Eine Demenzdiagnose stellt Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Der Wunsch nach Selbstständigkeit und einem Leben in den eigenen vier Wänden bleibt jedoch oft bestehen. Dieser Artikel gibt Ihnen Tipps und Strategien an die Hand, wie ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben mit Demenz zu Hause gelingen kann.
Einleitung
Viele ältere Menschen verbinden mit ihrer Wohnung jahrzehntelange Erinnerungen und ein Gefühl von Sicherheit. Die Diagnose Demenz wirft oft die Frage auf, ob ein Umzug in ein Pflegeheim unumgänglich ist. Glücklicherweise können viele Betroffene, insbesondere im Frühstadium, noch jahrelang in ihrer gewohnten Umgebung leben, solange die notwendige Unterstützung gewährleistet ist.
Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben mit Demenz
Damit ein Mensch mit Demenz möglichst lange und selbstbestimmt allein leben kann, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen:
- Offener Umgang mit der Erkrankung
- Aufmerksames Umfeld
- Funktionierendes soziales Netzwerk
- Sichere und demenzgerecht gestaltete Wohnsituation
Offener Umgang mit der Erkrankung
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass der Betroffene seine Erkrankung und die damit einhergehende Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit akzeptiert. Viele Betroffene verschweigen ihre zunehmende Vergesslichkeit und Ängste aus Furcht vor einem Umzug ins Altersheim. Ein offener Umgang mit der Demenz erleichtert es dem Umfeld jedoch, Hilfe zu leisten, wenn der Betroffene sich nicht zurechtfindet. Dies könnte beispielsweise eine unauffällige Einkaufsbegleitung sein. Ein sensibilisiertes Umfeld kann dort helfen, wo es nötig scheint.
Aufmerksames Umfeld
Das Umfeld des Demenzkranken sollte sensibilisiert werden, um dem Betreffenden eine sichere Orientierung zu bieten, damit er weiterhin gut alleine zu Hause leben kann. Menschen mit einer Demenz benötigen vor allem eine sichere, Orientierung bietende Umgebung, die es ihnen ermöglicht, sich weitgehend selbstständig und stressfrei in ihrem vertrauten Umfeld zu bewegen. Trotz aller mit der Erkrankung verbundenen Herausforderungen gibt es viele Dinge, die sie noch gut beherrschen, vor allem in ihrem gewohnten Lebensumfeld.
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Funktionierendes soziales Netzwerk
Ein stabiles soziales Netzwerk ist essenziell. Wenn das soziale Netz tragfähig ist, können dement werdende Menschen gut allein leben. Nachbarn, Freunde, Familie und ehrenamtliche Helfer können eine wichtige Rolle spielen, indem sie regelmäßige Besuche abstatten, bei Einkäufen helfen oder einfach nur für ein Gespräch zur Verfügung stehen.
Sichere und demenzgerecht gestaltete Wohnsituation
Die Wohnsituation sollte sicher und demenzgerecht gestaltet sein. Dies bedeutet, Stolperfallen zu beseitigen, für gute Beleuchtung zu sorgen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen im Wohnraum vorzunehmen.
Hilfreiche Tipps und Strategien für den Alltag
Der Alltag mit Demenz kann herausfordernd sein, aber mit den richtigen Strategien lassen sich viele Situationen meistern. Hier sind einige Tipps, die den Alltag erleichtern können:
Orientierungshilfen schaffen
- Kalender in Großbuchstaben: Ein großer, übersichtlicher Kalender hilft bei der Orientierung im Tagesablauf.
- Strukturierte Tagespläne: Ein strukturierter Tagesplan mit Terminen gibt dem Tag eine klare Struktur.
- Jahreszeitliche Dekoration: Jahreszeitliche Dekorationen können helfen, sich im Jahresverlauf zu orientieren.
- Demenz-Uhr: Eine digitale Uhr, die Wochentag, Datum und Uhrzeit in Großbuchstaben und -zahlen anzeigt, kann eine wertvolle Orientierungshilfe sein.
- Piktogramme: Wenn die räumliche Orientierung nachlässt, können Piktogramme an Türen und Schränken helfen, sich zurechtzufinden.
Sicherheit gewährleisten
- Hausnotruf: Ein Hausnotrufsystem ist unerlässlich, um im Notfall schnell Hilfe rufen zu können. Dem Betroffenen sollte immer wieder erklärt werden, wofür der rote Knopf am Handgelenk da ist.
- Herdabschaltautomatik: Der Herd sollte idealerweise nicht mehr betriebsbereit sein oder über eine Abschaltautomatik verfügen.
- Gefahrenherde beseitigen: Alle als Gefahrenherde einzustufenden Gegenstände wie Föhn, Wasserkocher und Kaffeemaschine sollten sich automatisch abschalten lassen oder nach und nach aus dem Haushalt entfernt werden.
- Reinigungsmittel sicher aufbewahren: Reinigungsmittel und ähnliche Substanzen sollten in einem verschlossenen Schrank gelagert werden, zu dem nur die Haushaltshilfe Zugang hat.
- Stolperfallen beseitigen: Lose Teppiche und Fußmatten sollten entfernt werden, um die Sturzgefahr zu minimieren. Ein schmaler Rollator für den Wohnraum kann ebenfalls das Risiko von Stürzen mindern.
- Beleuchtung optimieren: Für eine gute Beleuchtung sorgen, um die Sturzgefahr zu reduzieren.
- Spiegel vermeiden: Einen fatalen Fehler begeht, wer gegenüber einer Tür einen großen Garderobenspiegel platziert. Der Demenzkranke erkennt sein eigenes Abbild im Spiegel nicht. Er meint, jemand sei im Bad oder Wohnzimmer und ängstigt sich, weil er ihn nicht kennt.
- Haustür sichern: Haustürschlösser sichern, Haustür „tarnen“ (etwa mit einem Vorhang).
Alltag strukturieren
- Feste Tagesstruktur: Menschen mit Demenz brauchen eine klare Tagesstruktur mit festen Tagesabläufen, Ritualen und einfachen Regeln. Das schafft Orientierung und Sicherheit. Aktivitäten oder Aufgaben sollten jede Woche am selben Tag zur selben Zeit stattfinden.
- Routinen beibehalten: Routinen und Gewohnheiten können Sicherheit geben, aber es ist wichtig, zu prüfen, ob sie noch zum Wohlbefinden des Betroffenen beitragen.
Unterstützung in Anspruch nehmen
- Lieferdienste: Lieferdienste wie „Essen auf Rädern“ stellen sicher, dass die Betroffenen nicht mehr kochen müssen.
- Haushaltshilfe: Eine Haushaltshilfe sorgt für Sauberkeit und Ordnung.
- Alltagsbetreuung: Eine sozial engagierte Studentin oder ein ehrenamtlicher Helfer kann als Alltagsbetreuer fungieren und gemeinsame Kaffeestunden genießen, Arztbesuche begleiten oder Einkäufe erledigen.
- Ambulante Betreuungsdienste: Über die Pflegekassen können, neben der ambulanten Pflege, auch ambulante Betreuungsleistungen abgerechnet werden. Diese können von einem ambulanten Pflegedienst oder einem ambulanten Betreuungsdienst erbracht werden. Ambulante Betreuungsdienste geben Hilfestellungen bei der Gestaltung des Alltags, im Haushalt sowie bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und sozialer Fähigkeiten.
- Tagespflege: Mehrmals pro Woche die Betreuung in einer Tagespflegeeinrichtung oder einer Demenzgruppe in Anspruch nehmen. In der gewonnenen Zeit nicht nur den Haushalt „schmeißen“, sondern auch ganz bewusst etwas für sich selbst tun!
- Ehrenamtliche Hilfe: Ehrenamtliche, die sich mit Demenzkranken auskennen, finden sich in Vereinen oder Kirchengemeinden.
- Pflegedienst: Professionelle ambulante Hilfe ermöglicht es alleinlebenden Menschen mit Demenz länger zu Hause zu bleiben und pflegende Angehörige zu entlasten. Dadurch gewinnen Angehörige Zeit, um beruflichen Tätigkeiten nachzugehen, Einkäufe zu erledigen oder sich auch einfach zu erholen.
Kommunikation und Interaktion
- Einfache Sprache: Sprechen Sie langsam, in kurzen Sätzen und in einfachen Worten.
- Gefühle respektieren: Gehen Sie unbedingt auf die Gefühle und Bedürfnisse der demenzerkrankten Person ein.
- Vorwürfe vermeiden: Für einen Demenzerkrankten ist es schwierig genug, seine Krankheit zu akzeptieren.
- Ablenkung: Um aus schwierigen Situationen herauszukommen, sollten Sie den Betroffenen ablenken.
- Musik: Musik kann eine positive Wirkung haben und Erinnerungen wecken. Playlisten mit den Lieblingsliedern der Betroffenen aus dem jungen Erwachsenenalter sind unheimlich wertvoll. Viele Menschen, die vorher gar nicht gesprochen haben, kamen durch die Musik wieder mit ihren Angehörigen ins Gespräch.
- Beschäftigung: Geben Sie lösbare Aufgaben und beschäftigen Sie den Betroffenen. Auch Menschen mit Demenz möchten das Gefühl haben, gebraucht zu werden und etwas zu können.
Finanzielle Unterstützung
- Pflegegeld: Menschen mit Demenz, die zu Hause von ihren Angehörigen versorgt werden und mindestens in den Pflegegrad 2 eingestuft sind, haben Anspruch auf Pflegegeld.
- Entlastungsleistungen: Für Menschen mit Demenz gibt es verschiedene Möglichkeiten, um trotz eines wachsenden Unterstützungsbedarfs weiterhin im Alltag aktiv zu sein. Über die Pflegekassen können, neben der ambulanten Pflege, auch ambulante Betreuungsleistungen abgerechnet werden. In erster Linie sind für die Finanzierung die Entlastungsleistungen in Höhe von 131 Euro monatlich vorgesehen.
- Wohnraumanpassung: Die Krankenkassen unterstützen notwendige Wohnraumanpassungen mit jährlichen Zuschüssen.
Umgang mit schwierigem Verhalten
- Verständnis zeigen: Zeigen Sie Verständnis und versuchen Sie herauszufinden, was hinter Verhaltensänderungen steckt. Nehmen Sie Anfeindungen, Beleidigungen oder Beschuldigungen nicht persönlich.
- Nicht diskutieren: Es bringt nichts, mit dem Demenzerkrankten darüber zu diskutieren, wo der Geldbeutel sein könnte oder wer Recht hat. Auch Kritik ist fehl am Platz.
- Angstzustände ernst nehmen: Angstzustände bei Demenz sollten unbedingt ernst genommen werden. Es ist wichtig, herauszufinden, was beziehungsweise welche Situationen beim Betroffenen Angst auslösen.
- Wahnvorstellungen: Wer sich in die Lage eines Demenzerkrankten versetzt, kann diese Gefühle besser nachvollziehen: Nichts im Alltag scheint zu funktionieren, manche Dinge scheinen unauffindbar und man weiß nicht mehr, wo der Partner hingegangen ist.
- Halluzinationen: Betreuende sollten zunächst versuchen herauszufinden, was die Situationen hervorruft. Manchmal hilft es schon, störende Geräusche wie Fernseher oder Radio auszuschalten, Spiegel abzuhängen oder die Beleuchtung zu ändern.
- Schreien: Akzeptieren Sie es, wenn der Demenzerkrankte keinen Körperkontakt wünscht. Schreien bei Demenz kann enorm belastend für die Angehörigen, aber auch für alle anderen Mitmenschen sein. Die Gründe für das Schreien bei Demenz können sehr vielfältig sein. Menschen mit Demenz schreien, wenn sie sich nicht mehr mitteilen können, aber dennoch auf sich aufmerksam machen wollen - zum Beispiel, weil sie Schmerzen, Hunger oder Durst haben, sich einsam fühlen oder wütend sind.
Rechtliche Aspekte
Bei einer Demenz stellen sich viele rechtliche und finanzielle Fragen, die für die Zukunft geregelt werden müssen. Das beginnt bei der Ausübung des Berufs, geht über Alltägliches wie das Autofahren, die Vorsorgevollmacht bis hin zur Geschäftsfähigkeit. Ist der Demenzerkrankte irgendwann nicht mehr in der Lage, Entscheidungen für sich selbst zu treffen, müssen Sie als Angehörige dies oft in seinem Namen tun. Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt, wenden sich Betroffene und Angehörige an das örtliche Betreuungsgericht, um den gesetzlichen Betreuer zu bestimmen.
Wann ist ein Umzug ins Pflegeheim unumgänglich?
Auch wenn alle Hilfestellungen ausgeschöpft sind, kann es einen Punkt geben, an dem der Kranke für sich und/oder andere zur Gefahr wird. In solchen Fällen ist es wichtig, die Situation neu zu bewerten und gegebenenfalls einen Umzug in ein Pflegeheim in Betracht zu ziehen. Dies ist ein schwerer Schritt, der jedoch zum Wohle aller Beteiligten notwendig sein kann.
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Angehörige entlasten
Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die oft mit Überforderung einhergeht. Es ist daher wichtig, dass Angehörige auf sich selbst achten und sich Entlastung suchen:
- Pflegeberatung: Erste Anlaufstelle sind die gesetzlichen Pflegekassen beziehungsweise privaten Pflegeversicherungen und Beratungsstellen.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen pflegenden Angehörigen ist sehr wichtig, um sich auszutauschen, Fragen zu stellen, "Wie machst Du das?", "Wie hast Du das geregelt?" Das ist echt ne große Unterstützung.
- Psychologische Hilfe: Wenn Sie sich überfordert und hilflos fühlen, holen Sie sich professionelle Hilfe.
- Auszeiten nehmen: Man soll sich Auszeiten nehmen, Hilfe in Anspruch nehmen. Das sind wichtige Punkte - dann klappt das auch.
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