Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ist ein schmetterlingsförmiges Organ, das eine zentrale Rolle im menschlichen Körper spielt. Sie liegt im unteren Halsbereich vor der Luftröhre und ist für die Produktion von lebenswichtigen Hormonen verantwortlich. Diese Hormone beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen, vom Stoffwechsel bis zum Wachstum. Eine detaillierte Kenntnis der Anatomie der Schilddrüse, insbesondere des Verlaufs der Nerven in ihrer Umgebung, ist sowohl für das Verständnis ihrer Funktion als auch für die Durchführung chirurgischer Eingriffe unerlässlich.
Anatomischer Aufbau der Schilddrüse
Die Schilddrüse besteht aus zwei Seitenlappen (Lobus dexter und Lobus sinister), die durch eine Gewebebrücke, den Isthmus, miteinander verbunden sind. Zusätzlich kann ein vom Isthmus ausgehender Lappen, der Lobus pyramidalis, vorhanden sein. Die Schilddrüse wiegt beim Erwachsenen zwischen 18 und 30 Gramm.
Kapseln und Läppchen
Die Schilddrüse ist von zwei Kapseln umgeben, einer äußeren (chirurgischen Kapsel) und einer inneren (Organkapsel). Zwischen beiden Kapseln liegen die größeren Blutgefäße sowie an der Rückseite der Drüse die vier Nebenschilddrüsen. Die Organkapsel geht in Bindegewebsstraßen über, die das Drüsengewebe (Parenchym) in einzelne Läppchen (Lobuli) aufteilen. Jedes Läppchen besteht aus vielen kleinen, bläschenförmigen Gebilden (Follikel), deren Wand aus einschichtigem Follikelepithel aufgebaut ist. Diese Epithelzellen bilden die Schilddrüsenhormone T3 und T4 und schütten sie in die Bläschenhohlräume aus, wo sie in Tröpfchen, dem sogenannten Kolloid, gespeichert werden. Zwischen den Follikeln liegen die C-Zellen, die das Hormon Kalzitonin produzieren.
Lage der Schilddrüse und ihre Beziehungen zu anderen Strukturen
Die Schilddrüse befindet sich in der Halsregion, hinter den Halsmuskeln und vor der Luftröhre, die sie umschließt. Der Isthmus liegt auf Höhe des zweiten bis dritten Trachealknorpels. Die Schilddrüsenlappen reichen nach oben bis zum Unterrand des Kehlkopfes und nach unten bis zur oberen Brustkorböffnung. Enge Lagebeziehungen bestehen zur Luftröhre (Trachea), Speiseröhre (Ösophagus) und der gemeinsamen Kopfschlagader (Arteria carotis communis).
Bedeutung der Lage für chirurgische Eingriffe
Die Lage der Schilddrüse in unmittelbarer Nähe zu wichtigen Strukturen wie Luftröhre, Speiseröhre, Blutgefäßen und Nerven macht chirurgische Eingriffe an diesem Organ besonders anspruchsvoll. Eine genaue Kenntnis der topographischen Anatomie ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden.
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Nervenversorgung der Schilddrüse und ihre klinische Bedeutung
Die Nervenversorgung der Schilddrüse ist komplex und von großer Bedeutung, insbesondere für die Stimmbandfunktion und die Vermeidung von Verletzungen während chirurgischer Eingriffe.
Nervus laryngeus recurrens
Der Nervus laryngeus recurrens ist ein Ast des Nervus vagus (X. Hirnnerv) und spielt eine entscheidende Rolle für die Innervation der Kehlkopfmuskulatur, insbesondere der Stimmbänder. Er verläuft beidseitig der Schilddrüse und zieht in der Rinne zwischen Trachea und Ösophagus nach kranial.
Anatomischer Verlauf und Varianten
Der rechte Nervus laryngeus recurrens verläuft um den Truncus brachiocephalicus, während der linke um den Aortenbogen verläuft. Im weiteren Verlauf zieht der Nerv zumeist im Sulcus tracheooesophageus nach oben. Durch die Pulsationen des Aortenbogens bewegt sich der linke Nerv in kraniokaudaler Richtung, was bei der Identifikation des Nervens helfen kann. Im Bereich des Zuckerkandl-Tuberkulums nähert sich der Nerv am stärksten der Schilddrüse an, wobei er meist dorsal des Tuberkulums zu finden ist. Vor der Mündung in den Kehlkopf kann sich der Nerv in bis zu vier Äste aufteilen.
Klinische Relevanz
Eine Verletzung des Nervus laryngeus recurrens während einer Schilddrüsenoperation kann zu einer Stimmbandlähmung (Recurrensparese) führen, die sich in Heiserkeit, Stimmverlust oder Atemnot äußern kann. Die intraoperative Kontrolle der Nervenfunktion mittels Neuromonitoring ist daher von großer Bedeutung, um das Risiko einer Nervenläsion zu minimieren.
Nervus laryngeus inferior non recurrens
In seltenen Fällen (ca. 6% auf der rechten Seite) kann ein Nervus laryngeus inferior non recurrens vorliegen, welcher stets mit einer Arteria lusoria kombiniert ist. Bei dieser anatomischen Variante geht die Arteria subclavia dextra nicht aus dem Truncus brachiocephalicus hervor, sondern direkt aus dem Aortenbogen. Der Nervus laryngeus recurrens umrundet in diesen Fällen nicht die Arteria subclavia, sondern zieht direkt zum Kehlkopf. Diese anatomische Besonderheit muss bei Schilddrüsenoperationen berücksichtigt werden, um eine Nervenläsion zu vermeiden.
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Nervus laryngeus superior
Der Nervus laryngeus superior ist ebenfalls ein Ast des Nervus vagus und teilt sich in zwei Äste auf: den Ramus internus und den Ramus externus.
Ramus externus
Der Ramus externus des Nervus laryngeus superior innerviert den Musculus cricothyroideus, einen Muskel, der für die Spannung der Stimmbänder und die Produktion hoher Töne verantwortlich ist.
Anatomischer Verlauf und Varianten
Der Ramus externus verläuft in enger Nachbarschaft zum oberen Pol der Schilddrüse und kann bei der Präparation des oberen Pols gefährdet sein.
Klinische Relevanz
Eine Verletzung des Ramus externus kann zu einer Beeinträchtigung der Stimmqualität führen, insbesondere bei der Produktion hoher Töne.
Ramus internus
Der Ramus internus des Nervus laryngeus superior ist ein sensibler Nerv, der die Schleimhaut des Kehlkopfes oberhalb der Stimmbänder innerviert. Er ist für den Hustenreflex und den Schutz der Atemwege verantwortlich.
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Weitere Nerven in der Umgebung der Schilddrüse
Neben den Stimmbandnerven gibt es weitere Nerven in der Umgebung der Schilddrüse, die bei chirurgischen Eingriffen berücksichtigt werden müssen:
- Ansa cervicalis profunda: Diese Nervenschlinge versorgt die gerade Halsmuskulatur.
- Nervus hypoglossus: Dieser Nerv innerviert die Zungenmuskulatur und kann bei ausgedehnten Halsoperationen gefährdet sein.
- Nervus accessorius: Dieser Nerv versorgt den Musculus trapezius und den Musculus sternocleidomastoideus.
- Nervus phrenicus: Dieser Nerv innerviert das Zwerchfell und kann bei lateraler Dissektion verletzt werden.
Blutversorgung der Schilddrüse
Die Schilddrüse ist ein stark durchblutetes Organ. Die arterielle Versorgung erfolgt hauptsächlich über die Arteria thyreoidea superior und die Arteria thyreoidea inferior. Die Arteria thyreoidea superior entspringt zumeist als erster Ast aus der Arteria carotis externa und zieht von kranial zum oberen Pol der Schilddrüse. Die Arteria thyreoidea inferior kommt im Regelfall vom Truncus thyreocervicalis und unterkreuzt dabei die Arteria carotis communis am De-Quervain-Punkt. In etwa 8 % der Fälle existiert eine Arteria thyreoidea ima, welche direkt vom Aortenbogen abgeht und vor der Trachea den Isthmus der Schilddrüse erreicht.
Venöser Abfluss
Das venöse Blut aus der Schilddrüse fließt über die Vena thyreoidea superior, Vena thyreoidea media und Vena thyreoidea inferior ab.
Funktion der Schilddrüse
Die Schilddrüse produziert die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die eine Vielzahl von Körperfunktionen beeinflussen. Diese Hormone regulieren den Stoffwechsel, fördern das Wachstum und die Entwicklung, beeinflussen die Herzarbeit und die Körpertemperatur.
Regulation der Hormonproduktion
Die Bildung und Freisetzung der Schilddrüsenhormone unterliegt einem Regelkreis: Im Hypothalamus wird das Hormon TRH (Thyreotropin releasing hormone) gebildet und freigesetzt, wenn der Spiegel an Schilddrüsenhormonen im Blut zu niedrig ist. TRH stimuliert in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) die Ausschüttung von TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon). TSH führt in der Schilddrüse zur vermehrten Bildung von T3 und T4 sowie zu deren Freisetzung ins Blut. Ein erhöhter T3- und T4-Spiegel im Blut hemmt dort die TRH- und TSH-Freisetzung (negative Rückkoppelung).
Erkrankungen der Schilddrüse
Häufige Erkrankungen der Schilddrüse sind die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), die Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) und Entzündungen der Schilddrüse (Thyreoiditis). Seltener sind gutartige Geschwülste und Krebserkrankungen der Schilddrüse.
Hyperthyreose
Bei einer Hyperthyreose produziert die Schilddrüse zu viele Schilddrüsenhormone. Dies führt zu Gewichtsabnahme, erhöhter Körpertemperatur, Steigerung der Herzarbeit, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe, psychischer Labilität, Händezittern und Durchfall. Ursache der Hyperthyreose ist meist eine Autoimmunerkrankung wie Morbus Basedow.
Hypothyreose
Bei einer Hypothyreose besteht ein Mangel an Schilddrüsenhormonen. Die Folge ist ein zu niedriger Grundumsatz, der sich in Gewichtszunahme, Verstopfung und Kälteempfindlichkeit äußert. Außerdem beobachtet man teigige Verdickungen und Schwellungen der Haut (Myxödeme), geistige Verlangsamung und Müdigkeit, struppige und trockene Haare sowie Libido- und Potenzstörungen. Die Hypothyreose kann angeboren oder erworben sein.
Struma
Die Struma ist eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse, die meist durch Jodmangel bedingt ist.
Thyreoiditis
Verschiedene Arten von entzündlichen Erkrankungen der Schilddrüse (Thyreoiditis) können auftreten. Die bekannteste Form ist die Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunthyreoiditis.
Schilddrüsenkrebs
Schilddrüsenkrebs ist eine seltene Erkrankung, die in verschiedenen Formen auftreten kann. Die häufigsten Formen sind das papilläre und das follikuläre Schilddrüsenkarzinom.
Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen
Zur Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen werden verschiedene Verfahren eingesetzt:
- Körperliche Untersuchung und Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, Erfragen von Symptomen, Abtastung der Schilddrüse.
- Blutuntersuchung: Bestimmung der Schilddrüsenhormone (T3, T4, TSH) und Schilddrüsenantikörper (TAK, anti-TPO, TRAK).
- Ultraschalluntersuchung (Sonographie): Beurteilung der Binnenstruktur der Schilddrüse, Nachweis von Knoten, Zysten, Bestimmung von Größe und Lage der Schilddrüse.
- Schilddrüsenszintigraphie: Information zur Lage, Größe und Funktion der Schilddrüse, Unterscheidung zwischen kalten, warmen und heißen Knoten.
- Feinnadelpunktion (Aspirationszytologie): Gewinnung von Schilddrüsengewebe zur pathologischen Untersuchung.
- Weitere bildgebende Verfahren: Röntgen-Tracheazielaufnahme, Computertomographie, Kernspintomographie.
Therapie von Schilddrüsenerkrankungen
Die Therapie von Schilddrüsenerkrankungen richtet sich nach der Art der Erkrankung und kann medikamentös, operativ oder durch Radiojodtherapie erfolgen.
Medikamentöse Therapie
- Schilddrüsenhormone: Bei Hypothyreose werden Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin) als Tabletten eingenommen, um den Hormonmangel auszugleichen.
- Thyreostatika: Bei Hyperthyreose werden Thyreostatika eingesetzt, um die Hormonproduktion der Schilddrüse zu hemmen.
- Jodid: Bei Jodmangelstruma kann die Gabe von Jodid zu einer Verkleinerung der Schilddrüse führen.
Operative Therapie
Eine Operation der Schilddrüse (Thyreoidektomie) kann bei verschiedenen Erkrankungen erforderlich sein, z.B. bei Struma, Schilddrüsenkrebs oder Hyperthyreose. Es gibt verschiedene Operationsverfahren, von der Entfernung eines einzelnen Knotens über die Entfernung eines Schilddrüsenlappens bis hin zur vollständigen Entfernung der Schilddrüse und der zugehörigen Lymphknoten am Hals.
Radiojodtherapie
Die Radiojodtherapie wird bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt, insbesondere bei Schilddrüsenkrebs und Hyperthyreose. Dabei wird radioaktives Jod eingenommen, das sich in der Schilddrüse anreichert und das Gewebe zerstört.
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