Aktion Demenz Vorarlberg: Informationen und Einblicke in eine Modellregion

Vorarlberg hat sich als Modellregion für österreichweite Projekte etabliert, was nicht zuletzt an der Überschaubarkeit der Region liegen dürfte. Die lokalen Strukturen sind transparent, und mit 60 Vereinen ist eine flächendeckende Hauskrankenpflege gewährleistet. Es gibt keine konkurrierenden Anbieter, sondern eine zentrale Institution, die durch ihre Dachorganisation in der Aktion Demenz vertreten ist. Kurze Wege sind charakteristisch - „drei Hierarchieschritte und man steht beim Landeshauptmann vor der Tür" - was die Initiierung und Umsetzung von Projekten erleichtern kann.

Zielsetzung und Ansatz der Aktion Demenz Vorarlberg

Im Rahmen von Aktion Demenz Vorarlberg steht die Entfachlichung im Vordergrund, mit dem Ziel, Demenz als gesamtgesellschaftliches Thema zu etablieren. Die Initiative legt Wert darauf, Elemente der Kunst und Kultur einzubeziehen, um Menschen anzusprechen und zu involvieren, die bisher nicht direkt betroffen sind. Die zentrale Aufgabe besteht darin, die Lebensbedingungen für Menschen mit Demenz zu verbessern und ihre Integration zu fördern.

Beteiligte Akteure und ihre Rollen

Die Initiative stützt sich auf eine breite Basis von Akteuren, die in einer Lenkungs- und einer Projektgruppe zusammenarbeiten.

Lenkungsgruppe:

  • Amt der Vorarlberger Landesregierung
  • ARGE Heim- und Pflegeleitungen
  • ARGE Mobile Hilfsdienste Vorarlberg
  • Bildungshaus Batschuns
  • Caritas Vorarlberg
  • connexia - Gesellschaft für Gesundheit und Pflege gem. GmbH

Projektgruppe:

  • Gerhard Amann, Dr. Bacher Gedächtnis-Therapiezentrum
  • Wolfgang Berchtel, SeneCura Laurentius-Park Bludenz
  • Mag. Harald Bertsch, Amt der Stadt Bludenz
  • Karl Bitschnau, Hospizbewegung Vorarlberg
  • Wolfgang Breuß, ARGE Mobiler Hilfsdienst Feldkirch
  • Alwin Ender, Seniorenhaus am See, Hard
  • Wilfried Feurstein
  • Ing. Franz Fischer, Landesverband Hauskrankenpflege Vorarlberg
  • Bruno Gamon, Amt der Stadt Feldkirch
  • Helmut Gerster, Seniorenbeirat des Landes Vorarlberg
  • Ilse Giesinger, Sozialzentrum Altach
  • Dorothee Glöckle, connexia - Gesellschaft für Gesundheit und Pflege
  • Waltraud Gollner, Amt der Vorarlberger Landesregierung
  • Peter Hämmerle, Amt der Vorarlberger Landesregierung
  • Mag. Martin Hebenstreit, connexia - Gesellschaft für Gesundheit und Pflege
  • Mag. Christian Hörl
  • Gabriela Jansen, ARGE Heim- und Pflegeleitungen
  • Alexandra Kargl, Amt der Stadt Bregenz
  • Armin Kloser, Sozialsprengel Hard
  • Mag. Christian Kopf, Bildungshaus Batschuns
  • Prim. Dr. Albert Lingg, Landeskrankenhaus Rankweil
  • Barbara Moser-Natter, Sozialdienste Wolfurt
  • Bgm. Werner Müller, Gemeinde Klaus
  • Jeannette Pamminger, connexia - Gesellschaft für Gesundheit und Pflege
  • Angelika Pfitscher, Bildungshaus Batschuns
  • Susanne Schmid, connexia - Gesellschaft für Gesundheit und Pflege
  • Norbert Schnetzer, connexia - Verein zur Förderung der Gesundheit und Pflege
  • StR Dr. Barbara Schöbi-Fink, Stadt Feldkirch
  • Dr. Thomas Wallner, Amt der Vorarlberger Landesregierung

Finanzierung und Laufzeit

Die Aktion Demenz wird durch öffentliche Mittel finanziert. Die Auftaktveranstaltung fand im April 2008 statt.

Aktivitäten und Inhalte der Initiative

Die Initiative umfasst vielfältige Aktivitäten und Inhalte, die darauf abzielen, das Thema Demenz in der Gesellschaft zu verankern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Zentrale Themen sind:

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  • Ethik und Demenz: Die Initiative betont, dass Heilen und Pflegen mehr bedeutet, als es starre Pflegenormen ausdrücken können. Es wird davor gewarnt, alle Lebensbereiche nur nach wirtschaftlichen Gesetzen zu gestalten, da dies wesentliche Aspekte des Lebens verfehlt.
  • Qualifizierung: Qualifizierung wird als grundlegendes Instrument zur Multiplikation des Themas Demenz angesehen.
  • Technologie und Demenz: Technik soll menschliche Zuwendung nicht ersetzen.

Zielgruppen und Ziele

Die Aktion Demenz nimmt die Interessen von direkt und indirekt von Demenz betroffenen Menschen wahr und vertritt diese. Sie gibt den Betroffenen eine „Stimme" und thematisiert ihre Situation. Ziel ist es, durch die Diskussion über bestehende und neue Versorgungsstrukturen Wege für alternative gesellschaftliche Innovationen zu eröffnen. Dabei geht es um die "Auffindung" vorhandener Alternativen im Alltag der Familien und Institutionen. Die Suche nach einer Verknüpfung von Institution und De-Institutionalisierung erfordert neue Ansätze.

Erfolge und Zukunftsplanung

Bisherige Erfolge umfassen eine hohe Akzeptanz der Initiative Aktion Demenz bei allen wesentlichen Systempartnern im Land Vorarlberg. Für die Zukunft sind weitere Kooperationen mit anderen Vereinen, Firmen etc. geplant.

Beispiele für Aktivitäten und Projekte

  • Frühstücksaktion für pflegende Angehörige: In Vorarlberg werden im Rahmen einer landesweiten Aktion rund 1000 pflegenden Angehörigen frische Brötchen direkt aus der Bäckerei überbracht. Diese Geste soll Dankbarkeit und Anerkennung für die wertvolle Arbeit zu Hause ausdrücken. Die Mitarbeiter sind meist direkt in das Familienleben und Geschehen miteingebunden. Es ist wichtig, den persönlichen Dank und die Anerkennung für die unbezahlbare Pflege an die daheim pflegenden Angehörigen auszurichten.
  • Aktion Demenz im Leiblachtal: Im Leiblachtal wurden über 90 Haushalte besucht, in denen Menschen in den eigenen vier Wänden gepflegt werden. Die Aktion wurde von der Bäckerei Mangold unterstützt. Für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen bietet die Aktion Demenz kostenlose, persönliche Beratungsgespräche an. Im Herbst startet eine Angehörigengruppe für pflegende Angehörige - für Menschen mit oder ohne Demenzerkrankung.
  • Kulturpaten: Viele Projekte, wie z.B. auch die Kulturpaten, basieren auf ehrenamtlichem Engagement. Es zeigt sich leider immer wieder, dass sich diese Projekte auflösen, wenn es keine professionelle Begleitung und Koordination gibt.
  • Mobile Ausstattung für Veranstaltungen: Die Gemeinden werden mit Materialien ausgestattet, eine mobile Ausstattung anzulegen, welche bedarfsorientiert von den Veranstaltern beim Pflegestützpunkt ausgeliehen werden kann: Geschirr für größere Veranstaltungen, Bastelmaterialien, eine umfangreiche Spielsammlung, Bibliothek zum Thema Demenz und ausreichend Materialien für künftige Biographiearbeiten sowie Sport- und Spielmaterialien für die Bewegungsangebote.
  • Frühstücksgruß im Lockdown 2020: Mitten im Lockdown 2020 wurden an die 300 pflegende Angehörige mit einem Frühstücksgruß der Aktion Demenz beliefert - eine Geste der Dankbarkeit für die wertvolle und unbezahlbare Arbeit, die täglich zu Hause geleistet wird.

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz der Erfolge gibt es weiterhin Herausforderungen:

  • Erhalt von Projekten nach Projektlaufzeit: Viele Projekte, die auf ehrenamtlichem Engagement basieren, lösen sich auf, wenn es keine professionelle Begleitung und Koordination gibt.
  • Öffnung der Akteure: Die Akteure, die Menschen mit Demenz im alltäglichen Leben begegnen, müssen noch viel offener werden, um das Ziel einer demenzfreundlichen Kommune zu erreichen.
  • Enttabuisierung: Die Enttabuisierung muss eher mit konkreten Beispielen und Angeboten im Stadtteil beginnen.
  • Bekanntheitsgrad der Angebote: Das Problem ist, dass der Bekanntheitsgrad dieser Angebote zu gering ist, sowohl in der Bevölkerung als auch in den Fachkreisen.
  • Unterstützung im Frühstadium der Demenz: Menschen im Frühstadium einer Demenzerkrankung benötigen in gewisser Weise eine Begleitung, Ansprechpersonen oder eine betreute Selbsthilfegruppe, um sich mit der neuen Lebenssituation auseinander zu setzen zu können. Dabei muss es sehr stark um den Erhalt der Autonomie gehen, die Erfüllung von Lebensträumen, die Vorsorge für später und die Gestaltung der Freizeit und die Knüpfung neuer Kontakte.
  • Einbeziehung von Menschen ohne Demenz im Umfeld: Es fehlt die Bereitschaft vieler Älterer, die bisher keinen Demenzkranken im Familien- oder Freundeskreis hatten, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Aspekte der Demenzfreundlichkeit

  • Begegnung auf Augenhöhe: Die Teilnehmer mit und ohne Demenz begegnen sich auf Augenhöhe. Die Menschen mit Demenz können sich als kompetent in der Weitergabe Ihrer Erinnerungen und fachlichen Kenntnisse erleben und die jüngeren Teilnehmer profitieren von den Augenzeugenberichten.
  • Normalität und Lebensfreude: Es sind Angebote notwendig, die Normalität und Lebensfreude in den Alltag der Betroffenen bringen.
  • Gemeinsamkeiten entwickeln: Wirkliche Verbesserungen für die Situation der Menschen mit Demenz können nur passieren, wenn Formen der Gemeinsamkeiten weiter entwickelt und ausgelebt werden.
  • Bürgermix: Es wird weiterhin an einem gesunden Bürgermix gearbeitet, d.h. soviel wie möglich Ehrenamtler und so wenig wie notwendig Hauptamtliche.

Beziehungsgestaltung in der Betreuung und Pflege

Der Pflegeexperte Christian Müller-Hergl betont die Bedeutung der Beziehungsgestaltung in der Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz:

  • Einblick in die Lebenswelt von Menschen mit Demenz
  • entspannte Alltagsgestaltung, sodass pflegerische Maßnahmen überhaupt zugelassen werden
  • vertrauensbildende Maßnahmen, welche die Begleitung betroffener Personen vereinfachen

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