Die Alzheimer-Krankheit, eine der häufigsten Ursachen für Demenz, betrifft Millionen von Menschen weltweit. Obwohl intensive Forschungsbemühungen unternommen werden, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und wirksame Therapien zu entwickeln, bleibt die Krankheit eine große Herausforderung für die Gesellschaft und die Forschung. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Erkenntnisse über Alzheimer, einschließlich neuer Forschungsergebnisse zu prionenartigen Verhalten von Amyloid-beta-Proteinen, Fortschritten bei der Früherkennung und potenziellen Therapieansätzen.
Alzheimer und Prionen: Eine unerwartete Ähnlichkeit
Ein internationales Forscherteam hat in einer Studie an genetisch veränderten Mäusen, die im Alter zu einer alzheimerähnlichen Krankheit neigen, gezeigt, dass sich die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen im Gehirn ähnlich wie Prionen verhalten können. Wurde diesen Tieren ein Extrakt aus Gehirngewebe verstorbener Alzheimerpatienten direkt ins Gehirn injiziert, entwickelten sie bereits nach wenigen Wochen ebenfalls die typischen Ablagerungen. Die verabreichten Plaque-Proteine aus dem Gehirngewebe fungieren demnach als eine Art Keim, um den herum sich die neuen Ablagerungen bilden - genauso, wie sich bei Krankheiten wie BSE rund um die infektiösen Erregereiweiße weitere Prionproteine anlagern. Im Gegensatz zu den Prionenerkrankungen gibt es jedoch bei Alzheimer bislang keinen Hinweis darauf, dass die Krankheit übertragbar ist, berichten die Forscher.
Bei der Alzheimer-Krankheit bilden sich im Gehirn der Betroffenen falsch gefaltete Versionen eines körpereigenen Proteins namens Amyloid-beta oder kurz Abeta. Diese Eiweißfragmente lagern sich zusammen und zerstören mit der Zeit die Nervenzellen und ihre Kontaktstellen im Gehirn. Die neuen Ergebnisse von Mathias Jucker von der Universität Tübingen und seinen Kollegen deuten nun sogar darauf hin, dass die Ähnlichkeiten noch viel ausgeprägter sind als bislang angenommen. Wie die Mäusetests mit den Gehirnextrakten zeigen, kann auch das Abeta-Protein die Plaquebildung auslösen, wenn es von außen zugeführt wird - ebenso, wie es Prionen tun. Wird das Protein dagegen biochemisch oder chemisch aus den Extrakten entfernt, verliert die Mischung die Fähigkeit, die Ablagerungen zu verursachen.
Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Infektion durch die prionartigen Eigenschaften von Abeta als extrem unwahrscheinlich gilt, erhofft sich Jucker von den neuen Ergebnissen weitere Erkenntnisse darüber, wie die Alzheimerkrankheit entsteht.
Die wachsende Herausforderung: Psychische und neurologische Störungen
Millionen Bundesbürger leiden unter psychischen und neurologischen Störungen. Weltweit ist sogar gut eine Milliarde Menschen betroffen. Experten gehen davon aus, dass die Zahlen weiter steigen. Ihre Versorgung ist eine Herausforderung für die Gesellschaft und für die Forschung, denn neue effektive Therapien für bislang nicht heilbare Leiden wie Alzheimer, Parkinson oder multiple Sklerose sind dringend erforderlich. Ursachen und Krankheitsmechanismen werden dank intensiver Forschungsbemühungen mehr und mehr verstanden. Das eröffnet Ansatzpunkte für die Therapie. Doch immer wieder muss die Wissenschaft auch Rückschläge hinnehmen.
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Die Erkrankungen verursachen nicht nur großes menschliches Leid, sondern auch enorme volkswirtschaftliche Kosten. So beliefen sich nach Berechnungen des statistischen Bundesamts die durch „Krankheiten des Nervensystems“ bedingten Kosten im Jahr 2008 auf gut 12,5 Milliarden Euro. Mit weiteren knapp 28,7 Milliarden Euro schlugen „psychische und Verhaltensstörungen“ zu Buche. Davon wurden allein 9,4 Euro für Demenzerkrankungen ausgegeben. Und die Kosten werden weiter steigen, da sind sich die Fachleute einig. Denn viele Krankheiten des Gehirns sind Krankheiten des Alters. So beginnt der Morbus Parkinson in der Regel zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr. Demenzen treten meist erst ab dem 65. Geburtstag auf, doch danach nimmt die Erkrankungswahrscheinlichkeit mit jedem weiteren Lebensjahr zu, ab 80 sprunghaft. Da die Lebenserwartung steigt, wird es immer mehr ältere Menschen geben - und damit auch mehr Demenzpatienten. 1,3 Millionen sind es aktuell in Deutschland. 2050 könnten es nach Vorausberechnungen 2,6 Millionen sein. Diese zumeist pflegebedürftigen Menschen so zu versorgen, dass ihr Leben trotz der Krankheit lebenswert bleibt, ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, die enorme Anstrengungen erfordert - angefangen von der Unterstützung von Angehörigen bei der häuslichen Pflege, über den Ausbau spezieller Wohnangebote - Stichwort: Alzheimer-WG - bis hin zur Verbesserung der derzeit oft problematischen Betreuung von dementen Patienten in Krankenhäusern.
Hoffnungsschimmer: Neue Therapieansätze und Früherkennung
Was die gesamte Problematik lösen oder zumindest deutlich entschärfen würde, wären effektive Behandlungsmethoden. Doch leider ist es trotz intensiver Forschungsbemühungen bis heute nicht möglich, die neurodegenerativen „Volksleiden“ Demenz und Parkinson ursächlich zu heilen, ebenso wenig wie Schlaganfall oder Multiple Sklerose. Und immer wieder musste die Wissenschaft herbe Rückschläge hinnehmen. So schien der Traum von einer Impfung gegen Alzheimer kurz vor dem Ziel geplatzt, als bei seiner Erprobung am Menschen schwere Nebenwirkungen auftraten. Doch inzwischen keimt neue Hoffnung auf. Rund ein Dutzend neue Impfstoffe werden derzeit bereits am Menschen getestet, weitere befinden sich in der Entwicklungsphase. Roger Nitsch, einer der führenden Köpfe auf dem Gebiet, ist optimistisch: „In den nächsten Jahren wird es eine neue Therapie gegen Alzheimer geben“, sagt der Neurowissenschaftler von der Uni Zürich. Dazu soll die Hirnforschung in Deutschland maßgeblich beitragen. Deshalb wurde 2009 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mitinitiierte Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gegründet. An dem mit jährlich 66 Millionen Euro geförderten Verbund sind Universitäten und Forschungseinrichtungen an acht Standorten beteiligt. Untersucht wird auch, wie die Versorgung der Betroffenen verbessert werden könnte und welche Maßnahmen zur Prävention von Demenzen und Parkinson in Frage kommen. Im Mittelpunkt steht aber die Grundlagenforschung. Warum sterben bei neurodegenerativen Erkrankungen Nervenzellen ab? Welche molekularen und zellulären Vorgänge stecken dahinter? Welchen Einfluss haben die Gene auf das Erkrankungsrisiko? Diese Fragen zu den Ursachen und Krankheitsmechanismen zu beantworten, um daraus Ansatzpunkte für neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, ist das erklärte Ziel des DZNE. Und von vielen tausend Wissenschaftlern weltweit. „Mindestens die Hälfte aller Neurowissenschaftler beschäftigt sich mit der Erforschung von Krankheiten und Therapien“, sagt Helmut Kettenmann, Vize-Präsident der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft.
Das Verständnis von neurologischen und psychischen Störungen wächst seit Jahren rasant, nicht zuletzt bedingt durch methodische und technische Innovationen. So ist es heute möglich, die Krankheitsprozesse, die bei Multipler Sklerose zur Zerstörung der Nervenzellen führen, im Gehirn von Mäusen „live“ zu beobachten. Dank automatisierter Analysemethoden kennt man inzwischen mehr als 50 Genvarianten, die das Erkrankungsrisiko zumindest mitbestimmen. Viele dieser Erbgutabschnitte beeinflussen offenbar die Entwicklung eines Typs von Immunzellen, was Optionen für neue Therapien eröffnet - auch wenn die genauen Zusammenhänge erst noch erforscht werden müssen.
Die Rolle von Neurotransmittern und Hirnstimulation
Wie wichtig es ist, die Mechanismen neurologischer und psychischer Störungen zu entschlüsseln, zeigt das Beispiel Depressionen. Im Gehirn der Betroffenen herrscht ein relativer Mangel an Serotonin, einem Neurotransmitter, der auf Grund seiner Wirkung auf die Stimmungslage oft auch als „Glückshormon“ bezeichnet wird. So genannte SSRIs hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin in die Nervenzellen und heben so dessen Spiegel pharmakologisch an. Die Substanzgruppe ist aus der Depressionstherapie nicht mehr wegzudenken. Allerdings wirken die SSRIs nicht bei allen Betroffenen. Doch bei solchen schweren, therapieresistenten Depressionen erlebt mit der Elektrokrampftherapie ein lang bekanntes Therapieverfahren jetzt eine vielversprechende Renaissance.
Ein vielversprechender Ansatz zur Verbesserung etwa des Gedächtnisses sei die Hirnstimulation mit gezielten Stromimpulsen.
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Die Bedeutung der Früherkennung
Forschende des DZNE und des Universitätsklinikums Ulm haben im Blut ein Protein identifiziert, das den Abbau von Nervenverbindungen möglicherweise schon Jahre vor dem Auftreten von Demenzsymptomen anzeigen kann. Wenn sich diese Hinweise bestätigen, könnte die Erfassung dieses Proteins namens „Beta-Synuclein“ zur Früherkennung einer Alzheimer-Erkrankung beitragen und eventuell auch helfen, Nervenschäden infolge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirntraumas einzuschätzen. Die im Fachjournal „Annals of Neurology“ (Print-Ausgabe) veröffentlichten Befunde beruhen auf Untersuchungen an 84 Erwachsenen, darunter 61 Menschen mit Down-Syndrom. An der Studie waren auch Fachleute des LMU Klinikum München und der Universitätsmedizin Halle (Saale) beteiligt.
PD Dr. Patrick Öckl, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Ulm und an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Ulm, erläutert: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass der Pegel von Beta-Synuclein im Blut schon im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung ansteigt und dass dies mit der Zerstörung von Nervenverbindungen, sogenannten Synapsen, zusammenhängt. Wir haben hier also einen potenziellen Biomarker, der helfen könnte, eine sich anbahnende Demenz frühzeitig zu erkennen - schätzungsweise mehr als zehn Jahre bevor sich Symptome bemerkbar machen.“
Die Diagnose und Behandlung einer Alzheimer-Erkrankung erfolge bislang viel zu spät, so der Wissenschaftler: „Dann ist das Gehirn schon massiv geschädigt. Wir müssen früher ansetzen, um die Chancen zu erhöhen, der Erkrankung wirksam Paroli bieten zu können. Das Beta-Synuclein könnte dafür eine Möglichkeit auftun. Noch sind aber weitere Untersuchungen nötig, um unsere Befunde zu bestätigen.“
Einschränkungen aktueller Biomarker
Zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit sind sogenannte p-Tau-Proteine im Blut nicht so krankheitsspezifisch wie bisher angenommen: Auch bei Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) sind die Biomarker im Blut erhöht. Für ein effektives Alzheimer-Screening der Allgemeinbevölkerung müssen demnach erst genauere Tests entwickelt und validiert werden. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift "Nature Communications" erschienen.
Die Tau-Protein-Varianten p-Tau 181 und 217 gelten als frühe Warnsignale für Alzheimer, wenn sie vermehrt im Nervenwasser auftreten. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass sich p-Tau-Proteine mit hochempfindlichen Methoden auch im Blut von Alzheimer-Betroffenen nachweisen lassen, was die Diagnose wesentlich erleichtern würde.
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Prof. Dr. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Halle, erklärt: „Die Fachwelt erwartete einen Durchbruch, der eine minimalinvasive und kostengünstige Alzheimer-Früherkennung für die breite Bevölkerung ermöglichen könnte.“
Die Studie zeigte, dass die Konzentrationen von p-Tau 181 im Blut von ALS-Patient:innen erhöht war, nicht aber im Nervenwasser, wie man es von Menschen mit Alzheimer kennt. „Wir konnten außerdem erstmalig zeigen, dass auch p-Tau 217 in ALS-Fällen erhöht ist. Unsere Studie bestätigt zum einen, dass die beiden erhofften Bluttests zur Alzheimer-Früherkennung nicht so spezifisch sind wie ursprünglich angenommen. Zum anderen haben wir damit mögliche Biomarker für ALS gewonnen, die sich für die Früh- und Verlaufsdiagnostik oder zur Wirkungskontrolle neuer Medikamente eignen könnten. Was auf den ersten Blick wie ein Rückschlag für die Alzheimer-Diagnostik aussieht, könnte uns beim Verständnis und der Behandlung von ALS und anderen Muskelerkrankungen weiterbringen“, erklärt Dr. Samir Abu Rumeileh, Erstautor der Studie sowie Oberarzt und Clinician Scientist in der Neurologie der Universitätsmedizin Halle.
Die p-Tau-Proteine blieben wertvolle Kandidaten für eine Alzheimer-Frühdiagnose mittels Bluttest, so die Autor:innen der Studie. „Man kann damit noch immer eine Alzheimer-Pathologie erkennen, aber eben nicht so präzise, wie man sich das wünscht und wie es gerne propagiert wird. Wenn der Test positiv ausfällt, hätte man beispielsweise die Möglichkeit, mit neuropsychologischen und bildgebenden Verfahren oder einer Nervenwasseranalyse genauer nachzuprüfen. Wir befürchten aber, dass so ein Screening-Verfahren nur bedingt einsatzfähig ist, da die Krankheitsparameter in diesen frühen Phasen stark überlappen“, erklärt Prof. Otto.
Angesichts neuartiger Antikörpertherapien gegen Alzheimer, wie sie in den USA bereits zugelassen sind und für Europa erwartet werden, bleibe es ein enorm wichtiges Ziel der Forschung, Betroffene frühzeitig und effizient zu identifizieren - denn nur eine frühe Behandlung ist derzeit erfolgversprechend.
Die Rolle von Beta-Synuclein
Falls weitere Studien die aktuellen Befunde bestätigen, kämen für den Beta-Synuclein-Marker diverse Anwendungen in Betracht: „Für Medikamentenstudien zur Alzheimer-Erkrankung wäre ein synaptischer Blut-Marker sehr hilfreich, um Behandlungseffekte zu erfassen, um also festzustellen, was ein experimenteller Wirkstoff im Gehirn auslöst. Das würde das Bild, das die schon etablierten Marker vermitteln, sinnvoll ergänzen“ so Prof. Markus Otto, Leiter der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle, der an den aktuellen Untersuchungen ebenfalls maßgeblich mitwirkte. „Eine weitere Anwendung sehe ich bei der Demenzvorsorge und Früherkennung. Die Möglichkeit, das Beta-Synuclein im Blut zu messen, bedeutet eine deutliche Erleichterung für Patienten im Vergleich zu den derzeit üblichen Untersuchungen des Nervenwassers.“
Otto ergänzt: „Wenn man bedenkt, dass Synapsen beispielsweise auch bei Schädel-Hirntraumata und Schlaganfällen verloren gehen, ist die Bedeutung des Beta-Synucleins noch weitreichender.
Frontotemporale Demenz (Morbus Pick): Eine besondere Form der Demenz
Neben der Alzheimer-Krankheit gibt es andere Formen von Demenz, die oft weniger bekannt sind, aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien haben. Eine solche Form ist die Frontotemporale Demenz (FTD), auch bekannt als Morbus Pick.
Unterscheidung von Alzheimer
Die FTD unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der Alzheimer-Krankheit. Während Alzheimer vor allem das Gedächtnis beeinträchtigt, äußert sich die FTD oft durch Veränderungen im Verhalten, der Persönlichkeit und der Sprachfähigkeit. Betroffene können beispielsweise gefühllos, antriebslos oder unkritisch werden.
Diagnose und Verlauf
Die Diagnose der FTD kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Im Anfangsstadium von FTD beherrscht der Getestete die meisten Fragen des "Mini-Mental-Tests" spielend. Die Mängel bestehen ja bisher eher im Kombinieren und Werten von Dingen und in den Persönlichkeitsveränderungen. Eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann helfen, die Anomalitäten im Gehirn schon vor dem Tod festzustellen.
Der Verlauf der FTD ist in der Regel fortschreitend und führt innerhalb von 6-8 Jahren zum Tod. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Die Behandlung erfolgt i.W. Das heißt also: Wir müssen uns auf einen stetigen Verlust der Fähigkeiten meines Vaters und schließlich auf Pflegebedürftigkeit und Tod einstellen. So hatten sich meine Eltern die gemeinsame Rentenzeit nicht ausgemalt.
Umgang mit der Krankheit
Der Umgang mit einem FTD-Patienten erfordert viel Geduld, Verständnis und Anpassungsfähigkeit. Es ist wichtig, die Bedürfnisse des Patienten zu erkennen und ihm eine sichere und unterstützende Umgebung zu bieten. Im Laufe des Heranwachsens eignen wir Menschen uns viele Verhaltensnormen an, die uns später gar nicht mehr bewusst sind. Scheinbar sind viele davon im Stirnbereich des Gehirns versammelt. Und leider verschwinden sie bei Pick/FTD nach und nach. Am auffälligsten ist zunächst, dass mein Vater sich nicht mehr zurück halten konnte, wenn irgendetwas Essbares in seiner Sichtweite lag. Er schlang unglaublich Mengen in sich hinein. Bei Familiengeburtstagen mit vielen Kuchen und großem Buffet mussten wir uns bald entschuldigen und fernbleiben. Das Essen wird jetzt nur noch zugeteilt. Er bekommt nur noch kleine Löffel in die Hand. In Sachen Kleidung kannte er bald auch keine Regeln mehr. Leider ist auch die Fähigkeit, selbst zu bemerken wann es an der Zeit ist das Klo aufzusuchen, eine antrainierte Fähigkeit, die mittlerweile völlig verschwunden ist.
Es gibt im Sanitätsfachhandel dazu eine Menge Angebote. Und das Verkaufspersonal beschreibt Ihnen auch, wie man das Windeln bei einem erwachsenen kräftigen Mann macht. Mittlerweile hat mein Vater immer Inkontinenz-Windeln an und eine enge Hose drüber (damit er nicht alles durcheinander zieht und zuppelt). Das Bett hat eine wasserdichte Matratzenhülle und ein Gummi-Teillaken. Meine Mutter versucht ihn häufig und regelmäßig zum Klo zu schicken. Er bekommt tagsüber viel zu trinken, denn die Nieren müssen arbeiten. Abends dagegen bekommt er nicht mehr viel, in der Hoffnung die Nacht gut zu überstehen.
Wenn man etwas von ihm wollte ("Zieh bitte deine Schuhe an."), so hatte er einfach eine lange Leitung. Nach einigen Sekunden hatte er es begriffen. Man darf nur nicht den Fehlermachen, gleich weiter zu reden und es anders zu erklären, oder gar die Aufforderung zurück zu nehmen. Wenn man ihn erreichen will, muss der Wunsch klar und kurz formuliert sein, begleitet von einer Geste (Zeigen auf die Schuhe) und vielleicht noch begleitet vom Vorbild (selber Schuhe anziehen).
1x die Woche kommt eine Logopädin zu uns nach Hause (vom Arzt verschrieben, von Krankenkasse bezahlt) und übt mit ihm eine Stunde. Oder sagen wir eine halbe Stunde, länger reicht seine Konzentration nicht. Sie legt diverse Bildchen vor ihn hin und in großen Druckbuchstaben die Beschreibung dazu. Dann bringt sie ihn dazu, mit Zuhören, Lesen und Bild anschauen alles in Verbindung zu bringen. So hält sie den Zugang zu seinem Gehirn offen. dass sein ganzes Gedächtnis noch da ist. Nur der Zugang ist verschüttet. Wie ein Keller voller Vorräte, aber die Kellertür ist verrammelt. Mein Vater liebt diese Stunde mit der Logopädin. Mit ihr redet er auch relativ viel, mit uns Angehörigen dagegen kaum mal ein Wort. Oft erwischen wir uns dabei, wie wir am Tisch einfach reden und auch über ihn. Und plötzlich lacht er bei einer Begebenheit an der richtigen Stelle. Das sind Momente, wo wir dann rätseln, ob er vielleicht doch alles mitbekommt und nur nichts dazu sagen kann. Das wäre ja total schlimm.
Prävention und Lebensstil
Obwohl es keine Garantie dafür gibt, dass man einer Demenz entgeht, gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Lebensstilfaktoren das Risiko verringern können.
Geistige und körperliche Aktivität
„Langzeitstudien weisen darauf hin, dass sich mit einem intellektuell herausfordernden, physisch aktiven und sozial engagierten Leben Verluste vermindern und Zugewinne festigen lassen.“
Bei einem körperlich und geistig wenig aktiven Menschen etwa lasse sich die Plastizität zumindest partiell und zeitweise steigern, wenn er vor neue Herausforderungen gestellt werde. Das kann das Lernen einer neuen Sprache sein - oder auch schon der Umgang mit quirligen Enkelkindern.
Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst, Gemüse und Omega-3-Fettsäuren ist, kann ebenfalls dazu beitragen, das Gehirn gesund zu halten.
Vermeidung von Risikofaktoren
Risikofaktoren wie Stress wirkten sich oft auf genau die Regionen des Gehirns aus, die besonders anfällig für altersbedingten Abbau sind.