Ammoniak im Gehirn: Ursachen und Behandlung der hepatischen Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie (HE), auch bekannt als portosystemische Enzephalopathie, ist eine Störung der Hirnfunktion, die als Folge einer Lebererkrankung auftritt. Bei einer HE reichern sich giftige Substanzen, insbesondere Ammoniak, im Blut an und gelangen ins Gehirn, wo sie die normale Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen. Die HE kann in verschiedenen Schweregraden auftreten, von leichten Konzentrationsstörungen bis hin zu Bewusstseinsverlust und Koma.

Was ist eine hepatische Enzephalopathie?

Die hepatische Enzephalopathie (HE) umfasst alle Störungen der Hirnfunktion, die bei einer zugrundeliegenden Lebererkrankung auftreten können. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „durch die Leber bedingte Erkrankung des Gehirns“. Ursachen für die zugrunde liegende Lebererkrankung können beispielsweise Leberzirrhose, chronische Hepatitis oder auch alkoholische bzw. nicht-alkoholische Fettleber sein.

Im Körper sind mehrere Prozesse an der Entstehung einer hepatischen Enzephalopathie beteiligt. Im Zentrum steht die zugrundeliegende Lebererkrankung. Aufgrund dieser ist die Leber nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe als zentrales Entgiftungsorgan im Köper vollständig auszuüben. Charakteristisch für eine hepatische Enzephalopathie ist in vielen Fällen eine zu hohe Ammoniakkonzentration im Blut, die sogenannte Hyperammonämie.

Ursachen und Risikofaktoren

Die HE entsteht, wenn die Leber das für das Gehirn giftige Ammoniak nicht ausreichend entgiften, d.h. aus dem Organismus ausscheiden kann. Ammoniak gelangt dann über die Blutbahn in das Gehirn und führt dort zu Störungen der Hirnfunktionen.

Eine der häufigsten Ursachen für die hepatische Enzephalopathie ist eine Leberzirrhose. In Deutschland leidet Schätzungen zufolge etwa eine Million Menschen an dieser Erkrankung, die insbesondere durch einen zu hohen Alkoholkonsum, eine Virushepatitis (chronische Hepatitis-B- und -C-Infektion) oder eine Fettleber ausgelöst wird. Eine hepatische Enzephalopathie findet sich bei 30 bis 45 Prozent dieser Patienten. Noch häufiger ist die sogenannte minimale hepatische Enzephalopathie, die bei bis zu 70 Prozent aller chronisch Leberkranken auftritt.

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Weitere mögliche Auslöser einer hepatischen Enzephalopathie sind Elektrolytstörungen, Austrocknung, bakterielle Infektionen und spontan gebildete oder künstlich angelegte Gefäßverbindungen, die an der Leber vorbei führen (sogenannte Shunts). Auch bestimmte Medikamente können die Erkrankung auslösen, z. B. harntreibende Mittel (Diuretika), Protonenpumpenhemmer und Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine.

Ungesunde Gewohnheiten wie Alkoholgenuss, Fast Food und Stress können die Leber belasten. Ihre Filter-Funktion sorgt im Normalfall dafür, dass unser Körper effektiv von Toxinen befreit wird. Doch auch unsere Leber kann überfordert sein - die Folge: Das bei Stoffwechselprozessen gebildete Ammoniak kann von der Leber nicht mehr ausreichend abgebaut werden und sammelt sich im Blut an. Ammoniakreiches Blut gelangt in das Gehirn und kann dort eine Störung der Gehirnfunktion verursachen.

Symptome der hepatischen Enzephalopathie

Die Symptome der HE sind vielfältig und können je nach Schweregrad der Erkrankung variieren. Sie reichen von milden Symptomen wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen bis hin zu schweren Symptomen wie Persönlichkeitsveränderungen, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Koma.

Stadien der hepatischen Enzephalopathie:

Die hepatische Enzephalopathie wird nach den sogenannten West-Haven-Kriterien in vier Stadien plus Vorstadium der minimalen hepatischen Enzephalopathie eingeteilt. Die Einteilung basiert überwiegend auf dem mentalen Zustand des Patienten.

  • Grad 0: Normaler psychischer Zustand
  • Grad 1: Persönlichkeitsveränderungen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Antriebsstörung, Konzentrationsschwäche, Schlafbedürfnis, Störung der Feinmotorik
  • Grad 2: Kräftiges, grobschlägiges Zittern, verwaschene Sprache, starke Müdigkeit, Desorientiertheit und Verhaltensauffälligkeiten
  • Grad 3: Starke Schläfrigkeit, noch erweckbar, Muskelkrämpfe, Desorientiertheit, unzusammenhängende Sprache, Ausfall der Gedächtnisleistung
  • Grad 4: Koma ohne Reaktion auf Schmerzreize.

Bereits das Anfangsstadium einer hepatischen Enzephalopathie (minimale hepatische Enzephalopathie) mit seinen vergleichsweise harmlosen Symptomen ist sehr ernst zu nehmen. Die Symptome einer minimalen hepatischen Enzephalopathie sind bereits bei ca. Bereits bei einer minimalen hepatischen Enzephalopathie sind die Aufmerksamkeit, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit vermindert, was somit auch zu einer eingeschränkten Fahrtauglichkeit führen kann.

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Wiederholte Episoden einer hepatischen Enzephalopathie können zu anhaltenden und zunehmenden Defiziten in Bereichen des Arbeitsgedächtnisses und des Lernens führen.

Diagnose

Die Diagnose der HE basiert auf einer Kombination von klinischer Untersuchung, Anamnese, neurologischer Untersuchung, psychometrischen Tests, Laboruntersuchungen und bildgebenden Verfahren.

  • Klinische Untersuchung und Anamnese: Der Arzt wird den Patienten nach seinen Symptomen, seiner Krankengeschichte und seinen Lebensgewohnheiten fragen.
  • Neurologische Untersuchung: Der Arzt wird die neurologische Funktion des Patienten überprüfen, z. B. seine Reflexe, seine Koordination und seine geistige Funktion.
  • Psychometrische Tests: Diese Tests dienen dazu, das Ausmaß der neuropsychologischen Symptome, insbesondere bei leichter Ausprägung, abschätzen zu können. Mit der Flimmerfrequenzanalyse, bei der die Patient*innen auf ein rotes flackerndes Licht schauen, können auch leichte Funktionsstörungen schnell erkannt werden. Vor allem der Zahlenverbindungstest lässt sich gut in der Praxis durchführen, da dieser ein Bild über die visuellen Fähigkeiten, motorische Geschwindigkeit und Präzision des Patienten gibt.
  • Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen dienen u. a. dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Die Laborwerte zeigen meist eine stark herabgesetzte Leberfunktion. Ein wesentlicher Vertreter dieser toxischen Substanzen ist Ammoniak, ein Restprodukt im Stoffwechsel mit der chemischen Formel NH3. Auslöser für ein vermehrtes Aufkommen von Ammoniak im Blut können Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Verstopfung, Nierenversagen oder übermäßige Aufnahme von Proteinen mit der Nahrung sein. Die Grenzwerte für Ammoniak liegt für Frauen bei 82 µg/dl und für Männer bei 94 µg/dl.
  • Bildgebende Verfahren: Durch ein EEG können Veränderungen der elektrischen Ströme im Gehirn nachgewiesen werden. Um Kopfverletzungen und andere Erkrankungen des Gehirns auszuschließen, kann auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) des Gehirns erfolgen.

Behandlung

Ziel der Therapie einer hepatischen Enzephalopathie ist es, unabhängig von der zugrundeliegenden Lebererkrankung das im Körper befindliche Ammoniak unschädlich zu machen, bevor es das Gehirn erreicht. Die Behandlung der HE umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentöser Therapie, Ernährungsumstellung und Behandlung der zugrunde liegenden Lebererkrankung.

  • Medikamentöse Therapie: Ein häufig eingesetztes Medikament ist Laktulose, das die Darmpassage beschleunigt und die Menge an Ammoniak im Blut senkt. Zusätzlich können bestimmte Antibiotika wie Rifaximin eingenommen werden, um die Menge an Bakterien, die im Darm Ammoniak produzieren, zu senken. Die Medikamente können auch zur Vorbeugung von Rückfällen eingesetzt werden. Das Lebertherapeutikum Hepa-Merz® mit dem Wirkstoff L-Ornithin-L-Aspartat sorgt für eine Steigerung der Ammoniakentgiftung in der Leber zur Therapie einer akuten oder latenten hepatischen Enzephalopathie. Dabei wird Ammoniak unabhängig vom Entstehungsort erfasst, in Harnstoff umgewandelt und über die Niere ausgeschieden.
  • Ernährungsumstellung: Eine verringerte Proteinaufnahme wird heute meist nicht mehr empfohlen, da dies den Ernährungszustand negativ beeinflussen kann. Eine übermäßige Proteinzufuhr sollte dennoch vermieden werden. Die Nahrungsaufnahme sollte in häufigeren kleinen Mahlzeiten mit einem abendlichen zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen erfolgen. Vermeiden Sie längere Nüchternphasen über 4-6 Stunden. Bei einem Vitaminmangel wird die Einnahme von Vitaminpräparaten (insbesondere B-Vitamine) empfohlen.
  • Weitere Maßnahmen: Entsteht die Erkrankung auf dem Boden einer Leberzirrhose mit chronischem Leberversagen, sind eventuell weitere Behandlungen notwendig. In einigen Fällen ist die einzig verbleibende ursächliche Therapie eine Lebertransplantation.

Prävention

Um das Risiko einer HE zu verringern, ist es wichtig, die zugrunde liegende Lebererkrankung zu behandeln und Risikofaktoren wie Alkoholkonsum und Übergewicht zu vermeiden. Außerdem sollten Patienten mit Lebererkrankungen regelmäßig auf Symptome einer HE untersucht werden, um die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

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