Alzheimer-Plaques: Entstehung, Ursachen und aktuelle Forschungsansätze

Die Alzheimer-Krankheit, eine irreversible Form der Demenz, stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Weltweit sind Millionen von Menschen betroffen, und die Suche nach den Ursachen und wirksamen Therapien ist von zentraler Bedeutung. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung von Alzheimer-Plaques, die als eines der Hauptmerkmale der Erkrankung gelten, und geht auf aktuelle Forschungsansätze ein, die neue Hoffnung im Kampf gegen diese Krankheit geben.

Was sind Alzheimer-Plaques?

Eines der Hauptmerkmale der Alzheimer-Krankheit ist die Ansammlung von Amyloid-Plaques zwischen den Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn. Diese Plaques bestehen hauptsächlich aus Beta-Amyloid, einem Proteinfragment, das aus einem größeren Protein namens Amyloid-Precursor-Protein (APP) herausgeschnitten wird. Im gesunden Gehirn hat Amyloid-beta Funktionen, die das Gedächtnis stärken. Bei der Alzheimer-Erkrankung häuft sich Amyloid-beta zu giftigen Klumpen (Oligomeren) zusammen. Diese Oligomere sind mobil und stehen im Verdacht, an der Schädigung von Nervenzellen maßgeblich beteiligt zu sein. Sammeln sich mehrere Oligomere, bilden sich große, unlösliche Plaques.

Die Rolle von Beta-Amyloid bei der Alzheimer-Entstehung

Alzheimer entsteht, wenn sich bestimmte schädliche Ablagerungen im Gehirn bilden. „Besonders gefährlich ist hierbei eine speziell modifizierte Art des Beta-Amyloid-Peptids. Diese verklumpen aufgrund ihrer Struktur sehr schnell und lagern sich dann im Gehirn ab", sagt Prof. Dr. Milton T. Stubbs vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der MLU. Die Vorläufer dieser Ablagerungen zählen zu den wahrscheinlichsten Ursachen für das Entstehen von Alzheimer.

Amyloid-beta (abgekürzt Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques). Als Plaques bezeichnen Fachleute diese Verklumpungen, die die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen stören und letztendlich eine für Nervenzellen tödliche Kaskade einleiten. Amyloid wird von allen Menschen produziert - von Geburt an. Mit zunehmendem Alter nimmt seine Konzentration im Gehirn zu, auch das ist eine normale Entwicklung. Im gesunden Gehirn wird Amyloid problemlos abgebaut. Bei der Alzheimer-Erkrankung allerdings ist dieser Abbauprozess gestört und es bilden sich die Verklumpungen.

Weitere Faktoren, die zur Entstehung von Alzheimer beitragen

Neben den Amyloid-Plaques spielen auch andere Faktoren eine Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit. Dazu gehören:

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  • Tau-Proteine: Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet. Lange gab es in der Wissenschaft zwei widerstreitende Lager - die Verfechter der Amyloid-Hypothese und die Verfechter der Tau-Hypothese. Die Verfechter sahen jeweils eines dieser Proteine als Auslöser der Alzheimer-Demenz an.
  • Entzündungen: Die Entzündungshypothese geht davon aus, dass Entzündungen nicht nur eine Begleiterscheinung von Alzheimer sind, sondern auch zum Fortschreiten der Neurodegeneration beitragen.
  • Kalzium-Homöostase: Die Calcium-Homöostase Hypothese besagt, dass Calcium-Gleichgewicht (Homöostase) und -Dynamik bereits früh zu Beginn der Erkrankung gestört sind.
  • Gliazellen: Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau kommen Fehlfunktionen bestimmter Zellen als mögliche Auslöser der Alzheimer-Krankheit in Frage. Im Fokus stehen hier insbesondere die Gliazellen, die etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen ausmachen. Aufgabe der Gliazellen ist es, die Nervenzellen im Gehirn zu schützen und zu unterstützen, damit die Signalübertragung - und damit unser Denken und Handeln - reibungslos funktioniert. An der Signalübertragung selbst sind Gliazellen nicht beteiligt. Mikrogliazellen spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem unseres Gehirns. Wie eine Gesundheitspolizei sorgen sie dafür, dass schädliche Substanzen wie Krankheitserreger zerstört und abtransportiert werden. Astrozyten sind Gliazellen mit gleich mehreren wichtigen Aufgaben, unter anderem versorgen sie das Gehirn mit Nährstoffen, regulieren die Flüssigkeitszufuhr und helfen bei der Regeneration des Zellgewebes nach Verletzungen. Astrozyten stehen im Verdacht, an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt zu sein.
  • Myelin-Abbau: Forschende am Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften konnten nun zeigen, dass defektes Myelin krankheitsbedingte Veränderungen bei Alzheimer aktiv fördert. Die Ergebnisse der Studie zeigen erstmals, dass defektes Myelin im alternden Gehirn das Risiko erhöht, dass sich Aꞵ-Peptide ablagern.
  • Lipidstoffwechsel: Wissenschaftler haben nun möglicherweise einen neuen Auslöser für diese charakteristischen Veränderungen im Gehirn gefunden: eine Störung im Lipidstoffwechsel. Denn zu viele Lipide in der Zellmembran von Neuronen können die Bildung von Alzheimer-Peptiden begünstigen.

Forschungsansätze und Therapieentwicklungen

Weltweit arbeiten zahlreiche Firmen und Forschungseinrichtungen an Therapiemöglichkeiten gegen das Alzheimer’sche Syndrom. Zuletzt sorgte das Unternehmen Probiodrug für Schlagzeilen, als ein von dem Unternehmen entwickelter niedermolekularer Wirkstoff vielversprechende Ergebnisse bei ersten Versuchen an Alzheimer-Patienten lieferte. Der Wirkstoff hemmt die Entstehung des modifizierten Peptids und dessen Ablagerungen im Gehirn. Die Arbeit der halleschen Forschergruppen und von Probiodrug ergänzt diesen Ansatz: „Unser neuer Antikörper-Wirkstoff soll dann wirken, wenn die gefährlichen Peptide bereits im Körper gebildet wurden. Das kann man sich wie einen Staubsauger vorstellen, der die Stoffe aus dem System entfernt", so Dr. Inge Lues, Chief Development Officer bei Probiodrug und Co-Autorin der Publikation. Damit die dazu eingesetzten Antikörper weiter entwickelt werden können, braucht es detaillierte Kenntnisse darüber, wie das schädliche Peptid vom Antikörper erkannt werden kann. „Wenn wir die Struktur des Peptids kennen, können wir die Antikörper so entwickeln, dass sie nur diesen einen Stoff angreifen", so Stubbs. Seine Arbeitsgruppe analysierte die Struktur des Antikörpers und wie es das Alzheimer-Peptid erkennt. Anhand dieser Ergebnisse konnten gezielt neue Antikörper entwickelt und weiter erforscht werden. „Die Arbeiten zeigten, dass der neue Wirkstoff gut dazu geeignet ist, genau die schädlichen Peptid-Strukturen zu erkennen, was zu weniger Nebenwirkungen führen sollte", so Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth, Leiter des Fraunhofer IZI MWT Halle. Die präklinische und klinische Entwicklung dieses Antikörpers erfolgt durch die Probiodrug AG.

Viele Forscherinnen und Forscher, die an einem Alzheimer-Medikament arbeiten, setzen deshalb am Amyloid an. Ihre Überlegung: Wenn sich die Verklumpung in einem frühen Stadium verhindern lässt, könnte das möglicherweise die Erkrankung verhindern. Ansatzpunkt ist die Amyloid-Kaskade: Das Amyloid löst eine ganze Reihe von Folgewirkungen auf molekularer Ebene aus; das ist die namensgebende Kaskade. Zuletzt aber hat ein Wirkstoff namens Lecanemab in einer klinischen Studie große Erfolge in der Alzheimer-Behandlung erzielt. Dieser Antikörper erkennt im Gehirn die Plaques und leitet so deren Abbau durch Immunzellen ein. Antikörper wie Lecanemab schaffen es, bis zu 70 Prozent der Plaques aus dem Gehirn zu entfernen. Über eine 18-monatige Behandlung konnte diese Therapie den Gedächtnisverlust um 34 Prozent reduzieren. Gleichzeitig verringerte sich die Ansammlung von Tau und auch der Nervenzelltod konnte verringert werden. Damit wurde letztendlich auch die Amyloid-Hypothese im Menschen bewiesen. Eine Anti-Amyloid Therapie unterbricht die Kaskade und verlangsamt den Gedächtnisverlust.

Aktuell sind Medikamente in der Entwicklung, die in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern sollen. Zwei dieser Medikamente - Lecanemab (Handelsname "Leqembi") und Donanemab (Handelsname "Kisunla") - sind 2025 in der Europäischen Union zugelassen worden und stehen ab September bzw. November 2025 auch für die Behandlung zur Verfügung. Da beide Wirkstoffe mit starken Nebenwirkungen verbunden sein können, sind für die Behandlung damit strengen Richtlinien erlassen worden.

Bedeutung der Früherkennung

Eine weitere wichtige Frage in Zusammenhang mit Amyloid ist deshalb, wie sich Plaques frühzeitig bemerken lassen. Heute können Forscherinnen und Forscher dafür auf das Amyloid-PET zurückgreifen - diese Positronen-Emissions-Tomographie, ein bildgebendes Verfahren, ist allerdings ein ausgesprochen aufwendiges und teures Verfahren, das sich deshalb nicht flächendeckend einsetzen lässt. Eine Lösung könnten sogenannte Blut-Biomarker sein, wie sie unlängst am DZNE entdeckt worden sind: Dabei handelt es sich um eine Art Indikator, die sich bei einer Blutprobe ermitteln lassen. Sind also bestimmte Substanzen in einer bestimmten Konzentration im Blut vorhanden, deutet das auf die Verklumpung von Amyloid beta im Gehirn hin. Zudem weist eine Verringerung des Amyloids im Blut auf einen beginnenden Ablagerungsprozess im Gehirn hin. Durch die Verklumpung des Amyloids und die Ablagerung in den Plaques gibt es nicht mehr genügend freies Amyloid, das in das Blut abtransportiert werden kann.

Das Tübinger Forschungsteam liefert nun erstmals experimentelle Belege für die Entkopplung der Ablagerungen von der nachgeschalteten Neurodegeneration. In ihrer Studie untersuchte es Mäuse, die als Alzheimermodell dienen. Bei ihnen lagern sich - wie bei Alzheimererkrankten - mit fortschreitendem Lebensalter Beta-Amyloid-Eiweiße im Gehirn ab. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler reduzierten nun bei den Mäusen in unterschiedlichen Altersstadien gezielt die Plaques. Dann maßen sie ein weiteres Protein im Hirnwasser der Mäuse, das sogenannte Neurofilament-Leichtketten-Protein (NfL). Das NfL-Protein ist im Hirnwasser von Alzheimererkrankten erhöht; es gilt als Anzeiger für den Abbau von Nervenzellen.

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Prävention und Lebensstil

Während Wissenschaftler:innen die Ursachen der Alzheimer-Krankheit weiterhin erforschen, ist eines inzwischen klar: Die Erkrankung beginnt schleichend, lange bevor die Anzeichen davon nach außen sichtbar werden.

Die Erkenntnisse der Neurowissenschaftler könnten zukünftig doppelt genutzt werden - zur Prävention und zur Früherkennung von Alzheimer. So könnten die übermäßigen Sphingolipide als Ansatzpunkt für neue präventive Maßnahmen dienen. Professor Walter: "Wenn wir beispielsweise den Abbau von überzähligen Sphingolipiden in Nervenzellen gezielt stimulieren könnten, könnte dies gegebenenfalls die Entstehung schädlicher Beta-Amyloid Peptide verhindern." Aber die Ergebnisse bieten vielleicht auch die Möglichkeit für eine Früherkennung von Alzheimer. Denn fallen Alzheimer-Patienten erstmals durch ihre Vergesslichkeit auf, hat sich ihr Gehirn meist schon über Jahre hinweg verändert. Deshalb werden verschiedene Biomarker gesucht, um Personen im Frühstadium einer Alzheimer-Demenz beziehungsweise mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer zu identifizieren. "Veränderungen im Lipidstoffwechsel und eine erhöhte Lipidkonzentration in Membranen könnten möglicherweise frühzeitig auf eine Alzheimer-Erkrankung hinweisen", sagt Professor Walter. Für beide Ansätze sind allerdings noch umfangreichere Studien nötig.

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