Zentrales vs. Peripheres Nervensystem: Ein umfassender Überblick

Das menschliche Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das für die Steuerung und Koordination aller Körperfunktionen verantwortlich ist. Es ermöglicht uns, mit der Umwelt zu interagieren, Sinnesreize wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Um dieses komplexe System besser zu verstehen, wird es in verschiedene Teile unterteilt, darunter das zentrale Nervensystem (ZNS) und das periphere Nervensystem (PNS). Obwohl beide Teile eng miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten, haben sie unterschiedliche Strukturen und Funktionen.

Einführung in das Nervensystem

Das Nervensystem umfasst alle Nervenzellen und das dazugehörige Nervengewebe. Im Laufe der Evolution hat sich das Nervensystem immer weiterentwickelt und ist in seinem Aufbau immer komplexer geworden. Während einfache Organismen wie der Regenwurm nur ein leiterförmiges Nervensystem besitzen, besteht das Nervensystem des Menschen aus dem zentralen und dem peripheren Nervensystem.

Jeder kennt die Sprichwörter (und vielleicht auch die Situation), "sich vor Angst in die Hosen machen", "es schlägt einem das Herz vor Aufregung bis zum Hals". Versucht man diese körperlichen Veränderungen als Reaktion auf Angst oder Stress zu unterbinden, ist man relativ erfolglos.

Anatomische Einteilung: Zentrales und Peripheres Nervensystem

Die Unterscheidung zwischen zentralem und peripherem Nervensystem beruht hauptsächlich auf der anatomischen Lage der Nervenbahnen im Körper.

Zentrales Nervensystem (ZNS)

Das zentrale Nervensystem (ZNS) liegt, anatomisch betrachtet, zentral im Körper und besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Es ist die Kommandozentrale des Körpers und für die Verarbeitung von Informationen zuständig. Gehirn und Rückenmark sind durch knöcherne Strukturen geschützt - der Schädel schützt das Gehirn, und die Wirbelsäule schützt das Rückenmark.

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Das Gehirn selbst wird orientierungsweise in fünf größere Abschnitte unterteilt:

  • Großhirn
  • Zwischenhirn
  • Mittelhirn
  • Kleinhirn
  • Nachhirn

Umgeben ist das Gehirn von drei Hautschichten, wobei die äußere Hülle (harte Hirnhaut) innen mit den Schädelknochen fest verbunden ist. Zwischen der inneren und der mittleren Haut befindet sich Flüssigkeit, die bei Erschütterungen wie eine Art Stoßdämpfer wirkt und somit zum Schutz des Gehirns beiträgt. Im Inneren des Gehirns befinden sich vier Hohlräume (Hirnkammern), die mit Gehirnflüssigkeit gefüllt sind. Das Gehirn wiegt etwa 1.400 Gramm, wobei das Gehirn von Männern im Durchschnitt etwas größer und schwerer ist als das von Frauen. Dieser Größenunterschied lässt jedoch keine unmittelbaren Rückschlüsse auf geistige Merkmale wie die Intelligenz zu. Das Großhirn nimmt 80 % der Hirnmasse ein und besteht aus einer rechten und einer linken Großhirnhälfte, die durch einen breiten und dicken Nervenstrang (den „Balken“) miteinander verbunden sind. Die äußere Schicht des Großhirns bildet die Großhirnrinde, die 2 bis 3 Millimeter dick ist und auch als graue Substanz bezeichnet wird. Ihre graue Farbe erhält die Großhirnrinde von den Zellkörpern der Neurone. Unterhalb der Großhirnrinde befindet sich die weiße Substanz.

Peripheres Nervensystem (PNS)

Zum peripheren Nervensystem (PNS) gehören alle neuronalen Strukturen, die außerhalb des Zentralnervensystems liegen, also alle Nervenstrukturen außerhalb von Rückenmark und Gehirn. Es besteht aus Nerven, die das ZNS mit den Organen, Muskeln und der Haut verbinden. Das PNS ist für die Übertragung von Informationen zwischen dem ZNS und dem Rest des Körpers zuständig.

Funktionelle Einteilung: Somatisches und Vegetatives Nervensystem

Neben der anatomischen Einteilung kann das Nervensystem auch nach seinen Funktionen eingeteilt werden. Hierbei unterscheidet man zwischen dem somatischen und dem vegetativen Nervensystem.

Somatisches Nervensystem

Das somatische Nervensystem, auch willkürliches oder animalisches Nervensystem genannt, steuert all unsere bewussten und willentlichen Aktivitäten wie das Sprechen, Laufen oder das Greifen nach einem Gegenstand. Es umfasst also jene Prozesse, die du absichtlich steuern und beeinflussen kannst. Von den Sinnesorganen ausgehend gelangen Informationen über die somatischen Nervenzellen des peripheren Nervensystems ins zentrale Nervensystem.

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Vegetatives Nervensystem

Das vegetative Nervensystem, auch autonomes oder viszerales Nervensystem genannt, steuert alle unbewussten Abläufe unseres Körpers, also jene, die außerhalb unseres Bewusstseins sind und automatisch ablaufen. Es kontrolliert Organfunktionen, die wir nicht bewusst steuern, etwa von Leber oder Darm. Damit steuert es lebenswichtige Körperfunktionen wie Verdauung, Stoffwechsel, Herzschlag und Atmung. Das vegetative Nervensystem ist ständig aktiv und reguliert beispielsweise Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel. Hierzu empfängt es Signale aus dem Gehirn und sendet sie an den Körper. In der Gegenrichtung überträgt das vegetative Nervensystem Meldungen des Körpers zum Gehirn, zum Beispiel wie voll die Blase ist oder wie schnell das Herz schlägt. Es kann sehr rasch die Funktion des Körpers an andere Bedingungen anpassen. Ist einem Menschen beispielsweise warm, erhöht das System die Durchblutung der Haut und die Schweißbildung, um den Körper abzukühlen.

Das vegetative Nervensystem lässt sich weiter einteilen in das sympathische Nervensystem (Sympathikus) und das parasympathische Nervensystem (Parasympathikus). Zum vegetativen Nervensystem zählt außerdem noch das enterische Nervensystem, das Nervensystem des Darms. Es besteht aus einem Nervengeflecht in der Darmwand und reguliert den Darm weitgehend unabhängig.

Sympathikus

Der Sympathikus steuert lebenswichtige Vorgänge, zum Beispiel Herzschlag oder Blutdruck. Die Nerven des Sympathikus werden aktiv, wenn der Körper leistungsfähig sein muss. Das trifft zum Beispiel in Gefahren- und Stresssituationen zu, aber auch beim Sport. Es werden Herzschlag und Atmung erhöht, die Durchblutung der Muskulatur nimmt zu. Der Sympathikus bereitet den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vor. Er sorgt dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt, erweitert die Atemwege, damit man besser atmen kann, und hemmt die Darmtätigkeit.

Sympathische Nervenzellen befinden sich im Rückenmark im mittleren Bereich der Wirbelsäule. Von hier gehen Signale an die sogenannten Ganglien aus. Ganglien sind Anhäufungen von Nervenzellkörpern im peripheren Nervensystem. Die Ganglien sind außerdem über Axone mit den inneren Organen verbunden. Die meisten sympathischen Ganglien befinden sich in der Nähe des Rückenmarks. Viele von ihnen verbinden sich zu einem Ganglienstrang, der parallel zum Rückenmark verläuft.

Parasympathikus

Als Gegenspieler des Sympathikus fungiert der Parasympathikus, der alle unbewussten Reaktionen steuert, wenn wir uns wieder entspannen. Die Nerven des Parasympathikus aktivieren in Ruhesituationen die Organe, die der Speicherung von Reservestoffen und der Erholung dienen. Die Durchblutung des Darms wird erhöht und damit wird die Verdauung gefördert. Der Herzschlag wird hingegen ebenso wie die Durchblutung der Muskulatur verringert. Der Parasympathikus kümmert sich um die Körperfunktionen in Ruhe: Er aktiviert die Verdauung, kurbelt verschiedene Stoffwechselvorgänge an und sorgt für Entspannung.

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Die parasympathischen Nervenzellen befinden sich im oberen und unteren Bereich der Wirbelsäule. Die parasympathischen Nervenzellen werden erst kurz vor den Zielorganen über Ganglien zusammengeschaltet.

Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus

Sympathikus und Parasympathikus wirken im Körper meist als Gegenspieler. Einfach ausgedrückt: Das sympathische Nervensystem reguliert die Organfunktionen in Stresssituationen oder bei Aktivität und das parasympathische Nervensystem in Entspannungsphasen. Beim Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus geht es darum, dass immer diejenigen Körperfunktionen Vorrang erhalten, deren Aktivität in einer jeweiligen Situation am sinnvollsten ist. Die beiden Systeme wirken also nicht unbedingt entgegengesetzt, sondern können sich in manchen Funktionen ergänzen. Sie arbeiten zusammen, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Der Sympathikus übernimmt so lange die Führung, wie es nötig ist, um eine Stresssituation zu meistern. Dann schaltet sich das parasympathische Nervensystem ein und führt den Organismus in den „Normalbetrieb“ zurück.

Über die Ganglien sind die Nervenzellen des Sympathikus und Parasympathikus jeweils untereinander sowie mit den einzelnen Organen vernetzt. Um Signale übertragen zu können und die Organe zu verstärkter oder verminderter Aktivität anzuregen, sind chemische Botenstoffe notwendig: sogenannte Neurotransmitter. Die wichtigsten Transmitter bei der Kommunikation von Sympathikus, Parasympathikus und Organen sind Acetylcholin und Noradrenalin. Letzteres wirkt stimulierend und Acetylcholin überwiegend hemmend. Acetylcholin spielt bei der parasympathischen Signalübertragung die Hauptrolle. Es kommt zwar auch bei der Kommunikation in den sympathischen Ganglien zum Einsatz, für die Signalübertragung an die Organe setzen aber die meisten sympathischen Fasern Noradrenalin frei.

Informationsübertragung im Nervensystem

Egal ob peripheres, zentrales oder vegetatives Nervensystem - sie alle reagieren und interagieren immer durch denselben Vorgang: einen elektrischen Impuls. Die Nervenzellen sind die Bausteine unseres Nervensystems. Sie besitzen einen Zellkörper und Zellfortsätze, die sie mit anderen Nervenzellen oder mit Körperzellen, wie beispielsweise Muskel- oder Drüsenzellen, verbinden. Diese Fortsätze werden als Axone und Dendriten bezeichnet. Axone leiten Signale zu anderen Neuronen oder Zielzellen weiter, während Dendriten die Signale meistens von anderen Neuronen empfangen. Die Länge der Axone und Dendriten reicht von wenigen tausendstel Millimeter bis zu über einem Meter. Neben den Neuronen enthält das Nervensystem Gliazellen und ein dichtes Netz von Blutgefäßen, das die ausreichende Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen sicherstellt.

Die Dendriten nehmen Signale aus dem Körper auf. Das Axon leitet Signale zu einem anderen Axon, zu einer Drüsenzelle oder einer Muskelfaser weiter. Umgeben ist das Axon von Gliazellen. Die Kontaktpunkte zwischen Dendriten und Axonen sind die Synapsen. Sie sind miteinander verbunden und geben das elektrische Signal des Axons an die nächste Nervenzelle weiter. Für die Weiterleitung eines Signals an der Synapse wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt.

Zusammenspiel von ZNS und PNS am Beispiel

Um das Zusammenspiel von ZNS und PNS zu verdeutlichen, betrachten wir ein Beispiel: Ein Mensch steht plötzlich vor einer Schlange. Die Sinneszellen des Auges nehmen die Schlange wahr. Die eingegangenen Informationen werden vom zentralen Nervensystem, meist dem Gehirn, ausgewertet. Bezogen auf unser Beispiel „Mensch sieht Schlange“ verarbeitet das Gehirn die Information und gleicht sie mit Erfahrungen und Situationen aus dem Gedächtnis ab. Von dem zentralen Nervensystem ausgehend werden Signale ins periphere Nervensystem gesendet, die unterschiedliche Reaktionen auslösen. Die Ausgabe umfasst in unserem Beispiel zum einen die Reaktion „Schreien“ durch das somatische Nervensystem, zum anderen die Aktivierung der Nerven des vegetativen Nervensystems, speziell des Sympathikus. Herzschlag und Atmung werden schneller, um den Körper auf eine Flucht vorzubereiten.

Ein weiteres Beispiel ist das Radfahren: Dein peripheres Nervensystem sendet ständig Informationen über deine Körperstellung und Bewegungen an dein zentrales Nervensystem. Das Gehirn verarbeitet diese Informationen und gibt Befehle zurück, um die Muskeln entsprechend zu steuern, sodass du automatisch das Gleichgewicht hältst.

Erkrankungen des Nervensystems

Neurologische Erkrankungen sind Erkrankungen des Nervensystems. Sie sind entweder durch einen Gendefekt angeboren oder entstehen im Laufe des Lebens. Hierfür können zum Beispiel eine Infektion, ein Trauma oder eine Rückbildung (Degeneration) verantwortlich sein. Bei Schäden des ZNS durch Krankheiten oder Verletzungen bestimmt der Ort der Schädigung die Art der daraus entstehenden Symptome. Schäden im Rückenmark können z.B. zu Taubheitsgefühl und Schwäche in den Gliedmaßen oder zu Blasenstörungen führen.

Auch Störungen des vegetativen Nervensystems können auftreten. Eine Störung des vegetativen Nervensystems gefährdet den ordnungsgemäßen Ablauf lebenswichtiger körperlicher Prozesse. Bei Schädigung der Nerven oder des Gehirns kann es daher zu Störungen des vegetativen Nervensystems kommen. In vielen Fällen lässt sich bei einer Störung des vegetativen Nervensystems keine konkrete Ursache ausmachen. Mögliche auslösende Krankheiten sind:

  • Diabetes mellitus: Ein unbehandelter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus kann das Nervensystem schädigen. Ein Beispiel ist der Blutdruckabfall beim Aufstehen (orthostatische Hypotonie), wenn infolge eines Diabetes Nerven geschädigt sind, die normalerweise beim Stehen einen blutdrucksteigernden Reflex auslösen.
  • Verletzungen vor allem in der Nähe des Rückenmarks, bei denen Verbindungen im Nervensystem beschädigt werden können
  • Horner-Syndrom, eine Störung des Sympathikusanteils, der unter anderem die Augen nervlich anbindet
  • Tumor des Nebennierenmarks (Phäochromozytom), wodurch zu viele Neurotransmitter freigesetzt werden, die zu einer kaum zu senkenden Erhöhung des Blutdrucks führen
  • virale oder bakterielle Infektionen
  • Multisystematrophie, eine Erkrankung, die viele Systeme betrifft, darunter auch das autonome Nervensystem
  • genetisch bedingte oder erworbene Erkrankungen wie Amyloidose

Eindeutige Krankheitszeichen bei Problemen mit dem vegetativen Nervensystem gibt es nicht. Liegt eine andere Erkrankung zugrunde, wird diese behandelt. Wenn keine Grunderkrankung ausgemacht werden kann oder diese nicht heilbar ist, konzentriert sich die Behandlung auf die Symptomlinderung, zum Beispiel die Blutdruckstabilisierung bei orthostatischer Hypotonie.

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