Nach dem Einsetzen von Zahnimplantaten können Patienten in den ersten Tagen Schmerzen, Zahnfleischbluten und Taubheitsgefühle im Operationsbereich verspüren. Im Allgemeinen sind solche postoperativen Folgen normal, wenn sie nicht länger als 3-5 Tage anhalten. Manchmal kann das Unbehagen jedoch länger anhalten. Dieser Artikel befasst sich mit Taubheitsgefühlen nach Zahnimplantationen, ihren möglichen Ursachen, Symptomen und verfügbaren Behandlungen.
Anästhesie und Parästhesie
Vor dem Einsetzen eines Implantats injiziert der Zahnarzt ein Lokalanästhetikum in den zu operierenden Bereich, um Schmerzen während der Operation zu verhindern. Dies führt zu einer Parästhesie (Empfindungsstörung, Taubheitsgefühl), da die Nervenenden für 3-4 Stunden blockiert werden. Es kommt vor, dass das Lokalanästhetikum während der Manipulationen seine Wirkung verliert. In diesem Fall kann dem Patienten eine zusätzliche Dosis des Schmerzmittels verabreicht werden.
Ursachen für Taubheit nach der Implantation
Es gibt verschiedene Gründe, warum Taubheit nach der Implantation von Zahnimplantaten nicht verschwindet:
- Minderwertige Schmerzlinderung: Die Ursache kann ein schlechtes Lokalanästhetikum, eine falsche Dosierung oder eine Schädigung von Nervengewebe bei der Injektion sein.
- Falsch gewählte Implantatlänge: Wenn ein Implantat zu lang ist, kann es auf Nerven drücken oder diese verletzen.
- Verletzung des Trigeminusnervs: Dies kann während des Einsetzens des Zahnimplantats oder beim Bohren des Lochs für den Stift geschehen. Der Trigeminusnerv ist der größte Nerv unter den zwölf Hirnnerven. Er versorgt den Unterkiefer (Unterkiefernerv) und den Oberkiefer (Oberkiefernerv) mit Nervenfasern. Die Schädigung des Unterkiefernervs und des Oberkiefernervs wird durch Dehnung, Kompression oder teilweises/vollständiges Durchtrennen der Nervenfasern verursacht. Der Arzt kann während des Einsetzens des Titanimplantats (bei Beschwerden des Patienten) oder während der postoperativen Überwachung des Patientenzustands eine Pathologie feststellen.
Die Schädigung des Unterkiefernerv-Astes stellt das wohl größte Risiko von Zahnimplantaten dar. Theoretisch können der Zungennerv (N. lingualis) oder kleinere Oberkiefernerv-Äste verletzt werden. Unterhalb der Wurzelspitzen im Bereich der Seitenzähne im Unterkiefer verläuft der Unterkiefernerv (Nervus alveolaris inferior). Er versorgt den Knochen und die Zähne mit Sensibilität. Er verlässt etwa in Höhe der Wurzelspitze des kleinen Backenzahns (5. Zahn) über den Kinnaustrittspunkt (Foramen mentale) den Unterkieferknochen.
Wurde für die Einbringung des Implantats zu tief gebohrt bzw. das Implantat zu tief platziert, kann der Unterkiefernerv gequetscht, teilweise oder ganz durchtrennt werden. Je nach Schwere der Quetschung oder Verletzung kann dadurch ein zeitweiliges oder dauerhaftes Taubheitsgefühl im Kinn-Lippen-Bereich der betroffenen Seite eintreten. Gefühlsstörung oder Schmerzen können auch durch den Druck entstehen, den Schwellungen oder Blutergüsse nach der OP erzeugen. Das kann bei knappem Abstand zwischen Implantat und Unterkiefernerv passieren.
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Arten von Nervenverletzungen
Nervenverletzungen können in drei Kategorien eingeteilt werden:
- Neuropraxie: Eine leichte Verletzung (Dehnung) ohne Schädigung der Nervenstruktur. Normalerweise stellt sich die Empfindlichkeit innerhalb von 4-8 Wochen wieder her.
- Axonotmesis: Eine mittelschwere Verletzung, Taubheit des Kinns oder des Zahnfleisches nach der Implantation, begleitet von Schmerzen. Die Integrität des Axons (der Nervenzellausläufer) bleibt erhalten. Die Empfindlichkeit kehrt innerhalb von 8-16 Wochen zurück, kann jedoch später etwas geringer sein als vor der Verletzung.
- Neurotmesis: Eine schwere Verletzung der Nervenfasern mit Schädigung ihrer Integrität (der Nerv und seine Hülle werden beschädigt).
Diagnose
Um die Ursache der Taubheit zu ermitteln, führt der Arzt folgende Untersuchungen durch:
- Untersuchung der Mundhöhle: Der Zahnarzt untersucht die Mundhöhle, um Anzeichen einer Entzündung oder Verletzung zu erkennen.
- Bewertung des neurologischen Status: Der Arzt beurteilt die Funktion der geschädigten Äste des Trigeminusnervs.
- Röntgenaufnahmen/Computertomographie: Röntgenaufnahmen oder eine Computertomographie können helfen, die Lage des Implantats und den Zustand des umliegenden Gewebes zu beurteilen.
Alleine das Auftreten einer Gefühlstörung im Kinn-Lippenbereich nach Abklingen der Betäubung legt die Diagnose nahe. Ein klassisches Röntgenbild kann den Abstand zwischen Implantat und Nervkanal meist gut dokumentieren. Gegebenenfalls ist ein 3D-Bild (CT, DVT) heranzuziehen, da hierdurch entscheidende Informationen für die Behandlung eingeholt werden. Der Implantologe selbst kann wesentliche Informationen beisteuern: wurden Manipulationen am N. mentalis, z.B. zum Schutze desselben u.ä. durchgeführt?
Behandlung
Die Therapie für jeden Patienten ist individuell und hängt von der Art und dem Ausmaß der Nervenschädigung ab.
- Leichte und mittelschwere Verletzungen: Bei leichten und mittelschweren Verletzungen entscheidet der Arzt, ob eine Intervention erforderlich ist oder ob dem Körper Zeit zur Selbstheilung gegeben werden soll. Dem Patienten können therapeutische Verfahren mit medikamentöser Behandlung (Einnahme von Antibiotika, entzündungshemmenden Medikamenten) und physiotherapeutischen Maßnahmen (Akupunktur, gezielte Massage, Elektrophorese und Ultraschalltherapie) verschrieben werden. Bei nervnahen Implantaten sind heutzutage Planungen unter Zuhilfenahme von 3D-Röntgen (CT, DVT) State-of-the-Art. Auch helfen spezielle Bohrerstopps bei der exakten Implantatbettaufbereitung um ein zu tiefes Bohren zu verhindern.
Wenn ein Nerv durchtrennt wurde, stirbt zwar der vom ZNS weiter entfernte Anteil immer ab, das Neueinwachsen (Regeneration) aus dem Ende, welche etwa 1mm/Tag umfasst, kann aber bei einer „Führung“ der Nerv-Regeneration schneller und besser erfolgen. Im Falle einer unstrittigen Durchtrennung des Nerven beim Bohren kann daher theoretisch eine operative Nervnaht Voraussetzung für eine besser Regeneration schaffen.
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- Schwere Verletzungen: Bei Implantaten, die in den Nervkanal reichen ist aber die umgehende Entfernung bzw. Ödem, Bluterguß: Zuwarten; evtl. Kortisongabe nach Absprache mit einem Neurologen/Neurochirurgen. Schmerztherapie, evtl. Diese ist letztendlich von der Art der Verletzung (Quetschung, teilweise oder vollständige Durchtrennung, Regenerations-Leitstruktur intakt/nicht intakt?) und individuellen biologischen Faktoren abhängig.
Vermeidung von Nervenverletzungen
Um Nervenverletzungen bei Zahnimplantationen zu vermeiden, sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Sorgfältige Planung: Eine sorgfältige Planung des Eingriffs mit Hilfe von 3D-Röntgen (CT, DVT) ist unerlässlich, um die Lage der Nerven zu bestimmen und das Risiko einer Verletzung zu minimieren. Durch sorgfältige Röntgen-Diagnostik (gegebenenfalls CT, DVT) lässt sich der Abstand zwischen Knochenoberkante und Nervkanal messen. Danach sollte die Implantatlänge mit einem Sicherheitsabstand bestimmt werden.
- Verwendung von kurzen Implantaten und Stoppern: Um die Sicherheit des chirurgischen Eingriffs zu gewährleisten, verwenden Ärzte manchmal kurze Implantate und Stopper, um die Integration des Titanstifts in das Knochengewebe zu kontrollieren. Bei Unsicherheit Implantate vorher anders planen (z.B.
- Erfahrung des Chirurgen: Ein erfahrener Chirurg kann das Risiko einer Nervenverletzung durch sorgfältige Operationstechniken minimieren.
Weitere Komplikationen nach Zahnimplantationen
Neben Nervenverletzungen gibt es weitere mögliche Komplikationen nach Zahnimplantationen:
- Entzündung des Implantatbetts: Infektionen können auftreten, wenn der Kieferknochen vor der Implantation nicht vollständig entzündungsfrei war, während des Eingriffs oder in der Heilungsphase Entzündungserreger in die Wunde gelangen oder das körpereigene Gewebe das Implantat abstößt.
- Infektion der Kieferhöhle: Im Oberkiefer können sich Infektionen des Implantatbetts auf die nahegelegene Nasennebenhöhle ausbreiten oder dort aufgrund von Fremdkörpern entstehen, die während der Implantation dorthin gelangen. Dies ist besonders beim Knochenaufbau durch Sinuslift der Fall.
- Verletzung eines benachbarten Zahns: Wenn die Zahnwurzel eines benachbarten Zahns während der Implantation verletzt wird, kann es zu einer Entzündung kommen, die als Pulpitis bezeichnet wird.
- Periimplantitis: Die Periimplantitis ist eine Entzündung des Gewebes um ein Zahnimplantat herum und stellt eines der signifikantesten postoperativen Risiken dar. Die Hauptursache für eine Periimplantitis ist die Ansammlung von Bakterien (bakterielle Plaque) um das Implantat, ähnlich wie bei der Parodontitis bei natürlichen Zähnen. Die Behandlung der Periimplantitis zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.
- Unzureichende Knochenqualität oder -quantität: Für eine erfolgreiche Implantation ist ausreichend gesunder Kieferknochen notwendig.
- Reaktion auf das Implantatmaterial: Selten können Patienten auf das Material des Implantats (z.B.
Prävention von Komplikationen
Um Komplikationen nach Zahnimplantationen vorzubeugen, sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Sorgfältige Planung und Vorbereitung: Eine gründliche Untersuchung des Patienten und eine sorgfältige Planung des Eingriffs sind unerlässlich, um Risiken zu minimieren.
- Gute Mundhygiene: Regelmäßiges Zähneputzen, die Verwendung von Zahnseide und Mundspülung können dazu beitragen, Infektionen und Plaquebildung um das Implantat herum zu verhindern.
- Strikte Nachsorge: Befolgen Sie die Anweisungen Ihres Zahnarztes nach der Implantation genau.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt sind wichtig, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
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