Ammoniakentgiftung im Gehirn: Ursachen, Symptome und Behandlung der hepatischen Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie (HE), auch bekannt als Leber-Hirn-Störung, ist eine Funktionsstörung des Gehirns, die als Folge einer schweren Lebererkrankung auftritt. Bei einer fortgeschrittenen Lebererkrankung wie Leberzirrhose oder akutem Leberversagen ist die Leber nicht mehr in der Lage, ihre Entgiftungsfunktion ausreichend zu erfüllen. Dadurch gelangen schädliche Substanzen, insbesondere Ammoniak, in das Gehirn und beeinträchtigen dessen Funktion.

Was ist hepatische Enzephalopathie?

Die hepatische Enzephalopathie (HE) umfasst alle Störungen der Hirnfunktion, die bei einer zugrundeliegenden Lebererkrankung auftreten können. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „durch die Leber bedingte Erkrankung des Gehirns“.

Im Körper sind mehrere Prozesse an der Entstehung einer hepatischen Enzephalopathie beteiligt. Im Zentrum steht die zugrundeliegende Lebererkrankung. Aufgrund dieser ist die Leber nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe als zentrales Entgiftungsorgan im Köper vollständig auszuüben. Charakteristisch für eine hepatische Enzephalopathie ist in vielen Fällen eine zu hohe Ammoniakkonzentration im Blut, die sogenannte Hyperammonämie.

Die kranke Leber kann insbesondere nicht mehr dafür sorgen, dass das für das Gehirn giftige Ammoniak ausreichend aus dem Körper ausgeschieden wird. Ammoniak entsteht durch Stoffwechselprozesse vor allem im Darm, im Muskel und in der Niere, z.B. bei der Verdauung von Nahrungsproteinen. Wenn die Leber nicht mehr ausreichend arbeitet, gelangt das für das Gehirn schädliche Ammoniak über die Blutbahn in das Gehirn. Dort kommt es zu einer zunehmenden Vergiftung und als Folge davon zur Störung der Hirnfunktion. Es treten die Symptome einer hepatischen Enzephalopathie, wie z.B. Müdigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, eine verminderte Leistungsfähigkeit oder auch ein verzögertes Reaktionsverhalten beim Führen eines Fahrzeuges auf.

Ursachen der hepatischen Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie tritt bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen auf. Eine der häufigsten Ursachen ist die Leberzirrhose, die in Deutschland Schätzungen zufolge etwa eine Million Menschen betrifft. Zu den Hauptursachen einer Leberzirrhose zählen langjähriger Alkoholkonsum, chronische Virushepatitis (Hepatitis B und C) und Fettlebererkrankungen.

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Verschiedene Mechanismen spielen bei der Entstehung der HE eine Rolle. Durch die eingeschränkte Entgiftungsfunktion der Leber kommt es zum verminderten Abbau von giftigen Substanzen, insbesondere Ammoniak. Ein wesentlicher Vertreter dieser toxischen Substanzen ist Ammoniak, ein Restprodukt im Stoffwechsel mit der chemischen Formel NH3. Normalerweise wird Ammoniak aus dem Darm über die Pfortader zur Entgiftung in die Leber geleitet, wo es im Harnstoffzyklus zu Harnstoff verstoffwechselt und ausgeschieden wird. Ist diese Funktion gestört, kommt es zu einer Anhäufung des giftigen Ammoniaks im Blut.

Gelangt Ammoniak über das Blut ins Gehirn, lässt es dort bestimmte Hirnzellen (Astrozyten) anschwellen, wobei der entstehende Druck ein Hirnödem (Schwellung des Gehirns) hervorrufen kann.

Weitere mögliche Auslöser einer hepatischen Enzephalopathie sind Elektrolytstörungen, Austrocknung, bakterielle Infektionen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Verstopfung, Nierenversagen, übermäßige Aufnahme von Proteinen mit der Nahrung und spontan gebildete oder künstlich angelegte Gefäßverbindungen, die an der Leber vorbei führen (sogenannte Shunts). Auch bestimmte Medikamente können die Erkrankung auslösen, z. B. harntreibende Mittel (Diuretika), Protonenpumpenhemmer und Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine.

Symptome der hepatischen Enzephalopathie

Die Symptome der HE sind vielfältig und können je nach Schweregrad der Erkrankung variieren. Sie reichen von leichten Konzentrationsstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit bis hin zu schweren Bewusstseinsstörungen und Koma.

Die hepatische Enzephalopathie wird anhand ihrer Ausprägung in verschiedene Schweregrade unterteilt:

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  • Grad 0: normaler psychischer Zustand
  • Grad 1: Persönlichkeitsveränderungen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Antriebsstörung, Konzentrationsschwäche, Schlafbedürfnis, Störung der Feinmotorik
  • Grad 2: kräftiges, grobschlägiges Zittern, verwaschene Sprache, starke Müdigkeit, Desorientiertheit und Verhaltensauffälligkeiten
  • Grad 3: starke Schläfrigkeit, noch erweckbar, Muskelkrämpfe, Desorientiertheit, unzusammenhängende Sprache, Ausfall der Gedächtnisleistung
  • Grad 4: Koma ohne Reaktion auf Schmerzreize.

Weitere Symptome können sein:

  • Müdigkeit
  • Konzentrationsschwäche
  • Desinteresse
  • Verminderte Auffassungsgabe
  • Plötzliche Erinnerungslücken
  • Eingeschränkte allgemeine Leistungsfähigkeit
  • Verminderte Reaktionsgeschwindigkeit
  • Abnehmende geistige Flexibilität
  • Stimmungsschwankungen
  • Verwirrtheit
  • Angst
  • Unkoordinierte Feinmotorik
  • Undeutliche Sprache
  • Unsicherheiten beim Gehen
  • Abgeschlagenheit
  • Halluzinationen
  • Wahnvorstellungen

Wiederholte Episoden einer hepatischen Enzephalopathie können zu anhaltenden und zunehmenden Defiziten in Bereichen des Arbeitsgedächtnisses und des Lernens führen.

Diagnose der hepatischen Enzephalopathie

Die Diagnose der hepatischen Enzephalopathie basiert in erster Linie auf der Anamnese, der klinischen Untersuchung und der Beurteilung des mentalen Zustands des Patienten. Bei Menschen mit bekannter Leberzirrhose wird die Diagnose in den meisten Fällen anhand der Symptome und des Gesamtbilds gestellt. Dabei wird auch gezielt nach den auslösenden Faktoren gesucht. Andere Ursachen für eine Schädigung des Gehirns oder eine Bewusstseinsstörung werden ebenfalls in Betracht gezogen und ggf. mittels gezielter Untersuchungen ausgeschlossen.

Zur Diagnostik gehören:

  • Psychometrische Tests: Um das Ausmaß der neuropsychologischen Symptome, insbesondere bei leichter Ausprägung, abschätzen zu können, kommen bestimmte psychometrische Tests zum Einsatz, z. B. der Zahlenverbindungstest, bei dem der Patient in kurzer Zeit auf einem Blatt Papier die Zahlen 1 bis 25 miteinander verbinden muss.
  • Flimmerfrequenzanalyse: Bei der Flimmerfrequenzanalyse schauen die Patient*innen auf ein rotes flackerndes Licht. Auch leichte Funktionsstörungen können so schnell erkannt werden.
  • Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen dienen u. a. dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Die Laborwerte zeigen meist eine stark herabgesetzte Leberfunktion. Zudem wird die Ammoniakkonzentration im Blut gemessen. Die Grenzwerte für Ammoniak liegen für Frauen bei 82 µg/dl und für Männer bei 94 µg/dl.
  • EEG: Durch ein EEG können Veränderungen der elektrischen Ströme im Gehirn nachgewiesen werden.
  • Bildgebende Verfahren: Um Kopfverletzungen und andere Erkrankungen des Gehirns auszuschließen, kann auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) des Gehirns erfolgen.

Behandlung der hepatischen Enzephalopathie

Das Ziel der Behandlung ist, die Symptome zu lindern und ein erneutes Auftreten der hepatischen Enzephalopathie zu verhindern. Auslösende Faktoren sollen behandelt werden.

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Die Behandlung umfasst in der Regel folgende Maßnahmen:

  • Behandlung der Grunderkrankung: Maßgeblich für eine erfolgreiche Therapie der hepatischen Enzephalopathie ist eine effektive Behandlung der Grunderkrankung, d. h. der zugrundeliegenden Lebererkrankung.
  • Medikamentöse Therapie:
    • Laktulose: Ein häufig eingesetztes Medikament ist Laktulose, das die Darmpassage beschleunigt und die Menge an Ammoniak im Blut senkt. Laktulose ist ein künstlicher Zucker, der die Verdauung anregt. Er verstärkt die Bildung von „guten“ Bakterien im Darm. Dadurch wird das Darmmilieu (die Lebensbedingung für die Darmbakterien) leicht sauer, so dass weniger Ammoniak in den Körper aufgenommen wird. Für die Ammoniak-senkende Wirkung von Lactulose werden verschiedene Effekte diskutiert. So bewirkt der Abbau von Lactulose eine pH-Wert-Erniedrigung, die zu einer Protonierung von Ammoniak führt. Auf diese Weise wird resorbierbares und toxisches Ammoniak in nicht resorbierbare und daher nicht toxische Ammoniumionen umgewandelt. Zudem wird die proteolytische Darmflora zugunsten der saccharolytischen zurückgedrängt und deshalb entsteht weniger Ammoniak. Die Gabe von Lactulose führt darüber hinaus zu einem Kohlenhydratüberschuss im Kolon. Daher wird auch diskutiert, dass für die Bakterienflora insgesamt ein Stickstoffdefizit entsteht, das dann durch den mikrobiellen Verbrauch von Ammoniak kompensiert wird.
    • Antibiotika (z. B. Rifaximin): Zusätzlich können bestimmte Antibiotika wie Rifaximin eingenommen werden, um die Menge an Bakterien, die im Darm Ammoniak produzieren, zu senken. Rifaximin ist ein darmselektives, nicht resorbierbares Antibiotikum, das die Vermehrung von Ammoniak-produzierenden Bakterien im Darm hemmt.
    • L-Ornithin-L-Aspartat: L-Ornithin-L-Aspartat regt den Abbau von schädlichem Ammoniak in unschädlichen Harnstoff an, der vermehrt über den Urin ausgeschieden wird.Die Medikamente können auch zur Vorbeugung von Rückfällen eingesetzt werden.
  • Ernährung: Eine angepasste Ernährung kann den Verlauf der HE beeinflussen. So sollten Betroffene vollständig auf Alkohol verzichten und auf eine ausgewogene Ernährung mit wenig Salz und viel frischem Obst und Gemüse achten. Eine verringerte Proteinaufnahme wird heute meist nicht mehr empfohlen, da dies den Ernährungszustand negativ beeinflussen kann. Eine übermäßige Proteinzufuhr sollte dennoch vermieden werden. Die Nahrungsaufnahme sollte in häufigeren kleinen Mahlzeiten mit einem abendlichen zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen erfolgen. Längere Nüchternphasen über 4-6 Stunden sollten vermieden werden. Bei einem Vitaminmangel wird die Einnahme von Vitaminpräparaten (insbesondere B-Vitamine) empfohlen.
  • Weitere Maßnahmen: Entsteht die Erkrankung auf dem Boden einer Leberzirrhose mit chronischem Leberversagen, sind eventuell weitere Behandlungen notwendig. In einigen Fällen ist die einzig verbleibende ursächliche Therapie eine Lebertransplantation.

Prävention der hepatischen Enzephalopathie

Die beste Möglichkeit, einer hepatischen Enzephalopathie vorzubeugen, ist die Vorbeugung und Behandlung von Lebererkrankungen. Dazu gehören:

  • Vermeidung von Alkoholmissbrauch: Ein übermäßiger Alkoholkonsum ist eine der Hauptursachen für Leberzirrhose.
  • Impfung gegen Hepatitis B: Eine Impfung gegen Hepatitis B schützt vor einer chronischen Leberentzündung.
  • Behandlung von Hepatitis C: Eine frühzeitige Behandlung von Hepatitis C kann eine Leberzirrhose verhindern.
  • Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung: Eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung können einer Fettlebererkrankung vorbeugen.
  • Vermeidung leberschädigender Medikamente und Substanzen: Grundsätzlich ist es natürlich wichtig, leberschädigende Medikamente und Substanzen (z. B. Alkohol) nicht einzunehmen.

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