Amantadin zur Behandlung der Parkinson-Krankheit

Amantadin ist ein Medikament, das sowohl zur Vorbeugung und Behandlung der echten Grippe (Influenza A) als auch zur Therapie der Parkinson-Krankheit eingesetzt wird. Obwohl die Dosierung ähnlich sein kann, unterscheiden sich die Wirkmechanismen bei diesen beiden Anwendungsgebieten erheblich.

Wirkungsweise von Amantadin

Grippe (Influenza)

Amantadin wirkt gegen Influenza-A-Viren, indem es verhindert, dass die Viren ihre Hülle verlieren ("uncoating"), nachdem sie in die Zelle eingedrungen sind. Dieser Schritt ist notwendig, damit sich die Viren vermehren können. Durch die Blockierung des "uncoating"-Prozesses kann sich das Virus nicht weiter vermehren, was dem Immunsystem ermöglicht, die Infektion effektiver zu bekämpfen und die Krankheitsdauer zu verkürzen.

Parkinson-Krankheit

Die Wirkungsweise von Amantadin bei der Parkinson-Krankheit ist komplexer und nicht vollständig verstanden. Es beeinflusst verschiedene Botenstoff-Netzwerke im Gehirn und kann Symptome wie Zittern (Tremor), Muskelsteifheit (Rigor) und Bewegungsarmut/-losigkeit (Hypo-/Akinese) mildern.

Eine wichtige Wirkung von Amantadin scheint die Beeinflussung des Dopamin-Systems zu sein. Ein Dopaminmangel in bestimmten Hirnbereichen ist ein zentrales Merkmal der Parkinson-Krankheit. Amantadin kann die Freisetzung von Dopamin fördern und gleichzeitig seine Wiederaufnahme in die Nervenzellen hemmen, was die Dopaminverfügbarkeit im Gehirn erhöht. Es beeinflusst auch die Aromatische-Aminosäure-Decarboxylase, Sigma-1-Rezeptoren, nikotinerge Rezeptoren, die Phosphodiesterase PDE 1 und den GDNF (Glial-cell-derived neurotrophic factor). Dosisabhängig sind auch andere Targets wahrscheinlich, wie NMDA-Antagonismus, serotoninerger 5-HT3-Antagonismus, Kaliumkanal-Blockade.

Die Wirksamkeit von Amantadin bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit ist nicht immer eindeutig belegt. Es wird oft als Zusatzmedikation zu L-DOPA bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium eingesetzt, aber es kann auch als Monotherapie in frühen Stadien der Erkrankung verwendet werden.

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Anwendung von Amantadin

Die Anwendungsgebiete von Amantadin umfassen:

  • Vorbeugung und Behandlung der Virusgrippe Typ A
  • Behandlung der Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson)
  • Behandlung von Vigilanzstörungen bei diversen neurologischen Erkrankungen

Bei der Parkinson-Krankheit erfolgt die Therapie in der Regel langfristig. Zur Vorbeugung der Influenza wird der Wirkstoff bis zu drei Monate eingenommen, während die Akutbehandlung der Influenza üblicherweise über zehn Tage erfolgt.

Dosierung und Einnahme

Die Einnahme von Amantadin erfolgt in Form von Tabletten, üblicherweise ein- bis zweimal täglich. Die Tablette sollte mit einem Glas Wasser morgens und nachmittags vor 16 Uhr eingenommen werden, um Schlafstörungen zu vermeiden.

  • Grippe: Erwachsene erhalten in der Regel einmal täglich 200 mg oder zweimal täglich 100 mg Amantadin. Die Dosierung wird bei Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion angepasst.
  • Parkinson-Krankheit: Die Einnahme zur Linderung der Parkinson-Symptome muss einschleichend erfolgen, beginnend mit einer niedrigen Dosierung, die dann schrittweise bis zur optimalen Wirksamkeit gesteigert wird. Auch das Beenden der Therapie muss ausschleichend erfolgen, um eine plötzliche Verschlechterung der Symptome zu vermeiden. In Akutsituationen kann Amantadin auch intravenös verabreicht werden. Amantadinhydrochlorid sollte über vier bis sieben Tage auf bis zu 200 mg/Tag dosiert werden. Im Gegensatz dazu können 200 mg Amantadinsulfat bereits initial gegeben werden und je nach Patient auf bis zu 600 mg/Tag gesteigert werden.

Nebenwirkungen von Amantadin

Die Einnahme von Amantadin kann unerwünschte Arzneimittelwirkungen verursachen. Zu den häufigeren Nebenwirkungen (bei einem von zehn bis hundert Behandelten) gehören:

  • Schlafstörungen
  • Unruhe
  • Harnverhalt
  • Hauterkrankung "Livedo reticularis" (marmorierte Haut)

Besonders bei älteren Patienten, die zusätzlich mit anderen Anti-Parkinson-Medikamenten behandelt werden, können sich Psychosen entwickeln.

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Weniger häufige Nebenwirkungen (bei einem von hundert bis tausend Patienten) sind:

  • Übelkeit
  • Schwindel
  • Trockener Mund
  • Niedriger Blutdruck beim Aufstehen

Da Amantadin das QT-Intervall im Herzen verlängern kann, sind EKG-Kontrollen vor Behandlungsbeginn und in regelmäßigen Abständen während der Dauertherapie erforderlich.

Wichtige Hinweise zur Einnahme von Amantadin

Gegenanzeigen

Amantadin darf nicht eingenommen werden bei:

  • Schwerer Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
  • Bestimmten Herzerkrankungen (wie AV-Block Grad II und III, Herzmuskelentzündung)
  • Niedriger Herzfrequenz (kleiner 55 Schläge pro Minute)
  • Bekanntem angeborenen oder erworbenen verlängerten QT-Intervall
  • Niedrigen Kalium- oder Magnesiumspiegel im Blut
  • Gleichzeitiger Therapie mit Budipin (Parkinson-Medikament)

Wechselwirkungen

Amantadin kann den Herzrhythmus beeinflussen und in Kombination mit anderen Wirkstoffen, die ebenfalls das QT-Intervall verlängern, zu schweren Herzrhythmusstörungen führen. Beispiele für solche Arzneistoffe sind:

  • Wirkstoffe gegen Herzrhythmusstörungen wie Chinidin, Procainamid, Amiodaron
  • Wirkstoffe gegen Depressionen wie Amitryptilin, Citalopram, Fluoxetin
  • Antibiotika wie Erythromycin, Clarithromycin, Ciprofloxacin

Es ist wichtig, jede zusätzliche Einnahme von Medikamenten mit dem Arzt oder Apotheker zu besprechen.

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Entwässerungsmittel (Diuretika) wie Triamteren und Hydrochlorothiazid (HCT) können die Ausscheidung von Amantadin stören und zu gefährlich hohen Blutspiegeln führen. Während der Behandlung sollte kein Alkohol getrunken werden, da Amantadin die Alkoholtoleranz senken kann.

Altersbeschränkung

Amantadin ist für die Behandlung von Kindern ab fünf Jahren zugelassen. Die Dosierung muss jedoch aufgrund des geringeren Körpergewichts und der meist verschlechterten Nierenfunktion bei älteren Patienten reduziert werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Amantadin sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingenommen werden, da es möglicherweise schädlich auf das Kind wirkt und in die Muttermilch übergeht.

Rezeptpflicht

Präparate mit dem Wirkstoff Amantadin sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz rezeptpflichtig.

Amantadin als Mittel der Wahl bei Morbus Parkinson

Der Glutamat-Antagonist Amantadinsulfat (PK-Merz®) greift im Gegensatz zu fast allen anderen Parkinson-Therapeutika nicht am dopaminergen System an, sondern dämmt die glutamaterge Überaktivität ein. Er ist Mittel der Wahl für alle Stadien des Morbus Parkinson. So zögert Amantadin im Frühstadium den Beginn der L-Dopa-Therapie hinaus; im Spätstadium ist es die einzige Substanz, die bereits vorhandene Dyskinesien reduziert. Das belegen Studien der amerikanischen Gesundheitsbehörde.

Ein De-novo-Parkinson-Patient sollte nach Empfehlungen von Prof. A. Rajput (Kanada) deshalb zunächst 300 mg Amantadinsulfat täglich als Monotherapeutikum erhalten. Genügt dies nicht mehr, ist ein Dopaminagonist hinzuzufügen. Reicht dies auch nicht mehr aus, wird als dritte Substanz L-Dopa verordnet. Bei Patienten, die bereits mit L-Dopa behandelt werden, könne durch die Kombination mit Amantadin das Auftreten motorischer Komplikationen erheblich hinausgezögert oder sogar verhindert werden, sagte Prof. Heinz Reichmann (Dresden) anlässlich des „International Congress on Parkinson Disease“ in Helsinki. Außerdem lasse sich die L-Dopa-Dosis zum Teil erheblich reduzieren. Wie die zwölf Monate später durchgeführte Kontrolluntersuchung zeigte, wirkte Amantadin auch nach einem Jahr noch unvermindert.

Amantadinsulfat unterscheidet sich bezüglich seiner Pharmakokinetik deutlich von Amantadinhydrochlorid. Das Sulfat, so Prof. Peter Riederer (Würzburg), flute langsamer an als das Hydrochlorid. So führt Amantadinsulfat zu einem gleichmäßigeren Plasmaspiegel, weist weniger Nebenwirkungen auf und kann deshalb höher dosiert werden. Ein weiterer Vorteil des Sulfats ist die Verfügbarkeit als Infusion, das Mittel der Wahl bei dekompensiertem Parkinson.

Gocovri® (Adamas Pharmaceuticals)

Im August 2017 wurde die Retardform (Extended Release Kapseln) des altbekannten Parkinson-Medikamentes Amantadin von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel (Food and Drug Administration - FDA) zur Behandlung von Überbewegungen (Dyskinesien) bei Parkinson-Patienten zugelassen.

Dyskinesien sind unwillkürliche Bewegungen des Körpers ohne sinnvollen Zweck, welche infolge einer langjährigen Behandlung mit L-Dopa in Tabletten oder Kapselform als Nebenwirkung auftreten können. Bisher gab es kein Medikament, welches speziell unter dieser Indikation zugelassen war. Gocovri enthält hochdosiertes Amantadin (274 mg), die Einnahme wird einmal täglich zur Nacht empfohlen. Als Retardpräparat soll es eine konstante Wirkung entfalten.

In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 126 Patienten zeigte sich nach zwölf Wochen eine mittlere Abnahme der Überbewegungen von 15,9 Punkten unter Amantadin retard im Vergleich zu Plazebo mit nur 8 Punkten, dies entspricht einem Unterschied von 7, 9 Punkten und ist damit signifikant (p<0,01) (Unified Dyskinesia Rating Scale - UDysRS). Auch die mittlere Off-Zeit reduzierte sich um 0,6 Stunden, unter dem Scheinmedikament nahm sie um 0,3 Stunden zu. Häufigste Nebenwirkungen waren visuelle Halluzinationen (23,8 %) und periphere Ödeme (Wassereinlagerungen in den Beinen) (23,8 %).

Geschichte von Amantadin

Bereits in den 1960er Jahren wurde erkannt, dass Amantadin vorbeugend gegen einige Grippeviren wirkt, woraufhin es 1966 in den USA zu diesem Zweck zugelassen wurde. Schon drei Jahre später erkannte man eine positive Wirkung auf die Parkinson-Symptomatik, woraufhin die Zulassung erweitert wurde.

Der Nachweis einer antiviralen Wirksamkeit führte zur Zulassung von Amantadin als Anti-Influenza-A2-Medikament („asiatische Grippe“) und dann etwa zehn Jahre später als Influenza-A-Prophylaxe. Wenige Jahre später nahm eine Parkinson-Patientin als Grippeprophylaxe über sechs Wochen zweimal täglich eine Tablette Amantadinhydrochlorid (200 mg/Tag) zu sich und beobachtete eine deutliche Verbesserung ihrer motorischen Störungen. Dies veranlasste Schwab et al. zur Durchführung einer klinischen Studie mit 163 Patienten mit Morbus Parkinson (MP). Diese und andere Untersuchungen in den darauffolgenden Jahren bestätigten in Summe einen mäßigen bis mittelstarken Effekt von Amantadin insbesondere auf die Kardinalsymptome Rigor und Bradykinese.

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