Zerstörte Nerven heilen: Möglichkeiten und Therapieansätze

Nervenschäden können eine Vielzahl von Ursachen haben und sich in unterschiedlicher Intensität äußern. Während einige Nervenverletzungen vorübergehend sind und sich von selbst regenerieren, können andere zu chronischen Schmerzen, Empfindungsstörungen oder sogar dauerhaften Funktionsausfällen führen. Glücklicherweise gibt es verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, die Regeneration der Nerven zu fördern, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ursachen von Nervenschäden

Nervenschäden können durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter:

  • Trauma: Verletzungen wie Quetschungen, Schnitte oder Überdehnungen können Nervenfasern schädigen oder durchtrennen. Dies kann beispielsweise bei Autounfällen, Operationen oder Sportverletzungen geschehen.
  • Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus ist eine häufige Ursache für Nervenschäden, die als diabetische Neuropathie bezeichnet werden. Hohe Blutzuckerspiegel können die Nerven schädigen und zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen und anderen Symptomen führen.
  • Infektionen: Bestimmte Infektionen, wie beispielsweise Herpes Zoster (Gürtelrose), können Nervenentzündungen verursachen und zu Nervenschäden führen.
  • Toxine: Alkohol, bestimmte Medikamente und Umweltgifte können Nerven schädigen. Alkoholbedingte Nervenschädigungen erfordern eine sofortige Alkoholabstinenz. Bei starker Abhängigkeit wird meist ein Entzug unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt, wobei Entzugserscheinungen beispielsweise mit Medikamenten abgemildert werden können. Nach der körperlichen Entgiftung folgt in der Regel eine psychische Entwöhnung.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12 und Vitamin B1, kann Nervenschäden verursachen.
  • Neurologische Erkrankungen: Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS), Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und das Guillain-Barré-Syndrom können Nerven schädigen und zu verschiedenen Symptomen führen.
  • Tumore: Tumore, die auf Nerven drücken oder in sie eindringen, können Nervenschäden verursachen.
  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann ebenfalls Nervenschädigungen verursachen und stellt einen medizinischen Notfall dar, der eine unverzügliche Therapie erfordert.

Konservative Behandlungsmethoden

Nicht immer ist bei einer Nervenschädigung eine Operation erforderlich. Oftmals können konservative Behandlungsmethoden eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und die Regeneration der Nerven zu fördern.

  • Schmerztherapie: Nervenschädigungen gehen meist mit brennenden, kaum erträglichen Schmerzen einher. Eine wichtige Säule der Behandlung stellt daher die medikamentöse Schmerztherapie dar. Betroffene sollten mit der Behandlung der Schmerzen möglichst frühzeitig beginnen, da das Nervensystem ansonsten für den Schmerz geradezu sensibilisiert wird. Es kann sich ein Schmerzgedächtnis entwickeln und die Gefahr einer Chronifizierung besteht.
    • Nicht-opioide Schmerzmittel: Dazu gehören beispielsweise die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure oder Paracetamol. Sie zählen zu den schwächeren Schmerzmitteln und sind meist rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
    • Opioide: Stufe 2 sieht den Gebrauch mittelstarker Opioide (synthetisch hergestellte Arzneimittel aus Opium) vor. Substanzen dieser Schmerzklasse verschreibt der Arzt, wenn Schmerzmittel der Stufe 1 nicht mehr ausreichen. Stufe 3 beinhaltet den Einsatz starker Opioide. Beim Einsatz dieser Schmerzmittel ist eine ärztliche Überwachung der Therapie wichtig. Schmerzmittel sind in Form von Tabletten, Spritzen, Gels oder Wirkstoffpflastern erhältlich.
    • Antiepileptika: Ursprünglich zur Therapie epileptischer Anfälle entwickelt, werden die Präparate mittlerweile häufig auch bei Nervenschmerzen angewandt. Sie hemmen übererregte Nervenzellen und verhindern dadurch, dass diese ständige Schmerzsignale aussenden.
    • Antidepressiva: Die zur Behandlung von Depression zugelassenen Arzneimittel wirken nicht nur stimmungsaufhellend, sondern auch schmerzlindern und eignen sich deshalb auch bei neuropathischen Schmerzen. Das gilt insbesondere für trizyklische Antidepressiva, deren Namen sich auf ihre chemisch dreifache Ringstruktur bezieht und die am längsten auf dem Markt sind.
    • Capsaicin: Der natürlich in Chilischoten vorkommende Wirkstoff hat sich ebenfalls bei Nervenschmerzen bewährt. Er deaktiviert hyperaktive Rezeptoren, die Schmerz wahrnehmen, und hemmt somit die Schmerzwahrnehmung.
  • Elektrotherapie: Bei der Elektrotherapie werden elektrische Impulse zur Schmerzlinderung eingesetzt. Die häufigste Methode ist die sogenannte epidurale Rückenmarkstimulation (englisch „spinal cord stimulation“, = SCS), bei der durch ein operatives Verfahren mehre Elektroden in den Rücken implantiert werden. Diese stimulieren die hinteren Abschnitte des Rückenmarks. Keine Implantation erfordert hingegen die Transkutane Elektrische Nerven-Stimulation, kurz TENS. Die Elektroden werden direkt an den schmerzhaften Hautregionen angeklebt und sind mit einem kleinen tragbaren Gerät verbunden. Per Knopfdruck lassen sich sanfte elektrische Impulse erzeugen, welche die Schmerzen hemmen sollen.
  • Wärme- und Kältebehandlungen: Diese lassen sich sehr leicht in den Alltag integrieren und zu Hause durchführen. Während bei Entzündungen vor allem Kälte (zum Beispiel in Form kalter Kompressen) angewandt werden kann, kann in einigen Fällen auch eine Wärmflasche oder ein warmes Bad als wohltuend empfunden werden. Bei Empfindungsstörungen müssen Sie jedoch sehr vorsichtig sein, um Verbrennungen oder Erfrierungen zu vermeiden.
  • Krankengymnastik und Sporttherapien: Sie zielen darauf, Körperhaltung und Bewegungsabläufe zu trainieren, und nehmen daher vor allem in der Rehabilitation (zum Beispiel nach einem Schlaganfall) einen wichtigen Stellenwert ein. Bewegung stärkt betroffene Muskelgruppen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass durch Sport körpereigene Schmerzhemmstoffe (Endorphine) ausgeschüttet werden.
  • Biofeedback: Hier lernen Betroffene normalerweise unbewusst ablaufende Prozesse (wie die Herzrate oder Hirnströme) des Körpers zu kontrollieren. Beispielsweise sollen Patienten versuchen, die Hauttemperatur und damit einhergehende die Schmerzwahrnehmung zu reduzieren.
  • Psychologische Betreuung: Nervenschmerzen können eine starke psychische Belastung sein. Um Depressionen oder Angststörungen vorzubeugen, kann daher eine psychologische Behandlung sinnvoll sein.
  • Entspannungstechniken: Vielen Menschen helfen Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Sie führen zu einer seelischen sowie gleichzeitig körperlichen Beruhigung und können somit das Wohlbefinden von Betroffenen steigern.
  • Hilfsmittel für den Alltag: Ein zentraler Therapie-Bestandteil bei Nervenschädigungen sind außerdem Hilfsmittel für den Alltag. Bei Menschen mit einer diabetischen Neuropathie besteht beispielsweise eine erhöhte Gefahr von Verletzungen oder Druckstellen und damit von Folgeerkrankungen wie einem diabetischen Fußsyndrom. Noch wichtiger sind Hilfsmittel bei einigen bislang nicht heilbaren neurologischen Erkrankungen. Als Beispiele sind hier die Krankheiten Multiple Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose (ALS) zu nennen. Beide können mit Fortschreiten zu starken Bewegungseinschränkungen, Sprach- und Schluckstörungen sowie Atemschäche führen. Rollstühle, Sprachcomputer, Türöffnungshilfen und Co.

Alternative Behandlungsmethoden

Einige Patienten finden Linderung ihrer Beschwerden durch alternative Behandlungsmethoden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit dieser Methoden nicht immer wissenschaftlich belegt ist.

  • Akupunktur: Die Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin setzt auf das Einbringen von Nadeln in die Haut an bestimmten Energiepunkten und eine ganzheitliche Sichtweise zur Linderung der Beschwerden. Bisher gibt es jedoch nicht ausreichende Nachweise, die eine Wirkung gegen Nervenschmerzen belegen.
  • Massagen: Sie fördern die Durchblutung und lockern das Bindegewebe. Massagen werden daher in einigen Fällen als wohltuend empfunden.
  • Homöopathie: Wissenschaftlich gilt die Homöopathie als nicht ausreichend wirksam, dennoch vertrauen viele Menschen auf die „sanfte Behandlungsmöglichkeit“. Auch hier richtet sich die Wahl der Mittel nach der zugrundeliegenden Ursache.
  • Naturheilkunde: Pflanzen mit einer beruhigenden und entzündungshemmenden Wirkung können bei einem verletzten Nerv gute Helfer sein. Dazu gehören:
    • Johanniskraut: Das Extrakt der Pflanze eignet sich sowohl zur inneren Anwendung als Tee als auch äußerlich in Form einer Massage mit Öl aus dem Johanniskraut.
    • Pfefferminze: Die kühlende Wirkung beim Einreiben mit Pfefferminzöl wirkt wohltuend und lindert gleichzeitig die Nervenverletzung.
    • Brennnessel und Ingwer: Beiden Teesorten wird eine beruhigende und entzündungshemmende Wirkung nachgesagt, die schmerzlindernd für den verletzten Nerv ist.
    • Chili: Das im Chili enthaltene Capsaicin ist ein altes Hausmittel gegen auftretende Nervenverletzungen. In einer Salbe äußerlich angewendet oder als Inhaltsstoff eines Pflasters fördert Capsaicin die Durchblutung und wirkt gleichzeitig schmerzlindernd.

Operative Behandlungsmethoden

In einigen Fällen ist eine Operation erforderlich, um die Ursache der Nervenschädigung zu beheben oder den Nerv zu reparieren. Einige Beispiele für operative Eingriffe sind:

Lesen Sie auch: Diagnose von Schmerzen an der Außenseite des Knies

  • Karpaltunnelsyndrom: Durch die Einklemmung des Mittelnervs im Handgelenk entstehen Schmerzen, Taubheitsgefühle oder ein Kribbeln in den Fingern. Stellt sich keine Besserung ein, kann eine operative Freilegung des Nervs zu einer Entlastung führen.
  • Bandscheibenvorfall: Tritt der gallertartige Kern aus der Hülle der Bandscheibe und drückt auf Spinalnerven, klagen Betroffene über heftige Schmerzen im Rücken, die bis in die Beine ausstrahlen können. Der Mediziner muss dann unter Umständen einen Teil oder die komplette Bandscheibe entfernen.
  • Nervenverletzungen: Nerven können beispielsweise bei Autounfällen geschädigt oder sogar durchtrennt werden. Im letzten Fall hat der Chirurg die Möglichkeit, die beiden Nervenenden mit einer End-zu-End-Naht wieder zu verbinden. Voraussetzung hierfür ist, dass nicht zu lange gewartet wird. Denn schon nach wenigen Wochen bilden sich die beiden Enden soweit zurück, dass keine direkte Naht mehr möglich ist. Eine therapeutische Option ist in einem solchen Fall eine Nerventransplantation.
  • Neurodestruktion: In sehr seltenen Fällen und bei sehr starken Schmerzen (zum Beispiel Tumorschmerzen) ist auch eine Neurodestruktion möglich. Bei einem solchen Eingriff werden Nerven beziehungsweise Nervengeflechte durch chemische oder thermische Verfahren zerstört. Zudem ist eine chirurgische Durchtrennung möglich. Dadurch wird die Funktion der Nerven temporär oder langfristig ausgeschalten. Der Eingriff gilt als risikoreich und wird daher nur als letzte Option in Betracht gezogen.

Regeneration von Nerven: Forschung und Hoffnung

Die Forschung im Bereich der Nervenregeneration hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wissenschaftler suchen nach Wegen, um die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren und die Regeneration von Nervenfasern im zentralen Nervensystem zu fördern.

  • Hemmende Faktoren beseitigen: Im Gehirn und Rückenmark gibt es Faktoren, die das Wachstum von Nervenfasern hemmen. Die Forschung konzentriert sich darauf, diese Faktoren zu identifizieren und zu blockieren.
  • Wachstumsfaktoren stimulieren: Bestimmte Wachstumsfaktoren können das Wachstum von Nervenfasern fördern. Die Forschung untersucht, wie diese Faktoren gezielt eingesetzt werden können, um die Regeneration zu unterstützen.
  • Zelltransplantation: Die Transplantation von Nervenzellen oder Stammzellen könnte eine Möglichkeit sein, geschädigte Nervenzellen zu ersetzen oder die Regeneration zu fördern.
  • Mikrotubuli-Stabilisierung: Die Stabilisierung von Mikrotubuli, winzigen Protein-Röhrchen in den Nervenzellen, könnte ein vielversprechender Ansatz sein, um die Regeneration von Axonen im Zentralen Nervensystem zu verbessern.
  • Uridinmonophosphat (UMP): UMP unterstützt die Nervenregeneration und kann in Form von Nahrungsergänzungsmitteln eingenommen werden. In Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure ist es ein wichtiger Baustein, um das optimale Millieu für eine Regeneration zu schaffen.

Lesen Sie auch: Nurvet Kautabletten Nerven: Die Inhaltsstoffe und ihre Wirkung.

Lesen Sie auch: Warum Eltern manchmal nerven

tags: #zerstörte #nerven #heilen #möglichkeiten