Antikonvulsiva im Überblick

Antikonvulsiva sind eine heterogene Gruppe von Arzneimitteln, die zur Behandlung von Epilepsie und anderen Erkrankungen eingesetzt werden. Das erste Antikonvulsivum, Phenobarbital, wurde vor über 100 Jahren auf den Markt gebracht. Seitdem wurden viele neue Wirkstoffe entwickelt und zugelassen. Heute werden unter dem Oberbegriff „Antikonvulsiva“ sehr unterschiedliche Substanzen zusammengefasst, die sich chemisch, pharmakologisch und toxikologisch stark voneinander unterscheiden.

Anwendungsgebiete von Antikonvulsiva

Antikonvulsiva werden nicht nur bei Epilepsie, sondern in vielen Indikationsgebieten eingesetzt. Dabei handelt es sich oft um einen Off-Label-Gebrauch. In vielen Leitlinien gibt es jedoch positive Empfehlungen, gerade in Indikationen, in denen andere Therapieoptionen fehlen und eine Symptomlinderung erzielt werden kann. So entwickelten sich die „Antiepileptika“ zu einer vielseitig verwendeten Wirkstoffgruppe. Ähnliches gilt nur noch für Antidepressiva, die auch bei zahlreichen Indikationen - häufig off Label - eingesetzt werden.

Epilepsie

Antikonvulsiva sind bei vielen Epilepsieformen unverzichtbar, um Häufigkeit und Schwere der Krampfanfälle zu reduzieren. Die meisten Epilepsie-Medikamente werden zwei Mal täglich oder ein Mal Abends als Tablette geschluckt. Einige Medikamente sind auch als Saft oder als Spritze erhältlich. In Notfällen müssen die Medikamente meist von einer Ärztin/einem Arzt gespritzt werden, damit sie schnell und sicher wirken.

Neuropathische Schmerzen

Ein wichtiges Indikationsgebiet außerhalb der Epilepsie ist die Behandlung von neuropathischen Schmerzen, Post-Zoster-Schmerzen und Fibromyalgie. Antikonvulsiva vermindern die Weiterleitung von Schmerzreizen und können die neuronale Aktivität geschädigter Nervenzellen abschwächen. Antikonvulsiva wirken daher besonders auf neuropathische Schmerzen. Erzielt wird das durch die Blockade von spannungsabhängigen Ionenkanälen, sodass das Membranpotenzial des Neurons stabilisiert wird.

Migräne

Die Antikonvulsiva Valproat und Topiramat eignen sich nicht in der Akut-, sondern nur in der prophylaktischen Behandlung von Migräne. Die Wirkung zeigt sich erst nach etwa zweimonatiger regelmäßiger Einnahme. Als Wirkmechanismus werden auch hier die Blockade von Calcium- und Natriumkanälen (Inhibition der Exzitation), eine verstärkte neuronale Inhibition sowie die Modulation der Neurotransmitter diskutiert.

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Restless-Legs-Syndrom (RLS)

Nach neueren Erkenntnissen scheint bei dieser Erkrankung der Eisenstoffwechsel entscheidend zu sein, sodass eine Eisensubstitution das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung eines Restless-Legs-Syndroms (RLS) ist. Die Verschreibung von Gabapentinoiden bei RLS kann bei besonders schmerzhafter Ausprägung sowie bei Impulskontrollstörungen unter Dopaminagonisten oder einer Angsterkrankung als Komorbidität gerechtfertigt sein. Pregabalin ist bei moderatem bis schwergradigem RLS wirksam.

Essentieller Tremor

Weder die Ursache für essenziellen Tremor noch der genaue Wirkmechanismus der Pharmaka sind bekannt. Vermutet wird eine Kommunikationsstörung zwischen verschiedenen Hirnarealen wie Hirnstamm und Kleinhirn. Die Therapien sind rein symptomatisch. Medikamente erster Wahl zur Behandlung des essenziellen Tremors sind Propranolol sowie die Antikonvulsiva Primidon und Topiramat (beide off Label).

Angststörungen

Pregabalin (zugelassen bei GAD) stellt eine wesentlich günstigere Alternative zu Benzodiazepinen dar, insbesondere wenn selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) nicht gut vertragen wurden sowie in Kombination mit SSRI. Die Eindosierung sollte mit 25 mg begonnen und langsam gesteigert werden, um Sedierung und Benommenheit zu reduzieren oder zu vermeiden. Die Wirkung setzt innerhalb weniger Tage ein.

Bipolare affektive Erkrankung

Bei der bipolar affektiven Erkrankung wechseln Depressionen mit manischen oder hypomanischen Episoden ab. Um die Stimmung zu stabilisieren, kommen insbesondere Antikonvulsiva, Antipsychotika und Lithium in Betracht. Antikonvulsiva sind in der Evidenz gleichwertig zu Antipsychotika bei bipolar affektiver Erkrankung, wobei nur Quetiapin retard (akute Depression) und Lithium (Phasenprophylaxe) einen höheren Empfehlungsgrad als die Antikonvulsiva haben.

Wirkmechanismen von Antikonvulsiva

Alle Antikonvulsiva reduzieren die neuronale Entladungsfrequenz und erschweren die Reizweiterleitung. Unterteilen kann man Antikonvulsiva aufgrund von zwei unterschiedlichen Wirkmechanismen: Substanzen mit antiglutamaterger Wirkung (anti-exzitatorischer) und Substanzen mit GABA-erger (inhibitorischer) Wirkung.

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GABA-erge Antikonvulsiva

GABA-erge Antikonvulsiva wie Lorazepam, Diazepam oder Alprazolam haben ihre Bedeutung eher in der Anxiolyse, zum Beispiel bei Myokardinfarkt, vor Operationen oder in psychiatrischen Notfällen.

Antiglutamaterge Antikonvulsiva

Antiglutamaterge Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Lamotrigin, Topiramat, Pregabalin, Gabapentin oder Valproat kommen eher als Stimmungsstabilisatoren, in der Schmerztherapie als Koanalgetika und in der Migräneprophylaxe zum Einsatz.

Auswahl des Antikonvulsivums

Grundsätzlich muss die Auswahl des geeigneten Medikaments immer patientenindividuell erfolgen. Leidet ein Epilepsiepatient an Komorbiditäten, sollte dies bei der Auswahl des Antikonvulsivums immer berücksichtigt werden. So kann man eventuell synergistische Effekte nutzen und zudem unerwünschte Wirkungen auf die Begleiterkrankungen verhindern. Antikonvulsiva haben ein breites Interaktionsspektrum, sodass immer auch eine Komedikation bei der Auswahl des Antikonvulsivums berücksichtigt werden muss.

Levetiracetam

Levetiracetam ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Antiepileptika (Medikamente gegen Epilepsie, auch Antikonvulsiva genannt). Seine Wirkung vermittelt es hauptsächlich, indem es die Menge gewisser Botenstoffe des Nervensystems (Neurotransmitter) verringert.

Darreichungsformen und Anwendung

Levetiracetam ist in den Darreichungsformen Filmtablette (250, 500, 750, 1000 mg), Lösung zum Einnehmen (100 mg/mL) und Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung (100 mg/mL) erhältlich. Die Filmtabletten müssen zusammen mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen und als Ganzes geschluckt werden. Die Einnahme kann dabei nahrungsunabhängig erfolgen. Patienten, die die Tabletten nicht als Ganzes schlucken können, oder Patienten, für die die passende Dosis nicht mit ganzen Tabletten zusammengestellt werden kann, sollten die Lösung zum Einnehmen verwenden. Nach der oralen Einnahme kann der bittere Geschmack von Levetiracetam wahrnehmbar sein.

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Die Dosierung beträgt normalerweise zwischen 500 und 1500 Milligramm Levetiracetam, wird jedoch individuell vom Arzt festgelegt. So muss die Dosis etwa bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen sowie bei Kindern und Jugendlichen verringert werden. Die Einnahme von Levetiracetam-Tabletten und -Trinklösungen erfolgt in der Regel zweimal täglich unabhängig von den Mahlzeiten und immer zur ungefähr gleichen Zeit. Soll der Wirkstoff abgesetzt werden, sollte dies "ausschleichend" (nicht abrupt) erfolgen. Das bedeutet, dass die Dosis schrittweise reduziert wird.

Wirkmechanismus

Levetiracetam und das ebenfalls antikonvulsiv wirkende Analogon Brivaracetam binden an das synaptische Vesikelprotein 2A (SV2A), ein transmembranäres Glykoprotein, das im zentralen Nervensystem (ZNS) eine elementare Rolle bei der Regulation der Neurotransmitterfreisetzung einnimmt. Darüber hinaus zeigen in-vitro-Daten, dass Levetiracetam die intraneuronalen Ca2+-Spiegel beeinflusst, indem der durch N-Typ-Kanäle vermittelte Ca2+-Strom partiell inhibiert sowie die Freisetzung von Ca2+ aus intraneuronalen Speichern vermindert wird.

Pharmakokinetik

Die maximalen Plasmakonzentrationen (cmax) betragen etwa 31 bzw. 43 μg/mL nach einer Einmalgabe von 1000 mg bzw. Die Ausscheidung erfolgt mit ca. Die kumulierte renale Ausscheidung von Levetiracetam und seinem primären Metaboliten innerhalb der ersten 48 Stunden liegt bei 66% bzw. Die renale Clearance von Levetiracetam und ucb L057 beträgt 0,6 bzw.

Eingeschränkte Nierenfunktion

Die Gesamtkörperclearance von Levetiracetam und seinem primären Metaboliten korreliert mit der Kreatinin-Clearance, weshalb empfohlen wird, die tägliche Erhaltungsdosis von Levetiracetam entsprechend der Kreatinin-Clearance bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Nierenfunktionsstörung anzupassen. Bei anurischen erwachsenen Patienten mit Nierenerkrankungen im Endstadium beträgt die Halbwertszeit ca. 25 Stunden zwischen zwei Dialysevorgängen bzw. 3,1 Stunden während einer Dialyse. Die Tagesdosis muss individuell entsprechend der Nierenfunktion festgelegt werden. Die Dosisanpassung sollte gemäß der Tabellen in der Fachinformation vorgenommen werden.

Eingeschränkte Leberfunktion

Bei Patienten mit leichter bis mäßiger Beeinträchtigung der Leberfunktion ist die Clearance von Levetiracetam nur unwesentlich verändert. Dosiserhöhungen bzw. Bei Patienten mit leicht bis mäßig eingeschränkter Leberfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Levetiracetam wird nicht extensiv metabolisiert und bei der Bildung des primären Metaboliten ucb L057 sind keine Isoformen des Cytochrom P450-Systems der Leber beteiligt.

Wechselwirkungen

Methotrexat (MTX): Es wurde berichtet, dass sich bei gleichzeitiger Anwendung von Levetiracetam und Methotrexat die Methotrexat-Clearance verringert. Dies führt zu einer Erhöhung/Verlängerung der Methotrexatkonzentration im Blut bis hin zu potentiell toxischen Konzentrationen.

Sie dürfen Macrogol (ein Arzneimittel, das als Abführmittel verwendet wird) eine Stunde vor und eine Stunde nach der Einnahme von Levetiracetam nicht einnehmen, da es dessen Wirkung herabsetzen kann.

Kontraindikationen

Levetiracetam darf nicht eingenommen werden, wenn Sie allergisch gegen Levetiracetam, Pyrrolidonderivate oder einen der sonstigen Bestandteile dieses Arzneimittels sind.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker, bevor Sie Levetiracetam einnehmen:

  • Falls Sie an Nierenbeschwerden leiden: Beachten Sie in diesem Fall die Anweisungen Ihres Arztes. Er/Sie wird dann entscheiden, ob Ihre Dosis angepasst werden muss.
  • Falls Sie bei Ihrem Kind eine Verlangsamung des Wachstums beobachten oder die Pubertät ungewöhnlich verläuft, benachrichtigen Sie bitte Ihren Arzt.
  • Eine geringe Anzahl von Patienten, die mit Antiepileptika wie Levetiracetam behandelt wurden, dachten daran, sich selbst zu verletzen oder sich das Leben zu nehmen. Wenn Sie irgendwelche Anzeichen von Depression und/oder Suizidgedanken haben, benachrichtigen Sie bitte Ihren Arzt.
  • Wenn Sie eine familiäre Vorgeschichte oder Krankengeschichte mit unregelmäßigem Herzschlag haben (sichtbar im Elektrokardiogramm) oder wenn Sie eine Erkrankung haben und/oder eine Behandlung erhalten, die Sie anfällig für einen unregelmäßigen Herzschlag oder Störungen des Salzhaushaltes machen.
  • Ungewöhnliche Gedanken, Reizbarkeit oder aggressivere Reaktionen als gewöhnlich, oder wenn Sie oder Ihre Familie und Freunde wesentliche Veränderungen der Stimmung oder des Verhaltens bemerken.
  • Verschlechterung der Epilepsie Ihre Anfälle können sich in seltenen Fällen verschlechtern oder häufiger auftreten. Dies geschieht hauptsächlich im ersten Monat nach Beginn der Behandlung oder bei einer Erhöhung der Dosis. Bei einer sehr seltenen Form einer früh einsetzenden Epilepsie (einer Epilepsie verbunden mit Mutationen im Gen SCN8A), die mit mehreren Arten von Anfällen und dem Verlust von Fähigkeiten einhergeht, werden Sie vielleicht merken, dass die Anfälle während der Behandlung bestehen bleiben oder schlimmer werden. Wenn Sie während der Einnahme von Levetiracetam eines dieser neuen Symptome verspüren, suchen Sie so schnell wie möglich einen Arzt auf.

Levetiracetam darf nicht zur alleinigen Behandlung (Monotherapie) bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren angewendet werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Wenn Sie schwanger sind oder stillen, oder wenn Sie vermuten, schwanger zu sein oder beabsichtigen, schwanger zu werden, fragen Sie vor der Einnahme dieses Arzneimittels Ihren Arzt oder Apotheker um Rat. Levetiracetam darf in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn Ihr Arzt dies nach sorgfältiger Abwägung für erforderlich hält. Sie dürfen Ihre Behandlung nicht ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Arzt abbrechen. Ein Risiko von Geburtsfehlern für Ihr ungeborenes Kind kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Levetiracetam wird in die Muttermilch ausgeschieden, weshalb das Stillen nicht empfohlen wird.

Levetiracetam darf auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Der Wirkstoff ist hier neben Lamotrigin das Antiepileptikum der Wahl, wenn eine medikamentöse Behandlung der Epilepsie notwendig ist. Bisher wurde keine fruchtschädigende Wirkung durch die Behandlung festgestellt. Auch in der Stillzeit kann Levetiracetam eingesetzt werden. Da es in die Muttermilch übertritt, wird aber vom Stillen während der Anwendung abgeraten. Gelegentlich wurden Anpassungsstörungen beim Neugeborenen verzeichnet. Das Risiko einer Medikamenteneinnahme in Schwangerschaft und Stillzeit wird stets gegen das Risiko einer unbehandelten Epilepsie abgewogen.

Verkehrstüchtigkeit und Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen

Levetiracetam hat geringe bis mäßige Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Aufgrund einer möglichen individuell unterschiedlichen Empfindlichkeit können bei einigen Patienten insbesondere zu Behandlungsbeginn oder nach einer Dosissteigerung Somnolenz oder andere zentralnervöse Störungen auftreten. Deshalb ist bei Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordern, Vorsicht geboten. Levetiracetam kann Ihre Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs oder zum Bedienen von Werkzeugen oder Maschinen beeinträchtigen, denn Sie können sich bei der Behandlung mit Levetiracetam müde fühlen. Dies gilt besonders zu Behandlungsbeginn oder nach einer Dosissteigerung.

Nebenwirkungen

Sehr häufig, das heißt bei mehr als zehn Prozent der Behandelten, ruft Levetiracetam Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Schläfrigkeit hervor. Häufig, also bei einem bis zehn Prozent der Behandelten, kommt es durch die Einnahme des Arzneimittels zu Angststörungen, depressiven Verstimmungen, Gewichtsabnahme und Magen-Darm-Beschwerden. Beim abrupten Absetzen von Levetiracetam kann es durch das plötzliche Fehlen des Wirkstoffs zu vermehrten Krampfanfällen kommen. Deshalb sollte die Dosis stets schrittweise reduziert werden, wenn die Anwendung beendet werden soll.

Allgemeine Hinweise zur Einnahme von Antikonvulsiva

Einige Epilepsie-Medikamente reagieren sehr empfindlich auf Dosisänderungen bei deren Einstellung. Schon eine Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Nachahmerpräparat kann eine gute Einstellung nachhaltig verändern und dadurch zu einer zu schwachen oder zu starken Wirkung führen. Sollten Sie trotz einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme unter Anfällen leiden, scheuen Sie sich nicht mit Ihrer behandelnden Ärztin/ihrem behandelnden Arzt zu sprechen.

Noch wichtiger als der gleichmäßige Abstand zwischen den Einnahmen ist es, die Einnahmen nicht zu vergessen. Gewöhnen Sie sich am besten eine Routine an und nehmen Sie die Medikamente zum Beispiel jeweils vor dem Frühstück und dem Abendessen ein. So stellen Sie sicher, dass Sie keine Einnahme vergessen und die Medikamente regelrecht wirken.

Die Medikamente gegen Epilepsie wirken gut, wenn sie regelmäßig und dauerhaft eingenommen werden. Epilepsie-Medikamente werden über Jahre hinweg genommen. Wenn Sie die Medikamenteneinnahme einmal vergessen, heißt das nicht, dass sofort ein Anfall auftritt. Je häufiger Sie die Medikamenteneinnahme jedoch vergessen, desto stärker steigt das Risiko, dass Sie einen Anfall erleiden werden. Mit dem Anfallsrisiko steigt auch die Gefahr für (schwere) Verletzungen während eines Anfalls.

Das Ziel einer Behandlung von Epilepsie ist Anfallsfreiheit, weil nur durch die Anfallsfreiheit eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann. Patienten, die trotz ihrer Behandlung noch Anfälle haben, wird empfohlen, einen Epilepsie-Spezialisten aufsuchen.

Lagerung: Lagern Sie die Medikamente an Orten, an denen Sie sie einzunehmen beabsichtigen. Wenn Sie die Medikamente zum Beispiel in Ihrem Büro einnehmen, lagern Sie sie dort.

Epilepsie im Überblick

Epilepsie ist eine Erkrankung, bei der beide Gehirnhälften oder einzelne Bereiche vorübergehend übermäßig oder fehlerhaft aktiv sind und zu viele Signale abgeben. Dadurch kommt es zu einem sogenannten epileptischen Anfall. Wie sich dieser genau äußert, hängt davon ab, welche Nervenzellgruppen im Gehirn betroffen sind und welche Funktionen diese haben. Manchmal zucken nur einzelne Muskeln, es kann aber auch der gesamte Körper krampfen, was zur Bewusstlosigkeit führen kann. Somit können bei Erkrankten neben motorischen auch sensorische, vegetative und psychische Symptome bei einem epileptischen Anfall auftreten.

Bei einem ersten Krampfanfall spricht man noch nicht von Epilepsie. Laut der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) definiert sich Epilepsie dadurch, dass mindestens 2 epileptische Anfälle ohne erkennbare Auslöser im Abstand von mehr als 24 Stunden stattgefunden haben oder ein Anfall, bei dem es Hinweise für eine Neigung zu weiteren Anfällen gibt. Epilepsie ist dabei verbreiteter, als man denkt. Rund 0,5 bis 0,9 % Prozent der deutschen Bevölkerung leidet laut der DGN an einer Form von Epilepsie. Am häufigsten tritt die Erkrankung in Kindheit und Jugend sowie in höheren Lebensalter auf.

Epilepsie muss keine lebenslange Erkrankung sein. Sind Patienten mindestens 10 Jahre anfallsfrei und nehmen sie seit mindestens 5 Jahre keine Antiepileptika mehr ein, gilt die Epilepsie als überwunden. Allerdings ist in diesen Fällen nicht bekannt, wie hoch das Rezidivrisiko (Rückfallrisiko) ist.

Anfallsformen

Grundsätzlich kann man zwischen fokalen und generalisierten epileptischen Anfällen unterscheiden. Diese können wenige Sekunden bis mehrere Minuten andauern. Hält ein epileptischer Anfall länger als 5 Minuten an, spricht man von einem „Status epilepticus“. In der Regel haben Menschen mit Epilepsie zwischen den Anfällen keine körperlichen Beschwerden.

  • Aura: Manche Patienten berichten vor dem sichtbaren Anfall über eine sogenannte Aura, einem „Vorgefühl“ vor dem Anfall. Das können z. B. ein bestimmtes Gefühl, ein Geruch, Geschmack oder auch Lichtblitze sein.
  • Fokale Anfälle: Diese entstehen in einem bestimmten Bereich des Gehirns. Je nachdem, wofür der Hirnbereich zuständig ist, kommt es zum Beispiel zum Zucken eines Arms (motorischer Anfall), einer Gefühlsstörung (sensorischer Anfall) oder einer Veränderung des Sehens (visueller Anfall). Fokale Anfälle können mit Zuckungen oder Krämpfen einhergehen und sich in einigen Fällen auf das gesamte Hirn ausbreiten. Dann wird der zunächst fokale Anfall zu einem generalisierten Anfall. Manchmal können fokale Anfälle das Bewusstsein einschränken.
  • Generalisierte Anfälle: Diese Anfälle erfassen beide Gehirnhälften. Sie sind nicht unbedingt schwerer als fokale Anfälle, es kommt jedoch häufiger zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen im ganzen Körper. Zu den motorischen generalisierten Anfällen zählen u. a.:
    • Tonisch-klonische Anfälle (Grand-Mal-Anfälle)
    • Klonische Anfälle
    • Tonische Anfälle
    • Atonische Anfälle
  • Status epilepticus: Selten hält ein epileptischer Anfall lange an. Wenn er länger als 5 Minuten dauert oder eine Serie von Anfällen auftritt, spricht man von einem „Status epilepticus“. Dies ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der schnell mit Medikamenten behandelt werden muss.
  • Absencen: Diese generalisierten Anfälle sind charakterisiert durch eine Bewusstseinspause, meist ein kurzes Innehalten.

Diagnose

Um die Diagnose Epilepsie zu stellen, ist vor allem die Krankengeschichte wichtig: Wann und unter welchen Umständen ist der Anfall aufgetreten? Wie hat er sich geäußert? Hier ist es hilfreich, dass eine Person mit zum Arzttermin kommt, die den Anfall miterlebt hat und ihn beschreiben kann. Auch wird bei einem Epilepsie-Verdacht eine körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt und ein Elektroenzephalogramm (EEG) gemacht, das auf eine erhöhte Anfallsneigung hindeuten kann. Ein EEG allein reicht aber für die Diagnose Epilepsie nicht aus. Daher gehört eine Magnetresonanztomografie (MRT) grundsätzlich zur Absicherung einer Epilepsie-Diagnose. Dabei können Veränderungen im Gehirn entdeckt werden, die die Anfälle auslösen könnten.

Therapie

In der Regel ist nach dem zweiten Anfall eine medikamentöse Behandlung mit Antiepileptika erforderlich, bei hohem Risiko auch schon nach dem ersten. Die Therapie muss über mindestens 2 Jahre durchgeführt werden, oft sogar lebenslang. Die Therapie erfolgt mit Antiepileptika (Arzneimittel, die epileptische Anfälle unterdrücken). Es sollte zunächst versucht werden, mit nur einem Antiepileptikum auszukommen (Monotherapie). Erst wenn die Dosis wegen starker Nebenwirkungen nicht mehr erhöht werden kann und die Person immer noch nicht anfallsfrei ist, sollte das Arzneimittel gewechselt oder eine Kombination unterschiedlicher Medikamente versucht werden. Das Ansetzen, Umstellen oder Absetzen der Antiepileptika erfolgt in der Regel schrittweise („Ein-, Ausschleichen“). Um die richtige Dosis zu finden, wird der Arzneimittelspiegel regelmäßig kontrolliert.

Pflegerische Maßnahmen während eines Anfalls

Während eines Krampfanfalls gilt es, den Betroffenen vor weiteren Gefahren zu schützen. Das umfasst:

  • Atemwege sichern
  • Gegenstände aus dem Weg räumen
  • Betroffene zur Sturzprävention auf den Boden gleiten lassen
  • Den Kopf abpolstern, um ihn vor Verletzungen zu schützen.

Keinesfalls sollten die Betroffenen festgehalten werden oder ihnen ein Beißkeil in den Mund geschoben werden, weil dadurch Lippen, Zähne und Gaumen verletzt werden können. Auch sollten ihnen wegen der Aspirationsgefahr keine Flüssigkeiten oder Arzneimittel oral eingeflößt werden.

Pflegekräfte sollten während des Krampfanfalls unbedingt die Ruhe bewahren und beruhigend auf den Patienten einwirken. Sie sollten ihn nicht allein lassen und bei unklarer Diagnose sofort einen Arzt benachrichtigen. Auch sollten sie den Betroffenen gut beobachten, damit sie die Dauer, Uhrzeit, den Ablauf und die Besonderheiten des Krampfanfalls später genau dokumentieren können.

Nach dem Anfall sollten die Pflegenden die Betroffenen in die stabile Seitenlage bringen, bis sie ihr Bewusstsein vollständig wiedererlangt haben (Aspirationsprophylaxe) und ggf. Erbrochenes entfernen. Bei Bedarf: Mund- und Körperpflege durchführen, Wäsche nach unkontrolliertem Urinabgang wechseln, Mundraum auf Zungen- oder Wangenbiss kontrollieren, für Ruhe sorgen sowie Bewusstsein und Vitalzeichen engmaschig überwachen.

Grundsätzlich gilt: Ein epileptischer Anfall, der maximal 2 Minuten dauert, kann nicht medikamentös unterbrochen werden.

Was tun beim Status epilepticus?

Ein Status epilepticus (Anfall ≥ 5 Min. oder Serie von Anfällen ohne zwischenzeitliche Erholung) ist lebensbedrohlich und muss immer medikamentös unterbrochen werden. Ein Status epilepticus kann dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, sodass Herz und Lunge versagen.

Prävention und Gesundheitsberatung

Ein wichtiger Aspekt in der Betreuung von Menschen mit Epilepsie ist die Prävention. Betroffene sollten einen regelmäßigen Tagesablauf einhalten und anfallsauslösende Faktoren meiden, z. B. Schlafentzug, Flackerlicht (Diskothek, Videospiele) oder Alkohol in größeren Mengen. Wird ein regelmäßiger Anfallskalender geführt, ist es möglich, Auslöser und Medikamentenwirkungen nachvollziehen zu können. Zudem sollten Betroffene immer einen Notfallausweis mit Erste-Hilfe-Maßnahmen mitführen und Kollegen bzw. Lehrer informieren.

Wichtig ist auch, die Betroffenen im Umgang mit Antiepileptika zu schulen: Diese dürfen nicht eigenmächtig umgestellt oder abgesetzt werden. Oft gibt es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, z. B. gegen Schmerzen oder Fieber. Hier sollte der behandelnde Arzt gefragt werden, welche zusätzlichen Medikamente eingenommen werden können. Auch sollten die Betroffenen Kenntnis über mögliche Nebenwirkungen haben. Alle behandelnden Ärzte sollten über die Epilepsie informiert sein. Sinnvoll sind auch spezielle Schulungsprogramme. Anzustreben ist ein selbstbestimmtes, weitgehend „normales“ Leben mit Epilepsie.

Dennoch sollten die Betroffenen:

  • sich mit Alkohol zurückhalten,
  • keinen Beruf mit erhöhter Selbst- oder Fremdgefährdung (z. B. Kraftfahrer) oder unregelmäßiger Lebensführung (Schichtarbeit) wählen,
  • keinen Sport mit erhöhter Selbst- oder Fremdgefährdung treiben.

Das Führen eines (Privat-)Fahrzeugs ist nur erlaubt, wenn Anfallsfreiheit von wenigen Monaten bis 2 Jahren (je nach Erkrankungsform) und ein unauffälliges EEG vorliegen. Schwangerschaften sind in aller Regel möglich. Frauen sollten vorher Rücksprache mit dem Arzt halten, um ggf.

Lebenserwartung

Eine Epilepsie kann die Lebenserwartung verkürzen, muss es aber nicht. Das hängt stark von der Ursache und der Grunderkrankung ab. Hat die Epilepsie z. B. eine genetische Ursache haben die Betroffenen eine ähnliche Lebenserwartung wie Menschen ohne Epilepsie. Die Epilepsie selbst kann jedoch zum Tod führen, wenn jemand aufgrund eines Anfalls einen Unfall hat und sich lebensgefährlich verletzt oder es beim Status epilepticus zu Herz- und Lungenversagen kommt.

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