Alexander von der Thannen und die Gesundheitsinitiativen in Ischgl nach dem Corona-Ausbruch

Ischgl, einst ein internationaler Corona-Hotspot, bemüht sich nun um das Image einer der "sichersten Destinationen" für Winterurlauber. Alexander von der Thannen, Obmann des Tourismusverbands Paznaun-Ischgl, erläutert im Gespräch mit FOCUS Online, wie sich die Region auf die neue Saison vorbereitet und aus den Fehlern der Vergangenheit lernt.

Ischgls Vorbereitung auf die Wintersaison mit neuen Sicherheitsmaßnahmen

Am 26. November 2020 sollte die neue Skisaison in Ischgl starten. Um ein erneutes Corona-Desaster zu verhindern, wurden umfassende Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Eindämmung des "Party-Tourismus"

Das traditionelle "Top of the Mountain"-Konzert zum Saisonstart fand nicht statt, ebenso wenig wie Après-Ski-Partys in Bars und Clubs, um große Menschenansammlungen zu vermeiden. Gewollt sind Wintersportler, die in Ischgl länger als nur einen Tag bleiben. Rund 12.000 Betten kann der Ort für Übernachtungen anbieten, viele davon im gehobenen 4-5 Sterne Segment.

Corona-Tests für Mitarbeiter und Urlauber

Alle Hotel- und Restaurantmitarbeiter mussten mit einem negativen Covid-19-Test anreisen oder wurden vor Saisonstart getestet. Während der Saison gab es laufende Testmöglichkeiten für Mitarbeiter. Den Gästen wurde empfohlen, bereits beim Check-In ein negatives Testergebnis (nicht älter als 72 Stunden) vorzuweisen. Es gab eine freiwillige Testmöglichkeit in der örtlichen Gäste-Screeningstation, Temperaturmessungen und einen Fragebogen.

Desinfektion und Schutzmaßnahmen im Skigebiet und in öffentlichen Verkehrsmitteln

Seilbahnkabinen wurden laufend mit Kaltvernebelungsgeräten desinfiziert, um Viren, Bakterien und Sporen zu eliminieren. Dieselbe Methode wurde in Skibussen, Sportshops, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskabinen und Erste-Hilfe-Stationen angewendet. Skiurlauber mussten in Sesselbahnen und Liften einen Mund-Nasenschutz tragen. Die Silvrettaseilbahn AG verteilte 600.000 Multifunktionstücher als kostenlose Zugabe beim Kauf eines Skipasses. Sicherheitsabstände wurden in Anstehbereichen und Skihütten eingehalten, und die Gästezahl in Lokalen wurde bei Bedarf limitiert.

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Früherkennung potenzieller Infektionen

In Zusammenarbeit mit der Tiroler Landesregierung und der Universität Innsbruck wurden laufend Abwassertests durchgeführt, um mögliche Infektionen frühzeitig zu erkennen.

Die Bemühungen des Tourismusverbands Paznaun-Ischgl

Alexander von der Thannen betonte, dass die Gesundheit der Gäste, Mitarbeiter und Einheimischen oberste Priorität habe. Gemeinsam mit Fachleuten und Institutionen wurde sich intensiv auf die neue Saison vorbereitet. Der Tourismusverband Paznaun-Ischgl führte Befragungen von Einheimischen, Gästen und Mitarbeitern durch, um die Wünsche für eine erfolgreiche Zukunft des Tourismus zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigten eindeutige Trends in Richtung "Mehr Qualität". Über 90% der Befragten gaben an, dass der Tourismus eine große wirtschaftliche Bedeutung hat, attraktive Arbeitsplätze bietet, wichtige Einrichtungen und Infrastrukturmaßnahmen bringt sowie positiv zur Lebensqualität beiträgt.

Die juristische Aufarbeitung der Ereignisse im Frühjahr 2020

Die katastrophalen Zustände im Frühjahr 2020 wurden noch nicht vollständig aufgearbeitet. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt wegen möglicher Fehler der Behörden, die das Corona-Risiko unterschätzt oder ignoriert haben sollen. Der Verbraucherschutzverein VSV reichte Muster-Klagen gegen die Republik Österreich und das Land Tirol ein, um Schadenersatz und die Anerkennung von Folgeschäden zu fordern. Etwa 1000 betroffene Urlauber wollten sich den Klagen anschließen.

Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und zukünftige Herausforderungen

Die Pandemie hat Ischgl und das ganze Paznauntal schwer getroffen. Die Übernachtungszahlen brachen in der Wintersaison komplett ein. Der exzessive Partytourismus soll eingedämmt werden, und man setzt auf Wintersportler, die länger bleiben. Die steigenden Energiepreise und der Krieg in der Ukraine wirken sich ebenfalls auf die Gewinne aus. Spürbar ist auch das Wegbleiben russischer Gäste. Gastwirt Walter Wagner rechnet mit steigenden Übernachtungspreisen und betont die Notwendigkeit von mehr Nachhaltigkeit im Tourismus.

Die Adlerrunde und ihre Rolle in Ischgl

Die Berichterstattung über die Vorgänge in Ischgl wirft ein Schlaglicht auf die Adlerrunde, ein informelles Entscheidungsgremium, in dem Politiker mit Wirtschaftstreibenden und Akademikern zusammen sitzen. Diese Verquickung von wirtschaftlichen und politischen Interessen mag erklären, warum man in Ischgl bis zum letztmöglichen Moment den Betrieb aufrechterhalten wollte.

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Die Verantwortung der Behörden und die Kritik des Verbraucherschützers Peter Kolba

Verbraucherschützer Peter Kolba kritisiert das Zaudern der Behörden und betont, dass der Gesundheitsminister hätte eingreifen müssen. Er wirft den Tiroler Behörden und den Hoteliers und Liftbetreibern vor, keine Erfahrung mit Pandemien gehabt zu haben, will ihnen aber keine mildernden Umstände anrechnen.

Die Klagen der Corona-Opfer und die Rolle der Justiz

Gabriela N. klagte vor dem Wiener Landgericht auf Schadenersatz, weil sie nach einer Infektion in Ischgl unter Long Covid leidet. Sie wirft dem Hotel "Trofana" vor, Corona-Fälle verschwiegen zu haben. Das Oberlandesgericht Wien befand, dass der Staat "rechtswidrig und schuldhaft" falsch über die Ausbreitung des Virus in den Ischgler Après-Ski-Lokalen informiert habe.

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