Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Erlebnis, das nicht nur körperliche, sondern auch psychische Folgen haben kann. Angstzustände und Depressionen sind häufige Begleiterscheinungen nach einem Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Angstzuständen nach einem Schlaganfall und stellt Behandlungsansätze vor.
Was passiert bei einem Schlaganfall?
Das Gehirn steuert alle Funktionen des menschlichen Organismus. Ob Bewegung, Sprache, Bewusstsein oder Sinneswahrnehmung - im Kopf wird alles gesteuert, verarbeitet und übersetzt. Dementsprechend großzügig muss das Gehirn mit Blut versorgt werden: 700 Milliliter des roten Safts durchströmen es jede Minute, damit alles so funktioniert, wie es funktionieren soll. Manchmal aber verschließen sich diese Gefäße durch Blutgerinnsel oder Arteriosklerose (Arterienverkalkung). Sie sind in 80 Prozent aller Schlaganfall-Erkrankungen die Ursache und werden als ischämischer Schlaganfall bezeichnet. Ausnahmen bilden Hirnblutungen, die durch Kopfverletzungen wie ein Schädel-Hirn-Trauma entstehen: Beim hämorrhagischen Schlaganfall sind Gefäße so stark beschädigt, dass Blut austritt. Eines aber haben beide Arten gemein: Der Zufluss zum Gehirn wird unterbrochen, das Blut erreicht das Hirngewebe nicht mehr. Es kommt zu einer Durchblutungsstörung: Manche Hirnareale werden nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt - und stellen ihre Funktion ein.
Ursachen von Angstzuständen nach einem Schlaganfall
Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Entstehung von Angstzuständen nach einem Schlaganfall beitragen können:
- Direkte Schädigung des Gehirns: Ein Schlaganfall kann Gehirnbereiche schädigen, die für die Emotionsregulation zuständig sind. Dies kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für Angstzustände führen. Denn bei einem Schlaganfall wird das Gehirn geschädigt, und diese Gehirnschäden können auch das Gefühlsleben verändern.
- Reaktion auf die Folgen des Schlaganfalls: Die körperlichen und geistigen Einschränkungen, die durch einen Schlaganfall entstehen, können eine große Belastung darstellen und zu Angstzuständen führen. Eine Depression kann aber auch eine Reaktion auf die körperlichen und geistigen Einschränkungen und den plötzlichen Verlust der Selbstständigkeit sein. Dies wird reaktive Depression genannt. Oft ist eine Körperseite gelähmt, dadurch sind die Beweglichkeit und die Selbstständigkeit stark eingeschränkt. Alltagstätigkeiten wie die Körperpflege und das Essen fallen schwer und sind häufig nur mit fremder Hilfe möglich. Die Lähmung stört zudem das Körpergefühl, da die gelähmte Seite schlecht bis gar nicht mehr wahrgenommen wird. All dies kann sehr belastend sein.
- Traumatische Erfahrung: Der Schlaganfall selbst kann ein traumatisches Erlebnis sein, das Angstzustände auslöst. Schlagartig ist die körperliche und geistige Unversehrtheit im höchsten Maße bedroht oder gar teilweise verloren. In der Rückschau berichten viele Patientinnen und Patienten, dass sie sich im ersten Moment dieser schockartigen Erfahrung wie betäubt fühlten. Sie erlebten ihre Zeit im Akutkrankenhaus und in der Rehaklinik wie in einem „Autopilot-Modus“.
- Sorge vor einem erneuten Schlaganfall: Viele Betroffene haben Angst vor einem erneuten Schlaganfall, was zu ständiger Anspannung und Besorgnis führen kann. Am häufigsten leiden Betroffene unter der Angst vor einem erneuten Schlaganfall.
Symptome von Angstzuständen nach einem Schlaganfall
Die Symptome von Angstzuständen nach einem Schlaganfall können vielfältig sein und sich von Person zu Person unterscheiden. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Übermäßige Sorgen und Ängste: Betroffene machen sich ständig Sorgen um ihre Gesundheit, ihre Zukunft oder ihre Angehörigen.
- Panikattacken: Plötzliche Anfälle von intensiver Angst, begleitet von körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot, Schweißausbrüchen und Zittern. Dann erleben die Betroffenen klassische Panik-Reaktionen: rasender Puls, Herzklopfen, Erröten, Schweißausbrüche, Benommenheit, Übelkeit und so weiter. Eine Panikattacke kann einige Minuten oder länger anhalten.
- Vermeidungsverhalten: Betroffene vermeiden Situationen oder Orte, die Angst auslösen könnten, wie z.B. Menschenmengen, öffentliche Verkehrsmittel oder Arztbesuche. Betroffene meiden oft angstauslösende Situationen, was wiederum dazu führt, dass sie sich sozial zurückziehen.
- Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen aufgrund von Sorgen und Ängsten.
- Körperliche Beschwerden: Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme. Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme sind häufige Begleiterscheinungen. Der emotionale Stress und die Depression können physische Symptome verstärken oder auslösen.
- Reizbarkeit: Betroffene reagieren schneller gereizt oder sind ungeduldig.
Post-Stroke-Depression (PSD)
Trauer und Niedergeschlagenheit sind kurz nach einem Schlaganfall normal. Etwa ein Drittel der Erkrankten entwickeln als Folge jedoch eine behandlungsbedürftige Depression. Die Erkrankung wird auch „PSD“ genannt (Abkürzung der englischen Bezeichnung „Post-Stroke-Depression“). Frauen haben möglicherweise ein etwas höheres Risiko als Männer, nach einem Schlaganfall eine Depression zu bekommen. Nicht immer werden Depressionen nach einem Schlaganfall erkannt und ausreichend behandelt. Umso wichtiger ist es, Anzeichen dafür ernstzunehmen. Depressionen treten meist in den ersten Wochen nach einem Schlaganfall auf. In dieser Zeit müssen Betroffene die Erfahrung verarbeiten, dass ihr Leben bedroht war, und sich von der körperlichen Belastung erholen.
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Symptome der Post-Stroke Depression
Die Symptome der Post-Stroke Depression gleichen den Symptomen und Anzeichen einer klassischen Depression und können eine Reihe von emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereichen betreffen.
- Niedergeschlagene Stimmung: Niedergeschlagenheit ist ein häufiges und belastendes Symptom bei der Post-Stroke Depression. Betroffene erleben oft ein tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit und negativer Verstimmung. Der Patient verliert das Interesse an einst genossenen Aktivitäten und kämpft mit Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit und einer Beeinträchtigung des individuellen Gefühlslebens.
- Interessenverlust: Interessenverlust ist bei Menschen mit Depressionen oft vorzufinden. Betroffene verlieren häufig das Interesse an ihren früheren Hobbys und Aktivitäten, was die Genesung erschweren kann.
- Energiemangel: Energiemangel ist ein häufiges Symptom der Post-Stroke Depression. Nach einem Schlaganfall fühlen sich Betroffene oft erschöpft und antriebslos.
- Schlafstörungen: Nach einem Schlaganfall erleben betroffene Menschen oft Schlafprobleme, welche die Genesung beeinträchtigen können.
- Gewichtsveränderungen: Gewichtsveränderungen treten in Zusammenhang mit Depressionen nicht selten auf. Einige Betroffene nehmen an Gewicht zu, während andere Gewicht verlieren.
- Konzentrationsprobleme: Konzentrationsprobleme sind ein sehr belastendes Anzeichen bei der Post-Stroke Depression. Viele Menschen haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu fokussieren und alltägliche Arbeiten auszuführen.
- Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle: Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle sind weitere tiefgreifende Symptome bei der Post-Stroke-Depression. Patienten fühlen sich nach einem Schlaganfall oft schuldig für ihre Erkrankung oder wertlos, da sie möglicherweise ihre Unabhängigkeit oder Rollenverpflichtungen nicht mehr erfüllen können.
- Körperliche Beschwerden: Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme sind häufige Begleiterscheinungen.
Wenn mehrere dieser Symptome mehr als zwei Wochen andauern, kann das ein Zeichen für eine Depression sein. Es ist wichtig, sich ärztlich beraten zu lassen, wenn man glaubt, dass es sich um eine Depression handeln könnte.
Behandlung von Angstzuständen und Depressionen nach einem Schlaganfall
Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für Angstzustände und Depressionen nach einem Schlaganfall. Die Wahl der Behandlung hängt von der Schwere der Symptome und den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab.
Psychotherapie
Eine Psychotherapie kann helfen, die Ursachen der Angstzustände zu erkennen und Strategien zur Bewältigung zu entwickeln. Besonders empfehlenswert ist eine Neuropsychologin oder einen Neuropsychologen, die gleichzeitig auch psychotherapeutisch arbeiten.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Die KVT hilft, negative Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Die Behandlung der PSD beinhaltet oft kognitive Therapieansätze, die darauf abzielen, die kognitiven Fähigkeiten und die Konzentration der Patienten zu verbessern.
- Gesprächstherapie: Die Gesprächstherapie bietet einen geschützten Raum, um über die eigenen Ängste und Sorgen zu sprechen und Unterstützung zu erhalten.
- Psychoedukation: Bei der Psychoedukation lernen Betroffene und Angehörige, die Erkrankung zu verstehen und mit den Folgen umzugehen.
Medikamentöse Behandlung
Antidepressiva können helfen, die Symptome von Angstzuständen und Depressionen zu lindern. Studien zeigen, dass Medikamente gegen Depressionen (Antidepressiva) Menschen helfen können, die nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt haben. Möglicherweise wirken sie sich auch auf die körperliche Genesung positiv aus. Am besten untersucht sind zwei Gruppen von Antidepressiva: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva. Sie gehören zu den bei Depressionen am häufigsten eingenommenen Wirkstoffen. Generell gilt: Je ausgeprägter die Depression, desto größer ist der Nutzen der Medikamente. Antidepressiva können unter anderem Benommenheit, Zittern und Verdauungsprobleme auslösen.
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Weitere Behandlungsansätze
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen. Dabei werden alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Anziehen oder Haushaltstätigkeiten geübt.
- Bewegungs- und Krafttraining: Bewegungs- und Krafttraining ist wichtig und kann sogar dazu beitragen, dass sich depressive Beschwerden bessern.
- Soziale Unterstützung: Eine gute soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Selbsthilfegruppen kann helfen, die Angstzustände zu bewältigen und die Lebensqualität zu verbessern.
Neuropsychologische Untersuchung
Infolge einer neurologischen Erkrankung können Aufmerksamkeit und Konzentration, Sprache und Gedächtnis beeinträchtigt bleiben. Auch die Fähigkeit zur emotionalen Kommunikation kann in Mitleidenschaft gezogen sein. In solchen Fällen spricht die Psychologie von den neuropsychologischen Folgen eines neurologischen Ereignisses. Dabei handelt es sich um Veränderungen, die nicht ohne weiteres offensichtlich sind. Dennoch können sie ihre Wucht entfalten, indem sie sowohl die kognitive Leistungsfähigkeit als auch das emotionale Erleben und Verhalten nachhaltig stören. Daher kann bei einer solchen Entwicklung eine ergänzende Abklärung durch eine neuropsychologische Untersuchung geboten sein.
Umgang mit Angstzuständen im Alltag
Neben professioneller Hilfe gibt es auch einige Dinge, die Betroffene selbst tun können, um mit ihren Angstzuständen umzugehen:
- Achtsamkeit: Achten Sie auf Ihre Gedanken und Gefühle und versuchen Sie, diese anzunehmen, ohne sie zu bewerten.
- Entspannungstechniken: Erlernen Sie Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder autogenes Training.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern.
- Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten.
- Ausreichend Schlaf: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und einen regelmäßigen Schlafrhythmus.
- Soziale Kontakte: Pflegen Sie soziale Kontakte und unternehmen Sie Dinge, die Ihnen Freude bereiten.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft vielen Menschen - auch Angehörigen - heraus aus der Isolation und lässt sie neuen Mut schöpfen.
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