionen (Sprechen, Schreiben, Rechnen, Vorstellen u. a.) lokalisiert sind und deren Verletzung zum Ausfall dieser Funktionen führe. So lokalisierte Gall Anfang des 19. Jhd. in der von ihm begründeten Wissenschaft Phrenologie umfangreiche seelische «Vermögen» in begrenzten Hirnzentren. Auch Broca sah in seiner Entdeckung des nach ihm benannten motorischen Sprachzentrums (Broca’sche Windung (Broca-Areal, -Region)) in der linken Hemisphäre einen Beleg für die Richtigkeit dieser Vorstellung. Begrenzte Verletzungen der Hirnrinde führen niemals zum «Ausfall» isolierter Funktionen, sondern zur Desorganisation eines ganzen Komplexes komplizierter psych. Tätigkeiten. Andererseits kann ein und dieselbe Funktion durch Verletzungen in versch. Hirnarealen gestört werden.

Nach Luria ist zu unterscheiden zwischen Funktion als Tätigkeit eines Gewebes (z. B. Sekretion einer Drüse) und Funktion i. S. einer komplizierteren Systemfunktion wie z. B. dem Vorgang des Atmens oder Sprechens. Solche komplexeren funktionalen Systeme beruhen nämlich auf der gemeinsamen Arbeit eines ganzen Komplexes neuronaler Mechanismen, die sich auf weite Teile des Gehirns, auch auf subkortikale Bereiche, verteilen können. Jede der Komponenten dieses Komplexes liefert ihren spezif. Beitrag zur Realisierung des gesamten funktionalen Systems. So wird für den Prozess des Schreibens z. B. erforderlich: ein best. Tonus der Hirnrinde, der durch subkortikale Strukturen (Formatio reticularis) gesteuert wird, eine Analyse des Lautbestandes der zu schreibenden Wörter (ein Prozess, der im Hörzentrum des Temporallappens abläuft), die kinästhetische Analyse der Laute (zur Vorbereitung der Artikulation) im postzentralen kinästhetischen Kortex, Bereitstellung der räumlich organisierten Seh-Schemata der zu schreibenden Buchstaben im visuellen Scheitelabschnitt des Kortex sowie u. a. ein ständiges Umschalten der Bewegungsimpulse durch die prämotorischen Zonen der Rinde. Durch diese neueren Vorstellungen von der Systemlokalisation der psychol. Funktionen hat die neurops. Analyse lokaler Verletzungen des Gehirns als eine der wichtigsten Methoden zur Erforschung des Aufbaus ps. Prozesse entscheidende Bedeutung erlangt.

Sensorisch-motorische Funktionen

Schon 1870 konnten Fritsch und Hitzig zeigen, dass durch elektrische Reizung der Großhirnrinde an vielen Stellen motorische Reaktionen ausgelöst werden können. Schrittweises Abtasten der Gehirnoberfläche erbrachte, dass die gesamte Körpermuskulatur in der motorischen Rinde jeder Seite doppelt repräsentiert ist. Dieses primäre motorische Feld, Ursprungsgebiet der Pyramidenbahnen, liegt beim Menschen in der Zentralwindung (gyrus praecentralis, Gehirn). Die versch. Körperregionen sind hier mit den Füßen oben und dem Gesicht am unteren Ende des Gyrus repräsentiert (Abb. 3 im Stichwort Gehirn). Eine ähnlich geartete Gliederung nach Körperbezirken findet sich für die sensorischen Funktionen in der hinteren Zentralwindung (sensorische Rinde, Gyrus postcentralis), wo die vom Thalamus zur Großhirnrinde aufsteigenden dritten Neuronen der Hinterstrangbahn und andere sensorische Fasern enden. Hier werden die präzisesten Diskriminationen ermöglicht. Bei Zerstörung dieser primär sensiblen Felder (Assoziationsfelder) kommt es zu erheblichen Ausfällen der Sensibilität in der Körpergegenseite. Da alle Sinne auch in mehr oder weniger großem Maße in den niedrigeren Zentren (z. B. Thalamus) repräsentiert sind, kommt es wohl noch zu Allgemeinempfindungen und zu Reflexen, aber die Erregungen gelangen nicht zum Bewusstsein (Rindenanästhesie). Wie hieraus schon ersichtlich, hat man in beiden Fällen bei der Beantwortung der Frage nach einer festen Lokalisation mit Luria (1970) zu beachten, dass, bildlich gesprochen, die in einem best. Hafen umgeschlagenen Waren nicht notwendig auch dort produziert werden müssen. Lokalisation von Erinnerungsbildern im Gedächtnis vgl. Müllers Lokalisationssysteme.

Auditive Lokalisation

Die Fähigkeit, durch Hören (oder andere Sinnesinformationen) den Ort einer Schallquelle (eines Gegenstandes) im Raum festzustellen. Die auditive Lokalisation und Raumorientierung erfolgt über die Wahrnehmung der min. Intensitätsunterschiede (1 dB) und Laufzeitunterschiede (bis zu 3 × 10-5 s), die beim Auftreffen eines Tonreizes zw. beiden Ohren bestehen, wobei bereits eine Abweichung der Schallquelle von 3° Raumwinkel von der Mittellinie wahrgenommen werden kann (Abb.). Die von beiden Ohren (binaurales Hören; räumliches Hören) aufgenommenen Schallinformationen werden als Aktionspotenzialfolgen schließlich zur primären Hörrinde weitergeleitet, wo sie von hoch spezialisierten Neuronen miteinander verglichen und zum zugehörigen Raumwinkel «verrechnet» werden.

Die komplexe Struktur des Gehirns

Das Gehirn ist eines der komplexesten Organe des menschlichen Körpers und spielt eine zentrale Rolle in unserem täglichen Leben. Es besteht aus mehreren Teilen, die jeweils bestimmte Funktionen erfüllen. Das Gehirn kann grob in drei Hauptbereiche unterteilt werden: das Großhirn, das Kleinhirn und den Hirnstamm.

  • Das Großhirn (Cerebrum): Der größte Teil des Gehirns, bestehend aus zwei Hemisphären. Die linke Hemisphäre ist überwiegend für logisches Denken, Sprache und analytische Aufgaben verantwortlich, während die rechte Hemisphäre kreative Prozesse, visuelle Vorstellungen und emotionale Wahrnehmung steuert.
  • Das Kleinhirn (Cerebellum): Befindet sich unterhalb des Großhirns und ist hauptsächlich für die Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen verantwortlich. Es spielt auch eine Rolle im Gleichgewicht und in der Haltungskontrolle.
  • Der Hirnstamm: Befindet sich an der Basis des Gehirns und verbindet das Rückenmark mit dem Gehirn. Er ist für die Steuerung grundlegender lebenswichtiger Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck zuständig. Er besteht aus drei Hauptteilen: dem Mittelhirn, der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata).

Jeder Teil des Gehirns arbeitet in perfekter Harmonie mit den anderen, um eine Vielzahl von Funktionen zu erfüllen, die unser tägliches Leben ermöglichen. Ohne das Zusammenspiel dieser verschiedenen Gehirnregionen wären unsere Fähigkeiten zur Wahrnehmung, Bewegung, Emotion und kognitiven Verarbeitung stark eingeschränkt. Das Wissen um die genaue Lokalisation einer Blutung hilft uns Neuropsycholog:innen, gezielt die betroffenen Funktionen und Symptome zu verstehen und eine entsprechende Diagnostik und Therapie zu planen.

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