Bei einer Demenzerkrankung kommt es häufig nicht nur zu einer Verschlechterung der Denk- und Gedächtnisfunktionen, sondern auch zu Veränderungen im Erleben und Verhalten der Erkrankten. Oft zeigen die Erkrankten aggressive oder depressive Verhaltensweisen, was für alle Betroffenen belastend ist und zu schwierigen Situationen führen kann. Angstzustände sind ein häufiges Begleitsymptom von Demenz, das die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Diagnose und Behandlung von Angstzuständen bei Demenz, um Betroffenen, Angehörigen und Pflegekräften ein besseres Verständnis und praktische Hilfestellungen zu vermitteln.
Ursachen von Angstzuständen bei Demenz
Angst ist eine natürliche und sinnvolle menschliche Emotion, die dazu dient, sich den situativen Gegebenheiten anzupassen. Ein Übermaß an Angst kann jedoch krank machen - beispielsweise zu Phobien, Panikattacken oder im Alter zur generalisierten Angststörung, dem beständigen Sorgen über die Zukunft, führen. Angst nimmt im Alter zu, da ältere Menschen Schwierigkeiten haben, sich einer anderen Person anzuvertrauen, eher für sich bleiben, ihre Gefühle weniger zeigen und eher misstrauisch auf Zuwendung reagieren. Zudem nehmen der kognitive und körperliche Abbau zu, was zu einem Gefühl von Unsicherheit führt. Vermehrte Ängstlichkeit mündet im sozialen Rückzug, geringerer Aktivität und Kommunikation sowie einem beschleunigten kognitiven Niedergang.
Die Pathogenese der Verhaltensstörung ist multifaktoriell. Bezüglich biologischer Ursachen wird die metabolische Hypothese favorisiert, bei der von einer Dysregulation der Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse („Stress-Achse“) und einer resultierenden Imbalance im Transmittersystem mit Auftreten von Wahn (Dopamin) und depressiver Symptomatik (Serotonin) ausgegangen wird. Die Atrophie im Bereich der Nucleus raphe dorsalis (Serotoninmangel) kann ebenfalls zu affektiven Symptomen führen. Die frühzeitige Atrophie des paralimbischen Systems, wie bei Alzheimer-Demenz, kann durch den Eingriff in das dopaminerge Stoffwechselsystem zu Aggressivität durch Wahnsymptome (Vergiftung, Bestehlung) führen, während die Aggressivität bei fronto-temporaler Demenz eher durch Enthemmungsphänomene entsteht. Affektlabilität (Stimmungsschwankungen) bei vaskulären Demenzen kann ebenfalls Aggressivität verursachen.
Neben medizinischen Gründen können auch Situationen und Umgebungen, die die erkrankte Person überfordern, ängstigen oder frustrieren, zu Störungen des Erlebens und Verhaltens führen. Im Verlauf einer Demenzerkrankung ist meist schon sehr früh die Sprache betroffen. Dies äußert sich anfangs in Form von Wortfindungsstörungen, später verarmt die Sprache immer mehr. Schließlich ist auch das Sprachverständnis betroffen, sodass die erkrankte Person nicht mehr in der Lage ist, einem "normalen" Gespräch zu folgen.
Psychologische oder Umfeld-assoziierte Faktoren, wie ein defizitorientierter Umgang (unbewusste kontinuierliche Konfrontation mit den Defiziten) mit dem Erkrankten, und somatische Begleiterkrankungen sind ebenfalls anzuführen. Auch die durch die kognitiven Defizite, wie Desorientierung, Wortfindungsstörungen (Aphasie) oder Störung der Gesichtserkennung (Prosopagnosie), entstandene veränderte Wahrnehmung der Umwelt trägt zu Verhaltensstörungen bei.
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Somatische Ursachen von Verhaltensstörungen bei Demenz:
- Aggressivität, Unruhe und Enthemmung: Wichtige Ursache für diese Symptome sind Schmerzen (6) im Rahmen von Stürzen, unerkannten Frakturen, Osteoporose oder Schmerzen durch fehlsitzende Zahnprothesen (Atrophie des Kiefers). Durch kognitive Defizite sind mittelschwer bis schwer Demenzerkrankte nur unzureichend in der Lage, Schmerzen zu äußern („underreporting of pain“) oder schmerzlindernde Haltungen einzunehmen. Infolge dessen tritt ein unspezifisches Gequältsein auf, das zu Aggressivität führen kann.
- Eine Neuroleptika-Überdosierung (7) wie auch internistische Erkrankungen (Hyperthyreose, Harnwegsinfekte) können Aggressivität auslösen. Bei Missachtung des Grundsatzes „start-low-go-slow“ kann die zu rasche und zu hohe Neuroleptika-Dosierung Verhaltensstörungen auslösen. Therapie wäre das Ausschleichen des Neuroleptikums. Linkshemisphärielle Ischämien können zu einer organisch-affektiven Störung (8) mit Affektlabilität und Unruhe oder zu einer organisch-wahnhaften Störung mit Bestehlungs- oder Vergiftungswahn und Aggressivität führen.
- Scheinbare Nahrungsverweigerung und Apathie: Die Nichtaufnahme von Nahrung kann durch eine somatische oder psychiatrische Komorbidität entstanden sein. Häufige Ursache ist die Besiedelung der atrophen Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori (9). Die resultierende chronische Gastritis, die kognitiven Defizite und der Appetitverlust führen dazu, dass aus Angst vor Schmerzen keine Nahrung aufgenommen wird. Aufgrund der kognitiven Defizite kann dies nicht geäußert werden; es entsteht der Eindruck der Nahrungsverweigerung. Weitere Ursachen sind die Überdosierung mit Digitalis, Psychopharmaka oder eine Polypharmazie (7). Linkshemisphäriell gelegene Ischämien können zur „post stroke depression“ mit Antriebslosigkeit und Appetitminderung führen (8). Hier wäre eine antidepressive Behandlung angezeigt.
- Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen: Davon betroffene Patienten sind nachts wach und agitiert, tagsüber schläfrig und apathisch. Ursächlich können defizitorientiertes Vorgehen durch Bezugspersonen und somatische Begleiterkrankungen sein. Psychopharmakaüberdosierung (7) und der unkritische Einsatz von Neuroleptika oder Benzodiazepinen führen bei dauerhafter Anwendung zum Persistieren der Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen. Eine dekompensierte Herzinsuffizienz mit Nykturie und häufigem Erwachen ist oft zu beobachten. In diesem Fall sollte die Herzinsuffizienz behandelt und es sollten keine Neuroleptika eingesetzt werden. Neuroleptika könnten zur Verstärkung der Herzinsuffizienz führen und damit die Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen verschlimmern. Auch an nächtliche Hypoglykämien muss gedacht werden (10).
- Wahn und Halluzinationen: Bestehlungs- und Vergiftungswahn sowie optische Halluzinationen treten in 30-50 % der Fälle auf (11). Somatische Ursache können eine Hyperthyreose, Störungen des Blutzuckerstoffwechsels, eine Digitalis-Überdosierung, anticholinerge Nebenwirkungen und eine Psychopharmaka-Überdosierung sein (12). Auch Seh- oder Hörminderungen begünstigen wahnhafte Symptome. Kraepelin beschrieb 1915 den „Verfolgungswahn der Schwerhörigen“. Es ist wichtig, sensorische Defizite auszugleichen (13).
- Psychologische und Umfeld-assoziierte Ursachen: Der unbewusst defizitorientierte Umgang mit Demenzpatienten durch ungeschultes Pflegepersonal oder Angehörige mündet in eine kontinuierliche Konfrontation mit krankheitsbedingten Einschränkungen. Da im Rahmen der Atrophie des Hippocampus die Lernfähigkeit verringert wird, führt das tägliche „Einüben“ von Zusammenhängen (Datum, Namen), die für den Alltag verzichtbar sind, je nach prämorbider Persönlichkeit zu Aggressivität oder Depressivität und zur Minderung des Selbstwertgefühls. Vor dem Hintergrund der schwierigen psychosozialen Situation von Demenzkranken (Verlust, Umzug ins Heim) und fehlender kognitiver Verarbeitung, ist im klinischen Alltag die Verstärkung von Verhaltensstörungen zu beobachten.
Posttraumatische Belastungsstörungen zum Beispiel als Ergebnis von Traumatisierungen durch den zweiten Weltkrieg können nun, bei eingeschränkter Kognition, zu Angstzuständen, Schlafstörungen, Alpträumen und Aggressivität führen (14). Bereits prämorbid bestehende affektive und psychotische Störungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen sind geeignet, nun Verhaltensstörungen hervorzurufen oder zu verstärken und müssen im therapeutischen Gesamtkonzept berücksichtigt werden (15).
Diagnose von Angstzuständen bei Demenz
Zunächst sollte die Verhaltensstörung als solche identifiziert und zugeordnet werden. Der Demenztyp ist zu beachten. Alzheimerkranke zeigen durch die limbische und paralimbische Atrophie Wahnsymptome oder Halluzinationen und durch frühzeitige Involvierung der hinteren Raphekerne Depressivität. An fronto-temporaler Demenz Erkrankte erleiden frühzeitig Enthemmungsphänomene und emotionale Indifferenz. Vaskuläre Demenzerkrankungen können durch Affektlabilität imponieren, Lewy-Körperchen-Demenzen durch ausgeprägte, wenig affektbeladene, szenische Halluzinationen (16).
Die Abgrenzung vom Delir als Verwirrtheitszustand mit organischer Ursache, Bewusstseinsänderung, gestörter Aufmerksamkeit, vegetativen Symptomen und anderen kognitiven Defiziten ist notwendig. Ein Kriterium der Abgrenzung von Verhaltensstörungen ist die Unfähigkeit, Aufmerksamkeit auf etwas zu richten, sie zu verlagern oder aufrechtzuerhalten (17).
Wichtig ist, die beschriebenen somatischen Komorbiditäten zu erkennen und zu behandeln. Auslösende Faktoren und Situationen sind mittels Fremdanamnese konkret zu identifizieren. Ein Patient mit fortgeschrittener Demenz, der seine verstorbene Ehefrau sucht und permanent hört, dass sie „doch tot“ sei, wird zwangsläufig Verhaltensstörungen entwickeln. Ein psychischer Befund ist hilfreich. Zu achten ist auf Wahnerleben, Stimmungsschwankungen, Appetitverlust und Schlafstörungen. Spezifische Skalen können zur Beurteilung von Ursachen (zum Beispiel Schmerzen, Depression) und Schweregrad der Verhaltensstörungen eingesetzt werden.
Zur Einschätzung der Angst bei Demenz empfiehlt sich das Instrument RAID - Rating Anxiety in Dementia (Shankar et al. 1999), das in einer nicht validierten Übersetzung vom Dialog- und Transferzentrum Demenz (www.dialogzentrum-demenz.de) herunterzuladen ist. Vier Dimensionen mit insgesamt 18 Items zusammen mit einer Kommentierung für Phobien und Panikattacken erlauben ein zuverlässiges Assessment.
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Behandlung von Angstzuständen bei Demenz
Allgemeine therapeutische Grundlagen
Verhaltensstörungen sind integraler Bestandteil des Demenzsyndroms und einer therapeutischen Intervention zugänglich (2). Hilfreich sind pflegerische Verfahren zur Prävention eines Delirs bei Demenz (18).
Die Therapie von Verhaltensstörungen sollte im therapeutischen Gesamtkonzept aufeinander abgestimmter nichtmedikamentöser und medikamentöser Behandlungsansätze durchgeführt werden. Im ersten Schritt erfolgt die Psychoedukation aller beteiligten Personen in validierendem, ressourcenorientiertem Umgang (19). Dann müssen auslösende Faktoren und Situationen erkannt und vermieden werden.
Psychopharmaka sollten dann eingesetzt werden, wenn die nichtmedikamentösen Interventionen nicht effektiv waren (2). Zuvor muss eine gründliche somatische Abklärung erfolgen. Es sollte nicht vordergründig gefragt werden „Welches Medikament soll der Patient bekommen?“, sondern „Was hat er eigentlich?“.
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren
Zu psychosozialen Interventionen liegen evidenzbasierte Daten vor (2). Effektstärken für Erinnerungstherapie (d = 0,47; [2, e21]), Ergotherapie (d = 0,72; [2, e22]), körperliche Aktivitäten (d = 0,68; [2, e23]) und aktive Musiktherapie (d = 0,62; [e24]) wurden publiziert.
Zunächst müssen alle Personen, die an der Betreuung des Patienten beteiligt sind, eine Psychoedukation und Schulung erhalten, um einen defizitorientierten Umgang zu vermeiden. Mögliche Auslöser der Verhaltensstörungen durch das Verhalten der Bezugspersonen müssen reduziert werden. In der Kommunikation mit dem Kranken sind kurze, prägnante Sätze, eine flexible Wortwahl und eine sonore, angenehme Stimmlage hilfreich (e25).
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Für leichte bis mittlere Demenz empfiehlt sich eine von Paukert (2010) beschriebene Intervention mit dem Namen „Peaceful Mind“. Hierbei handelt es sich um Wahrnehmungs- und Atemübungen, der Entwicklung beruhigender Gedanken und Bilder und dem Training von Schlaftechniken. Diese werden in zwölf Sitzungen innerhalb von sechs Monaten zusammen mit der Hauptpflegeperson eingeübt und anschließend reflektiert. Achtsamkeitsübungen, Psychoedukation, Entspannungstrainings, Umgang mit Alter und Schmerz ergänzen solche Programme.
Weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen:
- Validation: Die Validationsmethode nach Naomi Feil ist ein Ansatz, bei dem die Gefühle und Bedürfnisse des Demenzkranken akzeptiert und wertgeschätzt werden, auch wenn sie irrational erscheinen.
- Realitätsorientierungstraining (ROT): Bei dieser Therapieform werden den Erkrankten aktiv Informationen zu Zeit und Ort angeboten, beispielsweise durch große Uhren und Kalender oder eine einfache Raumbeschilderung.
- Erinnerungstherapie: Durch die Biographiearbeit werden bei den Betroffenen gezielt Erinnerungen und Erfahrungen geweckt, beispielsweise durch Fotos, Geschichten, Musik oder Gerüche. Wissen aus der Biographie der erkrankten Person hilft auch Angehörigen im Alltag auf das Verhalten der Person besser zu reagieren.
- Ergotherapie: In der Ergotherapie werden durch funktionelle, spielerische, handwerkliche und gestalterische Aktivitäten die Alltagskompetenzen gestärkt und möglichst lange erhalten.
- Kognitive Stimulation: Durch kognitive Stimulation können bei Erkrankten im frühen bis mittleren Stadium die Wahrnehmung, das Lernen und das Gedächtnis verbessert werden. Dies können zum Beispiel einfache Wort-, Zahlen- oder Ratespiele sein.
- Musiktherapie: Musiktherapie kann in allen Krankheitsstadien eine förderliche Wirkung haben. Musik zu machen oder zu hören weckt positive Erinnerungen und Gefühle.
- Tanztherapie: Auch die Tanztherapie kann in allen Krankheitsstadien eine förderliche Wirkung haben. Tanzen ist Bewegung und wirkt befreiend. Dadurch werden positive Gefühle geweckt.
- Mal- und Kunsttherapie: Die Mal- und Kunsttherapie kann auch Verbesserungen des Wohlbefindens liefern.
- Snoezelen: Beim Snoezelen (aus dem Niederländischen, sprich: „snuselen“) werden die Sinne der Erkrankten angesprochen. Bekannte Klänge, Düfte und Geschmäcke wirken anregend, wodurch auch das Wohlbefinden verbessert werden kann.
- Lichttherapie: Es gibt erste Hinweise darauf, dass die Lichttherapie die Schlafqualität der Betroffenen verbessern kann.
- Berührungen und Massagen: Berührungen oder leichte Massagen wirken beruhigend.
- Tiergestützte Therapie: Studien zeigen, dass die Anwesenheit von Tieren eine beruhigende Wirkung auf Menschen mit Demenz haben kann. Die non-verbale Kommunikation kann hilfreich sein, vorallem dann, wenn eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist.
- Bewegungstherapie: Die Bewegungstherapie wirkt körperlichen Beschwerden entgegen, zudem werden Verhalten und Körperwahrnehmung positiv beeinflusst.
- Verhaltenstherapie: Die Verhaltenstherapie ist ein psychotherapeutisches Verfahren für Menschen mit leichter kognitiver Störung (MCI) und Demenz im Frühstadium. Sie wird eingesetzt zur Bewältigung von Depressionen.
Neben begleitenden, regelmäßigen therapeutischen Maßnahmen gibt es weitere Aktivitäten, die Menschen mit Demenz länger körperlich und geistig fit halten können. Diese lassen sich oft gut in den Alltag integrieren:Sport hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung baut Ängste ab, mildert Aggressionen und fördert das Ein- und Durchschlafen. Am besten eignet sich tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.), bei der Atmung und Herzfrequenz erhöht sind, aber noch ein Gespräch möglich ist.Gerade bei weniger fitten Menschen lässt sich Bewegung auch gut in den Alltag integrieren, zum Beispiel bei Spaziergängen mit dem Hund oder bei der Gartenarbeit.Aktivitäten, die das Gehirn anregen wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus. Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Finden Sie heraus, was der oder dem Erkrankten Spaß macht und achten Sie darauf, sie oder ihn nicht zu überfordern.Ein gutes Miteinander und soziale Kontakte machen nicht nur zufriedener, sondern halten auch den Kopf fit. Treffen Sie sich mit Freunden, Familie oder Nachbarn und verbringen Sie eine gute Zeit.
Medikamentöse Therapie
Antidementiva (Galantamin d = 0,14, p = 0,004; Donepezil d = 0,07, p = 0,001; Rivastigmin p = 0,002; Memantin p = 0,004) und Psychopharmaka sind bei Verhaltensstörungen wirksam (2, e11-e16).
Zuerst wird eine somatische Grunderkrankung medikamentös behandelt, wie zum Beispiel ein Harnwegsinfekt mit einem Antibiotikum. Die Psychopharmakotherapie der möglicherweise aus dem Harnwegsinfekt resultierenden Aggressivität ist symptomatisch und zeitlich begrenzt. Anticholinerg wirksame, sedierende und muskelrelaxierende Medikamente sollten gemieden werden (20), ebenso Medikamente mit hohem Interaktionspotenzial (PRISCUS-Liste) (21).
Behandlung psychotischer Symptome, gesteigerter Psychomotorik und Aggressivität: Eine Neurolepsie erfolgt mittels hochpotent atypischer Neuroleptika, wenn akute Gefährdungssituationen oder schwere psychotische Symptome vorliegen. Eine langsame Aufdosierung („start low go slow“) über 1-2 Wochen und ein kurzfristiger Einsatz aufgrund zerebro- und kardiovaskulärer Risiken (22) sowie erhöhter Mortalität (23) sind zu beachten. Mittel der Wahl ist Risperidon (0,25 bis maximal 2 mg/Tag; p = 0,002) (24). Olanzapin, Quetiapin und Aripiprazol wirken auf Aggressivität, nicht jedoch auf Wahnsymptome (e17, e18). Olanzapin hat anticholinerge Nebenwirkungen (15).
Klassische Neuroleptika wie Haloperidol (erhöhtes Risiko für extrapyramidal motorische Nebenwirkungen) (25) oder niederpotente Neuroleptika wie Melperon (Sedierung, Sturzrisiko) sollten kritisch verwendet werden.
Als Neuroleptika bei Demenz mit Lewy-Körperchen sind Clozapin und Quetiapin ohne Verschlechterung der Parkinsonsymptomatik geeignet (26). Benzodiazepine sollten allenfalls kurzfristig eingesetzt werden. Es bestehen Abhängigkeitspotenzial, erhöhte Sturzgefahr sowie Depressiogenität (27). Wenn notwendig, sollten Oxazepam oder Lorazepam, die ihre Halbwertszeit im Alter nicht erhöhen, verwendet werden. Carbamazepin wirkt auf agitiertes und aggressives Verhalten (28), hat aber auch ein hohes Interaktionspotenzial. Valproinsäure zeigt keine Effekte bei agitiertem oder aggressivem Verhalten (29).
Behandlung affektiver Symptome und Apathie: Am besten sind Serotinwiederaufnahmehemmer zur Behandlung einer affektiven Symptomatik untersucht (30). Eine Hyponatriämie mit Verschlechterung kognitiver Defizite oder Delir kann gelegentlich auftreten. Fluoxetin und Paroxetin (hohes Interaktionspotenzial) oder Trizyklika (anticholinerge Nebenwirkungen) sollten gemieden werden (31). Citalopram zeigte Wirksamkeit (32). Keine randomisierten kontrollierten Studien existieren zu Mirtazapin, Escitalopram, Venlafaxin (e19), Reboxetin und Duloxetin. Der Einsatz erfolgt als individueller Heilversuch. Trazodon (33) und MAO-Hemmer (34) zeigen in Einzelstudien eine Wirksamkeit. Trazodon hat einen positiven Effekt auf Angstzustände (33). Risiken sind Sedierung, hypertone Entgleisung und Priapismus. Die Behandlung der Apathie ist nicht ausreichend untersucht. Der Einsatz von Antidementiva als individueller Heilversuch kann jedoch hilfreich sein (e20).
Nähe deaktiviert Angst
Sogenannte „unspezifische Effekte“, also die Haltung und die Person des Betreuenden, sind für den Erfolg aller Maßnahmen entscheidend. Eine Sicherheit und Vertrautheit vermittelnde Haltung, sozusagen eine „seelsorgerische Verbundenheit“ - darauf kommt es an.Nähe deaktiviert die Angst, ermöglicht mehr strukturelle Klarheit und damit auch mehr Distanz und Kontrolle des Affekts. Gerade wenn Demenzerkrankte Gefahr laufen, sich oder andere aufgrund ihrer Erkrankung zu verletzen oder der Leidensdruck der Betroffenen besonders hoch ist, können Antipsychotika helfen. Leider zeigen Studien, dass Beruhigungsmittel in Pflegeheimen zu häufig eingesetzt und vor allem nicht mehr abgesetzt werden. Dabei haben sie je nach Dosis unangenehme Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen, Schwindel und Müdigkeit. Außerdem erhöhen sie die Sturzgefahr und das Schlaganfallrisiko, verschlechtern die kognitive Leistungsfähigkeit und verringern insgesamt die Lebensqualität.
Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige
Die Pflege einer angehörigen Person, die an Demenz erkrankt ist, kann für die pflegende Bezugsperson körperlich und seelisch sehr belastend sein. Vielen pflegenden Angehörigen fällt es jedoch schwer, auch an ihre eigene Entlastung zu denken. Dies ist jedoch sehr wichtig, um immer wieder neue Energie für die Aufgaben des täglichen Lebens schöpfen zu können. Es gibt viele verschiedene Hilfsangebote, die den Alltag für die Erkrankten und ihre Angehörigen erleichtern können.
Eine Auswahl an Hilfsangeboten:
- Mobile Soziale Dienste/ Nachbarschaftshilfe: Laienhelfer, die vorwiegend Besuchs- und Einkaufsdienste leisten; einfache Hilfe bei der Pflege, Begleitung und Betreuung, ggf.
- Kurzzeitpflege: zeitlich begrenzter Aufenthalt in einer stationären Einrichtung bei Urlaub oder Verhinderung der Pflegeperson, meist in Pflegeheimen, max.
- Wohnraumanpassung: Maßnahmen zur räumlichen Veränderung im häuslichen Umfeld, wie die Beseitigung von "Stolperfallen" und sonstigen Hindernissen.
- Senior:innenberatungsstellen
- Kompetenznetz Demenzen (KND)
- Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.
- Demenz-Servicezentrum Nordrhein-Westfalen für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte überregionaler Service, Informationsangebote u.a.
Im Laufe der Erkrankung stellen sich für die erkrankte Person und ihre Angehörigen häufig auch finanzielle Fragen, insbesondere aufgrund der zunehmenden Pflegebedürftigkeit der betroffenen Person. Die monatlichen Sach- bzw. Geldleistungen sind abhängig von der Schwere der Pflegebedürftigkeit.
Ein Krankenhausaufenthalt ist für eine demenzerkrankte Person eine große Belastung. Selbst wenn kein größerer operativer Eingriff nötig ist, bedeutet ein Krankenhausaufenthalt die Trennung von der Bezugsperson und die Konfrontation mit einer völlig unvertrauten Umgebung. Um diese Stressfaktoren bestmöglich abzuschwächen, empfiehlt es sich, im Vorfeld die beteiligten Pflegepersonen über bestimmte Gewohnheiten, Vorlieben, Ängste etc. der demenzerkrankten Person zu informieren.
Rechtliche Aspekte
Die Einwilligungsfähigkeit beruht auf der Einsichts- und Urteilsfähigkeit einer Person und ist durch eine Demenzkrankheit nicht automatisch aufgehoben. Gerade bei der Diagnostik und der Einleitung von Therapien müssen Angehörige und Ärzt:innen sich damit befassen, inwieweit die erkrankte Person in der Lage ist, Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen und zu einer Willensentscheidung zu kommen. Aber auch in anderen Lebensbereichen spielt die Einwilligungsfähigkeit eine große Rolle, z.B. wenn es um die Verwendung von Erspartem oder die Wahl des eigenen Wohnsitzes geht. Solange die erkrankte Person noch ihren Willen äußern kann, sollte sie aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Sonderfall Testierfähigkeit: Die Testierfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, ein Testament zu verfassen und ist von der allgemeinen Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden. Die Testierfähigkeit wird durch geistige Einschränkungen oder eine Bewusstseinsstörung ausgeschlossen. Wer an Demenz leidet, kann durchaus geschäftsfähig, möglicherweise aber nicht testierfähig sein.
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