Das akinetisch-rigide Syndrom, auch bekannt als Parkinson-Syndrom, ist eine neurologische Erkrankung, die neben dem idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen auftreten kann. Klinisch bedeutsam ist das Parkinson-Syndrom vor allem bei der Multisystematrophie (MSA), der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikobasalen Degeneration (CBD). Diese Parkinson-Syndrome zeichnen sich durch eine sogenannte Parkinson-Plus-Symptomatik aus, bei der zusätzliche neurologische Zeichen neben den Hauptsymptomen Akinese, Rigor, Tremor und/oder posturaler Instabilität auftreten.
Ursachen des akinetischen Parkinson-Syndroms
Die Ursachen für das akinetische Parkinson-Syndrom sind vielfältig und können in primäre und sekundäre Formen unterteilt werden:
- Primäre Parkinson-Syndrome: Hierzu gehören Erkrankungen, bei denen keine spezifische Ursache gefunden werden kann oder bei denen eine genetische Veranlagung vorliegt. Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist die häufigste Form.
- Sekundäre oder symptomatische Parkinson-Syndrome: Diese entstehen als Folge anderer Erkrankungen oder Einflüsse, wie beispielsweise:
- Hirnentzündungen (Enzephalitis)
- Durchblutungsstörungen im Gehirn (Schlaganfall)
- Vergiftungen (z.B. Mangan, Kohlenmonoxid)
- Medikamente (z.B. Neuroleptika, Antiemetika, bestimmte Blutdrucksenker)
- Schädel-Hirn-Verletzungen
- Stoffwechselerkrankungen (z.B. Wilson-Krankheit)
- Neurodegenerative Erkrankungen (z.B. Multisystematrophie, progressive supranukleäre Blickparese, kortikobasale Degeneration, Lewy-Body-Demenz, Huntington-Krankheit)
Spezifische Parkinson-Plus-Syndrome
Im Folgenden werden einige der wichtigsten Parkinson-Plus-Syndrome näher betrachtet:
Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)
Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), auch bekannt als Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom, ist eine relativ häufige neurodegenerative Erkrankung, die durch ein Parkinson-Syndrom und eine supranukleäre Ophthalmoplegie mit vertikaler Blickparese gekennzeichnet ist. Die Prävalenz beträgt etwa 5-10 pro 100.000 Personen.
Symptome:
- Leitsymptomatik: Vertikale Blickparese (insbesondere nach unten) und symmetrisches Parkinson-Syndrom ohne Tremor, verbunden mit Fallneigung.
- Parkinson-Syndrom: Rigor (oft als Dystonie beschrieben), symmetrische Bradykinese, Stand- und Gangunsicherheit mit häufigen Stürzen (besonders nach hinten). Ruhetremor ist selten.
- Weitere Symptome (Parkinson-Plus): Pseudobulbärparalyse mit Dysarthrie und Dysphagie, Apraxie der Lidöffnung/des Lidschlusses, frontale Symptomatik (z.B. Apathie, Störung der Exekutivfunktionen).
- Demenz: Entwickelt sich bei mehr als 50 % der Patienten. Es handelt sich um eine subkortikale Demenz mit Bradyphrenie, Perseveration, Aufmerksamkeitsstörungen und Initiativlosigkeit. Kortikale Funktionen sind relativ intakt.
- Gangstörung: Gangstörung mit subjektivem „Schwindel“ und Stürzen ist das häufigste Initialsymptom bei der klassischen PSP, der Richardson-Variante.
- Gesichtsausdruck: Die Patienten weisen oft einen starren und erstaunten Blick auf, mit aufgerissenen Augen, retrahiertem Oberlid und Stirnfalten.
Diagnose:
Die Diagnose erfolgt klinisch und kann nur neuropathologisch gesichert werden. Die diagnostischen Kriterien sind im klinischen Alltag hilfreich als Orientierung, sie haben eine exzellente Spezifität, aber ihre Sensitivität ist für diejenigen PSP-Varianten sehr limitiert, die nicht der klassischen PSP-Erscheinung, dem Richardson-Syndrom, entsprechen. Deswegen wurden erweiterte diagnostische Kriterien entwickelt. Eine arterielle Hypertonie in der Vorgeschichte wurde im Unterschied zu anderen Parkinson-Syndromen als ein signifikanter Risikofaktor für die PSP beschrieben. Dies ist nach neuropathologisch gesicherten PSP-Fällen aber darauf zurückzuführen, dass subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathien (SAE) klinisch einer PSP gleichen können.
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- Bildgebung: In der kranialen Bildgebung zeigt sich eine Vergrößerung des 3. Ventrikels mit Erweiterung der Cisterna interpeduncularis und der Cisterna magna bei Mittelhirnatrophie („Mickey-mouse-Zeichen“). Das Kleinhirn ist in der Regel nicht atrophiert. Eher findet sich eine leichtgradige kortikale Atrophie mit frontotemporaler Betonung.
Therapie:
- Medikamentös: Dopaminergika erzielen bei der klassischen PSP-Form nur bei etwa 10 % der Patienten zu Beginn des Verlaufs eine bescheidene und kurz anhaltende Besserung. Dopaminagonisten und Cholinesterasehemmer sind nicht hilfreich.
- Botulinumtoxin: Kann bei fokalen Dystonien im Rahmen der PSP versucht werden (z.B. bei Blepharospasmus).
- Palliativ: Im Endstadium kann im Rahmen eines palliativen Settings wegen der Dysphagie eine perkutane Gastrostomie erwogen werden.
- Aktivierende Therapien: Sturzprophylaxe mit entsprechender Hilfsmittelversorgung.
Kortikobasale Degeneration (CBD)
Die kortikobasale Degeneration (CBD) oder kortikobasalganglionäre Degeneration ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die durch ein akinetisch-rigides Syndrom mit zusätzlichen kortikalen Zeichen gekennzeichnet ist. Die zugrunde liegende Pathologie ist nicht einheitlich, weswegen es günstiger ist, von einem kortikobasalen Syndrom zu sprechen.
Symptome:
- Beginn: Die Krankheit beginnt um das 60. Lebensjahr schleichend und bei über zwei Dritteln der Patienten ähnlich wie ein IPS mit einer ausgeprägten Seitenasymmetrie der hypokinetischen Symptomatik.
- Motorische Symptome: Asymmetrischer Halte- und Aktionstremor oder Myoklonien eines Armes, Kleinschrittigkeit, Starthemmung, Wendeschwierigkeiten und ausgeprägte Schwellenphänomene.
- Kortikale Symptome: Sensorische Symptome wie Astereognosie, gestörte Zweipunktediskrimination und Graphhypästhesie, Gefühl einer Ich-fremden Gliedmaße („Alien-limb-Phänomen“), okulomotorische Apraxie.
- Dystonie: Die Haltungsanomalie der Hand geht über die typische „Pillendreherform“ beim IPS hinaus und wird zu einer zunehmend fixierten, häufig schmerzhaften Beugedystonie.
Diagnose:
Die Diagnose erfolgt klinisch und basiert auf dem Vorliegen der typischen Symptome.
Therapie:
Die Behandlung der CBD ist symptomatisch und zielt darauf ab, die Beschwerden zu lindern. Medikamente, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können eingesetzt werden.
Demenz mit Lewy-Körperchen (DLK)
Die Demenz mit Lewy-Körperchen (DLK) ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Form der neurodegenerativen Demenz im Alter.
Symptome:
- Kognitive Störungen: Minderung kognitiver Leistungen mit auffälligen Schwankungen, Defizite im Benennen von Objekten, Wortflüssigkeit, optisch-räumliche Störungen und Exekutivfunktionen. Gedächtnisstörungen treten im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz zu Krankheitsbeginn meist nicht in Erscheinung.
- Neuropsychiatrische Symptome: Lebhafte, wiederkehrende oder anhaltende optische Halluzinationen, wahnhafte Überzeugungen, Antriebslosigkeit, Depression und Angst.
- Parkinson-Syndrom: Eine akinetisch-rigide Bewegungsstörung ist oft schon bei der Diagnosestellung vorhanden, entwickelt sich aber fast immer im Verlauf.
Diagnose:
Die klinischen Kennzeichen sind fortschreitende Demenz, Schwanken der kognitiven Leistungsfähigkeit, lebhafte optische Sinnestäuschungen und ein Parkinson-Syndrom.
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- Bildgebung: In der Magnetresonanztomographie (MRT) kann eine Atrophie in Caudatum, Putamen und Thalamus gefunden werden. In Abgrenzung zur Alzheimer-Demenz ist der Kortex wenig und insbesondere der mediale Temporallappen nicht atrophiert.
- Spezielle Untersuchungen: Dopamin-Transporter-SPECT, zerebrale Glukosestoffwechsel-PET, β-Amyloid-PET.
Therapie:
Die Behandlung der DLK muss kognitive Störungen, neuropsychiatrische Symptome und motorische Defizite gleichermaßen berücksichtigen.
Multisystematrophie (MSA)
Die Multisystematrophie (MSA) ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die durch eine Kombination von Parkinson-Symptomen, zerebellären Symptomen und autonomen Funktionsstörungen gekennzeichnet ist.
Symptome:
- MSA-P: Parkinson-Syndrom (Hypokinese, Rigor), das weniger asymmetrisch und weniger Levodopa-responsiv ist als bei der PK.
- MSA-C: Zerebelläre Symptomatik (Gangataxie, Extremitätenataxie, zerebelläre Okulomotorikstörungen, Dysarthrie, Intentionstremor).
- Vegetative Symptome: Harninkontinenz, erektile Dysfunktion, orthostatische Hypotension.
- Weitere Symptome: Dysarthrie, inspiratorischer Stridor, Dysphagie, Pyramidenbahnzeichen, Dystonien, REM-Schlaf-Verhaltensstörung.
Diagnose:
Die Diagnose erfordert mindestens ein Symptom der vegetativen Dysfunktion mit Ausschluss symptomatischer Ursachen. Weiterhin wird eine sporadische, progrediente Parkinson-Symptomatik (MSA-P) oder Ataxie (MSA-C) sowie mindestens ein weiteres MSA-typisches Symptom oder ein charakteristischer bildgebender Befund gefordert.
- Bildgebung: Atrophie in Putamen, mittlerem Kleinhirnstiel, Pons und Zerebellum im MRT, Hypometabolismus in Putamen, Hirnstamm oder Zerebellum im FDG-PET.
- MRT-Befunde: Kreuzförmige Hypointensität in Pons („hot cross bun“-Zeichen“) und ein hypointenses Putamen mit hyperintensem Randsaum (Putamen-Randzeichen).
Therapie:
- Medikamentös: Levodopa-Therapie kann die hypokinetisch rigide Symptomatik bei MSA-P verbessern. Bisher gibt es keine gut wirksame Behandlung für die Ataxie.
- Symptomatisch: Therapie der vegetativen Symptome.
- Weitere Maßnahmen: Logo-, ergo- und physiotherapeutische Maßnahmen.
Diagnose des Parkinson-Syndroms
Die Diagnose des Parkinson-Syndroms basiert in erster Linie auf einer sorgfältigen klinisch-neurologischen Untersuchung und Anamnese. Dabei werden die Kardinalsymptome Akinese, Rigor und Tremor beurteilt. Zusätzlich können bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Kernspintomographie des Gehirns sowie eine spezielle nuklearmedizinische Untersuchung (DAT-SPECT) zur Diagnosestellung beitragen. Der Sniffin-Test, bei dem der Patient Gerüche erkennen soll, kann ebenfalls eingesetzt werden.
Es ist wichtig, andere Ursachen für die Symptome auszuschließen (Differenzialdiagnose). Dazu gehören insbesondere sekundäre Parkinson-Syndrome, die durch Medikamente, Durchblutungsstörungen oder andere Grunderkrankungen verursacht werden können.
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Behandlung des Parkinson-Syndroms
Die Behandlung des Parkinson-Syndroms zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Medikamentöse Therapie:
- L-Dopa (Levodopa): Die Vorstufe von Dopamin, die im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird. L-Dopa lindert die Beschwerden am besten und ist das Medikament der ersten Wahl bei Patienten über 70 Jahren.
- Dopaminagonisten: Wirken ähnlich wie Dopamin und werden bei Patienten unter 70 Jahren eingesetzt, da sie möglicherweise den Nervenzelluntergang günstig beeinflussen.
- COMT-Hemmer: Verbessern die Wirksamkeit von Levodopa, indem sie dessen Abbau reduzieren.
- MAO-B-Hemmer: Steigern die Dopaminverfügbarkeit im Gehirn.
- NMDA-Antagonisten: Sollen das gestörte Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Botenstoffen im Gehirn verbessern.
- Anticholinergika: Sollen ebenfalls das gestörte Botenstoffgleichgewicht wiederherstellen, verbessern aber die Bewegungsarmut nur wenig.
Die Auswahl des geeigneten Medikaments oder der Medikamentenkombination hängt von der Schwere der Erkrankung, den Begleiterkrankungen und den bereits eingenommenen Medikamenten ab.
Nicht-medikamentöse Therapie:
- Physiotherapie: Fördert die Beweglichkeit, beugt Gelenkversteifungen und Stürzen vor.
- Ergotherapie: Hilft bei der Bewältigung konkreter Alltagsprobleme.
- Logopädie: Kann bei Sprech- und Schluckstörungen helfen.
- Psychotherapie: Kann bei Depressionen und Angstzuständen hilfreich sein.
Tiefe Hirnstimulation (Hirnschrittmacher):
Bei besonders schweren Fällen oder wenn eine ausreichende medikamentöse Therapie nicht möglich ist, kann eine tiefe Hirnstimulation in Betracht gezogen werden. Dabei werden Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, die elektrische Reize abgeben und so die Symptome lindern können.
Selbstmanagement und Unterstützung
Ein hohes Maß an Eigeninitiative, Mitarbeit und Verantwortungsbewusstsein seitens des Patienten ist notwendig, um das Voranschreiten der Krankheit möglichst lange hinauszuzögern. Regelmäßige Bewegung, die Einnahme der Medikamente und der Einsatz von Hilfsmitteln spielen dabei eine wichtige Rolle. Angehörige können den Patienten unterstützen, indem sie ihn in den Alltag einbeziehen, ihm Aufgaben übertragen und ihn bei der Bewältigung von Problemen helfen.
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