Alzheimer mit spätem Beginn: Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie

Alzheimer ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die Gedächtnis, Denken und Alltagsfähigkeiten beeinträchtigt. Der Verlauf ist schleichend und unumkehrbar, wobei der Abbauprozess im Gehirn derzeit nicht wesentlich verlangsamt oder aufgehalten werden kann. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form der Demenz und betrifft schätzungsweise 60-70 Prozent aller Demenzerkrankungen. In Deutschland leiden etwa 9 % aller Menschen über 65 Jahre unter einer Demenz, wobei die meisten Fälle auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen sind. Ohne Therapiedurchbruch könnte sich die Anzahl der Fälle im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen und im Jahr 2050 auf bis zu 2,8 Millionen erhöhen.

Was ist Alzheimer?

Demenz ist ein Oberbegriff für rund 50 verschiedene Erkrankungen des Gehirns. Die Alzheimer-Erkrankung ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Störungen des Gedächtnisses, der Orientierung sowie des Denk- und Urteilsvermögens und im weiteren Verlauf auch Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen auftreten. Die genaue Ursache für das Absterben von Gehirnzellen ist noch nicht vollständig geklärt. Es deutet aber vieles darauf hin, dass es eine ganze Reihe von genetischen und umweltbedingten Risikofaktoren gibt. Fast alle dementen Patienten über 65 Jahre weisen im Gehirn Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen auf.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Alzheimer-Krankheit entsteht durch eine Kombination aus genetischen Ursachen und Umweltfaktoren. Altersbedingte Veränderungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ungesunde Lebensgewohnheiten und chronische Entzündungen tragen außerdem zur Krankheit bei.

Genetische Faktoren

Die familiäre Form der AD betrifft unter 1 % der Patienten, folgt einem autosominal-dominanten Vererbungsmuster und zeigt einen Symptombeginn meist vor dem 65. Lebensjahr. Bisher wurden mehr als 160 Mutationen in drei Genen beschrieben, die zu der familiären Form der AD führen. Das ɛ4-Allel des Apolipoprotein-E(APOE)-Gens auf Chromosom 19 wurde konsistent mit Odds-Ratios von ungefähr 3 für heterozygote und über 10 für homozygote Allelträger in Verbindung gebracht. Im Kontrast zu den drei bekannten autosomal-dominant vererbten Risikogenen ist das APOEɛ4-Allel jedoch weder notwendig noch ausreichend, um zu einer AD zu führen.

Umweltfaktoren und Lebensstil

Es hat sich herausgestellt, dass fast alle Faktoren, die zu einem Schlaganfall führen können (zum Beispiel Rauchen), auch das Risiko erhöhen, an einer Demenz zu erkranken. Epidemiologische Studien haben etliche Faktoren ermittelt, die das Risiko einer Demenzerkrankung erhöhen. Wichtigster Risikofaktor ist ein hohes Lebensalter. Da Frauen statistisch älter werden als Männer, sind sie auch häufiger von Demenz betroffen.

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Weitere Risikofaktoren sind:

  • Weibliches Geschlecht (höhere Lebenserwartung)
  • Der Apolipoprotein-E4-Polymorphismus
  • Depressive Erkrankungen
  • Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • Insgesamt eine höhere somatische Morbidität
  • Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes, Adipositas und Rauchen im mittleren Lebensalter

Pathogenese der Alzheimer-Krankheit

Bei der Alzheimer-Krankheit blockieren Beta-Amyloid- und Tauproteine den neuronalen Informationsaustausch und führen zum Absterben der Nervenzellen.

Beta-Amyloid-Plaques

Beta-Amyloid ist ein im Körper natürlich vorkommendes Protein, das durch eine biochemische Reaktion aus dem Amyloid-Vorläuferprotein (APP) entsteht. Physiologisch wird das Eiweiß problemlos gespalten und abgebaut. Bei Alzheimer-Patienten ist dieser Prozess gestört. Die Beta-Amyloid-Proteine sammeln sich als toxische Oligomere an, verklumpen und setzen sich als unauflösliche Plaques zwischen den Nervenzellen fest. Diese auch als Alzheimer- oder senile Plaques bezeichneten extrazellulären Ablagerungen können vom Organismus nicht mehr eliminiert werden.

Tau-Fibrillen

Zweitens bündeln sich pathogene Knäuel von Neurofibrillen, deren Hauptbestandteil Tau-Proteine sind. Tau-Proteine sorgen physiologisch für die Stabilität und Nährstoffversorgung der Neuronen. Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es zu einer Hyperphosphorylierung von Tau, was zu einer unkontrollierten Aggregation der Proteine führt. Diese lagern sich in Form von sogenannten neurofibrillären Tangles (NFT) - auch Alzheimer-Fibrillen genannt - innerhalb der Nervenfasern an.

Auswirkungen auf das Gehirn

Sowohl Beta-Amyloid als auch Tau-Proteine stören zunehmend die neuronale Kommunikation, was langfristig zu einem Verlust der Nervenzellen und einer sukzessiven Abnahme der Hirnsubstanz führt. Bei Alzheimer-Patienten gehen vor allem Acetylcholin-produzierende Nervenzellen zugrunde. Ausgeprägte Atrophien betreffen vorwiegend die Temporal- und Parietallappen sowie die Hippocampusregion.

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Symptome

Die Alzheimer-Krankheit verändert Gedächtnis, Denken und Alltagsfähigkeiten - schleichend, aber unumkehrbar. Der Verlauf ist individuell, folgt jedoch bestimmten Mustern. Die Symptome der Alzheimer-Krankheit können die psychische Gesundheit von Patienten stark beeinträchtigen.

Frühstadium (MCI)

In dieser frühen Phase treten leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns auf, die im Alltag zunächst kaum einschränken. Menschen mit MCI nehmen Veränderungen manchmal selbst wahr, doch oft fällt sie zuerst Angehörigen auf. Das früheste Symptom einer Demenz ist in der Regel, dass neue Informationen nicht mehr zuverlässig ins Gedächtnis eingespeichert werden können.

Mittleres Stadium

In diesem Stadium zeigt sich zunehmend Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere was das Kurzzeitgedächtnis betrifft. Es wird schwieriger, neue Informationen zu behalten. Gespräche sind anstrengender - oft fehlen Worte oder der Gedanke geht verloren. Gegenstände wie Schlüssel oder Brille werden häufiger verlegt. Hinzu kommen erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit. Viele alltägliche Aufgaben - wie einkaufen, kochen oder die Wäsche machen - gelingen noch gut. Viele Menschen mit Demenz merken nun deutlich, dass etwas nicht stimmt. Aus Scham oder Unsicherheit versuchen sie, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Sie ziehen sich zurück und meiden ungewohnte Situationen. Auch die Stimmung kann sich verändern: Manche Menschen sind leichter reizbar, andere traurig oder verunsichert.

Fortgeschrittenes Stadium

Jetzt wird die Krankheit deutlich sichtbar. Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist nun auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Viele Erinnerungen an das eigene Leben treten in den Hintergrund - zum Beispiel daran, welchen Beruf man ausgeübt hat oder ob man verheiratet war. Orientierungsprobleme, auch in vertrauter Umgebung. Bekannte Gesichter werden nicht mehr erkannt. Es kommt zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhalten und im Wesen. Viele Erkrankte spüren einen ausgeprägten Bewegungsdrang und starke Unruhe. Die Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit der Betroffenen schlägt oft in Misstrauen, Reizbarkeit, Nervosität und aggressive Ausbrüche um. Der Tag-Nacht-Rhythmus gerät aus dem Gleichgewicht, was zu Schlafstörungen führen kann. In diesem Stadium ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich.

Endstadium

Im Endstadium sind die Erkrankten vollständig auf Pflege angewiesen. Typische Veränderungen:

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  • Verlust der Sprache - nur noch einzelne Wörter oder Laute, keine sinnvolle Kommunikation mehr
  • Selbst engste Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt
  • Völlige Orientierungslosigkeit, leben nur noch im unmittelbaren Moment
  • Inkontinenz - Kontrolle über Blase und Darm gehen verloren
  • Schluckstörungen, die die Nahrungsaufnahme erschweren
  • Im Endstadium haben Menschen mit Demenz ein zunehmend geschwächtes Immunsystem und werden anfälliger für Infektionen.

Diagnose

Die Alzheimer-Demenz wurde bis vor einigen Jahren durch den Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Aus heutiger Sicht müssen die Hirnveränderungen (= Alzheimer-Krankheit, „Alzheimer’s Disease“) klar von den klinischen Folgen („leichte kognitive Beeinträchtigung durch die Alzheimer-Krankheit“ und „Demenz durch die Alzheimer-Krankheit“) differenziert werden.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Als erste Anlaufstelle ist die hausärztliche Praxis gut geeignet. Hausärzte und Hausärztinnen kennen ihre Patienten meist schon länger und können Symptome daher oft schon sehr gut einordnen. Bei einer systematischenpsychologischen bzw. psychiatrischen Untersuchung werden Bewusstsein, Orientierung, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Sinnestäuschungen und Stimmung erfasst.

Kognitive Tests und psychometrische Tests

Im Rahmen von verschiedenen Demenz-Tests wird die geistige Leistungsfähigkeit untersucht. Die App neotivCare ist darauf ausgelegt, frühzeitig ein aussage­kräftiges Bild der Gedächtnis­leistung zu erstellen und somit eine rechtzeitige Intervention zu ermöglichen.

Bildgebende Verfahren

Einige der seltenen, potenziell behandelbaren Ursachen von Demenz können wir mithilfe der Computertomografie oder Magnetresonanztomografie aufdecken. Dabei werden Schnittbilder Ihres Gehirns angefertigt. Neuere Methoden können auch die Hirndurchblutung und die Aktivität bestimmter Gehirnbereiche sichtbar machen.

Liquordiagnostik

Das erste Stadium der Alzheimer-Krankheit ist durch die zerebrale Amyloidpathologie gekennzeichnet, und diese kann entweder durch das Amyloid-Imaging oder durch eine Liquoruntersuchung (verminderte Amyloidk-Konzentration) nachgewiesen werden. Danach folgt das Stadium der Neurodegeneration (Nachweis durch Tau-Anstieg im Liquor).

Therapie

Die Alzheimer-Krankheit ist bisher nicht heilbar, und die Abbauprozesse im Gehirn können derzeit nicht wesentlich verlangsamt oder aufgehalten werden. Vor allem im Frühstadium sind Symptome und Begleiterscheinungen wie Verhaltensauffälligkeiten und psychische Symptome jedoch behandelbar.

Medikamentöse Therapie

  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente (z. B. Donepezil, Rivastigmin) erhöhen die Konzentration von Acetylcholin im Gehirn, einem Neurotransmitter, der bei Lern- und Gedächtnisprozessen eine wichtige Rolle spielt.
  • NMDA-Antagonisten: Memantin ist ein NMDA-Antagonist, der die Übererregung von Nervenzellen reduziert und somit die Signalübertragung verbessert.
  • Neue Medikamente: Zwei vielversprechende Medikamente, die kürzlich die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf sich gezogen haben, sind Lecanemab und Donanemab. Lecanemab erhielt 2023 in den USA die volle Zulassung. Ein großes Potenzial zeigt auch der Wirkstoff Donanemab, der ebenfalls Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn entfernt und im Juli 2024 in den USA zugelassen wurde.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Kognitives Training: Experimentelle und klinische Daten zeigen, dass kognitives Training Gedächtnisfunktionen älterer Menschen verbessern können - auch, wenn sie sich möglicherweise im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit befinden.
  • Psychotherapie: Dazu gehören Depressionen, Angst, Unruhe, Aggression, Teilnahmslosigkeit, Wahnvorstellungen und Halluzinationen.
  • Ergotherapie: Ergotherapeuten helfen den Betroffenen, ihre Alltagsfähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
  • Physiotherapie: Physiotherapeuten unterstützen die Betroffenen, ihre körperliche Beweglichkeit und Koordination zu erhalten.
  • Musiktherapie: Musik kann eine positive Wirkung auf die Stimmung und das Verhalten von Demenzkranken haben.

Weitere Maßnahmen

  • Unterstützung für Angehörige: Wenn Sie eine nahestehende Person mit Alzheimer im Umfeld haben oder sogar pflegen, ist es wichtig, dass Sie sich mit der Erkrankung und den möglichen Entlastungsangeboten beschäftigen. Wer mehr über die Alzheimer-Krankheit weiß, kann besser damit umgehen.
  • Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung.

Prävention

Obwohl die Alzheimer-Krankheit nicht vollständig verhindert werden kann, gibt es einige Maßnahmen, die das Risiko einer Erkrankung verringern können:

  • Gesunde Lebensweise: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und der Verzicht auf Rauchen können das Risiko einer Demenzerkrankung senken.
  • Kognitive Aktivität: Geistige Aktivitäten wie das Lösen von Kreuzworträtseln, Schachspielen oder Lesen scheinen die kognitive Reserve zu erhöhen und damit das Auftreten von Demenzen verzögern zu können.
  • Vaskuläre Risikofaktoren kontrollieren: Hypertonie, Diabetes und hohe Cholesterinwerte sollten behandelt werden, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz zu verringern.
  • Soziale Kontakte pflegen: Soziale Isolation kann das Risiko einer Demenzerkrankung erhöhen.

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