Alzheimer-Impfung: Risiken und Chancen

Die Alzheimer-Krankheit stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Weltweit sind Millionen Menschen betroffen, und die Suche nach wirksamen Präventions- und Behandlungsmethoden ist von höchster Dringlichkeit. In den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend die Rolle von Impfungen bei der Reduzierung des Demenzrisikos in den Fokus gerückt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse, potenziellen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Alzheimer-Impfungen.

Impfungen und Demenzrisiko: Ein Überblick

Mehrere epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Impfungen das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, senken könnten. Insbesondere Impfungen gegen Gürtelrose (Herpes Zoster), Tetanus-Diphtherie-Pertussis (Tdap) und Pneumokokken wurden in diesem Zusammenhang untersucht.

Gürtelrose-Impfung und Demenzprävention

Eine britische Studie, veröffentlicht im Fachjournal "Nature", untersuchte, inwiefern die Gürtelrose-Impfung gegen das Varizella-Zoster-Virus vor Demenz schützt. Die Studie umfasste zwei Personengruppen aus Wales, die über sieben Jahre beobachtet wurden. Eine Gruppe wurde gegen Gürtelrose geimpft, die andere nicht. Das Ergebnis: Diejenigen, die geimpft waren, hatten ein um bis zu 20 Prozent geringeres Risiko, im weiteren Verlauf ihres Lebens an Demenz zu erkranken.

Eine weitere Studie aus Wales nutzte die Tatsache, dass die HZ-Impfung im Jahr 2013 eingeführt wurde, nur bei Personen erfolgte, die nach dem 02.09.1933 geboren waren. Während der 7-jährigen Follow-up-Dauer senkte die HZ-Impfung das Risiko einer neuen Demenz-Diagnose signifikant um 3,5 %, was einer relativen Risiko-Reduktion von 20,0 % (95%KI [6,5;33,4]) entsprach.

Weitere Impfungen und Alzheimer-Risiko

Eine retrospektive Kohortenstudie ging anhand von Daten der anonymisierten „Clinformatics“-Patientendatenbank (n= 1.651.991) dieser Frage nach. Verglichen wurden für jede der Impfungen (gegen Tdap, HZ- oder Pneumokokken) je zwei Kohorten, eine geimpfte und eine ungeimpfte. Im Ergebnis kam es bei Menschen, die eine der Impfung erhalten hatten, im Vergleich zu den jeweils nicht Geimpften signifikant seltener zur Erstmanifestation einer Alzheimer-Erkrankung. Bei den gegen Tetanus-Diphtherie-Pertussis Geimpften waren es 7,2 % (n=8.370) gegenüber 10,2 % (n=11.857) derjenigen, die diese Impfung nicht erhalten hatten (RR 0,7), bei der Impfung gegen Herpes zoster waren es 8,1 % (n=16.106) versus 10,7 % (n=21.273) (RR 0,75) und bei der Impfung gegen Pneumokokken 7,92 % (n=20.583) versus 10,9 % (n=28.558) (RR 0,73).

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Mögliche Mechanismen der Schutzwirkung

Die genauen Mechanismen, durch die Impfungen das Demenzrisiko senken könnten, sind noch nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch verschiedene Hypothesen:

  • Reduktion von Infektionen: Verschiedene bakterielle und virale Infektionen können das Demenzrisiko erhöhen, indem sie Neuroinflammation, Neurodegeneration sowie Amyloid- und Tau-Ablagerungen fördern. Impfungen können vor diesen Infektionen schützen und somit indirekt das Demenzrisiko senken.
  • Immunmodulation: Impfungen könnten das Immunsystem so stimulieren, dass es vor Entzündungen im Gehirn schützt. Frühere Untersuchungen zeigten, dass abgeschwächte Lebendimpfstoffe breitere Immunantworten im Körper auslösen können als Totimpfstoffe. Dadurch wird nicht nur gezielt das Virus bekämpft, sondern es werden sekundäre Off-Target-Effekte erzeugt.
  • Verringerter Opioidgebrauch: Studien haben gezeigt, dass Personen mit erheblichem Opioidgebrauch Veränderungen im Gehirn im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit aufweisen. Die Gürtelrose-Impfung könnte durch die Verhinderung von Gürtelrose-bedingten Schmerzen den Bedarf an Opioiden reduzieren und somit das Demenzrisiko senken.
  • Direkte Wirkung auf das Varizella-Zoster-Virus: Das Varizella-Zoster-Virus wird mit der Ablagerung von Amyloid-β und Tau sowie mit Gefäßschäden, die mit Alzheimer in Verbindung stehen, assoziiert. Wird das Virus durch die Impfung weniger oft reaktiviert, könnte so das Demenzrisiko verringert werden.

Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen

Wie bei allen medizinischen Interventionen sind auch mit Impfungen gewisse Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören lokale Reaktionen an der Injektionsstelle (Schwellungen, Rötungen, Schmerzen) sowie systemische Reaktionen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Fieber. In seltenen Fällen können schwerwiegendere Komplikationen auftreten.

Im Fall der COVID-19-Impfung zeigte eine Studie, dass nach der ersten Impfung vor allem lokale Nebenwirkungen bei den mRNA-Impfstoffen BioNTech/Pfizer und Moderna auftraten, während systemische Nebenwirkungen bei dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca häufiger und schwerer waren. Nach der zweiten Dosis nahm jedoch die Häufigkeit systemischer Nebenwirkungen ab, wenn AstraZeneca verabreicht wurde. Weitere Analysen zeigten eine Tendenz zu lokalen und systemischen Nebenwirkungen bei Studienteilnehmenden die jünger als 45 Jahre waren. Außerdem meldeten weibliche Teilnehmerinnen vermehrt Nebenwirkungen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Vorteile von Impfungen in der Regel die Risiken überwiegen, insbesondere bei älteren Menschen und Risikogruppen. Vor einer Impfung sollte immer eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung durch einen Arzt erfolgen.

Aktuelle Impfempfehlungen in Deutschland

In Deutschland werden bestimmte Impfungen für ältere Menschen und Risikogruppen empfohlen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt unter anderem:

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  • Grippeimpfung: Jährliche Impfung für alle Personen ab 60 Jahren sowie für Risikogruppen.
  • Pneumokokken-Impfung: Standardimpfung für alle Personen ab 60 Jahren sowie für Risikogruppen.
  • Gürtelrose-Impfung: Seit 2018 empfiehlt die STIKO den adjuvantierten Herpes-Zoster-Subunit-Totimpfstoff (Shingrix®) als Standardimpfung für alle Personen ≥ 60 Jahren und für Risikogruppen ab 50 Jahren.

Angesichts der neuen Studienergebnisse sollten die Impfempfehlungen auch in Deutschland überdacht werden, urteilen Forscher.

Herausforderungen und zukünftige Forschung

Obwohl die bisherigen Ergebnisse vielversprechend sind, gibt es noch einige Herausforderungen und offene Fragen:

  • Kausaler Zusammenhang: Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die beobachteten Zusammenhänge zwischen Impfungen und reduziertem Demenzrisiko tatsächlich kausal sind oder ob andere Faktoren eine Rolle spielen.
  • Wirkmechanismen: Die genauen Mechanismen, durch die Impfungen das Demenzrisiko senken könnten, müssen noch weiter erforscht werden.
  • Impfstofftypen: Es ist unklar, ob bestimmte Impfstofftypen (z.B. Lebendimpfstoffe vs. Totimpfstoffe) einen größeren Schutzeffekt bieten als andere.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede: Einige Studien deuten darauf hin, dass der Schutz vor Demenz durch Impfungen bei Frauen stärker ausgeprägt sein könnte als bei Männern. Die Ursachen für diese Unterschiede müssen noch geklärt werden.

Zukünftige Forschung sollte sich auf die Durchführung großer, randomisierter, kontrollierter Studien konzentrieren, um die Wirksamkeit von Impfungen bei der Demenzprävention zu bestätigen und die zugrunde liegenden Mechanismen aufzuklären.

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