Die Diagnose Demenz stellt eine einschneidende Veränderung im Leben der Betroffenen und ihrer Familien dar. Der Alltag wird anspruchsvoller, Gespräche gestalten sich schwieriger, und vertraute Routinen funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Doch es gibt Möglichkeiten, den Alltag zu erleichtern und ein stabiles Miteinander zu fördern. Dieser Artikel beleuchtet häufige Fehler im Umgang mit Menschen mit Demenz und gibt praktische Tipps für Angehörige und Pflegekräfte, um den Alltag zu meistern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Die veränderte Welt der Menschen mit Demenz
Eine Demenz geht weit über den Verlust der geistigen Fähigkeiten hinaus. Sie beeinträchtigt die Wahrnehmungen, das Verhalten und Erleben der Betroffenen - ihr gesamtes Sein. In ihrer Welt haben Dinge und Ereignisse oft eine völlig andere Bedeutung als in der Welt der Gesunden. Da sich Betroffene oft nur im Anfangsstadium der Demenz selbst mitteilen können, müssen sich Betreuende in ihre Welt begeben, um sie zu verstehen. Der Schlüssel zu vielen Verhaltensweisen liegt in der Biografie des Betroffenen verborgen. Kenntnisse über einschneidende Erlebnisse, persönliche Ängste und Charaktereigenschaften helfen, sie im Verlauf der Demenz besser zu verstehen.
Gedächtnisverlust und seine Folgen
Die Schwierigkeit, sich Dinge zu merken, steht meist am Beginn einer Demenzerkrankung. Betroffene können neue Informationen nicht mehr im Langzeitgedächtnis speichern, vergessen Termine, verlegen Gegenstände oder erinnern sich nicht an Namen entfernter Bekannter. Dies führt oft zu Verwirrung, Demütigung und Beschämung. Im weiteren Verlauf verblassen auch Inhalte des Langzeitgedächtnisses, das logische Denken wird beeinträchtigt, Fähigkeiten gehen verloren und das Sprachvermögen nimmt ab.
Herausforderungen im Alltag
Mit fortschreitender Demenz wird es immer schwieriger, Informationen und Eindrücke zu ordnen oder zu bewerten. Entscheidungen zu treffen oder Probleme durch logische Schlussfolgerungen zu lösen, fällt schwer. Logische Erklärungen sind oft nicht mehr verständlich, und Fragen nach Gründen für Verhalten oder Gefühle können nicht beantwortet werden. Dies kann zu Ängsten, Befürchtungen und einem Gefühl des Kontrollverlusts führen.
100 Fehler im Umgang mit Menschen mit Demenz: Ein Leitfaden
Astrid Marxen hat schon während ihres Studiums für verschiedene Zeitungen geschrieben. König und Zemlin schildern in ihrem Buch "100 Fehler im Umgang mit Menschen mit Demenz" alltägliche Situationen und geben Fakten sowie Tipps zum richtigen Umgang. Das Buch ist in Unterkategorien wie eigene Haltung, Kommunikation, Milieu, biografische Betreuung, Körperpflege und Ernährung sowie herausforderndes Verhalten unterteilt. Es basiert auf Erfahrungen mit dem Evaluationsverfahren Dementia Care Mapping (DCM) und Beratungsterminen zur Qualitätssicherung in Pflegeeinrichtungen.
Lesen Sie auch: Ratgeber: 100 Fehler im Demenz-Umgang
Eigene Haltung
Im Bereich der eigenen Haltung wird die Einstellung des Pflegenden thematisiert. Demenzkranke sind keineswegs hilflos oder bedürfen besonderer Rücksichtnahme. Es ist wichtig, sie als Klienten zu respektieren und ihnen nicht alles abzunehmen.
Kommunikation
Neben dem gesprochenen Wort sind Mimik, Gestik und Berührungen entscheidend. Es gilt, die Möglichkeiten der Kommunikation sinnvoll zu nutzen und auf die Bedürfnisse des Gegenübers einzugehen.
Milieu
Das Zusammenspiel von Milieu und Pflege ist essenziell. Eine angenehme und vertraute Umgebung kann das Wohlbefinden steigern und herausforderndes Verhalten reduzieren.
Biografie
Die Biografie des Betroffenen ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis seines Verhaltens. Kenntnisse über frühere Erfahrungen, Vorlieben und Abneigungen helfen, den Umgang zu erleichtern.
Körperpflege und Ernährung
Auch in den Bereichen Körperpflege und Ernährung gibt es viele Fehlerquellen. Es gilt, die Selbstständigkeit des Betroffenen zu fördern, seine Bedürfnisse zu respektieren und ihm eine angenehme Umgebung zu schaffen.
Lesen Sie auch: Problemlösung bei Razer Synapse
Herausforderndes Verhalten
Herausforderndes Verhalten ist oft ein Hilferuf. Es ist wichtig, die Ursachen zu erkennen und angemessen zu reagieren, um Eskalationen zu vermeiden.
Praktische Tipps für den Alltag
- Sprache: Sprechen Sie langsam und deutlich, verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe.
- Routinen: Halten Sie sich an vertraute Abläufe, wie Aufstehen, Frühstücken, Anziehen oder Duschen.
- Aktivitäten: Bauen Sie täglich Aktivitäten ein, die guttun, wie Spaziergänge oder soziale Kontakte.
- Angst: Bereiten Sie angstauslösende Aktivitäten behutsam und in kleinen Schritten vor.
- Tagesstruktur: Schaffen Sie eine klare Tagesstruktur mit Tageslicht, frischer Luft und festen Abläufen am Tag, Ruhe und gedimmtem Licht am Abend.
- Ernährung: Achten Sie auf feste Essenszeiten und eine ruhige Umgebung. Bieten Sie vertrautes Geschirr an.
- Sinnesüberlastung: Vermeiden Sie laute Geräusche, helles Licht oder intensive Düfte.
- Anziehen: Halten Sie das Angebot an Kleidung klein und leicht kombinierbar. Ermutigen Sie den Betroffenen, sich selbst anzuziehen.
- Erinnerungen: Halten Sie biografische Erinnerungen lebendig und vermeiden Sie vermeintliches „Gehirntraining“ durch regelmäßiges Abfragen.
Umgang mit spezifischen Verhaltensweisen
- Unverständliches Verhalten: In fehlenden Erinnerungen liegt häufig der Grund für unverständliches Verhalten. Versetzen Sie sich in die Welt des Betroffenen, um seine Handlungen zu verstehen.
- Wiederholungen: Menschen mit Demenz wiederholen oft Handlungen oder Aussagen. Bleiben Sie geduldig und versuchen Sie, die Ursache für das Verhalten zu erkennen.
- Unruhe: Unruhe kann verschiedene Ursachen haben, wie Schmerzen, Angst oder Langeweile. Versuchen Sie, die Ursache zu beheben oder den Betroffenen abzulenken.
- Aggression: Aggressives Verhalten ist oft ein Ausdruck von Überforderung oder Angst. Bleiben Sie ruhig und versuchen Sie, die Situation zu deeskalieren.
- Weglaufen: Menschen mit Demenz können den Drang verspüren, wegzulaufen. Sorgen Sie für eine sichere Umgebung und versuchen Sie, den Betroffenen nicht einzusperren.
Die Bedeutung der Selbstfürsorge
Die Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung. Es ist wichtig, dass Angehörige und Pflegekräfte auf ihre eigene Gesundheit achten und sich ausreichend Zeit für Erholung und Entspannung nehmen. Nur so können sie langfristig die notwendige Unterstützung leisten.
Expertenstandards und Weiterbildungen
Der Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz" bietet wichtige Aspekte für die erfolgreiche Umsetzung einer wertschätzenden und beziehungsorientierten Pflege. Weiterbildungen und Schulungen können helfen, das Wissen über Demenz zu vertiefen und den Umgang mit Betroffenen zu verbessern.
Momente des Glücks
Glück ist facettenreich und individuell. Menschen mit Demenz empfinden Glück wie jeder andere, manchmal sogar noch intensiver. Unterstützen Sie sie dabei, Glücksmomente zu erleben, indem Sie typische Verhaltensweisen positiv umlenken und das Wohlbefinden in den Alltag integrieren.
Sexualität und Demenz
Auch das Thema Sexualität sollte bei der Pflege von Menschen mit Demenz nicht vernachlässigt werden. Die eigene Identität gehört zum Leben dazu, und auch bei einer Demenzerkrankung erlischt die Persönlichkeit nicht vollkommen.
Lesen Sie auch: Umweltfaktoren bei Homosexualität